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Veröffentlicht am 07.07.2020

Ein ganz besonderes Buch

Call Me by Your Name Ruf mich bei deinem Namen
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Vielen Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar.

Call me by your name von André Aciman ist die Liebesgeschichte eines Sommers im Italien der 80er Jahre und so poetisch erzählt, dass es mich absolut ...

Vielen Dank an den dtv Verlag für das Rezensionsexemplar.

Call me by your name von André Aciman ist die Liebesgeschichte eines Sommers im Italien der 80er Jahre und so poetisch erzählt, dass es mich absolut begeistern konnte! In dem Buch geht es um Elio und Oliver. Elios Familie nimmt jedes Jahr Harvard-Absolventen bei sich auf, um diese bei ihrem weiteren Werdegang zu unterstützen, da sein Vater ein angesehener Professor ist. So kommt Oliver zu ihnen ins Haus, der sofort von allen gemocht wird und Anschluss findet, aber auf der anderen Seite auch undurchschaubar und abweisend ist. Elio ist von der ersten Sekunde an fasziniert von ihm und in dem kurzen Sommer, den sie gemeinsam verbringen, entwickelt sich etwas ganz besonders zwischen ihnen.

Zu Elio, aus dessen Perspektive das Buch erzählt ist, konnte ich sofort eine Bindung aufbauen. Er ist nachdenklich und ruhig, verbringt seine Zeit damit, Musik zu transkribieren und ist definitiv sehr schüchtern. Er hat zwar Freunde, allerdings sind diese Freundschaften sehr oberflächlich und man hat auch nicht das Gefühl, Elio sei auf diese angewiesen. Von Anfang an richtet sich seine komplette Aufmerksamkeit auf Oliver und er ist hin und hergerissen zwischen Angst, Verwirrung und Verlangen.

Acimans Stil ist direkt mit Elios Gefühlswelt verbunden. Elio ist 17 Jahre alt und wird damit gerade erwachsen, während Oliver mit seinen 24 Jahren bereits in seinem Erwachsenenleben angekommen ist. Elio weiß oft nicht mehr, was er denken soll und diese Verwirrung zeigt sich durch Wiederholungen. Manche Kapitel drehen sich regelrecht im Kreis, weil Elio jedes einzelne Wort von Oliver aufs genaueste analysiert. Das ist sicherlich nicht für jeden etwas und es kann auch langatmig wirken, für mich hat es Elios Denkweise aber sehr authentisch gemacht – vor allem in Anbetracht seines Alters.

Oliver bleibt eine ganze Weile undurchschaubar. Es gibt viele Details, die man sofort mit ihm in Verbindung verbringt, doch erst gegen Ende erhascht man einen richtigen Blick unter die Oberfläche auf die Person, die er wirklich ist. Am Anfang wusste ich überhaupt nicht, wie ich ihn einschätzen konnte und habe sogar befürchtet, bis zum Ende keine richtige Bindung zu ihm aufbauen zu können. Jetzt weiß ich, dass das absolut beabsichtigt war und das macht die anfängliche Distanz wieder wett.

Aber auch unabhängig von den Figuren und ihren Gefühlswelten ist André Acimans Schreibstil wirklich wunderschön. Eindrucksvoll und poetisch erschafft er ein Bild von Italien, das einem – trotz der durchaus ernsten Thematik des Buches – ein gutes, sommerliches, freies Gefühl gibt. Ich bin definitiv ein Meer-Mensch und deswegen hat sich die Atmosphäre, die der Autor geschaffen hat, für mich besonders heimisch angefühlt. Viele kleine, wichtige Botschaften verstecken sich zwischen den Zeilen.

Die Erzählweise kann anfangs etwas verwirrend sein. Schnell ist klar, dass Elio auf die Ereignisse von damals zurückblickt und am Anfang springt er oft in der Zeit, sodass es schwer fällt, die Geschehnisse richtig zuzuordnen. Nach den ersten 100 Seiten gelingt das dann aber recht gut und noch viel wichtiger: der Kreis der Erzählung schließt sich am Ende. Das, was am Anfang noch schwer nachzuvollziehen war, ist am Schluss einleuchtend. Der Weg dahin ist manchmal etwas holprig und ich kann verstehen, wenn das Buch einem nicht zusagt. Es gibt die eine oder andere Szene, die gewöhnungsbedürftig ist – jeder, der das Buch gelesen hat, wird wissen, was ich zum Beispiel mit dem Pfirsich meine. Aber einmal ganz im Ernst: Wer bin ich, um darüber zu urteilen?

Das Buch ist direkt und schonungslos und zeigt die Suche nach sich selbst und nach der Liebe in all seinen Höhen und Tiefen. Es ist melancholisch, traurig, sehnsüchtig und zwar so, dass es einen tiefgehend berührt. Man muss sich zu einem bestimmten Maß auf die Geschichte einlassen, aber hat man das einmal getan, wird man Elio und Oliver verfallen. Viel wichtiger ist aber, dass man das Buch schließt und über die Moral der Geschichte nachdenkt. Es gibt einen sehr viel mit und das ist immer wertvoll.

Fazit: Letztendlich ist es für mich eine unperfekte perfekte Liebesgeschichte von zwei jungen Männern, die einfach unfassbar echt und authentisch wirkt. Das Gesamtpaket von Call me by your name hat mich definitiv verzaubert. Es ist eindrucksvoll und eins der Bücher, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eins der Bücher, an die man zurückdenkt und auch nach Wochen und Monaten noch denkt: Wow. Für mich ist es bereits jetzt ein Jahreshighlight und ich vergebe 5/5 Sterne!

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Veröffentlicht am 29.05.2020

Rasante Fortsetzung

Cyber Trips
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Noch einmal vielen Dank an die Lesejury, dass ich bei der Leserunde dabei sein und das Buch vorab lesen durfte!

VORSICHT! Hierbei handelt es sich um eine Rezension zum zweiten Teil der Reihe und wird ...

Noch einmal vielen Dank an die Lesejury, dass ich bei der Leserunde dabei sein und das Buch vorab lesen durfte!

VORSICHT! Hierbei handelt es sich um eine Rezension zum zweiten Teil der Reihe und wird dementsprechend Spoiler zu Teil 1 enthalten!

Nach dem Cliffhanger von Neon Birds, bei dem man sich ernsthaft fragt, wie das überhaupt noch alles ein gutes Ende nehmen kann, fängt Cyber Trips im Vergleich etwas ruhiger an. Wobei „ruhig“ vielleicht nicht das richtige Wort dafür ist, Spannung ist nichtsdestotrotz da. Nach Flovers Infizierung sind er und Luke auf der Flucht und versuchen, Schutz bei Liza Moore zu finden. Das funktioniert eher weniger gut, woraufhin die Zwei wieder auf sich allein gestellt sind. Okijen wird unterdessen wieder mehr in die Machenschaften der Regierung eingespannt und versucht gleichzeitig mit Andra und Byth, nach Wegen zu suchen, KAMI zu besiegen. Sperrzonen werden ausgeweitet und Städte evakuiert, was den Eindruck einer Apokalypse vermittelt. Und schlussendlich ist Andra davon überzeugt, dass KAMI ein Bewusstsein besitzt – und man vielleicht eine Lösung finden kann, indem man einfach mit ihm/ihr redet …

Allein das ist eine unglaublich spannende
Ausgangssituation. Allerdings muss ich sagen, dass in der ersten Hälfte von Cyber Trips kleine Längen beim Lesen entstehen, die dann aber ab der Hälfte absolut vergessen sind. Da sitzt man dann vor dem Buch, schluckt hart und denkt sich: OKAAAAYYYYY, ich muss ruhig bleiben. Nicht schreien und durchdrehen … Die zweite Hälfte von Cyber Trips ist ziemlich unglaublich. Eine sensationelle Entdeckung jagt die andere und all die Plottwists steigern sich in ein wirklich episches Finale und lassen einen Beta Hearts herbeisehnen.

Maries Graßhoffs Schreibstil war vor allem in der zweiten Hälfte wieder grandios. Sie hat es geschafft, an vielen, vielen Stellen eine atemberaubend düstere Atmosphäre zu schaffen, die mir beim Lesen Gänsehaut verpasst hat. Man hatte das Gefühl, die Welt hätte den Atem angehalten.

Die Protagonisten haben mir ebenfalls wieder gut gefallen. Man erfährt viel über Okijens Vergangenheit (ich sage nur Sao Paolo) und bekommt einen guten Einblick in Flover und Lukes Gefühlswelten. Auch Andra entwickelt sich stetig weiter und lernt in Cyber Trips, für ihre Überzeugungen einzustehen. Das hat mir besonders gut gefallen, weil ich es liebe, wenn Charaktere sich langsam und in kleinen Schritten immer mehr über sich hinauswachsen. Außerdem gibt es zum ersten Mal Kapitel aus Byths Sicht – und ich sag mal nur eins: freut euch drauf!

Die Nebencharaktere fand ich wieder furchtbar interessant, vor allem habe ich Ellis ziemlich schnell mit seiner Art in mein Herz geschlossen. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Informationen über Liza Moore, Alaska Pershing und Marshall Lloyd gewünscht, was eigentlich einer meiner wenigen Kritikpunkte ist. Viele meiner Fragen bezüglich der Welt wurden in Cyber Trips beantwortet, aber eben nicht alle. Zwar gab es ein paar Militärakten dazu (und wenn es eine Akte gibt, in der im wahrsten Sinne des Wortes „Geschichte geschrieben“ wird, weil die Generale überlegen, wie sie gewisse Ereignisse in den Geschichtsbüchern festhalten, dann ist das schon sehr abgefahren und bedeutungsvoll und ICH LIEBE ES!!!), aber ich will immer noch mehr wissen und hoffe, dass all meine übriggebliebenen Fragen in Beta Hearts beantwortet werden.

Die Illustrationen und Akten haben im Allgemeinen wieder die Geschichte sehr schön ergänzt, wobei ich das Gefühl hatte, dass es in Cyber Trips etwas weniger sind, als in Neon Birds.

Ebenfalls positiv fand ich die Darstellung von KAMI in Band 2. Natürlich kann ich hier nicht sonderlich viel sagen, aber gegen Ende von Neon Birds kann man durchaus kritisch sagen, dass KAMI etwas overpowered ist und ein Sieg unserer Helden ohnehin ausgeschlossen. Nun ja, lasst euch überraschen, wie Marie das gelöst hat!

Außerdem wurden gegen Ende (endlich) verschiedene Handlungsstränge zusammengeführt. Auch hier verrate ich nicht, wer auf wen trifft und was passiert, aber nachdem an allen Stellen auf das gleiche Ziel hingearbeitet wurde und plötzlich alles einfach nur so unfassbar viel Sinn macht … dann bin ich gehyped. Ich liebe es, wenn man beim Lesen merkt, das alles, was man eigentlich als unwichtig abgehakt hat, plötzlich doch wichtig ist und man sieht, dass die Autorin hinter allem einen Plan hatte. Jetzt kann ich Beta Hearts eigentlich gar nicht mehr abwarten, weil die Spannung plötzlich ins Unermessliche gestiegen ist.

Fazit: Cyber Trips glänzt vor allem in der zweiten Hälfte des Buches durch eine rasante, durchdachte Handlung und viele überraschende Wendungen. Weil die erste Hälfte im Vergleich dazu etwas abfällt, sogar ein, zwei Längen aufweist und ich gerne noch mehr über die Generale und die Welt erfahren hätte, muss ich etwas abziehen und schwanke zwischen 4 und 4,5/5 Sterne!

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Veröffentlicht am 27.05.2020

Kann leider nicht mit Teil 1 mithalten

Cinder & Ella
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Cinder und Ella 2 war ein Buch, auf das ich mich sehr gefreut habe, immerhin war der erste Teil eins meiner absoluten Jahreshighlights 2019 und konnte mich für ein paar Stunden komplett aus der Realität ...

Cinder und Ella 2 war ein Buch, auf das ich mich sehr gefreut habe, immerhin war der erste Teil eins meiner absoluten Jahreshighlights 2019 und konnte mich für ein paar Stunden komplett aus der Realität abholen. Dementsprechend habe ich mich sehr auf die Fortsetzung gefreut – und wurde leider enttäuscht.

VORSICHT: hierbei handelt es sich um den zweiten Teil einer Reihe, die Rezension wird also Spoiler zu Teil 1 enthalten!

Komme ich erst einmal zu den positiven Aspekten. Ich mag das Cover wieder sehr gerne. Es passt einfach zu dem kitschigen Märchen-Aspekt von Cinder und Ella. Außerdem ist der Schreibstil der Autorin noch immer sehr angenehm, sodass man das Buch relativ flüssig lesen kann. Richtig schöne Formulierungen findet man auch in Cinder und Ella 2. Des Weiteren ist Brian und Ellas Interaktion einfach total lustig. Ihre ständigen Schlagabtäusche sind sehr unterhaltsam und haben mich oft zum Lachen gebracht. Ich mag die beiden als Paar einfach total gerne.

Das waren aber leider auch schon alle positiven Punkte, die ich habe.

Ich bleibe jetzt erst einmal bei den Charakteren. Ich liebe Brian und Ella und auch viele der Nebenfiguren. Aber in Band 2 vermisse ich die Entwicklungen. Die ersten 300 Seiten treten die Figuren einfach nur auf der Stelle und wachsen nicht über sich hinaus. Dabei hatte vor allem Ella total viel Potenzial. Nach Ende von Band 1 hat sie immer noch Probleme mit sich selbst und ihrem Körper. Eigentlich finde ich es sehr realistisch, dass so etwas nicht gelöst ist, weil man mal ein kurzes Kleid anzieht. Aber jede Entwicklung, diese eingeschlossen, hat sich (wenn überhaupt) auf den letzten 100-150 Seiten abgespielt. Und dann kam alles auf einmal und viel zu schnell, um noch irgendwie glaubwürdig zu sein. Besser wäre es gewesen, wenn sich die Charaktere langsam über das ganze Buch entwickeln und man nicht am Ende einfach vor Tatsachen gestellt wird und sich fragt, wie das überhaupt passiert ist.


Dementsprechend unzufrieden war ich auch mit dem Ende. Ich werde natürlich nicht sagen, was da passiert, aber ich fand es einfach unlogisch. Es war so, dass die Ella am Ende irgendwie das komplette Gegenteil von der Ella zu Beginn war. Dieser Kontrast kann schön sein, weil man sieht, wie sich die Charaktere entwickelt haben, aber dafür will ich die Entwicklung konstant im ganzen Buch mitverfolgen können. Und nicht einfach – zack – so ist es jetzt. Das ist meiner Meinung nach schlichtweg unglaubwürdig.

Die Handlung hat mir ebenfalls nicht wirklich gefallen. Die plätscherte so vor sich hin und auf Seite 250 habe ich mich dann gefragt, was bisher überhaupt passiert ist. Darauf gibt es eine Antwort: alle möglichen Menschen diskutieren, teilweise auch öffentlich, warum Ella noch Jungfrau ist und noch nicht mit Brian geschlafen hat. Mehr tut sich leider wirklich nicht. Irgendwie ist das Buch zu 75% eine Aneinanderreihung der immer gleichen Szenen. Brian und Ella harmonieren toll – aber selbst davon hatte ich nach der Hälfte eigentlich schon genug. Trotz des angenehmen Schreibstils hat sich die Handlung gezogen. Konflikte, die in Band 1 schon gelöst schienen, wurden wieder aufgewärmt. Die spärliche Handlung hat sich im Kreis gedreht. Wirklich viel Neues gab es in Cinder und Ella 2 nicht, was das Buch fast unnötig macht. Und das finde ich unfassbar schade.

Fazit: Leider diesmal keine Empfehlung. Die Charaktere entwickeln sich kaum und die Handlung dreht sich im Kreis. Auch Brian und Ella, die gewohnt super harmonieren und stellenweise total süß sind, können das leider nicht rausreißen. Von mir gibt es 2,5/5 Sterne


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Veröffentlicht am 14.05.2020

Tolle Welt, tolle Charaktere, gelegentliche Längen in der Handlung

Das Lied der Krähen
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Nachdem ich schon so viel Gutes über „Das Lied der Krähen“ gehört habe, war ich wirklich gespannt und habe es endlich von meinem SuB erlöst! Es geht um sechs Außenseiter, die gemeinsam einen der gefährlichsten ...

Nachdem ich schon so viel Gutes über „Das Lied der Krähen“ gehört habe, war ich wirklich gespannt und habe es endlich von meinem SuB erlöst! Es geht um sechs Außenseiter, die gemeinsam einen der gefährlichsten Magier ihrer Welt aus dem Gefängnis befreien sollen. Angeführt von Kaz Brekker, dem wohl gewieftesten Schlitzohr aller Zeiten, machen sich Inej, Jesper, Wylan, Nina und Matthias auf die beschwerliche Weise … und müssen wohl oder übel zu einem Team werden – denn jeder Fehltritt könnte ihr Verderben bedeuten. Aber können sie sich auch vertrauen?

Die ersten 200 Seiten stand ich auf dem Kriegsfuß mit „Das Lied der Krähen“. Es ist mir unglaublich schwergefallen, richtig in die Geschichte und zu den Figuren zu finden, was ich überhaupt nicht erwartet hätte. Das lag zum einen daran, dass die ersten Kapitel sehr lang sind, jedes hat ungefähr 30 Seiten. Dadurch kommt einem der Einstieg einfach zäh vor, obwohl es sofort spannend beginnt. Ich hätte mir definitiv kürzere Kapitel gewünscht, weil dadurch ein bisschen mehr Dynamik in die Erzählweise gekommen wäre.
Im weiteren Verlauf der Geschichte wurden die Kapitel dann etwas kürzer und auch das Erzähltempo steigerte sich. Immer wieder wurde durch Rückblenden die Vergangenheit der verschiedenen Charaktere beleuchtet, aber mit der Art und Weise bin ich immer noch nicht ganz d’accord. Ich hatte das Gefühl, dass dadurch einfach der Geschichte einiges an Spannung und Tempo genommen wurde. Zwar erhielten die Charaktere dadurch mit der Zeit eine erstaunliche Tiefe, allerdings wurde gefühlt jedes Mal, wenn die Story an Fahrt aufnahm, eine seitenlange Rückblende eingefügt, bis man beinahe vergessen hat, dass da ja ein Cliffhanger existiert.

So schwierig mir der Einstieg fiel, so fasziniert bin ich von der Welt, die Leigh Bardugo erschaffen hat. Ich finde das Konzept der Grischa total interessant, genauso wie die verschiedenen Länder. Es macht Lust darauf, mehr über die Welt zu erfahren, weil sie super durchdacht und komplex ist. Außerdem ist Ketterdam und Kerch einfach der Hammer – ich meine, eine High-Fantasy-Welt mit einer Börse? Das ist schon sehr genial.

Nachdem mir am Anfang die Charaktere nicht sonderlich nah waren – zwar facettenreich und gut ausgearbeitet, aber eine Bindung konnte ich nicht aufbauen – wurde das immer besser, je mehr Seiten ich gelesen habe. Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass Band 2 in dieser Hinsicht noch eins draufsetzt. Ich bin total gespannt. Jetzt aber erst einmal meinen Eindruck zu den Charakteren in Band 1. Am Ende mochte ich einfach alle gerne. Ich liebe Jespers lustige Art und mag, dass der ruhige Wylan im Laufe der Geschichte über sich hinauswächst. Seine Entwicklung hat mir einfach sehr gut gefallen. Die gemeinsame Vergangenheit von Nina und Matthias fand ich total spannend, außerdem mussten beide über ihren eigenen Tellerrand hinausblicken, was umso schöner ist, bedenkt man, dass sie beide ziemliche Sturköpfe sind. Die beiden Herzstücke der Geschichte sind aber Inej und Kaz. Beide haben in der Vergangenheit gelitten, beide sind Kämpfer, aber auf ganz unterschiedliche Art und Weisen. Nichtsdestotrotz ergänzen die beiden sich ziemlich gut. Kaz ist zudem ein (kaltes und skrupelloses) Genie. Man will ihn hassen und lieben gleichzeitig.

Leigh Bardugos Schreibstil fand ich gut, aber nicht überragend. Er hat zur Story und zum Setting gepasst und die Geschichte angenehm abgerundet, aber mich nicht vom Hocker gerissen.

Wenn man das Buch beginnt, hat man irgendwie ganz andere Erwartungen an die Handlung und bleibt am Ende mit einer auf den Kopf gestellten Welt zurück. Nach der Hälfte des Buches dachte ich zu wissen, worauf der Schwerpunkt gesetzt wird, allerdings ist es dann am Ende doch ganz anders. Gut gefallen hat mir auf jeden Fall die Vorbereitung der Krähen auf ihren Coup und Kaz ausgeklügelten Plan. Das Buch alleinstehend wäre gute, solide High-Fantasy, wenn ich aber an das Ende denke und daran, dass es einen zweiten Teil gibt, denke ich, dass „Das Lied der Krähen“ lediglich die Grundlage für Band 2 ist und es da erst so richtig zur Sache geht. So, oder so, macht es Lust auf mehr, weil so viel Potenzial enthalten ist, was noch nicht ganz ausgeschöpft wurde, man allerdings das Gefühl hat, dass dies mit Absicht so gehandhabt wurde. „Das Gold der Krähen“ werde ich definitiv auch lesen!

Fazit: Eine faszinierende Welt mit schön ausgearbeiteten Charakteren, allerdings kann das Buch einen nicht von Anfang an mitreißen, sondern erst gegen Ende. Gelegentliche Längen und zu lange Kapitel nehmen stellenweise die Spannung aus der Geschichte. Allerdings macht es Lust auf mehr. Ich vergebe 4/5 Sterne!

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Veröffentlicht am 03.05.2020

Interessante Idee, der Umsetzung aber fehlt es an Tiefe.

Finde mich. Jetzt
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Finde mich. Jetzt war ein ziemlich spontaner Kauf, weil das Cover mich in der Buchhandlung (im positiven Sinne) umgehauen hat und noch dazu der Klappentext furchtbar interessant klang.

In dem Buch geht ...

Finde mich. Jetzt war ein ziemlich spontaner Kauf, weil das Cover mich in der Buchhandlung (im positiven Sinne) umgehauen hat und noch dazu der Klappentext furchtbar interessant klang.

In dem Buch geht es um die Liebesgeschichte von Tamsin und Rhys. Tamsin zieht, nachdem ihr Ex sie betrogen hat und ihr Großvater gestorben ist, ins kalifornische Pearley. Dort hofft sie, abseits von Vertrautem und ihren Eltern, die ganz andere Pläne für sie haben als Tamsin selbst, ein neues Leben zu beginnen. Schnell trifft sie auf Rhys. Er ist unnahbar und lässt niemanden an sich heran, weil er seine Jugendzeit unschuldig im Gefängnis verbracht hat. Jetzt hat er seine Strafe abgesessen und muss sich in der Welt wieder zurechtfinden. Tamsin und Rhys kommen sich näher, aber er trägt noch Ballast aus seiner Vergangenheit mit sich, die ihre Beziehung auf eine schwere Probe stellen könnte.
Zuerst einmal zu den Charakteren.

Tamsin ist immer freundlich, und negative Gefühle versteckt sie oft hinter einem Lächeln. Sie ist etwas verrückt, aber definitiv liebenswert und von ihrer positiven Lebenseinstellung kann man sich eine Scheibe abschneiden. Besonders gefallen hat mir ihre Freundschaft zu Sam, der im Laufe des Buches zu einem meiner Lieblinge geworden ist. Sie weiß, was sie will und ist bereit, dafür einzustehen.

Im Gegensatz dazu ist Rhys sehr verschlossen. Er hat das Vertrauen in die Menschheit verloren und ist in mancher Hinsicht wirklich das Gegenteil von Tamsin. Vor allem aber ist er mit seiner wiedergewonnenen Freiheit vollkommen überfordert und mit allem, was er tut, verfolgt er nur ein Ziel … bis er Tamsin an sich heranlässt und erkennt, dass das Leben mehr zu bieten hat.

Ich hatte riesige Erwartungen an das Buch, weil es einfach so gut klang, aber leider wurden sie etwas enttäuscht. Zum einen hatte ich so meine Probleme, in die Geschichte zu finden, was mit dem Schreibstil der Autorin zusammenhängt. Hier hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht, außerdem mag ich es total gerne, wenn mit der Sprache gespielt wird, was mir hier leider fast gänzlich gefehlt hat. Dadurch hat es eine Weile gedauert, bis ich wirklich mit den Charakteren und der Geschichte warm wurde.

ACHTUNG: im folgenden Absatz ist ein Spoiler enthalten!

Es gab Stellen, die mich zum Lachen gebracht haben, bei denen ich schmunzeln oder seufzen musste, weil es einfach total süß war. Dann gab es aber auch Stellen, die mir gar nicht gefallen haben und über die ich einfach nicht hinwegsehen kann. Rhys hat im Gefängnis ein Trauma erlitten, was dazu führt, dass er Probleme damit hat, sich vor anderen auszuziehen/seinen Oberkörper zu zeigen. Und Tamsins Reaktion darauf ist, dass sie ihm sagt, dass er kein Recht darauf hat, sich in seinem Körper nicht wohl zu fühlen, weil er muskulös ist und ein Sixpack hat. Das ist – gelinde gesagt – problematisch, weil sie im weiteren Verlauf des Buches diese Aussage nicht reflektiert und Tamsin ihr Denken darüber auch nicht ändert. Psychische Erkrankungen werden damit auf Äußerlichkeiten reduziert, was einfach total gefährlich ist und sie verharmlost! Auch jemand, der ein Sixpack hat und den Vorstellungen von Schönheit in der Gesellschaft entspricht, darf sich in seinem Körper nicht wohlfühlen. Es ist, wie gesagt, eine psychische Erkrankung und das muss unbedingt differenziert betrachtet werden. Vergleichsweise war das ein kleiner Teil im Buch, nichtsdestotrotz vermittelt es ein gefährliches Denken das einfach nicht mehr zeitgemäß ist.

Im Großen und Ganzen fand ich die Liebesgeschichte von Rhys und Tamsin schön, manchmal hätte ich mir gewünscht, dass man mehr von ihrem Kennenlernen sieht und nicht nur gesagt wird, dass sie sich gesehen haben. Bei wichtigen Themen hat mir die Tiefe gefehlt, es wurde an der Ausarbeitung nur an der Oberfläche gekratzt, was ich echt schade finde, weil Finde mich. Jetzt so viel Potenzial hatte.

Gut gefallen haben mir die Nebenfiguren. Wie ich oben schon gesagt habe, mag ich Sam einfach total gerne, aber auch Malik, Zelda und Amy sind alle liebenswürdig. Wenn man weiß, welche Paare in den anderen beiden Bänden im Vordergrund stehen, dann kann man bereits in Finde mich. Jetzt mitfiebern.

Fazit: Finde mich. Jetzt ist ein Buch, das oftmals unterhaltsam ist und zum Lachen bringen kann. Die Charaktere sind vielseitig und liebenswert. Allerdings wurden wichtige Themen viel zu oberflächlich behandelt und ich hatte Schwierigkeiten, am Anfang in die Geschichte zu finden. Ich vergebe 3/5 Sterne.

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