Veröffentlicht am 24.11.2018

Toller, spannender Auftakt einer neuen Fantasy-Reihe

Luthien_Tinuviel

"In dieser Nacht erschuf Séamus etwas Schreckliches. Er holte es aus den hintersten Winkeln seiner Seele, aus dem Kummer, der Schmach und dem Leid, welches er in sich gesammelt hatte. Tiefer und tiefer griff er in sich hinein und verwandelte sich in ein grausiges Wesen: den Grimm."

Eine Reihe seltsamer Morde geschehen in der Welt. Ein Krematoriums-Mitarbeiter verbrennt ohne jedes Motiv zwei seiner Mitarbeiter bei lebendigem Leibe. Als er entdeckt wird, findet man ihn lebkuchenessend und „Knusper, knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen“ singend. Kurz darauf erleidet er einen Herzstillstand. Gleiches gilt für einen Mann, der auf der Straße einen Passanten tötet und dessen Bauch mit Wackersteinen füllt. Auch er stirbt kurz unmittelbar im Anschluss und hatte kein Motiv. Und diese beiden sind nicht die Beispiele. International werden von den Geheimdiensten und Behörden nach den Spuren dieses seltsamen Fluches gefahndet. In diese Ermittlungen rutscht durch Zufall Kristin Collins hinein, eine junge Frau mit der außergewöhnlichen Gabe, „zwischen den Zelien“ zu lesen. Bald lernt sie eine andere Welt der Märchenfiguren kennen, und trifft auf ihren Weltenreisen einen interessanten und zugleich mysteriösen jungen Mann.

Meine Meinung:



Ich weiß, auf den ersten Blick klingt das Ganze nach einem Krimi mit fantastischen Elementen. Tatsächlich aber liest sich Nicole Böhms neuester Roman „Das Vermächtnis der Grimms- wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ weniger wie ein Krimi und mehr wie ein klassischer Fantasyroman. Es existieren mehrere Welten und Zeitebenen, in die der Leser zunächst durch Erzählung aus Perspektive verschiedener Charaktere eingeführt wird. Mal befindet man sich im 13. Jahrhundert in einem Kloster der Geschichtenschreiber in Indien, mal mit Kristin in unserer heutigen Zeit. Mal begleitet man Ash, den Erzähler, Läufer, Erfinder und wie er sich sonst noch so nennt in unbekannter Zeit bei seinen Erlebnissen in der Märchenwelt Abalion. Als Leser kennt man die Zusammenhänge der Erzählstränge zunächst nicht, doch nach und nach verweben sich diese meisterhaft und man taucht tiefer und tiefer in ein faszinierendes und komplexes Weltenkonzept ein.
Auch nach Ende des Werkes kann ich nicht von mir behaupten, alle Fragen seien beantwortet. Dennoch ist die Idee in ihrer Komplexität einfach faszinierend und lässt einen rätseln und nachdenken. In den Folgebänden, die sich bereits am Ende des Werkes andeuten, werden den Leser sicher noch einige Überraschungen und Entwicklungen erwarten.

Die Verwebung altbekannter Märchen mit der Geschichte ist genial umgesetzt, für Fans von „Once upon a time“: Die Idee klingt vertraut, hier ist die Umsetzung jedoch eine vollkommen andere, ihr könnt also noch etwas vollkommen Anderes entdecken!
Nicoles Schreibstil ist gewohnt fesselnd und sehr darstellerisch. Ich habe mich immer wieder komplett in die Szenen hineinversetzt gefühlt und sie schafft es stets auf Neue, durch kleinste Details, die man häufig erst im Nachhinein bemerkt, für Lesefreude zu sorgen. Teilweise hat mich die Geschichte durch ihren Aufbau und teilweise die Charaktere an Michael Endes Meisterwerk „Die unendliche Geschichte“ erinnert, auch wenn ich diese Konnotation nicht erklären kann.
Einer von vielen Unterschieden zur unendlichen Geschichte ist wahrscheinlich die Zielgruppe. Nach meinem Empfinden, das mit der Verlagsempfehlung übereinstimmt, ist das Werk für (aber nicht ausschließlich) an junge Erwachsene ab 16 Jahren gerichtet.

Fazit:


Ein wirklich toller Auftakt für eine neue Buchreihe, die auf die erste Beschreibung hin zwar wie eine Kriminalserie klingt, ihren Schwerpunkt jedoch eindeutig im Fantasy-Segment und der Beschäftigung mit verschiedenen Welten- und Zeitebenen hat.
Die Charaktere des Werkes sind toll herausgearbeitet und durch den darstellerischen Schreibstil und die vielen liebevollen Details erwacht die Geschichte metaphorisch gesprochen zum Leben. Ein wirklich gelungenes Werk, dessen Fortsetzung ich fast nicht erwarten kann.

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