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Veröffentlicht am 07.02.2018

Ein Blick auf die Weite und die Einsamkeit

Lied der Weite
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Eigentlich ist es kein spannendes Buch, eigentlich ist es eher ein stilles, unaufgeregtes Buch, dass uns als Leser einen Einblick gibt auf eine (fiktive) Kleinstadt Holt und einige seiner (einsamen) MItbewohner. ...

Eigentlich ist es kein spannendes Buch, eigentlich ist es eher ein stilles, unaufgeregtes Buch, dass uns als Leser einen Einblick gibt auf eine (fiktive) Kleinstadt Holt und einige seiner (einsamen) MItbewohner. Da sind Tom Guthrie und seine beiden Söhen Ike und Bobby, deren Mutter die Familie verlässt. Die beiden alten Brüder McPheron, die auf einer abgelegenen Farm leben, die Lehrerin Maggie, die mit ihrem dementen Vater zusammen lebt und Victoria, die mit 17 Jahren schwanger wird und von ihrer Mutter auf die Straße gesetzt worden ist. Sie alle leben in dieser Stadt. Ihre Wege kreuzen sich, verbinden sich - auf vielfältigen und unterschiedlichen Wegen.

Aber mIr hat gerade das "Unaufgeregte" in diesem Roman gefallen, der fesselnde Stil, da Haruf es schafft uns als Beobachter mit in diese Stadt und zu diesen Menschen mitzunehmen, ohne zu bewerten, ohne gefühlsselig zu werden. Wir sind einfach als Leser dabei, beobachten, erleben mit und begleiten die Menschen auf ihren Wegen. Dabei gelingt es dem Autor oft auch eine sehr humorige Note mit hinein zu bringen, z.B weil er ganz nebenbei Vergleiche anbringt, die zum Schmunzeln sind, oder einfach, weil die McPheron-Brüder mal wieder in ihrer etwas unbeholfenen Art, mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, für einen Lacher sorgen.

Die Einsamkeit verbindet die Protagonisten, ihre Suche nach Familie, Geborgenheit. Manchmal ist es erst der Weggang eines Menschen, der die zurück Gebliebenen merken lässt, dass eine Lücke, eine Leere entstanden ist, die wieder gefüllt werden muss.

MIr hat besonders gefallen, dass Haruf so einen Mikrokosmos von ganz normalen Menschen, mit Schwächen und Träumen, mit Fehlern, mit Humor, mit Mitgefühl, Prinzipien und Sorgen geschaffen hat, so dass alles irgendwie zu einer typischen amerikanischen Kleinstadt mitten in den Great Plains zu passen scheint, das Leben, Arbeiten, Lieben und auch die Einsamkeit.

Und auch wenn es kein Spannungsroman ist, haben mich der Erzählstil und die Verwicklungen und Entwicklungen in diesem Roman gefesselt. Haruf begeisterte mich mit einem detaillreichen, mitreissenden, eindringlichen, fesselnden Stil. Er vermag Melancholie mit Humor zu verbinden - und das hat mir vergnügliche und interessante Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 06.02.2018

Fesselnd und berührend

Abschied in Prag
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Es ist ein Roman der im Jahr 2000 beginnt. Josef trifft auf der Hochzeit seines Enkels die Großmutter der Braut und stellt mit Erschrecken, aber auch großer Freude fest, dass es sich um Lenka handelt, ...

Es ist ein Roman der im Jahr 2000 beginnt. Josef trifft auf der Hochzeit seines Enkels die Großmutter der Braut und stellt mit Erschrecken, aber auch großer Freude fest, dass es sich um Lenka handelt, die Frau, die er 1939 geheiratet hat, in Prag zurücklassen musste und seit Jahrzehnten für tot hielt.
Alyson Richman wechselt im Roman in die frühen 30er Jahre in Prag und durch Lenka erleben wir ihr behütetes Leben, der Besuch der Kunstakademie und die ersten Begegnungen mit Josef und ihre wachsende Liebe mit. Aber auch die Gefahren und Beschwernisse, die für die beiden jüdischen Familien immer größer werden. Kurz nach der Hochzeit verlässt Josef mit seinen Eltern und seiner Schwester Prag. Der Krieg reisst sie auseinander und beide glauben, der andere hätte nicht überlebt - bis sie sich wiedersehen.

Mir hat der Erzählstil gefallen, Alyson Richman kann erzählen, kann Figuren lebendig werden lassen, kann Spannung hinein bringen, Liebe und Tragik, und hat mich dadurch gefesselt. Gefallen haben mir auch die wechselnden Sichtweisen. Lenkas Geschichte wird chronologisch erzählt, Josefs wechselt in den Jahrzehnten immer wieder vor und zurück. Dennoch - beides zusammen ergibt eine Familiengeschichte, die geprägt ist von Krieg und Leid, von Verfolgung und Vernichtung. Gerade Lenkas Geschichte, die vor allem auch Theresienstadt umfasst, geht unter die Haut, berührt. Gerade weil die Autorin hier viele real existierende Künstler und ihre Geschichte mit der fiktiven von Lenka verwoben hat. Im Nachwort hat die Autorin die realen Personen noch mal aufgegriffen und ihre Geschichte dargestellt, genauso, wie sie erklärt, dass die beschriebenen Zustände in Theresienstadt ihr von vielen Zeitzeugen und Überlebenden geschildert worden sind.
Das Buch ist eine Liebesgeschichte - eine Liebe, die nicht sein sollte, die nicht sein durfte und dennoch Jahrzehnte überdauerte. Wie ein Band, dass nie gerissen ist. Obwohl es ein - das Ende wird ja im Buch auch an den Anfang gesetzt - "Happy End" gibt, ist es doch die Tragik, die Schwere, die sich doch durch das ganze Buch zieht und die mich sehr berührt hat. Dennoch ist es ein Buch, das gelesen werden muss, das nicht vergessen lässt, das dem Schrecken Namen und Gesichter gibt und eine Geschichte.


Fesselnd geschrieben, geht unter die Haut, berührt.
Ein Roman, der wahre Begebenheiten und Figuren mit einer fiktiven Geschichte verbindet. Ein Roman, der gelesen werden sollte !

Veröffentlicht am 28.01.2018

Vier Frauen - eine Familie - und ihre Geschichte

Die Frau im hellblauen Kleid
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Alles begann mit Käthe Schlögel, die 1927 ihren Traum erfüllen konnte, als sie nach dem Vorsprechen am Wiener Theater auch tatsächlich eine kleine Rolle ergattern konnte. Gegen den Willen ihrer Eltern. ...

Alles begann mit Käthe Schlögel, die 1927 ihren Traum erfüllen konnte, als sie nach dem Vorsprechen am Wiener Theater auch tatsächlich eine kleine Rolle ergattern konnte. Gegen den Willen ihrer Eltern. Doch Käthe macht ihren Weg und aus der kleinen Rolle werden bald größere. Nach Wien folgt Prag, dann Berlin. Aus Theater wird Film. Doch nicht nur ihr berufliches Leben verändert sich, sondern auch das Leben in Deutschland und Österreich. Und dadurch auch ihr Beziehung zu Jakob, der Jude ist.
In der heutigen Zeit leben Käthes Tochter Marianne Altmann, die Enkelin Vera und die Urenkelin Sophie in Wien in einem Haus. Marianne hat ihre überaus erfolgreiche Karriere als Schauspielerin beendet, Vera versucht sich nun - nachdem ihre Schauspielkarriere nicht richtig in Fahrt kam- als Drehbuchautorin und Sophie hat bereits sehr erfolgreich mit der Schauspielerei begonnen. Drei Frauen, drei unterschiedliche Charaktere und viele Geheimnisse zwischen ihnen. Vera möchte ein Drehbuch über ihre erfolgreiche Familie schreiben, vor allem über ihre Eltern, denn auch ihr inzwischen verstorbener Vater war ein berühmter Schauspieler. Doch nach und nach lüftet Marianne ein Geheimnis nach dem anderen, dass nicht nur Vera und Sophie betrifft, sondern auch das Geheimnis um die jahrzehntelange Ablehnung gegenüber der Familie Bleck und ihres Bleck-Films-Konzerns.

Beate Maxian hat mit ihrem Generationenroman eine ganze Familiengeschichte erschaffen, fiktive Figuren, die real erscheinen und Geheimnisse mit ihnen verwoben.
Es ist nicht der Spannungsfaktor, die diese Geschichte interessant macht, sondern die Gefühle, die man mit den Frauen verbindet. Gerade auf der älteren Zeitschiene, die das Leben von Käthe erzählt, ihren Zielstrebigkeit, ihren Traum auch gegen den Willen der Eltern durchzusetzen, ihren Weg zu gehen, aber gerade auch die HIndernisse, die sie überwinden muss und das was sie an Leid erfahren muss. Hier ist die Geschichte sehr emotional.
Die aktuellere Geschichte lebt von den Geheimnissen, die die Frauen jahrelang mit sich herumgetragen haben, die nun aber allesamt nach und nach als Tageslicht kommen - hier wirkt die Geschichte für mich etwas zu konstruiert, jedenfalls was die Hütung der Geheimnisse angeht.

Beate Maxian kann gut erzählen, die Personen mit Leben erfüllen, gerade die Geschichte von Käthe hat mich emotional berühren können und gefesselt. Durch die zweite Zeitebenene und den Nachkommen, wurde meines Erachtens allerdings kein Spannungsfaktor aufgebaut und die emotionale Stimmung geschwächt.
Dennoch war es eine interessante Familengeschichte einer fiktiven Schauspieldynastie. Hier ist überaus interessant, die Geschichte und Entwicklung von Theater und Film als Leser zu "beobachten" und auch den Blick hinter die Kulissen werfen zu können.
Von mir 3,5 Sterne - die ich, da ich keine halben Sterne verteilen kann, mit guten Willen auf 4 Sterne aufrunde, da mich der historische Erzählstrang überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 28.01.2018

Spannender Roman auf mehreren Zeitebenen

Der Schattengarten
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1993: Lucy kehrt nach etlichen Jahren von London nach Hause ins heimische Melbourne zurück - ein rätselhafter Brief ihres Großvaters Edwin hat sie neugierig gemacht. Ihre Familie - das ist eigentlich nur ...

1993: Lucy kehrt nach etlichen Jahren von London nach Hause ins heimische Melbourne zurück - ein rätselhafter Brief ihres Großvaters Edwin hat sie neugierig gemacht. Ihre Familie - das ist eigentlich nur noch ihr Vater Ron, der mit seinem Vater Edwin schon seit Jugendjahren zerstritten ist. Lucys Mutter kam vor 16 Jahren bei einem tragischen Unglück ums Leben. Und nun dieser Brief - der bei Lucy die Erinnerungen an den Unfall 1977 wieder wach ruft, ihre Gedanken zum Rotieren bringt, an ihre eigene Schuld und an das, was sie damals bei ihrem Großvater gesehen hatte - oder zu sehen glaubte.
Parallel wird die Geschichte von Edwin und Clarice und ihrer Pflegetochter Orah aus den Jahren 1930/1931 erzählt - eine tragische Geschichte voller Verwicklungen, Missverständnissen, Leid. Ein falscher Schritt nach dem anderen führt die drei immer weiter ins Verderben.

Schon der Anfang ist geheimnisvoll. Ein Prolog, bei dem man nur erfährt, dass es eine Tote gab. Was ist passiert, damals in 1930 ? Aber wer ist die Tote? Wie konnte es dazu kommen und wieso ? Da spielt die Autorin mit dem Geheimnis und lässt uns Leser im Dunkeln. Aber gerade dieser Anfang macht ungemein neugierig.
Anna Romer kann fesselnd erzählen, die abwechselnden Zeitebenen erhöhen den Spannungsfaktor . Die Sichtweisen in den Vergangenheitsebenen wechseln, ermöglichen hinter die Fassaden zu blicken, die Gefühle und Gedanken der Protagonisten zu verstehen.
Auf der "aktuellen" Erzählebene von Lucy wechselt die Autorin die Erzählpersepektive, mit ihr erleben wir die Ich-Erzählerin Lucy, mit irh erleben wir ihre Reise zurück in die Heimat, ihre Nachforschungen und Gefühle mit. Denn auch Lucy ist traumatisiert, lange schleppte sie ein dunkles Geheimnis mit sich herum, dass sie selbst verdrängt hatte. Bei ihr geht es aber auch um eine erloschen geglaubte LIebe und eine Flucht aus ihrer jetzigen Beziehung - und die Konflikte, die sie dadurch mit sich selbst ausmacht.
Ein weiterer ganz interessanter Erzählstrang sind die Märchen, die Lucys Vater Ron schreibt. Eines wird parallel - immer in Häppchen - erzählt und zeigt, wie Ron seine Kindheit sieht und verarbeitet, anhand des umgeschriebenen Märchens von Rumpelstilzchen.

Mich hat die Geschichte sehr gefesselt. Die Protagonisten kamen mir sehr lebendig vor und ich konnte mich gefühlsmäßig sehr auf sie einlassen.
Der Roman handelt von dunklen Familiengeheimnissen, ist spannend auf mehreren Zeitebenen erzählt, ist geheimnisvoll, düster und tragisch. Mich hat das Buch ungemein gut gefallen und daher von mir absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 06.01.2018

Abgründe des Bösen

Dunbar und seine Töchter
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Eines vorweg - das "Original" - Shakespeares König Lear habe ich nie gelesen. "Dunbar und seine Töchter" ist eine moderne Neuinterpretation. Henry Dunbar ist ein alternder Medienzar, ihm gehört ein großer ...

Eines vorweg - das "Original" - Shakespeares König Lear habe ich nie gelesen. "Dunbar und seine Töchter" ist eine moderne Neuinterpretation. Henry Dunbar ist ein alternder Medienzar, ihm gehört ein großer Konzern, er ist Milliadär. Zwei seiner Töchter haben ihn in ein abgelegenes Altersheim abgeschoben mittels Pharmaka ruhig gestellt und versuchen nun auch die Firmenleitung an sich zu reißen. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass ihr Vater und ihre jüngere Halbschwester ihre Pläne durchkreuzen wollen. Denn Dunbar flieht aus dem Heim - die Suche der unterschiedlichen Schwestern nach ihm aus den unterschiedlichsten Gründen gerät zu einem Wettlauf mit Dunbars Leben.
Der Roman führt psychologisch die ganze Bandbreite an Abgründen auf. Der alternde Egomane Dunbar, der sich am Ende seines Lebens wandelt, die Boshaftigkeit der älteren Schwestern, deren Grausaumkeiten keine (Schmerz-)Grenzen kennen, die "gute", jüngere Schwester, die den Vater nicht des Geldes wegen sucht, sondern der Familienbande wegen.

Der Roman wurde gut geschrieben, die Sichtweisen wechseln, die Gefühle und Gedanken, die Abgründe des (modernen) Menschen werden detailliert ausgeführt. Macht und Mammon, Gier und Ehrgeiz, gepaart mit einer unterirdischen Hemmschwelle erschrecken. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der "bösen" Seite, die "gute" Seite wird Nebenschauplatz.
St. Aubyn weiß sich auszudrücken, die Situationen zu beschreiben, bildhaft, die krankhaften Züge seiner Protagonisten ausleben zu lassen, und dennoch ab und an mal auch Humor durchblitzen zu lassen.
Im Laufe des Romanes flacht die Spannung ziemlich ab und manche der Ausführungen waren mir etwas zu ausgebreitet oder auch zu blaß, so dass ich lange schwankte, ob ich drei oder vier Sterne vergeben kann, dennoch, am Ende hat mich das Drama wieder gefangen genommen, so dass ich die 3,5 Sterne, die ich gerne verteilt hätte, gerne aufrunde. Denn eines ist sicher, das Erschrecken über die Abgründe hallt noch lange nach.

Fazit:
Moderne Neuinterpretation von Shakespeares König Lear. Interessant, psychologisch, durchdacht, detailliert,abgründig - aber gerade dadurch auch anstrengend zu lesen.