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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.04.2022

Mit Schwächen, aber lesenswert

Dschinns
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Meinung

Fatma Aydemir erzählt in ihrem Roman „Dschinns“ von einer Familie, die schweigt, die sich fremd bleibt, die entwurzelt ist, die nicht stark genug ist, sich den Konflikten der Generationen und ...

Meinung

Fatma Aydemir erzählt in ihrem Roman „Dschinns“ von einer Familie, die schweigt, die sich fremd bleibt, die entwurzelt ist, die nicht stark genug ist, sich den Konflikten der Generationen und Tradition zu stellen und die daran zerbricht.

Mit Feingefühl und fabelhafter Beobachtungsgabe gibt die Autorin tiefe Einblicke in das Leben der Charaktere, denen sie je ein Kapitel widmet. Besonders die Schwestern, Peri und Sevda, stechen hervor, sie sind zwei willensstarke Persönlichkeiten, die mit den Konventionen brechen. Ümit ist als Teenager noch in der Entwicklung, doch auch er zeigt manchmal Stärke. Als Leser:innen werden wir in Geheimnisse eingeweiht, von denen die anderen Familienmitglieder nie erfahren werden.

Leider konnte mich das Kapitel über Hakan nicht überzeugen, denn es lässt kaum ein Klischee, kein Vorurteil aus. Hakan, weiß nicht, was er will und schlüpft in viele Rollen, um die jeweiligen Erwartungen zu erfüllen. Dabei bleibt er immer unverbindlich. Neben den Geschwistern verblasst der Charakter, der im Gegensatz zu den anderen Figuren, uns Leser:innen auch nur an der Oberfläche kratzen lässt. Mich hat der Abschnitt ratlos zurückgelassen.

Auch sonst hat der Roman hier und da seine Schwächen. An manchen Stellen ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass es doch alles ein bisschen viel auf einmal ist, was der Familie widerfährt. Manche Handlung wirkte auf mich künstlich hergeleitet. Die hervorragende Erzählweise der Autorin, ihr Schreibtalent gleichen einige dieser Schwächen wieder aus.


Fazit

Auch wenn mich der Roman „Dschinns“ nicht durchweg überzeugen konnte, ist es ein lesenswerter Roman.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Die erste große Liebe und der Schmerz

Hin und weg
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Meinung

Diesen Roman habe ich das erste Mal 1997, als er in Deutschland erschien, gelesen. Ich mag Ethan Hawke als Schauspieler, vor allem in der „Before“ Trilogie, aber auch in Filmen wie „Club der Toten ...

Meinung

Diesen Roman habe ich das erste Mal 1997, als er in Deutschland erschien, gelesen. Ich mag Ethan Hawke als Schauspieler, vor allem in der „Before“ Trilogie, aber auch in Filmen wie „Club der Toten Dichter“ oder „Reality Bits“. Den Roman „Hin und Weg“ habe ich wieder hervorgeholt, weil ich vor einigen Wochen Hawkes neues Werk „Hell strahlt die Dunkelheit“ gelesen habe. Die Hauptfigur ist William Harding, nur zwanzig Jahre älter. Und wieder steht er vor den Trümmern einer Liebesbeziehung.

Ich holte also den Roman aus den Tiefen meines Bücherschranks hervor und beschloss ihn ein weiteres Mal zu lesen. Mit dem Abstand von über zwanzig Jahren hat der Roman nicht an Kraft verloren. Dennoch habe ich, soweit ich mich erinnere, Sarah damals weniger neurotisch empfunden. Sie hat massive Selbstzweifel und ist verunsichert, weil William ihre Unzulänglichkeiten nicht sehen will. Er ist verliebt, fasziniert und sie versteht einfach nicht warum. Anstatt sich darauf einzulassen, stößt sie ihn immer wieder von sich weg und behandelt ihn auf eine ziemlich miese Weise. Sie beendet die Beziehung bevor er es kann, auch wenn er es gar nicht vor hat. Es scheint eine Art Selbstschutz zu sein, dabei verschenkt Sarah die Chance auf Glück.

Der Roman ist in einundzwanzig Kapitel unterteilt, was wahrscheinlich darauf abzielt, dass William am Ende des Buches seinen einundzwanzigsten Geburtstag feiert und somit in den USA als erwachsen gilt. Er selbst fühlt sich an dem Tag traurig, verlassen und mies. Er durchlebt alle möglichen Emotionen bis er langsam zu akzeptieren beginnt, dass Sarah zwar seine große Liebe, aber er nicht die ihre ist. Es ist tragisch dem jungen Mann dabei zuzusehen, wie er alles versucht, um dieser Beziehung eine Chance zugeben und kläglich scheitert.

Nach zwanzig Jahren ist mein Blick natürlich auch ein anderer. Und ich muss ehrlich zugeben, dass er abgeklärter ist. Oftmals habe ich gedacht, dass er nur seine Zeit mit Sarah und ihren Launen verschwendet. Aber mit zwanzig sieht man das anders. Man leidet auch mehr, man hofft mehr, man fühlt die Tragik anders, denn es ist das erste Mal, dass William sich so sehr verliebt, das erste Mal, dass er wahrhaftig liebt. Und das ist der Moment, in dem ich ihn wieder verstehen kann, weil ich mich erinnere. Ethan Hawke erzählt die Geschichte von William ehrlich, ohne je kitschig zu werden


Fazit

Auch nach all den Jahren habe ich den Roman mit großer Freude gelesen, denn Ethan Hawke ist ein ganz außergewöhnlicher, großartiger Erzähler.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Weniger wäre mehr gewesen

Unser kostbares Leben
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Meinung

„Unser kostbares Leben“ ist ein sechshundert Seiten starker Roman, der das Lebensgefühl der 1970er und den aufkommenden Umweltschutz thematisiert. Zwar ist es ein fiktiver Roman, dennoch steckt ...

Meinung

„Unser kostbares Leben“ ist ein sechshundert Seiten starker Roman, der das Lebensgefühl der 1970er und den aufkommenden Umweltschutz thematisiert. Zwar ist es ein fiktiver Roman, dennoch steckt einiges an autobiografischen Erlebnissen der Autorin in dem Buch. Was wohl auch der Grund ist, warum sie so sehr ins Detail geht. Für den außenstehenden Leser ist es allerdings zu viel an Themen, zu viel an Figuren und eben auch zu viel an Details.

In der Erzählung gibt es Handlungen und auch Charaktere, welche für die Geschichte weder wesentlich sind noch diese in irgendeiner Weise voranbringen. Manche Handlungsstränge wirken auf mich zu konstruiert, andere wiederum werden nur oberflächlich behandelt, obwohl sie aus meiner Sicht bedeutsam sind. Der Roman verliert sich zu sehr in seiner Themenfülle, dabei wird viel Potential verschenkt. Der Geschichte hätte eine Fokussierung sowohl auf ein Thema als auch auf die Charaktere gut getan. Dadurch hätte Spannung aufgebaut und gehalten werden können. So erfährt die Erzählung immer wieder Brüche, besonders an Stellen, an denen es wirklich interessant und spannend ist. Aufgrund der zahlreichen Themen und der vielen, teils unwichtigen Figuren, wird der Roman weder einer Sache noch den maßgeblichen Charakteren gerecht.

Die sechshundert Seiten teilen sich in drei Abschnitte, mit jeweiligen Kapiteln. Die drei Abschnitte spielen in den Jahren 1972, 1976 und 1980. Die Autorin besticht, wie auch in ihren vorherigen Romanen, durch einen ganz wunderbaren Erzählstil. Doch verliert sie in diesem Roman das Wesentliche aus dem Blick und schweift detailreich aus, sodass mich ihre Geschichte nicht packen konnte. Mich hat das Lesen angestrengt und ich gebe zu, dass ich einige Passagen der Einfachheit halber quer gelesen und dabei auch nichts wichtiges verpasst habe. Von dem Roman bleibt mir wahrscheinlich kaum etwas in Erinnerung, denn ich habe auch zu den drei Mädchen, den Hauptfiguren, keinerlei Bindung geknüpft. Sie haben mich emotional nicht berühren können.


Fazit

Dem Roman fehlt der Fokus auf das Wesentliche. Die Erzählung verzettelt sich sowohl in unterschiedlichen Themenfelder als auch in der Vielzahl ihrer Figuren und verschenkt hierdurch enormes Potential, um ein wirklich interessanter und packender Roman zu sein.

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Veröffentlicht am 19.01.2022

Das Leben gleicht einer Theateraufführung

Hell strahlt die Dunkelheit
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Inhalt

Als William Harding von Dreharbeiten zurück nach New York kommt, ist sein Fehltritt mit einer jungen Frau auf allen Titelblättern und Thema in den Boulevarssendungen. William, ein bekannter Filmschauspieler, ...

Inhalt

Als William Harding von Dreharbeiten zurück nach New York kommt, ist sein Fehltritt mit einer jungen Frau auf allen Titelblättern und Thema in den Boulevarssendungen. William, ein bekannter Filmschauspieler, ist verheiratet mit der berühmten und wunderschönen Sängerin Mary. Er ist der Böse in dieser Geschichte und quartiert sich vorerst im Hotel ein, seine beiden Kinder sieht er regelmäßig, aber Mary weigert sich mit ihm zu reden. Eine Scheidung scheint unausweichlich, doch noch ist William nicht bereit sich das einzugestehen, obwohl die Beziehung lange vor seinem Ausrutscher am Ende war.

Mitten in diesem privaten Desaster, beginnt der Filmschauspieler mit den Theaterproben zu Shakespeares „Henry IV.“. Diese Theaterinszenierung ist sein Debüt am Broadway und er ist unsicher, ob er neben den erfahrenen Theaterschauspielern bestehen kann. Ist er seiner Rolle als Hotspur gewachsen? Die Proben und das Ensemble geben ihm jedoch Halt in dieser schweren Zeit. William erarbeitet sich nach und nach seine Rolle und den Respekt der Kollegen. Trotzdem gibt es immer wieder Abende, an denen er versucht sich mit Alkohol, Drogen und Sex zu betäuben. Für William ist es eine dunkle Zeit und doch gibt es immer wieder hell strahlende Lichtblicke in dieser Dunkelheit.


Meinung

Ethan Hawke ist ein brillanter Geschichtenerzähler, wie es nicht viele gibt. „Hell strahlt die Dunkelheit“ ist die Geschichte vom Zerbrechen einer Familie, von Selbsterkenntnis und es ist eine tiefe Verneigung vor dem Theater. Dieser Roman hat mich sehr bewegt, denn ich konnte die Zerrissenheit der Figur William fühlen und seine Selbstzweifel verstehen. Er muss erkennen, dass er vielleicht nicht der Mensch ist, für den er sich bisher gehalten hat.

Es hat eine Weile gedauert bis mir klar wurde, dass ich William Harding schon einmal begegnet bin. Im Debütroman von Ethan Hawke „Hin und Weg“ lernen wir den jungen William kennen und verfolgen seine Liebe zu Sarah. Im aktuellen Roman ist William mittlerweile Anfang dreißig und verarbeitet das Scheitern seiner Ehe.

Besonders die Abschnitte, in denen die Theaterproben und die Beziehungen innerhalb des Ensembles geschildert werden, haben mich begeistert. Meine Vorstellung vom Theater, den Schauspielern, den Garderoben ist so präzise, als ob ich Teil der Geschichte gewesen wäre. Ethan Hawke nimmt uns Leser:innen mit in eine faszinierende Welt, voller Zweifel und stetiger Arbeit an sich selbst, an deren Ende die Reaktion des Publikums die wichtigste Bestätigung ist. Der Roman ist randvoll von weisen Erkenntnissen über das Leben, die nicht nur in der Theaterwelt gelten.

Durch seine eigene, herausragende Erzählweise schafft es der Autor, dass ich vollkommen in das Buch eingetaucht bin. Selten habe ich einen Roman gelesen, dessen Charaktere so wahrhaftig sind. Das gilt selbst für Figuren, die nur kurz auftauchen. Die Geschichte macht nachdenklich und spendet zugleich Trost. Denn auch in der tiefsten Dunkelheit strahlt das Leben hell.

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Veröffentlicht am 20.12.2021

Anspruchsvolle, authentische Geschichte

In Zeiten des Tulpenwahns
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Meinung

Im 17. Jahrhundert bricht in Holland der Tulpenwahn los. Tulpenzwiebeln erreichen Höchstpreise und manch einer wird dadurch zum reichen Mann. Doch wie es bei Spekulationen dieser Art ist, irgendwann ...

Meinung

Im 17. Jahrhundert bricht in Holland der Tulpenwahn los. Tulpenzwiebeln erreichen Höchstpreise und manch einer wird dadurch zum reichen Mann. Doch wie es bei Spekulationen dieser Art ist, irgendwann platzt die Blase.
Genau in dieser Zeit spielt die Geschichte des Romans und zeigt, wie schnell sich die Dinge ändern können. Traurigerweise trifft es ausgerechnet die sympathischsten Charaktere am heftigsten.

Sehr detailreich, mit dem Blick eines Malers, schildert die Autorin die jeweiligen Szenen. Sie beschreibt die damalige Kleidung und Lebensbedingungen sehr genau. Auch passt sie sich der früheren Sprache, soweit möglich, an. Alles in allem wirkt der Roman dadurch sehr authentisch und man bekommt ein genaues Bild dieser Zeit. Nach meinem persönlichen Empfinden sind manche Beschreibungen etwas zu ausufernd geraten, sodass meine Fantasie kaum eigenen Raum bekam, um sich zu entfalten. Die teilweise sehr verschachtelten Sätze musste ich oftmals zweimal lesen, um zu verstehen, was gemeint ist. Ein unbeschwertes, leichtes Lesen bietet der Roman nicht.

Ebenso ist die Geschichte an sich keine leichte Kost. Nicht nur, dass der blühende Tulpenhandel ein jähes Ende findet, auch die Charaktere, die einem beim Lesen ans Herz gewachsen sind, allen voran Margriet und ihr Vater, werden vor eine schwere Prüfung gestellt. Nur kurze Zeit wohnte der aus Paris geflohene Jacques mit seiner Familie im gleichen Ort wie die Verbeecks, doch er ist ein Narzisst, der nicht verzeihen kann. Seine Welt dreht sich um ihn, und wer das anders sieht, ist sein Feind. Er treibt ein durch und durch falsches Spiel. Und das schlimmste ist, dass er anscheinend damit durchkommt und Menschen ins Unglück stürzt.

„In Zeiten des Tulpenwahns“ ist ein anspruchsvoller Roman. An manchen Stellen etwas zu ausufernd und zu detailliert in der Beschreibung. Trotzdem greift die Autorin ein spannendes Thema auf und verpackt es in einer ungewöhnlichen Geschichte, die einige unerwartete Wendungen nimmt.


Fazit

Ein historischer Roman, dessen authentische Geschichte überzeugt.

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