Cover-Bild Der Bademeister ohne Himmel
(70)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: ROWOHLT Kindler
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 16.07.2024
  • ISBN: 9783463000688
Petra Pellini

Der Bademeister ohne Himmel

«Es gibt zwei Menschen, die mich von der Sache mit dem Auto abhalten. Kevin und Hubert. Kevin wohnt um die Ecke, ist voll intelligent, und Hubert wohnt im dritten Stock und ist voll dement.»

Linda ist fünfzehn und würde am liebsten vor ein Auto laufen. Doch noch halten zwei Menschen sie davon ab: ihr einziger Freund Kevin, der daran verzweifelt, dass die Welt am Abgrund steht. Und Hubert, sechsundachtzig Jahre alt, ein Bademeister im Ruhestand, der seine Wohnung kaum mehr verlässt, Karotten toastet und auf seine Frau wartet, die vor sieben Jahren verstorben ist. Dreimal wöchentlich verbringt Linda den Nachmittag mit Hubert, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten, die mit durchaus eigenwilligen Mitteln ihren Beruf ausübt. Der Alltag gelingt mal mehr, meist weniger. Mit Feingefühl und Humor begegnet Linda Huberts fortschreitender Demenz und versucht, die Erinnerungen des alten Bademeisters wachzuhalten – an die Sommer im Strandbad oder die Liebe zu seiner Frau Rosalie. Bis das Schicksal Lindas Pläne durchkreuzt …

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2024

Ein bewegendes Debüt

0

Die 15-jährige Linda wohnt zwei Etagen über Hubert Raichl. Hubert ist voll dement und wird von Ewa, der polnischen Pflegekraft vierundzwanzig Stunden betreut. Kevin wohnt bei Linda um die Ecke und ist ...

Die 15-jährige Linda wohnt zwei Etagen über Hubert Raichl. Hubert ist voll dement und wird von Ewa, der polnischen Pflegekraft vierundzwanzig Stunden betreut. Kevin wohnt bei Linda um die Ecke und ist voll intelligent. Seit Lindas Eltern sich getrennt haben, mag Linda Kevin. Davor musste sie ihn wie ihr Päckchen mit zur Schule schleppen. Seine alleinerziehende Mutter fand, dass der Schulweg zu gefährlich sei.

Linda plant seit einiger Zeit ihren Abgang aus dieser Welt, das macht sie im Stillen mit sich aus.

Es ist dieser Zustand zwischen Schlafen und Wachwerden. Es dämmert einem, dass man wach wird und die Sorgen vom Vortag vermischen sich mit der Vorschau auf noch mehr Unglück. S. 204

Linda trägt den grauen Vorhang, der alles trübt, nicht grundlos. Zu oft hat sie mit ihrer Mutter im dunklen Kleiderschrank gesessen, die Herzen um die Wette rasend, weil der rasende Vater: „Komm da raus!“, schrie.

Linda verbringt die Nachmittage meistens bei Hubert. Die gottgläubige Ewa, die den Kamillentee dreißig Minuten ziehen lässt, weil er Farbe braucht, mit der selbst gemachten Ringelblütensalbe und dem Freund ohne Körperlichkeiten, muss auch mal einkaufen. Und Mittwochs verschwindet Ewa für zwei Stunden zu ihren polnischen Freundinnen. Linda hat Hubert im Griff. Wenn er auf seine Frau wartet, die er beim Einkauf vermutet, lenkt Linda ihn ab. Seine rechte Hosentasche enthält immer Walnusshälften und die linke immer ein Stofftaschentuch, darauf kann man sich verlassen. Linda erzählt Hubert vom Schwimmbad, dem Drei-Meter Brett, den warmen Sonnenstrahlen auf der Haut und dem erfrischenden Wasser, in das sie eingetaucht ist, auch wenn es nicht stimmt. Hubert gefällt es.

Nach viel Dunkelheit sind da die Tage, an denen Linda ein Liebespaar an der Bushaltestelle beobachtet und es nicht kitschig findet. Eine Frau, die mit einem Efeublatt eine Biene aus dem Brunnen fischt und wartet, bis sie weggeflogen ist und sie fragt sich, ob das immer da ist? Aber dann braucht Ewa eine Pause und fährt für Wochen nach Hause.

Fazit: Mit großem Feingefühl hat Petra Pellini ein junges Mädchen gezeichnet, das sich überflüssig findet. Wirklich gelungen lässt die Autorin ihre Ich-Erzählerin aus der Sicht einer coolen Jugendlichen erzählen, mit starkem Charakter und wenig Selbstwert. Die Geschichte ist wunderbar verwoben mit Lindas Schicksal, Huberts Demenz und Ewas Überforderung. Die Stimme der Autorin ist humorvoll und selbstironisch. Obwohl Lindas Weg immer wieder von unerwarteter Tragik gekreuzt wird, wächst sie über sich hinaus und findet ein Licht am Ende des Tunnels, das hell und vielversprechend strahlt. Ein gelungenes, bewegendes Debüt, das mich sehr berührt hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.09.2024

Berührend

0

Linda, 15, würde am liebsten vor ein Auto laufen. Davon wird sie nur von 2 Menschen abgehalten. Ihr einziger Freund Kevin und Hubert, 86, an Demenz erkrankt. Um die polnische Pflegekraft zu entlasten, ...

Linda, 15, würde am liebsten vor ein Auto laufen. Davon wird sie nur von 2 Menschen abgehalten. Ihr einziger Freund Kevin und Hubert, 86, an Demenz erkrankt. Um die polnische Pflegekraft zu entlasten, kümmert sich Linda dreimal die Woche die Nachmittage mit dem Bademeister im Ruhestand. Intuitiv findet sie den richtigen Umgang mit dem Rentner der ansonsten Karotten toasten würde und auf seine vor 7 Jahren verstorbene Ehefrau warten würde.
Kevin ist hochintelligent und hadert mit der Welt am Abgrund und Hubert zieht sich immer mehr zurück. Ein Schicksalsschlag ändert dann alles.

Eine rührende Erzählung ums Erwachsenwerden und Vergessen. Gerade der spielerische, kreative Umgang von Linda mit Hubert nimmt viel Raum ein. Manche Episoden sind fast witzig, andere ernst. Der Schreibstil in Ich-Form aus der Sicht von Linda läßt einem das Buch schnell und einfach lesen. Kurze Kapitel, einfache Worte lassen einem durch das Buch fliegen. Ein Happy-End gibt es nicht, aber auch dieser Teil wird einfühlsam erzählt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.09.2024

Sehr ergreifend

0

"Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung."
Das Buch "Der Bademeister ohne Himmel" von Petra Pellini hat mich sehr berührt.
Erzählt wird die Geschichte einer ungewöhnlichen ...

"Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung."
Das Buch "Der Bademeister ohne Himmel" von Petra Pellini hat mich sehr berührt.
Erzählt wird die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einer Jugendlichen, die suizidal ist, und einem 86-Jährigen, der Demenz im fortgeschritten Stadium hat.
Der Schreibstil der Autorin ist trotz der vielen schweren Themen voller Witz und Leichtigkeit. Ich konnte mich ganz oft nicht entscheiden, ob ich Lachen oder Weinen soll. Die Figuren und ihre Beziehungen sind ganz wunderbar und vor allem authentisch gezeichnet.
Am meisten hat mich die Demenzthematik berührt. Ich habe schon viele Bücher gelesen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, aber noch nie war sie so eindrücklich und einfühlsam dargestellt.
In der Mitte des Buches ist die Geschichte etwas auf der Stelle getreten und ich fand es teilweise etwas langatmig, das könnte aber auch daran liegen, dass ich es als Hörbuch gehört habe.
Fazit: 4,5/5 Sternen für dieses wundervoll erzählte Debüt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.08.2024

Freundschaft über die Generationen hinweg

0

Die fünfzehnjährige Linda lebt mit ihrer Mutter in einem Mehrfamilienhaus in Bregenz am Bodensee. Dreimal die Woche verbringt Linda den Nachmittag bei ihrem 86jährigen Nachbarn Hubert, der an Demenz erkrankt ...

Die fünfzehnjährige Linda lebt mit ihrer Mutter in einem Mehrfamilienhaus in Bregenz am Bodensee. Dreimal die Woche verbringt Linda den Nachmittag bei ihrem 86jährigen Nachbarn Hubert, der an Demenz erkrankt ist. Während sie dort ist, hat Ewa, Huberts polnische Pflegekraft, ein paar Stunden frei. Lindas Verhältnis zu den beiden ist inniger als das zu ihrer geschiedenen Mutter, der ihr neuer Freund, der „Bestatter“, wichtiger zu sein scheint als Linda.
Ewa ist eine sehr liebevolle und zupackende Person, sie backt und kocht und stellt Kräutermischungen her, die Hubert Linderung verschaffen sollen. Und auch Linda weiß intuitiv, was dem alten Herrn guttut. Sie spielt ihm Tonbandaufnahmen vor, die Hubert an seine Zeit als Bademeister erinnern, und kümmert sich besser um ihn als dessen eigene Tochter, die sie insgeheim den „Nachtfalter“ nennt, weil sie bei ihren seltenen Besuchen immer nur nervös herumflattert.
Neben Ewa und Hubert hat Linda nur noch einen Freund: den etwas jüngeren Kevin, der sich große Sorgen um den Zustand der Erde macht und jederzeit Statistiken über den CO2-Ausstoß und die Erderwärmung parat hat. Gleichaltrige Freundinnen hat Linda nicht. Sie ist eine Einzelgängerin, die sich gelegentlich mit Selbstmordgedanken trägt. Hubert ist der einzige, dem sie ihre Gedanken anvertraut, in dem sicheren Wissen, dass er sie im nächsten Moment wieder vergessen hat.
„Der Bademeister ohne Himmel“ ist ein wunderschönes und berührendes Buch über Freundschaft über die Generationen hinweg. Es ist stellenweise sehr komisch, dann wieder tieftraurig. Die Personen sind liebevoll charakterisiert. Wir erleben, wie Huberts Demenz immer schlimmer wird, während er sich zu Beginn des Romans noch mitteilen kann, erkennt er am Ende niemanden mehr. Die einzige Freude, die er zuletzt noch empfindet, ist angesichts eines Therapiehundes, den er für seinen verstorbenen Hund Sammy hält. Man merkt, dass die Autorin, Petra Pellini, lange Zeit in der Pflege demenzkranker Menschen tätig war, so einfühlsam, wie sie Huberts Krankheitsverlauf schildert.
Ich kann dieses Buch uneingeschränkt empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2024

Das langsame Verschwinden

0

„Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharren und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren. … Die Welt wird stillstehen und endlich wird es jemand aussprechen: ...

„Ich werde vor ein Auto laufen. Die Menschen werden sich um mich scharren und mit weit aufgerissenen Augen auf meine blutenden Wunden starren. … Die Welt wird stillstehen und endlich wird es jemand aussprechen: Das Mädchen braucht Hilfe!“ (S. 7) Linda ist 15 und unglücklich, plant ihren Selbstmord. Nur der demente ehemalige Bademeister Hubert und ihr bester Freund Kevin halten sie bisher davon ab. „Kevin kennt mich. Hubert jedoch kennt meine Geheimnisse.“ (S. 7/8), denn bei Hubert kann sie sicher sein, dass er die schon im nächsten Augenblick wieder vergessen hat. Montag-, Mittwoch- und Samstagnachmittag verbringt sie mit ihm, damit dessen polnische 24-Stunden-Pflegekraft Ewa auch mal frei hat. Dann spielt sie einfache Spiele mit Hubert und macht ihm Essen. Wenn er einen schlechten Tag hat, tut sie so, als wäre sein Wohnzimmer das Freibad und sie würde darin schwimmen, zeigt ihm YouTube Videos über Freibäder oder Rudi Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“. In der Schule ist sie keine Leuchte, aber bei Hubert scheint sie intuitiv zu wissen, wie sie ihn erreichen kann und findet mit viel Feingefühl und Kreativität Lösungen für neue Probleme. Darum fällt es ihr auch so schwer zu begreifen, dass Huberts Zustand trotz aller Bemühungen immer schlechter wird.
Kevin ist ihr dabei leider keine Hilfe. Er ist extrem schlau, steigert sich allerdings in seine Angst vor dem Ende der Erde rein, hat immer die aktuellen Werte zum CO2-Ausstoß und der Erderwärmung parat. Er will, dass endlich alle aufwachen und was tun, das große Ganze ist wichtiger als Hubert.
Ewa, die polnische Pflegekraft, ist froh, wenn Linda kommt, denn auch sie braucht mal eine Pause. Sie liebt ihre extrem anspruchsvolle Arbeit am Patienten zwar, versucht, mit Gebeten, alten Weisheiten und Naturheilmitteln zu helfen, aber verhindern kann sie Huberts langsames Verschwinden nicht. Und vielleicht wäre danach endlich mal Zeit für ein eigenes Leben, für ihr eigenes Glück – zu lange schon sucht sie einen Mann, der es gut mit ihr meint.
Und dann ist da noch der Nachtfalter, wie Linda Huberts Tochter nennt. Die bezahlt zwar gut, kümmert sich ansonsten aber kaum um ihren Vater und macht Ewa und Linda Vorwürfe, wenn Hubert stürzt o.ä.

„Bademeister ohne Himmel“ ist sehr poetisch, traurig, berührend, tiefgründig – und gesellschaftskritisch. Da sind zum einen Lindas Probleme in der Schule, die nur angedeutet werden und anscheinend niemanden interessieren, und ihre Flucht zu Hubert, weil sie die Parallelen zwischen ihrem und seinem Leben erkennt. „Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut. … Wir stochern … nicht in der Vergangenheit rum und wir machen keine Pläne für die Zukunft.“ (S. 13) Außerdem mag sie ihn und gibt sich unendlich Mühe, ihm seine Ängste zu nehmen, während seine Welt immer kleiner wird, er es irgendwann nicht mal mehr zum Fenster schafft, um in den Himmel zu sehen.
Gleichzeitig macht Petra Pellini deutlich, dass die Pflege der Eltern eigentlich in die Hände der Angehörigen gehört, damit die Alten in ihrem Zuhause bleiben können, es aber keine Lösung ist, die Betreuung auf eine polnische Billigarbeitskraft und eine 15jährige Schülerin abzuwälzen.
Ich fand es unmenschlich und habe mich gewundert, dass es gesetzlich erlaubt ist, dass Ewa monatelang nur die paar Stunden frei hat, die Linda einspringt, und erst nach Wochen wieder nach Hause nach Polen fahren darf.
Und auch Kevins Vehemenz, mit der er auf den Zustand der Erde verweist und welche Lösung er für sich am Ende findet, macht nachdenklich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere