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Veröffentlicht am 03.01.2021

Spannender, aktueller Klimawandel Thriller von Tom Roth

CO2 - Welt ohne Morgen
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Im Thriller "CO2 - Welt ohne Morgen" werden die fünfzehnjährige Hannah aus Berlin und elf weitere Kinder aus einem Klima-Camp auf Heron Island in Australien entführt. Auch Nicolas Porté, der Organisator ...

Im Thriller "CO2 - Welt ohne Morgen" werden die fünfzehnjährige Hannah aus Berlin und elf weitere Kinder aus einem Klima-Camp auf Heron Island in Australien entführt. Auch Nicolas Porté, der Organisator dieses Klima-Camps und Initiator von Life of Tomorrow, dessen Vater ein reicher Unternehmer ist, verschwindet. Die Entführer drohen, jede Woche ein Kind vor laufender Kamera sterben zu lassen, sofern sich die Weltgemeinschaft nicht auf extreme Klimaziele einigen kann. Während die Politiker auf diese Drohung taktierend und sich positionierend reagieren, suchen Ermittler verschiedenster Organisationen - u.a. Walter Gilman von der Australian Federal Police sowie Brad Walker vom FBI - in Australien mit Hochdruck nach den vermissten Kindern. Und auch Hannahs Onkel Marc - ein ehemaliger Kriegsreporter - macht sich auf die Suche nach seiner entführten Nichte.

An der Art von Tom Roth seine Geschichte zu erzählen, hat mir neben dem hohen Erzähltempo besonders der große Abwechslungsreichtum gefallen. So spielt "CO2 - Welt ohne Morgen" an verschiedenen Schauplätzen - wie etwa Heron Island in Australien oder auch Tofino, Vancouver Island. Man erlebt Taxifahrten in Kampala, Uganda und besucht Altbauwohnungen und einen Döner-Imbiss in Berlin Kreuzberg. Zudem wechseln die Perspektiven der kurzen Kapitel. So wird etwa die Entführung der Teenager aus dem Klima-Camp in Australien aus Sicht von Hannah geschildert und in den darauf folgenden Kapiteln erleben wir Hannahs Mutter sowie Hannahs Onkel, wenn sie von dieser Entführung sowie der Forderung der Entführer erfahren.
Darüber hinaus wird die Geschichte in geschickter Weise auf zwei Zeitebenen erzählt. Neben dem Hier und Jetzt der Entführung wird ein Teil der Geschichte als Rückblick aus dem Jahr 2040 geschildert, wenn Marc von der jungen Reporterin Susie Reynolds auf Nordfriesland besucht wird, die ihn zu der damaligen Entführung interviewen will, um die wahre Geschichte zu erfahren.

Die gelungenen, detaillierten Beschreibungen von "CO2 - Welt ohne Morgen" haben mich sehr angesprochen, wie ein Gesicht, in dem "schwer zu lesen ist, weil es wie eine Leinwand ist, die zu oft übermalt worden war". Und auch die wunderschönen Natur Beschreibungen - etwa der zerklüfteten Küste des Clayoquot Sound, wo Marc zu Beginn des Thrillers als Selbstversorger lebt - haben mir ausgesprochen gut gefallen.

Besonders stark finde ich "CO2 - Welt ohne Morgen", wenn der Klimawandel - wie der Clean Development Mechanism oder der Handel mit CO2-Zertifikaten - thematisiert wird. Auch wenn in der Danksagung betont wird, dass diese stark verkürzt und vereinfacht dargestellt werden, so finde ich deren Erklärung dennoch sehr interessant. Zudem merkt man Tom Roth, der sogar an der Universität zum Klimawandel und zu CO2-Zertifikaten geforscht hat, deutlich an, wie gut er sich mit diesen Themen auskennt. Und dass Korallen mittels in die Atmosphäre aufsteigender Schwefelverbindung ihr eigenes Wetter erzeugen können, fand ich sehr spannend und war mir neu.

Darüber hinaus finde ich "CO2 - Welt ohne Morgen" ausgesprochen gelungen, wenn die vierte Gewalt behandelt wird, weil man auch da dem Autor seine langjährige Erfahrung als Journalist deutlich anmerkt. Beispielsweise wird eindringlich geschildert, wie Marc sich an seine Zeit in Ost-Aleppo im Krieg erinnert und wie er Fotos von in Tüchern gewickelten Leichen nach einem Bombenanschlag gemacht hat. Ferner finde ich die Darstellung, wie die Medien mobilisiert werden, um Druck auf eine hinsichtlich Hannahs Entführung recht untätige Regierung auszuüben, sehr treffend.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für den spannenden Thriller "CO2 - Welt ohne Morgen" von Tom Roth, den ich ab "Lorenzo 2 Tage" kaum noch aus der Hand legen konnte. Zudem hat mir die schlüssige, in sich stimmige Auflösung dieses Thrillers sehr zugesagt.
Auch liebe ich Sprichwörter und Redewendungen. Insofern waren für mich das Maori-Sprichwort: "Gehe in das Tal der Vorfahren. Lerne aus der Geschichte." sowie die chinesische Redewendung "Angst klopft an. Vertrauen öffnet. Keiner war draußen.", die ich beide noch nicht kannte, mir aber ausgesprochen gut gefallen, tolle Extras.
Ich persönlich hätte mir gewünscht, mehr über die charmante, charismatische, manipulative Seite des schwedischen Unternehmers Emil Sandberg, der mit seinem Start-up Brövägtull Handel mit CO2-Zertifikaten betreibt, zu erfahren. Und dafür dass sämtliche Personen in "CO2 - Welt ohne Morgen" frei erdacht und erfunden sind, erinnert mich die Kanzlerin in diesem Thriller leider zu stark an Angela Merkel - was mir persönlich leider nicht so gut gefallen hat. Da wären mir deutlichere Unterschiede - und eine größere Entfernung zur realen Vorlage - lieber gewesen. Aber das ist Kritik auf ganz hohem Niveau an einem wirklich gelungenen Thriller von Tom Roth.

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Ungewöhnlicher, fesselnder Auftakt einer Trilogie von Tim Macgabhann

Der erste Tote
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Der Reporter Andrew und der Fotograf Carlos finden bei der Arbeit an einem Porträt von Poza Rica - einer heruntergekommenen Erdölmetropole in Veracruz, im Osten Mexikos - die Leiche des grausam ermordeten ...

Der Reporter Andrew und der Fotograf Carlos finden bei der Arbeit an einem Porträt von Poza Rica - einer heruntergekommenen Erdölmetropole in Veracruz, im Osten Mexikos - die Leiche des grausam ermordeten Studenten und Umweltaktivisten Julían Gallardo. Nachdem sie dabei von Cops überrascht werden, kehrt Andrew nach Mexiko City zurück. Doch Carlos muss den Hintergründen der Ermordung von Julían Gallardo auf den Grund gehen und bezahlt dies mit dem Leben, so dass nun Andrew die Story zu recherchieren beginnt - auf der Suche nach den Mördern von Julían Gallardo und Carlos, der nicht nur sein Freund, sondern auch sein Geliebter gewesen ist.

Mir haben die anschaulichen wie realistischen, teils ausgefallenen, stets jedoch detailreichen Beschreibungen von Tim Macgabhann, die etwa Poza Rica, Veracruz oder auch Mexiko City lebendig werden lassen, ausgesprochen gut gefallen. Der "erste Tote" zeichnet sich meiner Ansicht nach durch einen besonderen, außergewöhnlichen Schreibstil aus, der durch einzigartige Beschreibungen wie etwa von "Fahrbahnmarkierungen, die an zerrissene Gedankenstriche erinnern" oder auch einem Bolero mit "mandelfarbenen Gitarrenklängen" und "Kies, der unter den Reifen knirscht, wie eine aus der Rille gesprungene Plattenspielernadel" geprägt ist.

Der Fotograf Carlos ist ein charismatischer, faszinierender Charakter, wie ich finde, der nicht nur über einen äußerst beeindruckenden Lebenslauf verfügt, sondern gleichermaßen unerschrocken wie chaotisch ist, wovon die umfangreiche Sammlung von Kaffeebechern zeugt, die Andrew auch nach Carlos Tod weiterhin begleitet.
Tim Macgabhann schildert in nachvollziehbarer, authentischer Weise, wie schwer Andrew mit Carlos Tod zu kämpfen hat und wie sehr er ihm fehlt. Mir zumindest ist es nahe gegangen, wenn Tim Macgabhann den letzten Aufenthalt von Andrew in Carlos Wohnung beschreibt, wobei Andrew Carlos Haare aus dem Badezimmer mitnimmt und die Finger auf die Vertiefungen, die Carlos Finger im Haarwachs hinterlassen haben, legt.
Zudem hat mir sehr gut gefallen, dass man in Erinnerungen von Andrew mehr über Carlos und über seine Beziehung zu Carlos erfährt - etwa wie die beiden sich in Durango kennengelernt haben, als sich Carlos dort nach einer Auseinandersetzung mit Cops versteckt gehalten hat und Andrew ihn interviewen sollte, oder auch von einem Spaziergang zu den Wandgemälden am Teatro - einem von Andrews Lieblingsorten - in Carlos ersten Tagen in Mexiko City.

Auch dass der erste Tote in Mexiko - u.a. in Poza Rica, Mexiko City und Ciudad Juárez - spielt, hat mich sehr angesprochen. Das würde nicht nur das schöne, außergewöhnlich gestaltete Cover mit einschließen, sondern auch die gute mexikanische Küche etwa in Gestalt von Quesadillas, reifen Mangos und Avocados, darüber hinaus aber auch die allgegenwärtige Kriminalität, die sich auch darin zeigt, wie leicht sich Andrew eine Smith & Wesson Bodyguard kaufen kann, sowie den hohen Drogenkonsum.
Als cleveren Schachzug von Tim MacGabhann habe ich es empfunden, dass Andrew vieles, was vielleicht vielen Mexikaner bekannt ist, im Verlauf seiner Recherche berichtet und erklärt wird bzw. er sich über gegoogelte in kursiv eingebaute Artikel und Reportagen selbst anliest. So ist der "erste Tote" meiner Ansicht nach auch für jeden, dem wenig über Mexiko und die dortigen Verhältnisse bekannt ist, geeignet. So erläutert etwa Carlos Andrew bei ihrem ersten Treffen im Rahmen des von Andrew geführten Interviews den Zusammenhang zwischen El Chapo, Cops, Lokalpolitikern und Geschäftsleuten.

Wer einen klassischen Thriller erwartet, wird vermutlich von "der erste Tote" enttäuscht werden. Dass der Protagonist Andrew kein Polizist oder Detektiv ist, sondern Journalist, der recherchiert und seiner Story nachgeht, gibt "dem ersten Toten" einen anderen Ansatz und Blickwinkel.
Meiner Ansicht nach ist dieser Roman von Tim Macgabhann gerade dann besonders stark, wenn es um Journalismus und Reporter geht - etwa in Gestalt der in kursiv eingestreuten Artikel bzw. Ausschnitte von Artikeln und Reportagen, die Andrew im Verlauf seiner Recherche liest bzw. selbst verfasst, oder aber auch in den Begegnungen mit dem Reporter Francisco Escárcega, der nach Carlos auch Andrew bei seiner Recherche unterstützt. Da merkt man Tim MacGabhann seine langjährige Erfahrung als Journalist und Tätigkeit u.a. für den Esquire, Reuters, The Washington Post und Al Jazeera deutlich an.

Der Schreibstil von Tim MacGabhann ist ungewöhnlich. Er hat seine eigene Art, seine Geschichte in außergewöhnlichen Beschreibungen und teils in sehr harter Sprache zu erzählen. Dabei folgt er seinem eigenen Rhythmus in seinem speziellen Erzähltempo und mixt dabei in einzigartiger Weise verschiedene Stile - nicht ohne den ein oder anderen Stilbruch zu verursachen. Das ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache - und auch ich habe ein wenig gebraucht, um mit dieser Art des Erzählens warm zu werden, aber letztlich hat mir "der Erste Tote" ausgesprochen gut gefallen.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Spannender, düsterer Auftakt der Kate Marshall-Reihe

So blutig die Nacht
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Im Herbst 1995 arbeitet Detective Constable Kate Marshall zusammen mit ihrem Boss Detective Chief Inspector Peter Conway am Fall des Nine Elms Cannibal, als sein viertes Opfer gefunden wird. Nach der Rückfahrt ...

Im Herbst 1995 arbeitet Detective Constable Kate Marshall zusammen mit ihrem Boss Detective Chief Inspector Peter Conway am Fall des Nine Elms Cannibal, als sein viertes Opfer gefunden wird. Nach der Rückfahrt vom Tatort gelingt es Kate Peter Conway als Nine Elms Killer zu überführen, wobei sie jedoch fast von ihm getötet wird. 15 Jahre später ist Peter Conway in der psychiatrischen Anstalt Great Barwell inhaftiert. Kate lebt in einem Haus auf den Klippen und unterrichtet - unterstützt von ihrem jungen Assistenten Tristan - Kriminologie an der Universität Ashdean. Dort wird sie von Malcolm Murray kontaktiert, der sie bittet sich den Fall seiner Tochter Caitlyn, die vor 20 Jahren verschwunden ist, anzusehen - insbesondere im Hinblick auf einen Zusammenhang zu Peter Conway. Zudem wird Kate vom Rechtsmediziner Alan Hexham zu einem aktuellen Fall hinzugezogen, bei dem ein Nachahmungstäter des Nine Elms Cannibal sein Unwesen zu treiben scheint.

An "So blutig die Nacht" haben mir die atmosphärischen, düsteren, detailreichen Beschreibungen besonders gut gefallen. So kommt schon gleich im ersten Kapitel eine beklemmende Stimmung auf, wenn die Hilflosigkeit und Scham der Protagonistin Kate Marshall greifbar werden, als sie ein schmieriger Geschäftsmann in einer Bahnhofsunterführung anmacht, während sie auf ihren Boss Peter Conway wartet.

Zudem finde ich die sorgfältigen Charakterisierungen von Robert Brynzda sehr gelungen. Dies würde nicht nur die authentische, starke Protagonistin Kate und den psychopatischen Antagonisten Peter betreffen, sondern insbesondere auch den sympathischen Gerichtsmediziner Alan Hexham sowie Peters abstoßende Mutter Enid mit einschließen. An Kate hat mich besonders angesprochen, dass sie ein interessanter wie komplexer Charakter ist - weit entfernt von jeglicher Eindimensionalität. So hat mich etwa die anschauliche, realistische Schilderung von Kates Umgang mit ihrem Trauma überzeugt, wie sie sich nach ihrer Alkoholsucht wieder gefangen hat und weiter kämpft. Teil ihrer täglichen Therapie ist, jeden Morgen gleich bei welchem Wind und Wetter im Meer schwimmen zu gehen und zudem regelmäßig Treffen der anonymen Alkoholiker zu besuchen - unterstützt von ihrer Nachbarin und Sponsorin Myra. Auch Peter Conways psychopathische Züge werden bereits vor seiner Entlarvung als Nine Elms Killer von Robert Brynzda in geschickter Weise angedeutet - etwa als Peter nach dem Fund einer grausam zugerichteten Leiche, die alle anderen Anwesenden schockiert, zum ersten Mal im Angesicht der drohenden Gefahr schmutziger Autositze Unbehagen zeigt.

Zudem hat mir an Robert Bryndzas spannendem wie fesselndem Schreibstil das hohe Erzähltempo ausgesprochen gut gefallen. Damit meine ich nicht nur die interessante Ausgangssituation und das fulminante Finale, sondern insbesondere auch den Mittelteil, den ich persönlich in Thrillern leider oft als ein wenig lang geraten empfinde, wenn der Leser auf viele falschen Fährten gelockt wird und die Handlung auf der Stelle tritt. Nicht so bei Robert Bryndza, der mit der Entführung von Layla Gerrard in Kapitel 23 deutlich das Tempo anzieht. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den folgenden geschickten Kunstgriff: Zunächst behandelt jedes Kapitel nur eine einzige Person. So folgt man in einem Kapitel etwa entweder Kate bei ihren Ermittlungen oder begleitet Peter bei seinem Aufenthalt in der Psychiatrie. Erst in Kapitel 32 wechselt man mitten im Kapitel von Kate zu Peter, was den Eindruck erweckt, dass Opfer und Täter sich nun deutlich näher kommen.

Auch hat mir an "So blutig die Nacht" sehr gut gefallen, dass zwar in stereotyper Weise ein männlicher weißer Serientäter junge Frauen ermordet, sonst aber angenehm oft von dieser stereotypen Sicht abgewichen wird. So ist den Serientätern die geballte Frauenpower in Gestalt von Kate Marshall sowie der leitenden Ermittlerin Varia Campbell auf der Spur. Zudem ist Kates Assistent Tristan das Objekt der Begierde etwa eines älteren Zeugen, der Tristans Bauchmuskeln bewundert, oder auch von einem Junggesellinnenabschied. Generell finde ich die wenigen lustigen Stellen, die diesen düsteren Thriller ein wenig auflockern, durchweg sehr gelungen. Da wären etwa Kates Facebook Profilbild oder auch Kates Auseinandersetzung mit ihrem Dekan Laurence Barnes zu nennen.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für diesen spannenden, düsteren, blutigen Thriller von Robert Bryndza, dessen einziges kleines Manko der Nachahmungstäter ist. Peter Conway hätte als Antagonist vielleicht das Zeug zum Hannibal Lecter oder zumindest zum Dr. Martin Whitley alias "der Chirurg" gehabt. Der Nachahmungstäter fällt da jedoch leider - gerade im Vergleich zu Peter - deutlich ab.

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