Cover-Bild Auf Erden sind wir kurz grandios
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 22.07.2019
  • ISBN: 9783446263895
Ocean Vuong

Auf Erden sind wir kurz grandios

Roman
Anne-Kristin Mittag (Übersetzer)

"Ein grandioses Buch! Eine Reise in die Vergangenheit, in die Kindheit, nach Vietnam, in die Gewalt und die Liebe." Sasa Stanisic - Der Debütroman von Ocean Vuong

„Lass mich von vorn anfangen. Ma …“ Der Brief eines Sohnes an die vietnamesische Mutter, die ihn nie lesen wird. Die Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist Analphabetin, kann kaum Englisch und arbeitet in einem Nagelstudio. Sie ist das Produkt eines vergessenen Krieges. Der Sohn, ein schmächtiger Außenseiter, erzählt – von der Schizophrenie der Großmutter, den geschundenen Händen der prügelnden Mutter und seiner tragischen ersten Liebe zu einem amerikanischen Jungen. Vuong schreibt mit alles durchdringender Klarheit von einem Leben, in dem Gewalt und Zartheit aufeinanderprallen. Das kraftvollste Debüt der letzten Jahre, geschrieben in einer Sprache von grandioser Schönheit.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2019

Vereint Poesie mit hemmungsloser Direktheit

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Der erste Roman des Autors Ocean Vuong „Auf Erden sind wir kurz grandios“, ist eigentlich ein sehr langer Brief an die Mutter des Protagonisten. In diesem „Brief“ werden unglaublich viele Themen angesprochen: ...

Der erste Roman des Autors Ocean Vuong „Auf Erden sind wir kurz grandios“, ist eigentlich ein sehr langer Brief an die Mutter des Protagonisten. In diesem „Brief“ werden unglaublich viele Themen angesprochen: Kriegstraumata, die die Mutter und Großmutter aus dem Vietnam-Krieg mit sich herumtragen, die gewalttätigen Ausbrüche der Mutter ihrem Sohn gegenüber, die Schizophrenie der Großmutter, was es bedeutet, sich in eine Kultur einzufügen, die einen selbst als fremdartig abstempelt, Drogenprobleme, eine erste tragische Liebe…
Dabei verfolgt der Autor in seiner Erzählung keinen linearen Erzählstrang. Immer wieder werden einzelne Fragmente beleuchtet, mal aus der frühen Kindheit des Jungen, der den ganzen Roman hindurch nur „Little Dog“ genannt wird und dessen wahren Namen man bis zum Schluss nicht erfährt, mal gewährt der Autor einen Einblick in das Leben der Mutter und Großmutter des Protagonisten, bevor diese nach Amerika kamen… was alle diese Fragmente (Kapitel wäre für mich hier nicht der richtige Begriff) gemeinsam haben, ist die Emotion, die durch sie transportiert wird. Das schafft der Autor zum einen durch eine sehr poetische Sprache, die immer wieder von hemmungslos direkt und offen formulierten Abschnitten durchbrochen wird. Die Schläge der Mutter werden beschrieben, aber eigentlich schwingt kein direkter Vorwurf an die Mutter mit in den Passagen, die sich damit befassen, sondern eher ein Gefühl von Traurigkeit, dass die Mutter, die mal so liebevoll ist, auch immer wieder in Ausbrüchen von Gewalt versinkt.
Einige Teile des Romans, vor allem zum Ende des zweiten der drei Abschnitte des Romans, waren mir ein wenig zu eklektisch. Es fiel mir hier schwer, den Überblick zu behalten, an wen sich die Aussagen richten oder von wem sie handeln. Vielleicht ist das aber auch durch den Autor so beabsichtigt. Der Großteil des Romans gibt dem Leser immer Anhaltspunkte, zu welchem Zeitpunkt im Leben von „Little Dog“ man sich gerade befindet.
Von mir erhält „Auf Erden sind wir kurz grandios“ vier von fünf Sternen. Es ist ein aufwühlender Roman, der den Leser berührt und fesselt, selbst über die letzte Seite hinaus.

Veröffentlicht am 24.07.2019

Schmetterlingshafte Fäkalpoesie

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Das Buch von Ocean Vuong hat mich zwiegespalten.
Auf der einen Seite beherrscht er die flügelschwingende leichte Sprache der Poesie, wie ich sie bis jetzt kaum gelesen habe, auf der anderen Seite, ...

Das Buch von Ocean Vuong hat mich zwiegespalten.
Auf der einen Seite beherrscht er die flügelschwingende leichte Sprache der Poesie, wie ich sie bis jetzt kaum gelesen habe, auf der anderen Seite, die "rohe" Fäkalsprache mit Beschreibungen von Handlungen, die ich nie lesen wollte.
Ein Sohn einer Vietnamesin schreibt seiner Mutter, die des Lesens gar nicht mächtig ist, wie er als Kind und Jugendlicher, später als junger Erwachsener sich an viele Fragmente in seinem Leben erinnert.
Großmutter und Mutter, beide gehörig traumatisiert und am Rande der Schizophrenie taumelnd, aufgefangen durch einen Großvater, der keiner war, die Mutter, liebevoll und im nächsten Moment brutal zuschlagend, wie es der Vater des Jungen bei ihr gemacht hat, die Großmutter, die ihr Leben verkauft hat, um ihre Töchter zu retten, die einen amerikanischen Soldaten geheiratet hat, von ihm aber verlassen und jahrelang vergessen zu werden, bis sie in einem phillipinischen Flüchtlingslager aufgefangen, immer noch auf der Suche nach ihm endlich den Ehemann fand, doch der war schon seit Jahren mit einer Amerikanerin verheiratet und hatte zwei Töchter.
Die Mutter, die kaum der englischen Sprache und des Lesens mächtig war, sie arbeitet in einem Nagelstudio, um ihre kleine Familie mit dem Nötigsten versorgen zu können.
Die Tante, die von ihrem Mann geschlagen wird.
Das Kind, das vieles nicht versteht und völlig anders deutet, in der Schule ein Niemand, als Jugendlicher geht er arbeiten, um zum Familienerhalt beizutragen.
Die Erkenntnis, "anders" zu sein. Liebe bzw Nähe zu finden.
Und das in wenig schöner Fäkalsprache.
Wie gesagt, ich bin zweigeteilt und unentschlossen.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Grandioser Debutroman zwischen Prosa und Poesie

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Der Ich-Erzähler Little Dog schreibt einen Brief an seine Mutter Rose, die nicht lesen kann und allein der Umstand, dass die Mutter Analphabetin ist und sie das Geschriebene wohl nie lesen wird, macht ...

Der Ich-Erzähler Little Dog schreibt einen Brief an seine Mutter Rose, die nicht lesen kann und allein der Umstand, dass die Mutter Analphabetin ist und sie das Geschriebene wohl nie lesen wird, macht es ihm möglich so direkt und offen zu sein.
Er erzählt von der alten Heimat Vietnam, vom Krieg. Zusammen mit Little Dogs Grossmutter Lan hat die kleine Familie Vietnam verlassen um in den USA ein neues besseres Leben zu beginnen. Zu dritt leben sie in einer winzigen Wohnung in einem Randgebiet von Hartford in Connecticut. Rose arbeitet im Nagelstudio, von ihrem Einkommen lebt die Familie eher von der Hand in den Mund.
Little Dog wird von seinen Mitschülern und den Kindern in seiner Strasse gemobbt und geschlagen. Aber auch zuhause geht es Little Dog nicht gut, Rose rutscht immer wieder die Hand und bald auch die Faust aus. Seine Grossmutter kann Little Dog vor den Gewaltausbrüchen Roses nicht schützen, aber sie spendet ihm mit kleinen Geschichten Trost. Sie erzählt aus Vietnam, wie sie als junges Mädchen aus einer Zwangsehe flüchtete, wie sie mit amerikanischen Soldaten mitging, wie sie verachtet wurde, weil sie ein weisses Kind bekam Rose, das "Geistermädchen".
Weder Lan noch Rose haben die Geschehnisse des Krieges verarbeitet und leiden beide unter posttraumatischen Störungen. Wie sie letztendlich in die USA kamen bleibt im Dunkel, jedoch gibt es einen "Grossvater", der zwar nicht der biologische Vater von Rose ist, sich aber offenbar Lans damals angenommen hat.
Doch Little Dog hat nicht nur mit dem schwierigen Verhältnis zu seiner Mutter und rassistischer Ausgrenzung zu kämpfen.
Als er im Sommer auf einer Plantage könnt, verliebt er sich in einen amerikanischen Jungen, Trevor. Eine Liebe, die zwar mehr oder weniger erwidert wird, aber unter keinem guten Stern steht, denn Trevor ist schwer drogenabhängig.
Little Dog macht an dieser Stelle seines Lebens einen Cut, zieht nach New York und versucht sich als Schriftsteller.
Was mich an dem Buch fasziniert, ist nicht unbedingt die Handlung, die an ein Memoir erinnert, sondern die wunderschöne, fast poetische und doch kraftvolle Sprache, die mich tief emotional berührt hat.
Mich erinnert diese Art des Schreibens an den autobiographischen Debutroman von Yrsa Daley-Ward "Alles, was passiert ist", denn auch hier verschwimmen Prosa und Poesie, um trotzdem knallharte Realität zu erzählen. Inwiefern auch Ocean Voungs Roman autobiographisch ist, weiss ich allerdings nicht, aber eine klare Leseempfehlung möchte ich abgeben.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Monarchfalter

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"'Denk dran', hast du jeden Morgen gesagt [...] 'fall nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.'" (Seite 237)
Dieses Zitat kurz vor Ende des Buches fand ich sehr bezeichnend. Der Ich-Erzähler schreibt einen ...

"'Denk dran', hast du jeden Morgen gesagt [...] 'fall nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.'" (Seite 237)
Dieses Zitat kurz vor Ende des Buches fand ich sehr bezeichnend. Der Ich-Erzähler schreibt einen Brief an seine vietnamesische Mutter, die jedoch nicht lesen kann und darum diesen Brief/dieses Buch wohl seiner Meinung nach nie lesen wird. Es ist an seine Mutter gerichtet, sie wird immer direkt angesprochen, doch es ist so viel mehr. Aufgeteilt in drei Teile, die sich mit wichtigen Lebensabschnitten des Ich-Erzählers beschäftigen, auch wenn die Erzählweise nicht chronologisch ist und es immer wieder Rücksprünge in die Kindheit gibt, so handeln die Abschnitte doch von jeweils einem Lebensabschnitt. Es ist nicht nur ein Brief an die Mutter, die Geschichte eines vietnamesischen Jungen, der in den USA aufwächst, sondern auch die Geschichte einer großen Liebe, die Geschichte von Rückschlägen, Krankheit, Drogen, schlecht bezahlter Arbeit, die Geschichte eines Schriftstellers, dessen Mutter nicht lesen kann und so viel mehr. Erzählt in einem wunderbaren Schreibstil, der sich im Laufe des Buches quasi weiterentwickelt, kryptischer, abgehackter wird. Die Reise der Monarchfalter spielt am Ende eine große Rolle und wird am Ende wieder aufgegriffen.
Zum Abschluss noch ein Zitat, das das Buch gut beschreibt:
"Ich erzähle dir weniger eine Geschichte als ein Schiffswrack - die Teile dahintreibend, endlich lesbar," (S. 207)

Veröffentlicht am 22.07.2019

grandios

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Dieser lange Brief eines jungen vietnamesischen Einwanderers an seine Mutter, die nicht lesen kann, ist offen, pur und so wirkungsvoll, zugleich schmerzlich traurig und unglaublich ergreifend. Das Buch ...

Dieser lange Brief eines jungen vietnamesischen Einwanderers an seine Mutter, die nicht lesen kann, ist offen, pur und so wirkungsvoll, zugleich schmerzlich traurig und unglaublich ergreifend. Das Buch ist gefüllt mit Rückblenden zu seiner Kindheit, erzählt von Diskriminierung in der Schule aber auch im Alltag, Probleme von Sprachbarrieren, und von Missbrauch und Gewalt zu Hause. Enthalten sind auch Geschichten und Erinnerungen seiner Mutter und Großmutter, die aus Vietnam nach Amerika geflohen sind, und wie ihre Vergangenheit zu einem Teil von ihm wurden.

Es ist kein Roman in dem Sinne wie man es sonst kennt. Es gibt keine aufsteigende Spannungen oder einen Klimax. Es sind Worte von einem Sohn an seine Mutter und liest sich wie Memoiren, sogar vielleicht wie eine Autobiografie. Ein eindringlicher Einblick in Schönheit, Weisheit, Liebe, Leben und Sterben. Trotz der nur 260 Seiten ist es keine schnelle Lektüre. Wenn die Augen nicht tränen, bleibt der Atem weg. Zeilen werden wieder und wieder gelesen, weil sie zu einem sprechen oder einfach nur erdrückend schön sind.

Die Sprache die Vuong mitbringt ist exquisit, außergewöhnlich, einfach unfassbar mit wie viel Reichtum an Worten er erzählen kann. Er hat ein lyrisches Werk der Selbstfindung erschaffen, dass erschreckend intim ist und mit solch einer Präzision und Poesie wiedergegeben wird.

Als Vietnamesin geboren in Deutschland konnte ich mich in vielen Situationen des Erzählers wiederfinden. Nicht nur die Phrasen und Sitten sind ähnlich, auch die schwierige Mutter-Kind-Beziehung kam mir auf manchen Seiten bekannt vor.

Der letzte Teil fühlte sich etwas zusammenhanglos an, da der Strom des Bewusstsein durch die vielen verschiedenen zufällig wirkenden Gedanken ein wenig gestört wurde. Im Vergleich zu den ersten beiden Teilen fehlte da der Zusammenhang. Dennoch nimmt es nichts vom Ganzen weg.

Die lyrische Form und seine persönlichen Reflexionen, die historischen Recherchen und Erinnerungen sowie die Erforschung von Sexualität, Identität und Verlust hat der Autor überwältigend dargelegt. Ein Buch, das berührt und bleibt.