Eine Hommage an eine tolle Frau
Dieses Buch von Autorin Sabine Weigand ist, wie wir es von ihr gewöhnt sind, penibel recherchiert. Wie genau, erfahren wir im Anhang.
Doch von Anfang an:
Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt ...
Dieses Buch von Autorin Sabine Weigand ist, wie wir es von ihr gewöhnt sind, penibel recherchiert. Wie genau, erfahren wir im Anhang.
Doch von Anfang an:
Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy, wird 1873 als älteste Tochter eines verarmten Adeligen in Wales geboren. Sie wächst relativ unbeschwert und frei auf. Sie ist als schönste Debütantin in aller Munde. Verehrer gibt es einige, die aber alle nicht reich genug sind, um Daisys Eltern zu sanieren.
So heiratet sie auf Wunsch der Eltern 1891 den zwölf Jahre älteren und reichen deutschen Fürsten Hans Heinrich von Pless. Die Güter ihrer Eltern sind gerettet. Daisy aber muss erkennen, dass sowohl ihr Mann als auch ihre Schwiegereltern preußisch steif bis zur Gefühlskälte sind. Die Etikette geht vor allem Hans von Pless über alles. Ständig hat er Angst, dass ihn Daisy blamiert, dabei ist er es selbst, der (s)einen Aufstieg in der Entourage rund um den deutschen Kaiser durch seine Engstirnigkeit und sein linkisches Verhalten verhindert.
Mit den Jahren gewinnt Daisy an Selbstsicherheit. Ihre Schönheit und ihr Anmut bezaubern alle Besucher der adeligen Salons bis hin zu Kaiser Wilhelm.
Als sie dann entdeckt, woher der Reichtum derer von Pless stammt, nämlich aus den Kohlengruben, beginnt ein Umdenken der bislang sorglosen Frau. Sie versucht das gröbste Elend der Familien der Bergarbeiter zu lindern. Sie rebelliert gegen ihren Mann, dem die Untertanen völlig egal sind, und der finanzielle Mittel verweigert. So verkauft sie Perle um Perle ihrer Morgengabe, einer mehrere Meter lange, aus 738 makellosen Tahiti-Perlen geknüpften Perlenkette.
Als die Zeichen, nach der Ermordung von Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie, auf Krieg stehen, versucht Daisy sowohl bei den Engländern als auch beim deutschen Kaiser für den Frieden zu intervenieren.
Wir wissen, dass ihre und die Bemühungen anderer, den Krieg zu verhindern, scheitern.
Meine Meinung:
Sabine Weigand hat die Geschichte der jungen unbedarften Adeligen aus Wales penibel recherchiert. Wie sie im Anhang schreibt, wurden ihr, nicht öffentlich zugängliche, Archive der Nachkommen der Familie von Pless geöffnet.
Für mich ist es immer ein Jammer, zu lesen, wie viel Potential vergeudet wurde (und wird) weil engstirnige Männer ihren Frauen Intelligenz und Verstand absprechen. Daisy hätte das Zeug zur Landesmutter gehabt. Ihre Weitsicht war auch in weltpolitischen Dingen bemerkenswert. Sie sagt mehrmals von sich, dass sie eine „Sozialistin“ im wahrsten Sinne des Wortes war.
Als krasses Gegenteil zur opulenten Lebensweise derer von Pless hat Sabine Wigand Joschi und seine Familie eingeführt. Die Siebenbrunners sind eine kinderreiche Familie, deren Ernährer bei einem Bergwerksunglück ums Leben kommt. Sofort muss der 9-jährige Joschi die Rolle des Vaters übernehmen. Erst als Joschi Stallknecht auf dem Gut wird, verbessert sich die Lage der Familie.
Gut gefällt mir, dass die Autorin Details eines Frauenlebens dieser Zeit anspricht: Die jungen Mädchen werden völlig unvorbereitet an wesentlich ältere Männer verheiratet. Manchmal muss man ja, so wie in Daisys Fall sagen „verschachert“. Die Männer sind meistens rücksichtslos, da den Umgang mit Prostituierten gewöhnt, und richten enormen Schaden an der Psyche ihrer Frauen an. Auch Schwangerschaften sind tabu, frau hat sich zurückzuziehen und möglichst viele männliche Erben zu gebären.
Geld bekommen die Ehefrauen auch nicht in die Hand, obwohl es bestimmt ein paar gibt, die besser mit den Finanzen umgehen können als ihre Männer. Ach ja, selbst Zeitung lesen ist nicht standesgemäß, nur Erbauliches und Modezeitschriften sind ihnen gestattet, um dann wieder als „oberflächlich“ und „desinteressiert“ zu gelten.
Nein, zu beneiden waren die Frauen damals nicht.
Im Nachwort finden wir ein Personenregister und einige Erklärungen zur Entstehungsgeschichte dieser Romanbiografie. Sabine Weigand ist Historikerin und daher ist es ihr ein Anliegen, Fakten und Fiktion auseinanderzuhalten.
Fazit:
Eine tolle Romanbiografie eine nur wenigen bekannten Frau. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.