Tatverdächtiger mit Alzheimer
„Wenn das Licht gefriert" von Roman Klementovic ist ein bei GMEINER erschienener Psycothriller, der sich um ein 22 Jahre altes Verbrechen dreht. Mein Dank geht an den Verlag und NetGalley, dass ich den ...
„Wenn das Licht gefriert" von Roman Klementovic ist ein bei GMEINER erschienener Psycothriller, der sich um ein 22 Jahre altes Verbrechen dreht. Mein Dank geht an den Verlag und NetGalley, dass ich den Roman im Austausch gegen diese aufrichtige Rezension lesen durfte.
Worum es geht
Als ihr an Alzheimer Demenz leidender Ehemann Friedrich bei der Ausstrahlung des reißerischen Fernsehmagazins „Mörder im Visier“, der sich in der aktuellen Folge mit dem 22 Jahre zurück liegenden, nie aufgeklärten Mord an der besten Freundin ihrer Tochter befasst, in seiner Verwirrung unter anderem Details über die Unterwäsche des Opfers brabbelt, die eigentlich nur der Täter kennen dürfte, reißt der Beitrag nicht nur alte Wunden auf, sondern in Elisabeth keimt ein fürchterlicher Verdacht. Weil sie fürchtet, dass nicht nur ihr Mann seit langem ein dunkles Geheimnis mit sich schleppt, stellt sie eigene Nachforschungen an, um herauszufinden, ob Friedrich nur wirres Zeug redet oder wirklich mehr weiß. Schon bald überschlagen sich die Ereignisse.
Kritik
Der in einer nicht genannten Kleinstadt spielende Thriller vermittels allein schon durch die herbstliche Jahreszeit, in der er mit dem entsprechenden Wetter spielt, ein gedrückte, düstere Stimmung. Nachdem der Prolog zur Zeit des Mordes gespielt hat, schildert des Rest des Romans die Ereignisse der Gegenwart. Dabei wird nicht zuletzt durch den inneren Konflikt der fürsorgenden Ehefrau Spannung erzeugt: Auf der einen Seite steht ihre trotz Friedrichs Erkrankung, die das Zusammenleben zunehmende beeinträchtigt, ungebrochene Liebe, auf der anderen Seite die erschreckende Möglichkeit, dass er die grausame Tat so viele Jahre vor allen verborgen haben könnte. Das Tatmotiv bleibt zunächst völlig unklar, falsche Fährten werden ausgelegt, andere Verdächtige tauchen auf. Dabei verzichtet der Autor fast vollständig auf blutrünstige Einzelheiten oder Brutalität, sondern erzeugt den Thrill vor allem auf psychologischer Ebene und durch bis dahin ungeklärte Geheimnisse. Immer wieder lenkt Klementovic die Aufmerksamkeit des Lesers auf scheinbare Indizien, verwischt Spuren wieder, während schon die neue Verdachtsmomente auftauchen, und schafft es so ein fesselndes Tempo zu erzeugen.
Stil und Sprache sind von eher kurzen Sätzen geprägt, denen man leicht folgen kann; am Ende fast aller Kapitel steht ein Cliffhanger, der einen drängt weiterzulesen. Die Charakterisierung der Personen ist an einigen Stellen vielleicht etwas zu klischeehaft, auch wenn die Idee, einen Cold Case mit einem an Alzheimer leidenden Tatverdächtigen zu verknüpfen, originell ist, zumal Friedrich dadurch zu einem höchst unzuverlässigen Zeugen wird. Leider erfährt der Leser nur relativ wenig über das Opfer. Ein Minuspunkt sind auch der repetitive Gebrauch bestimmter Formulierungen (gefrierendes But, in der Kehle stecken bleibender Schrei und ähnliches). Hier hätte etwas Abwechslung gut getan.
Fazit
Insgesamt ist „Wenn das Licht gefriert" ein solider Thriller, der sehr spannend zu lesen ist, auch wenn er stilistisch kleine Schwächen hat.