Malaysia 1921. Lesley Hamlyn lebt das äußerlich angenehme und gleichförmige Leben einer Frau der britischen Kolonialgesellschaft. Mit dem Eintreffen von Willie Somerset Maugham, einem alten Freund ihres Ehemanns Robert, kehrt Lebendigkeit in das Haus zurück und Erlebnisse der Vergangenheit drängen an die Oberfläche. Somerset Maugham ist zu diesem Zeitpunkt ein berühmter Schriftsteller, jedoch getrieben von Sorgen und Ängsten. Je stärker sich Lesley und er anfreunden, desto mehr Geheimnisse vertraut sie ihm an: ihre frühere Unterstützung politischer Rebellen, die das alte China beenden wollten, ihre Affäre mit einem chinesischen Mann, der Niedergang ihrer Ehe. Am Beispiel einer Freundin begreift Lesley, wie aussichtslos ihre Liebe ist und wie verheerend die Folgen für sie wären: ohne finanzielle Mittel, gesellschaftlich geächtet, würde sie ohne ihre Kinder leben müssen.
Wie Somerset Maugham muss auch sie ihr wahres Ich verbergen und ihre unglückliche Ehe ertragen. Trost findet sie einzig in dem Gedanken, sie könne ihren Geliebten eines Tages wiedersehen. Doch Robert hat längst beschlossen, diesen Teil der Welt zu verlassen und nach Südafrika zu ziehen.
Der Roman beschreibt das Leben zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Penang, Malaysia. Es gibt zwei Protagonist:innen aus deren Sicht der Roman erzählt wird. Auf der ...
Der Roman beschreibt das Leben zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Penang, Malaysia. Es gibt zwei Protagonist:innen aus deren Sicht der Roman erzählt wird. Auf der einen Seite ist das Lesley Hamlyn, Ehefrau des Rechtsanwalts Robert Hamlyn, die in ihrer Ehe und dem für sie eigentlich recht bequemen Leben mit Houseboys und Köchen unglücklich ist. Auf der anderen Seite wird ein Teil des Romans aus der Sicht des bekannten Schriftstellers William Somerset Maugham („Willie“) erzählt, der bei Lesley und Robert mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald im Jahr 1921 einige Wochen zu Besuch ist. In diesen Wochen erzählt ihm Lesley aus ihrem Leben: 1910 unterstützte sie Sun Yat-Sen, einen chinesischen Revolutionär, der zu diesem Zeitpunkt zwecks der Finanzierung seiner Revolutionspläne zum Sturz der Quing-Regierung in Penang war. Gleichzeitig traf sie sich mit einem Mitstreiter Sun Yat-Sens und entfloh so ihrer sie nicht zufriedenstellenden Ehe. Parallel zu diesen Ereignissen stand ihre Freundin Ethel Proudlock wegen Mordes vor Gericht.
Mich hat der Roman sehr gefesselt, obwohl ich gar nicht genau sagen kann, was mich exakt in den Bann gezogen hat. Ich finde die Mischung aus Fiktion und realen Ereignissen und Personen sehr gelungen (William Somerset Maugham, Sun Yat-Sen und auch der Prozess gegen Ethel Proudlock). Der Roman behandelt zum einen gesellschaftliche Themen wie die Kolonialisierung und die Geschichte Penangs, die Rolle der Frau und der Umgang mit Homosexualität zu der Zeit oder die historischen Ereignisse in China, zum anderen aber auch die persönlichen Gedanken, Gefühle und Lebensumstände der beiden Protagonist:innen Lesley und Willie. Die Charakterzeichnungen haben mich überzeugt. Obwohl sich die Ereignisse in dem Roman nicht überschlagen, sondern eher im Rückblick erzählt werden, kommen viele Themen und Aspekte zusammen. Sicherlich hätte es an einigen Stellen noch mehr in die Tiefe gehen können. Trotzdem wurden die Ungerechtigkeit und Auswirkungen der Kolonialisierung deutlich, obwohl sie nicht explizit im Zentrum des Romans stehen.
Mich lässt der Roman nachdenklich zurück, ich habe einiges gelernt und den Roman als sehr lesenswert empfunden. Außerdem fand ich die Sprache sehr schön, fast schon poetisch, genauso wie die Beschreibungen der Häuser und der Natur – so werden sicherlich weitere Romane des Autors Tan Twan Eng auf meiner Leseliste landen.
Als jemand, der asiatische Literatur sehr schätzt, war Das Haus der Türen von Tan Twan Eng für mich eine rundum gelungene Lektüre. Der Roman überzeugt mit einer durchdachten Struktur, vielschichtigen Figuren ...
Als jemand, der asiatische Literatur sehr schätzt, war Das Haus der Türen von Tan Twan Eng für mich eine rundum gelungene Lektüre. Der Roman überzeugt mit einer durchdachten Struktur, vielschichtigen Figuren und einer Sprache, die ruhig und atmosphärisch ist, ohne je ins Pathetische zu kippen. Wirklich gut!
Die Handlung spielt vor der Kulisse des kolonialen Malaysia der 1920er Jahre. In den Mittelpunkt stellt der Autor Lesley Hamlyn, eine Frau der britischen Kolonialgesellschaft, deren Leben durch den Besuch des bekannten Schriftstellers W. Somerset Maugham eine unerwartete Wendung nimmt. Zwischen ihr und Maugham entsteht ein vorsichtiges Vertrauensverhältnis, in dem sie beginnt, über persönliche Erlebnisse und ihre Vergangenheit zu sprechen – darunter eine Beziehung die etwas heikel ist sowie eine Verwicklung in einen Mordfall (der wohl auf realen historischen Ereignissen basiert).
Tan Twan Eng gelingt es, historische Fakten, politische Umbrüche und persönliche Schicksale sehr präzise miteinander zu verknüpfen. Besonders interessant fand ich, wie das koloniale Machtgefüge, gesellschaftliche Rollenbilder und die eingeschränkten Handlungsspielräume von Frauen thematisiert werden. Geschichtlich spannend für mich.
Auch stilistisch hat der Roman überzeugt: Die Sprache ist klar, stellenweise poetisch, aber nie überladen. Die Beschreibungen der tropischen Landschaft, des Lichts, der Geräusche – all das schafft eine stimmige Atmosphäre, die sich gut mit der inneren Welt der Figuren verbindet. WOW! Lesley ist keine idealisierte Figur, sondern glaubwürdig gezeichnet – mit inneren Widersprüchen, Unsicherheiten und leisen Formen von Widerstand.
Erwähnenswert ist auch der literarische Kunstgriff, Somerset Maugham als Figur einzubauen. Er bleibt distanziert, aber aufmerksam, und dient gewissermaßen als Katalysator für die Erzählung – auch das sehr gelungen umgesetzt.
Nicht alle Handlungsstränge fand ich gleich spannend, manche Themen hätten für meinen Geschmack etwas gestraffter sein können. Dennoch überwiegt am Ende ein sehr positives Gesamtbild: ein Roman mit Tiefe, guter Beobachtungsgabe und einer historischen wie emotional glaubwürdigen Erzählweise.
Fazit: Das Haus der Türen ist ein ruhiger, intelligenter Roman mit gesellschaftlichem und politischem Hintergrund, gut eingebettet in eine persönliche Geschichte. Für Leserinnen und Leser mit Interesse an südostasiatischer Geschichte, britischer Kolonialzeit und fein erzählten Figurenbeziehungen absolut empfehlenswert.
Uneingeschränkte Empfehlung.
Unglaublich stimmungsvoller Roman. Ob im kolonialen Südostasien der 20er Jahre oder in Südafrika Mitte des 20. Jahrhundert, Tan Twan Eng fängt die Atmosphäre wunderbar filigran ein, zeigt uns eine längst ...
Unglaublich stimmungsvoller Roman. Ob im kolonialen Südostasien der 20er Jahre oder in Südafrika Mitte des 20. Jahrhundert, Tan Twan Eng fängt die Atmosphäre wunderbar filigran ein, zeigt uns eine längst untergegangene Welt voller Exotik und Schönheit.
Es ist auch eine Welt voller Schmerz und Tränen. Persönlicher Schmerz, Menschen die von den Konventionen der Zeit gezwungen, in lieblosen Ehen gefangen sind. “Schweigend saßen wir da und verbargen unsere wahren Gedanken. Das, was eine Ehe aufrecht erhielt, was sie Jahr für Jahr weiter bestehen ließ, waren die Dinge, die unausgesprochen blieben, die Wahrheiten, die wir so gern offenbart hätten, aber hinunterschluckten, zurückdrängten in die tiefsten, dunkelsten Winkel unserer Herzen.” (S. 296)
Aber auch der soziale Schmerz der Kolonialzeit kommt zur Sprache. Die Briten fühlen und führen sich wie die Herren auf, alles muss ihnen unterstehen. Und die Sultanate Malaysias, die nicht von Briten besetzt sind, müssen britische Berater dulden.
Eine historische Person ist Ethel Proudlock, deren Geschichte damals, 1910 die Politik bewegte: Eine weiße Frau erschießt ihren Liebhaber, wird von einem englischen Gericht in Kuala Lumpur zum Tode verurteilt, doch der Sultan begnadigt sie, mit der Bedingung, das Land sofort zu verlassen. Die Kolonialzeit hat seltsame Blüten getrieben. Der Sultan darf die Frau zwar begnadigen, aber nicht über sie richten. Die Geschichte ist vielleicht auch deshalb von Bedeutung, weil ein berühmter englischer Schriftsteller sie literarisch verarbeitete.
Wir erfahren etwas aus dem Leben des britischen Schriftstellers William Somerset Maugham, der auf seinen ausgedehnten Reisen in Südostasien auch in Malaysien einige Zeit verbracht hat. Mit ihm beginnt auch der Roman, genauer gesagt, mit einem Ausspruch von ihm: “Eine Geschichte kann einen Namen über die Wolken, ja über die Zeit hinaustragen wie ein Vogel der Berge”.
Eine andere verbriefte historische Persönlichkeit im Roman ist Dr. Sun Yat Sen, der sich nichts geringeres als Lebensziel gesetzt hatte, als den chinesischen Kaiser zu stürzen und wurde erster provisorischer Präsident Chinas. Während seiner Zeit als Revolutionär und von den chinesischen Machthabern verfolgt, hielt Sun Yat Sen vor den in Malaysia ansässigen Chinesen etliche Vorträge, getarnt als Vorlesungen über chinesische Literatur, hauptsächlich über “Geschichten über Rebellionen und Verschwörungen zum Sturz von Kaisern” (S. 135). sozusagen ein Wink mit dem Zaunpfahl, gegen den jedoch die chinesische Botschaft nichts einwenden konnte.
Das Buch ist in Ich-Form geschrieben. Leslie Hamlyn erzählt von ihrem Leben in Penang, im Kasuar Haus, von ihrer zunehmend lieblosen Ehe mit dem Rechtsanwalt Robert Hamlyn, von ihrer Liebe zu dem Chinesen Dr. Arthur Loh, einem Freund und Unterstützer von Sun Yat Sen.
Die Häuser spielen im Roman eine große Rolle. einmal das Kasuar Haus in dem Leslie mit ihrer Familie wohnt, umgeben von einem großen Garten, eine Veranda, die zum Verweilen einlädt, Gästezimmer für Somerset Maugham und seinem Sekretär und Liebhaber, die Kinderzimmer, Wohnzimmer, Frühstückszimmer, kurz, allen Annehmlichkeiten eines englischen Landhauses in Fernost. Oder, mein Favorit, das Haus der Türen von Arthur Loh. An den Wänden und in den großen Räumen hängen alte Holztüren von Tempeln oder alten Häusern. “Langsam drehten sich die Türen in der Luft wie im leichten Wind um sich selbst trudelnde Blätter, endlos fallend, nie die Erde berührend.” (S. 211)
Unglaublich schöne Sprachbilder (gekonnt übersetzt von Michaela Grabinger) nehmen die Leser gefangen, lassen sie innehalten und das Gesagte visualisieren: “Libellen mit Buntglasflügeln steppten unsichtbare Nähte in die Luft.” (S. 290). Eines der schönsten Bilder ist die Szene im Meer: “Das Wasser war warm wie Blut…Als ich mich umdrehte, waren das Haus und der Strand in einer Falte der Nacht verschwunden… Plötzlich schwammen wir im kobaltblauem Feuer, und jeder Beinschlag, jede Armbewegung entzündete die ringsum wirbelnden Planktonstürme. Mein Lachen zerriss die lautlose, windstille Nacht, und Willie stimmte ein. Wir tauchten die Köpfe in das flackernde Meer, und wenn wir sie wieder nach oben brachten, spritzte Feuer von unseren Lippen… Ich schöpfte das Meer mit den Händen und staunte über die Feuerschlangen, die sich an meinen Armen hinunterwanden. Wir grinsten uns voller alberner, kindlicher Freude an. Unsere nackten Körper waren im Wasser zu sehen, doch wofür hätten wir uns schämen sollen? Wir waren ja nur zwei in Bernstein eingeschlossene Insekten.” (s. 307-308).
“In dieser Nacht glitten wir Seite an Seite zwischen den Seesterngalaxien dahin, während hoch über uns die Asterisken aus Licht die Fußnoten auf der Seite der Ewigkeit kennzeichneten.” (S. 309).
Es sind diese Bilder, die zusammen mit den behandelten Themen das Buch unvergesslich für mich machen.
Malaysia 1921. Lesley Hamlyn lebt das äußerlich angenehme und gleichförmige Leben einer Frau der britischen Kolonialgesellschaft. Mit dem Eintreffen von Willie Somerset Maugham, einem alten Freund ihres ...
Malaysia 1921. Lesley Hamlyn lebt das äußerlich angenehme und gleichförmige Leben einer Frau der britischen Kolonialgesellschaft. Mit dem Eintreffen von Willie Somerset Maugham, einem alten Freund ihres Ehemanns Robert, kehrt Lebendigkeit in das Haus zurück und Erlebnisse der Vergangenheit drängen an die Oberfläche. Somerset Maugham ist zu diesem Zeitpunkt ein berühmter Schriftsteller, jedoch getrieben von Sorgen und Ängsten. Je stärker sich Lesley und er anfreunden, desto mehr Geheimnisse vertraut sie ihm an: ihre frühere Unterstützung politischer Rebellen, die das alte China beenden wollten, ihre Affäre mit einem chinesischen Mann, der Niedergang ihrer Ehe. Am Beispiel einer Freundin begreift Lesley, wie aussichtslos ihre Liebe ist und wie verheerend die Folgen für sie wären: ohne finanzielle Mittel, gesellschaftlich geächtet, würde sie ohne ihre Kinder leben müssen.
Wie Somerset Maugham muss auch sie ihr wahres Ich verbergen und ihre unglückliche Ehe ertragen. Trost findet sie einzig in dem Gedanken, sie könne ihren Geliebten eines Tages wiedersehen. Doch Robert hat längst beschlossen, diesen Teil der Welt zu verlassen und nach Südafrika zu ziehen.
Der Autor Tan Twan Eng wurde in Penang/ Malaysia geboren. Dort wo der größte Teil der Handlung seines dritten Romans stattfindet. Er ist mehrsprachig und von „Straits-chinesischer“ Herkunft. Ein Begriff, ...
Der Autor Tan Twan Eng wurde in Penang/ Malaysia geboren. Dort wo der größte Teil der Handlung seines dritten Romans stattfindet. Er ist mehrsprachig und von „Straits-chinesischer“ Herkunft. Ein Begriff, der im Roman öfter auftaucht und wichtig für den Inhalt ist (deshalb fehlt mir in diesem Buch ein ausführliches Glossar. Dazu mehr am Ende der Rezension).
Die Insel Penang (wie auch z.B. Singapur) gehörte von 1826 bis 1946 zu den britischen Kronkolonien in Südostasien an der Straße von Malakka. Die „Straits Settlements”-frei übersetzt „Niederlassungen an der Meeresstraße“ - wurden nach dem zweiten Weltkrieg aufgelöst. Seit 1963 gehört Penang zu Malaysia.
In die Straits Settlements und die benachbarten Föderierten Malaiische Staaten waren in der Kolonialzeit eine große Anzahl Chinesen und andere Asiaten als Arbeitskräfte ins Land geholt worden. Gerade in den britischen Kolonien bildete eine sehr kleine Gruppe europäischer Expats die Oberschicht. Dieses Hintergrundwissen ist nicht überflüssig, denn Rassismus, Klasseneinteilungen, kulturelle Kontraste und Ressentiments werden im Roman ebenfalls thematisiert.
Im Zentrum des Romans steht die Freundschaft zwischen dem berühmten englischen Schriftsteller William Somerset Maugham und einem fiktionalen britischen Expat-Paar Hamlyn: dem Juristen Robert und der in Penang geborenen Lesley.
Doch die Rahmenhandlung führt uns zunächst ins Jahr 1947. Seit 7 Jahren ist Lesley verwitwet, lebt auf einer einsamen Schaffarm in Südafrika. Wegen der angeschlagenen Gesundheit ihres Mannes Robert sind sie 1922 von der malaiischen Insel Penang hierher gezogen, nur wenige Monate nach dem Besuch des britischen Schriftstellers William Somerset Maugham in ihrem Haus in Penang. Als ihr nun die Post eine signierte ältere Ausgabe von Maughams Buch „Der Kasuarinenbaum („The Casuarina Tree“) bringt, beginnen ihre Erinnerungen an diese Tage schier zu sprühen. Die Geschichte wird nun aber nicht nur aus ihrer Sicht erzählt, sondern auch aus Maughams zur Zeit seines Besuches 1921, der ihm das Material für den Erzählband „The Casuarina Tree“ geschenkt hat.
Tan Twan Eng schwingt von 1947, um dann zwischen 1910 und 1921 zu pendeln. Die Erzählperspektive wechselt von Lesley Hamlyn als Ich-Erzählerin und Maugham in der dritten Person.
Maugham, von Freunden „Willie“ gerufen, macht auf seiner großen Asienreise 1921 mit seinem Luxus liebenden “Sekretär” (und Lover) Gerald Haxton Station bei den Hamlyns in Penang. Auf der Suche nach Inspirationen für neue Kurzgeschichten wird gerade die freundschaftliche Beziehung zu Lesley zu einer wichtigen Informationsquelle. Da sein Freund Robert meist anderweitig beschäftigt ist, wird dessen Ehefrau Lesley zu seiner zentralen Gesprächspartnerin.
Sie liefert ihm die Grundlage für die erschütternde Geschichte eines Mordes, der zehn Jahre zuvor von Ethel Proudlock begangen wurde. In dem Roman ist diese eine Freundin von Lesley Hamlyn. Lesley erzählt auch von ihren Verbindungen zu den frühen Kämpfen um die Chinesische Revolution. Sie kennt Sun Yat-Sen, der diese anführte, persönlich. Genau von dieser Stelle aus führt sie auch eine Verbindung in ein Haus mit vielen Türen.
Durch seine exakte Ortskenntnis fasziniert der Autor durch seine eindrücklichen Darstellungen der Schauplätze. Man nimmt das Surrounding so direkt und intensiv wahr: die exotische Gerüche, den Geräuschhintergrund, das oft drückende Wetter, die prachtvolle Pflanzenwelt, die engen und verschmutzten Straßen, die Armen, die die wohlhabenden Europäer in ihren komfortablen Villen bedienen.
Auch auf historischem Terrain führt er uns ein in die Geheimnisse und den Mythos, der die Gemeinschaft der Ex-Pats in den beiden ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts umgibt. Es ist so spannend, wie Eng wichtige Stränge asiatischer Geschichte in die Erzählung einflicht. Ganz nebenbei baut er elegant die Geschichte der Kolonisation dieser Gegend ein.
„Anstatt zu antworten, schritt Robert weiter in den Friedhof hinein und deutete im Vorbeigehen mit seinem Stock auf die Grabsteine rechts und links. „Siedler, Muskatpflanzer, Missionare, Seeleute, Soldaten, Händler, Spitzbuben,“ sagte er. „Hier lässt sich die Historie der Insel nachverfolgen.“ S. 225
So weitet man den Horizont seiner Leser…
Die Erzählweise und poetische Sprache Tan Twan Engs sind ein wahrer Genuss. Rasch wird klar, dass dieser ein Fan des Schriftstellers Maugham sein muss. Zum einen merkt man dies daran, wie lebendig Maugham in diesem Roman wirkt, zu anderen leiht er sich auch Motive und Charaktere aus, die Maugham in seinem Erzählband benutzte. So z.B. aus Maughams „The Letter“, der den Mordfall Proudlock schildert, das Motiv eines Briefes, geschrieben wie auch bewusst ungeschrieben.
Seine Geschichte überrascht immer wieder durch seinen ganz besonderen sorgfältig konzipierten Handlungsentwurf. Sorgsam wurde Schicht auf Schicht aufgebaut, die man erst langsam, aber voller Staunen durchschaut. Die Hintergründe wie auch die Charaktere sind lebendig und authentisch, weil auch der Ton der Bewohner*innen jener Zeit sehr gut getroffen wird.
Viele Plot-Twists lassen die Geschichte nie langweilig werden. Der Autor arbeitet immer wieder mit Motiven und Andeutungen, die man anders deuten kann und erst im Rückblick verknüpft, Bedeutungen von bestimmten Begegnungen erkennt man manchmal erst im weiteren Handlungsverlauf.
Die großen gesellschaftlichen Themen sind auch heute teilweise (leider) immer noch hochaktuell: Rassismus, Vorurteile, Stellung der Frau in der Gesellschaft und Ächtung kulturell gemischter Beziehungen, Homosexualität, Imperialismus. Kolonialismus war Normalität, Ehebruch war genauso ein Skandal wie Mord. Die Idee eine demokratische Regierung in China aufzubauen jenseits aller Vorstellungsmöglichkeiten.
Die Gruppe der wichtigsten Charaktere ist überschaubar. Sie kämpfen mit Lebenslügen, müssen neue Beziehungen aufbauen und werden mit einer Welt konfrontiert, die sich immer schneller ändert (1910-1947!). Die gut gezeichneten Charaktere testen die Grenzen dessen aus, was noch als „normal“ gilt und gehen drüber hinaus.
Die wichtigsten Charaktere sind Lesley und „Willie“ Maugham. Da die Geschichte abwechselnd aus ihren Blickwinkeln erzählt wird, hat man den Vorzug, dass sie sich teilweise auch gegenseitig charakterisieren.
Für Lesley Hamlyn bedeutet Penang Geburtsheimat, von der sie sich nicht trennen will. Sie spricht neben Englisch mehrere asiatische Sprachen. Durch ihre Bekanntschaft mit dem chinesischen Revolutionär Sun Yat-Sen weiß sie einiges über China. Sie erzählt Willie vom Aufwachsen in Penang, wo jeder die Geheimnisse des andren kennt. Obwohl Robert sie vor Maugham gewarnt hat, fließen persönliche Geschichten nur so aus Lesley heraus. Dabei ist ihr das Risiko bewusst, dass ihre Ehe durch Maughams literarische Verwendung zerstört werden könnte.
Während zwischen Lesley und Robert spätestens nach dessen Affäre das Schweigen herrscht (- das „große schwere Schweigen, das mit der Zeit Schicht für Schicht gewachsen war und sich verhärtet hatte wie ein Korallenriff, nur dass ein Korallenriff etwas Lebendiges war.“ S. 294 -) führt sie mit Maugham recht intime Gespräche, z.B. über seine Homosexualität. Zwischen ihnen besteht rasch eine emotionale Beziehung und Vertrauensbasis.
Lesley ist eine sehr gefühlsstarke, mutige Frau, die sich auch nicht scheut, Sun Yat-Sen wegen seiner Polygamie zur Rede zu stellen.
Über „Willie“ Maugham erfahren wir viel aus seiner persönlichen Sicht: Kindheit, seine Arbeit als Mediziner im ersten Weltkrieg, wo er seinen meist recht ausgelassenen Geliebten Gerald kennenlernte, seine Hochzeit mit Syrie. Hier wird seine Bekanntschaft mit dem fiktiven Robert Hamlyn eingeflochten. Wir werden in Maughams Probleme als homosexueller Schriftsteller, der in eine unglückliche fingierte Ehe gefangen ist, eingeweiht.
Die Wochen in Penang sind zentral für Maugham, denn seine vorherige steile Karriere erfährt einen möglicherweise folgenreichen finanziellen Einbruch. So steht er unter hohem Druck, wieder einen Bestseller zu schreiben. Kenntnisreich schenkt uns Tan Twan Eng die Möglichkeit, spannende Einblicke in Willies kreativen Schreibprozess zu erhaschen. Maugham gerät in eine Schreibkrise, denn für ihn müssen die Geschichten danach verlangen, aufgeschrieben zu werden.
„Auf Reisen kann ich mich immer ein bisschen… verändern, und ich bin nie ganz…derselbe bei meiner Rückkehr.“ S. 290
Das Geheimnis gute Geschichten zu finden hat der Autor Maugham einem örtlichen Reporter erzählen lassen: man muss viel umher reisen und das Vertrauen der Leute zu gewinnen:
“Ein Mensch ist eher bereit, sich zu öffnen, nachdem man ihm etwas … Persönliches, etwas Blamables über sich offenbart hat. […] Wenn Ihnen jemand etwas anvertrauen soll, müssen Sie ihm zuerst ein Bröckchen ihres eigenen Lebens geben.” S. 180
Aber das ist dann nur ein Köder.
So zeigt der mit dem Stammeln kämpfende homosexuelle Schriftsteller Maugham Lesley seine nichtöffentlichen schwachen Seiten. Sie missbilligt zwar seine Lebensweise, sympathisiert aber mit seiner Misere. Vertrauensvoll lässt sie ihn aus ihren persönlichsten Informationen und Erinnerungen schöpfen. Willie gibt aber in seinen Erzählungen nie etwas von sich selber preis.
Vieles was die Menschen der Region ihm während seiner Reisen anvertrauten, floß in seinen Erzählband „The Casuarina Tree“ (1926) ein, der wieder Geld einbrachte. Empörung erntete er allerdings von den Leuten, da er recht nah an den Realitäten die koloniale Gesellschaft bloßgestellt hatte. In Penang und den Federated Malay States galt er danach als „persona non grata“.
Lesley Hamlyn erzählt Maugham ausführlich über ihre Freundin Ethel Proudlock, die wegen Mordes angeklagt ist. Dieser Skandal fand tatsächlich statt:
1911 nahm Ethel Proudlock den Revolver ihres Mannes und erschoss einen unangekündigten Besucher, von dem sie vorgab, sich belästigt und bedroht gefühlt zu haben. Der Proudlock Skandal bildet die Grundlage der Kurzgeschichte „The Letter“ in dem Maugham schonungslos die realen Vorfälle nachzeichnete. Es wurde eine von seinen bekanntesten Stories und später auch verfilmt.
Blättert man durch die anderen Erzählungen Maughams in diesem Buch, fällt auf, dass in einer sogar der Name Hamlyn auftaucht. Ein schöner Aufhänger für Tan Twan Eng
Eine zweite non-fiktive Person im Buch ist der chinesische Revolutionär Sun Yat-sen. Er taucht in Lesleys Berichten aus dem Jahr 1910 auf. Er träumt davon, das chinesische Kaiserreich durch eine Republik zu ersetzen. Er ist auch der Ankerpunkt einer politischen und sozialen Geschichte. Hier beginnt auch Lesleys Reise zur Selbstermächtigung.
Besonders gefallen hat mir, wie feinsinnig Tan Twan Eng Motive aufgreift und miteinander verwebt. Beispiel für ein solches Motiv Maughams, das er benutzt und an bedeutender Stelle in diesem Roman einsetzt, ist das maurische Symbol, das Maughams Vater auf die Fenster des Familienhauses platziert hatte, um es vor dem Bösen zu schützen. Maugham ließ es auf den Titelseiten von den meisten seiner Bücher drucken. Lesley fragt im Roman Maugham hoffnungsvoll, ob es ihm geholfen hat. Der Schriftsteller bejaht nach einigem Nachsinnen.
„Vielleicht hatte ihn das Symbol seines Vaters , der Kolophon, den er in jedes Buch setzen ließ, wirklich vor Schaden bewahrt.“ S. 325
Ein grandioses Bild ist auch das Haus der vielen Türen selber, das dem Buch den Titel schenkt. Der überraschende Entwurf dieses Hauses und die ganz besondere Bedeutung sind sehr berührend.
„Langsam drehten sich die Türen in der Luft wie im leichten Wind um sich selbst trudelnde Blätter, endlos fallend, nie die Erde berührend!“ S. 211
Mich hat dieser Roman über kulturelle Unterschiede, Erinnerung, Verlust und Hoffnung sehr berührt.
Nach dieser Lobeshymne über diesen wunderbaren Roman möchte ich mich allerdings mit einer bescheidenen kritischen Äußerung an den deutschen Verlag wenden. Dass dieses Buch im asiatischen und englischen Sprachraum ohne Glossar und einführendes Vorwort auskommt, ist anzunehmen. Aber für die deutsche Ausgabe hätte ich mir dies doch sehr gewünscht. So überlässt man es der Leserschaft mit dem Smartphone neben der Lektüre, nachzuforschen und zu googlen. Denn neben Erläuterungen zu Ausdrücken aus der malaiischen und chinesischen Kultur, wären ein paar Infos zu dem Schauplatz auch nett gewesen. Das Lesen wäre flüssiger und die Begeisterung noch viel größer. Immerhin, meine forschende Neugier wurde belohnt und hat den Lesegenuss ungemein gesteigert.