Cover-Bild Kein Teil der Welt
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Heranwachsen
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 10.10.2019
  • ISBN: 9783462050431
Stefanie de Velasco

Kein Teil der Welt

Roman

Vom Aufwachsen in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas.

Klug, rasant und herzzerreißend: Stefanie de Velascos aufrüttelnder Roman gibt Einblick in eine verborgene Welt und erzählt von einem Emanzipationsprozess, der sämtliche Fundamente zum Einstürzen bringt.

Ein ostdeutsches Dorf kurz nach der Wende. Die junge Esther wurde über Nacht aus ihrem bisherigen Leben gerissen, um hier, am anderen Ende der Republik, in der alten Heimat ihres Vaters, mit der Gemeinschaft einen neuen Königreichssaal zu bauen. Während die Eltern als Sonderpioniere der Wachtturmgesellschaft von Haus zu Haus ziehen, um im vom Mauerfall geprägten Osten zu missionieren, vermisst Esther ihre Freundin Sulamith schmerzlich.

Mit Sulamith hat sie seit der Kindheit in der Siedlung am Rhein alles geteilt: die Fresspakete bei den Sommerkongressen, die Predigtdienstschule, erste große Gefühle und Geheimnisse. Doch Sulamith zweifelt zunehmend an dem Glaubenssystem, in dem die beiden Freundinnen aufgewachsen sind, was in den Tagen vor Esthers Umzug zu verhängnisvollen Entwicklungen führt. Während Esther noch herauszufinden versucht, was mit Sulamith geschehen ist, stößt sie auf einen Teil ihrer Familiengeschichte, der bislang stets vor ihr geheim gehalten wurde.

Poetisch, wortgewandt und mit unwiderstehlicher Kraft führt uns dieser Roman in eine Welt, die mitten in der unsrigen existiert und dennoch kein Teil von ihr ist. Und stellt eine unvergessliche junge Frau ins Zentrum, die alles daran setzt, selbst darüber zu bestimmen, welche Erzählungen ihr Halt geben.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.12.2019

Beeindruckend erzählt, hat mich richtig eingesogen

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Esthers Eltern sind überzeugte Zeugen Jehovas, so dass sie – gemeinsam mit ihrer Freundin Sulamith – in diesem Umfeld aufwächst und von klein auf die Versammlungen, den Predigtdienst, die Ablehnung der ...

Esthers Eltern sind überzeugte Zeugen Jehovas, so dass sie – gemeinsam mit ihrer Freundin Sulamith – in diesem Umfeld aufwächst und von klein auf die Versammlungen, den Predigtdienst, die Ablehnung der Evolutionstheorie sowie die Ablehnung jeglicher weltlichen und heidnischen Feiern etc. pp. kennen lernt. Sulamith zweifelt jedoch an der „Wahrheit“ und ist eines Tages nicht mehr da. Esthers Eltern, die bisher im Rheinland gelebt haben, ziehen nach der Wende mit Esther in die ehemalige DDR, um dort ihren Predigtdienst weiterzuführen….


Meine Meinung:
Der Roman hat mich wirklich schwer beeindruckt, denn er zeichnet zum einen ein sehr detailliertes und realistisches Bild der Zeugen Jehovas, zum anderen ist er einfach spannend, wenn es darum geht, die Entwicklung von Esther mitzuverfolgen und herauszufinden, was denn eigentlich mit Sulamith passiert ist.
Durch die verschiedenen zeitlichen Ebenen und die Sprünge in der Perspektive zwischen Esthers Jugend im Rheinland und der Gegenwart in der ehemaligen DDR ist der Spannungsbogen aus meiner Sicht sehr gelungen. Man kann ihre Entwicklung gut nachvollziehen und vor allem auch nachfühlen, wie sie sich im Nachhinein in ihre Freundin Sulamith hineinversetzen kann.
Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas legt Esther wie auch den anderen Jugendlichen und sonstigen Mitglieder sehr strenge Regeln auf. Esthers Mutter folgt diesen vollkommen blind und freut mich immer, wenn sie auch andere für die „Wahrheit“ bekehren kann. Ihr Vater ist total streng, arbeitet (nach meinem Empfinden) nichts wirklich „Richtiges“ und spielt sich immer auf, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hat. Esther tut mir wahnsinnig leid, denn sie kommt sich in dieser Situation vor wie in einem Gefängnis.
Ich finde es schon erschreckend, wie sehr diese Sekte ihre Mitglieder vereinnahmt, und das Buch gibt dazu wirklich sehr gute Einblicke. Die Autorin gibt einige der Kernpunkte der „Lehre“ gut wieder und setzt sich im Laufe des Buches direkt kritisch damit auseinander.


Fazit:
Dieser Roman ist ein sehr gelungener Einblick in die Lebensweise der Zeugen Jehovas. Für mich ist er eines der Highlights in diesem Jahr, da er mich nachhaltig bewegt und beeindruckt hat.

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Veröffentlicht am 22.12.2019

Eine Suche nach Freiheit in einer fremden Welt

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"Kein Teil der Welt" erzählt die junge Esther ihre Geschichte. Esther wuchs bei den Zeugen Jehovas auf und lernt dort ihre beste Freundin Sulamith kennen. Doch die beiden werden älter und Sulamith beginnt ...

"Kein Teil der Welt" erzählt die junge Esther ihre Geschichte. Esther wuchs bei den Zeugen Jehovas auf und lernt dort ihre beste Freundin Sulamith kennen. Doch die beiden werden älter und Sulamith beginnt immer mehr zu zweifeln an dem Glauben, in dem ihre Mutter nach ihrer Flucht Hoffnung fand. Doch die Suche nach Freiheit endet tragisch.

Stefanie de Valesco erzählt hier die Geschichte zweier Mädchen, die aufwachsen in einer strengen Gemeinschaft,ausgeschlossen von den Menschen in ihrer Umgebung. Es ist die Geschichte von Sulamith, einem jungen Mädchen, das sich immer mehr eingeengt fühlt von dem Glauben ihrer Gemeinschaft, das sich verliebt und nicht weiß, wie sie beide Welten in Einklang bringen soll. Sie beginnt zu zweifeln, aufzubegehren und wird immer weniger verstanden von ihrer Mutter aber auch von ihrer besten Freundin. Sulamith beginnt hinter die Glaubensgrundlagen zu blicken, sie kann die versprochene Wahrheit nicht erkennen und möchte ihr Leben nicht als Lüge leben, sie will ausbrechen und endlich frei sein. Frei sein zu tun, was sie will und v.a. zu glauben, was sie will.
Es ist aber auch die Geschichte von Esther, die nur diese eine echte Freundin hat, mit der sie alles teilen konnte bisher. Sie hat Angst um diese Freundin und weiß nicht wie sie mit den Zweifeln und Taten der anderen umgehen soll. Nach einer Tragödie wird sie schließlich herausgerissen aus ihrer gewohnten Umgebung. Sie fühlt sich allein gelassen mit ihrem Verlust, vermisst ihre beste Freundin und will doch eigentlich nur wissen, was wirklich passiert ist. Doch ihre Eltern verstehen sie nicht, wollen sie weiter in das Konzept ihres Glaubens pressen und so beginnt auch Esther schließlich zu zweifeln und aufzubegehren. Auch Esther beginnt hinter die Kulissen zu blicken und erkennt für sich, dass der Gott an den sie so lange geglaubt hat nicht so gut sein kann, wie ihre Eltern behaupten. Die Trauer um ihre Freundin ist immer spürbar, die Welt um sie herum verstummt, es ist, "Als ob man durch einen Wald ginge und nirgendwo Vögel zwitscherten, ein Wald in dem nichts blühte und nicht mal die Äste knackten, wenn man auf sie trat".

Ich habe mir nie wirklich Gedanken über den Glauben und das Leben der Zeugen Jehovas gemacht. Wie viele habe ich sie als seltsam abgestempelt, weswegen es sehr interessant war, hier einen Einblick zu bekommen. Doch "Kein Teil der Welt" hat mich auch über andere Religionen nachdenken lassen. Über Regeln und Verbote im Namen des Glaubens, im Namen Gottes. Stefanie de Valesco hat einen sehr klaren Schreibstil und doch eine fast schon poetische Sprache. So viele Sätze, v.a. im 2. Teil des Buches, haben mich berührt oder zum Nachdenken gebracht. Es ist nicht nur das Leben als Zeuge Jehovas, auch die Verarbeitung der Trauer tritt v.a. gegen Ende immer stärker in den Vordergrund. Die Charaktere erscheinen einem wie echte Menschen, ich konnte die zunehmende Verzweiflung und den Ärger, den erst Sulamith und später Esther empfinden spüren. Aber auch die Eltern von den beiden Mädchen haben mich beschäftigt. Sie wollen ihre Kinder bei sich haben und entfremden sie doch immer weiter von sich. Man fragt sich als Leser vielleicht, wie man selbst handeln würde in so einer Situation. Was soll man tun, wenn die Kinder den Glauben ablehnen, der so tief in einem selbst verankert ist? Soll man sie einfach gehen lassen?

"Kein Teil der Welt" ist ein tolles Buch, das mich mit seiner Sprache überzeugt hat und mir ein Thema näher gebracht hat, mit dem ich mich vorher kaum befasst habe. Lediglich die Zwischensequenzen konnte ich auch am Schluss nicht einordnen, waren sie doch so anders von Sprache und Inhalt her.

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Veröffentlicht am 21.12.2019

Leben in der Wahrheit unter dem treuen und verständigen Sklaven

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In „Kein Teil der Welt“ begleiten wir die 15jährige Esther bei ihrer Emanzipation von der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Sie wächst am Rhein mit den strengen Regeln der Gemeinschaft auf. Sie ...

In „Kein Teil der Welt“ begleiten wir die 15jährige Esther bei ihrer Emanzipation von der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Sie wächst am Rhein mit den strengen Regeln der Gemeinschaft auf. Sie kennt es nicht anders und erst als ihre beste Freundin Sulamith zu hadern beginnt, kommt Esther ins Grübeln. Ihr gefällt das strenge Regelwerk immer weniger, so dass sie bei den Versammlungen schon mal abhaut oder sich über die billigen Klamotten von C&A ärgert. Hier legt ihre Mutter zweierlei Maßstab an, denn sie selbst würde sich niemals bei C&A einkleiden. Wie geht das zusammen? Wie muss es für ein Kind sein, wenn es mit so vielen Verboten konfrontiert und teils aus der Schulgemeinschaft (z.B. bei Geburtstagesfeiern) ausgeschlossen wird? Nach der Öffnung der Mauer ziehen ihre Eltern mit Esther in den Osten, um dort einen Königreichssaal aufzubauen. Dabei reißen sie Esther aus ihrer gewohnten Umgebung und weg von ihrer Freundin Sulamith, die sich zusehends von den Zeugen Jehovas ab- und zu den Weltmenschen hinwendet. Auch Esther hinterfragt die Sinnhaftigkeit der Brüder und Schwestern im Wandeln der Wahrheit und wird auch ihren Eltern – vor allem ihrer Mutter gegenüber – immer kritischer. Dabei bewegt sie vor allem die Frage: was geschah mit Sulamith?

Die Autorin Stefanie de Velasco ist mit 15 Jahren aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas ausgestiegen und weiß, wovon sie schreibt. Sollte die eine oder andere Situation übertrieben sein, ist diese Glaubensgemeinschaft meiner Meinung nach doch recht kritisch zu betrachten. Da kann einem schon das ein oder andere Mal ein eiskalter Schauer über den Rücken laufen. Augenscheinlich leben die Zeugen Jehovas nur für die Zeit nach dem Tod und warten geduldig in einem engen Korsett aus Regeln, Verboten und Geboten auf das Paradies. Dabei gilt es stets, sich gegen die Weltmenschen (als alle anderen Menschen außerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas), die unter dem Einfluss von Satan stehen, zu behaupten und/oder diese durch Missionierung auf die richtige, nämlich die eigene Seite zu ziehen. Durch Bibelkreise, Versammlungen im Königreichssaal, Gebete innerhalb der Familien, privates Studium der Bibel und der Gehorsam gegenüber dem treuen und verständigen Sklaven werden die Gläubigen geradezu zwanghaft an die Gemeinschaft gebunden. Kinder wachsen in diesem System, denn so sehe ich das, abgeschottet vom Leben der Weltmenschen in einer Art Glocke oder Parallelwelt auf und haben kaum eine Möglichkeit, die alten Glaubenssätze der Zeugen Jehovas zu hinterfragen. Es hat schon manische Züge, wie brav und bibeltreu sich die Erwachsenen verhalten und ihren Kindern keinen Freiraum zur Entfaltung lassen. Bereits im Kindergarten werden sie von „Veranstaltungen“ wie Geburtstagen ausgeschlossen, getreu der Vorschriften der Zeugen Jehovas. Diese totale Abgrenzung der Zeugen Jehovas gegen den „Rest der Welt“ war allgegenwärtig. Alle Andersgläubigen bzw. Ungläubigen werden in einen Topf geschmissen und den Kindern wird wahrlich Angst gemacht – vor allem vor Dämonen. Das muss bei Kindern Spuren hinterlassen und zwar keine guten oder schönen. Hier schlich sich bei mir schnell Unbehagen ein und ich bin eine erwachsene Frau.
Weihnachten wird nicht gefeiert, jedoch der Tag in der Familie mit einem Festessen „überbrückt“ – es wird ja nicht gearbeitet und vermutlich gibt es nichts Besseres zu tun. Ich merke gerade beim Schreiben, wie sehr mich das Buch immer noch gefangen hält und wie sich mein Herzschlag beschleunigt. Es ist einfach unglaublich, wie sehr Glaubensgemeinschaften an sich in das Leben von Menschen eingreifen und mit deren Angst spielen. Auf der anderen Seite geben die Zeugen Jehovas ihren Mitgliedern Halt, Zugehörigkeit und Hilfe bei ganz alltäglichen Dingen wie einem Umzug. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft wird gelebt, solange man nicht aus der Reihe tanzt. Dann wird es unbequem und man sieht sich einem Rechtskomitee gegenüber und muss damit rechnen, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden und damit Familie, Freunde und die Geborgenheit der Brüder und Schwestern zu verlieren.
Das Frauenbild der Königreichler finde ich sehr überholt und beschämend. Wobei ich Esthers Mutter schon als starken Charakter sehe. Ihr Vater war für mich wenig greifbar – vielleicht lag das an seinen vielen Reisen.
Mit dem Schreibstil bin ich sofort gut klar gekommen und ich fand die Geschichte von Anfang an interessant und spannend
Ein großes Rätsel ergab sich für mich durch die eingefügten Seiten, in denen die Rede von einer Salzinsel, deren Bewohner und das entbehrungsreiche Leben auf dem Eiland war. Bis zum Schluss hatte ich darauf gehofft, dass diese Einfügungen ein Geheimnis offenbaren oder entscheidend zum Verständnis der Geschichte beitragen. Doch daraus wurde leider nichts. Meiner Begeisterung für den Roman tat es keinen Abbruch.
Zuletzt möchte ich noch ein paar Worte zum Cover sagen. Das Bild des betenden, kleinen Mädchens unter eine Glasglocke spiegelt sehr plastisch das Leben von Esther wider. Sie lebt mitten unter den Menschen, aber doch getrennt von ihnen durch eine Glaswand wie in einer Art Kokon. Sie sieht, wie die Weltmenschen leben und kann die Wand nicht durchbrechen, ohne dass das Glas dabei zu Bruch geht. Das macht für mich das Cover so symbolträchtig und gleichzeitig beängstigend.

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Veröffentlicht am 28.11.2019

Coming-of-Age-Roman mit einem besonderen Hintergrund

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Das Buch „Kein Teil der Welt“ von Stefanie de Velasco ist ein Coming-of-Age-Roman vor einem besonderen Hintergrund, denn die 16-jährige Protagonistin Esther gehört ebenso wie ihre Eltern der Glaubensgemeinschaft ...

Das Buch „Kein Teil der Welt“ von Stefanie de Velasco ist ein Coming-of-Age-Roman vor einem besonderen Hintergrund, denn die 16-jährige Protagonistin Esther gehört ebenso wie ihre Eltern der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an. Das Glaubenssystem der Gruppe lässt sie innerhalb unserer Welt in einem eigenen Kosmos leben.
Esther und ihre Eltern sind kurz nach der Wende in den Osten Deutschlands gezogen, wo die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft jetzt nicht mehr mit Verfolgung rechnen müssen. Ihre Gedanken kreisen um ihre Freundschaft mit Sulamith und die Ereignisse der letzten Wochen während sie noch in ihrer Heimat in einem fiktiven Ort im Rheinland wohnte. Esther erzählt als Ich-Erzählerin von dem engen Raum, der ihr als Jugendliche unter Gleichaltrigen gegeben wird. Stattdessen ist sie eingebunden in die Gewinnung neuer Mitglieder und der regelmäßigen Stärkung des Glaubens.
Stefanie de Velasco war bis im jugendlichen Alter selbst Teil der Gemeinschaft und erzählt daher mit Hintergrundwissen, was der Geschichte Authentizität verleiht. Esther erlebt die neue Stadt und die neue Schule und ließ mich als Leserin dabei an ihren widerstreitenden Gefühlen teilnehmen. Ein Zufall lässt sie erkennen, dass ihre Eltern sie in einer Familienangelegenheit belügen, was dazu beiträgt, dass sie zunehmend beginnt, die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Glaubens, aber auch anderer zu hinterfragen. Neben ihrer permanenten Angst vor dem Weltuntergang sind ihr auch die negativen Konsequenzen bewusst, die ein möglicher Gemeindeaustritt für sie mit sich bringen würde.
Oft gleiten ihre Gedanken wieder zu ihrer Freundin Sulamith, die in den vergangenen Monaten im Rheinland eine ähnliche Auseinandersetzung mit sich geführt hat und sich dadurch nicht nur glaubens- sondern auch gefühlsmäßig immer mehr von Esther entfernt hat. Deutlich ist zu spüren, dass Esther schwer an dem Ende dieser Freundschaft trägt. Die dahinterstehende Tragik gibt die Autorin erst mit und mit preis.
In einem Alter, in dem durch eigene Erfahrungen die Umwelt sich für Jugendliche immer mehr verständlich öffnet und sie nach dem Sinn im Leben zu suchen beginnen, versucht Esther dem um sie gestrickten Kokon zu entkommen. Der Roman wirft dabei die Frage auf, was wir brauchen, um uns geborgen und beschützt zu fühlen und dennoch uns selbst verwirklichen zu können. Zwischen den Kapiteln erzählt Stefanie de Velasco eine Sage über die Bedeutung von Salz, die im übertragenen Sinne des Werts einer angemessenen Lebensführung der Glaubensmitglieder zu verstehen ist.
Mit dem Roman „Kein Teil der Welt“ hat Stefanie de Velasco mir interessante Einblicke in eine mir weitgehend unbekannte Glaubensgemeinschaft gegeben. Einfühlsam und eindringlich schildert sie den Prozess der frühen Ablösung der 16-jährigen Esther vom Elternhaus, weil sie im Vergleich mit ihren Eltern konträre Vorstellungen vom Leben hat, die verbunden sind mit Esthers Suche nach ihrem eigenen Weg. Dabei versucht sie sich ihrer Wünsche bewusst zu werden und träumt davon, sie sich zu erfüllen. Mich hat die Erzählung sehr angesprochen und daher empfehle ich sie gerne weiter.

Veröffentlicht am 22.11.2019

Unaufgeregt und dennoch berührend

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Die Zeugen Jehovas, in deren Gemeinschaft die Protagonistin in diesem Roman aufwächst, sind mir nur am Rande bekannt. Natürlich haben sie auch schon an meiner Haustür geklingelt und ich kenne ihre bunten ...

Die Zeugen Jehovas, in deren Gemeinschaft die Protagonistin in diesem Roman aufwächst, sind mir nur am Rande bekannt. Natürlich haben sie auch schon an meiner Haustür geklingelt und ich kenne ihre bunten Heftchen. Ich bin auch schon paar Mal an einem Königreichsaal in meiner Nachbarschaft vorbeigegangen. Aus meiner Sicht umgab die Zeugen immer etwas Geheimnisvolles, aber auch naives. Aber wirklich beschäftigt habe ich mich mit ihnen nie. Umso mehr hat mich dieser Roman interessiert.
Im Mittelpunkt des Romans steht eine Freundschaft zwischen zwei Mädchen. Die Geschichte wird aus Esthers Sicht erzählt. Etwas Schreckliches muss passiert sein, denn sie hat ihre beste Freundin Sulamith verloren. Was genau passiert ist, bleibt bis zum Schluss im trüben, dass erzeugt auch eine Grundspannung.
Unaufgeregt erzählt die Autorin den Alltag als Kind in der Gemeinschaft der Jehova. Für Esther, die als Jehova aufwächst ist es normal kein Geburtstag, Weihnachten, Ostern zu feiern. Als Kind hinterfragt sie es nicht, fühlt aber dennoch die Ausgeschlossenheit, sei es im Kindergarten oder in der Schule. Sie weiß, sie ist anders als die Mehrheit der Gesellschaft. Umso mehr klammert sie sich an Sulamith, die mit ihrer Mutter neu zu ihrer Gemeinschaft dazu kommt. Aber Sulamith zweifelt und hinterfragt, das trennt sie von der Gemeinschaft, aber auch von Esther.
Das Leben von Esther und Sulamith wird in Rückblicken erzählt, die Zeitebenen wechseln immer wieder. Aber ich bin gut zurechtgekommen. Esthers Gedanken und Gefühle sind gut, wenn auch nicht zu emotional beschrieben. Ich konnte mich in sie hineinversetzen und ihre Entscheidungen gut nachvollziehen. Der Schreibstil der Autorin gefiel mir sehr gut, ihre Nüchternheit und das sie nie abwertend geschrieben. Sie beschreibt ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist in erster Linie eine Growing up Geschichte mit Hintergrund der Zeugen Jehovas. Ich habe dennoch viel über die religiöse Gemeinschaft gelernt, nicht so viel über den theologischen Hintergrund, sondern das praktische Leben mit diesem Glauben. Bewundernswert finde ich die starke Gemeinschaft dahinter, negativ die Intoleranz gegenüber Andersgläubigen.
Ein Roman der unaufgeregt das Leben eines Mädchens in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas erzählt. Mich hat der Roman sehr berührt und ich kann ihn uneingeschränkt weiterempfehlen.