Cover-Bild Auf See
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24,00
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  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 22.08.2022
  • ISBN: 9783446273979
Theresia Enzensberger

Auf See

Roman
Der neue Roman von Theresia Enzensberger. "Eine brillante Zukunftsvision, so unterhaltsam wie klug konstruiert und schnörkellos geschrieben." Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff

Yada wächst als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee auf. Ihr Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. In den Jahren seit ihrer Gründung ist der Glanz vergangen, Algen und Moos überwuchern die einst spiegelnden Flächen. Yadas Vater fürchtet, sie könne das Schicksal ihrer Mutter ereilen, die vor ihrem Tod an einer rätselhaften Krankheit litt. Und Yada macht eines Tages eine Entdeckung, die alles ins Wanken bringt. Klug, packend und visionär erzählt Theresia Enzensbergers großer Roman von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften und dem Glück im Angesicht des Untergangs.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.08.2022

Beziehungsroman, Dystopie und Gesellschaftskritik

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Die siebzehnjährige Yada lebt auf der Seestatt, einer schwimmenden Insel in der Ostsee. Ihr Vater ist der Gründer dieses Projekts, das eine sichere Zuflucht bietet, nachdem sämtliche Strukturen auf dem ...

Die siebzehnjährige Yada lebt auf der Seestatt, einer schwimmenden Insel in der Ostsee. Ihr Vater ist der Gründer dieses Projekts, das eine sichere Zuflucht bietet, nachdem sämtliche Strukturen auf dem Festland zusammengebrochen sind. Er hat für Yada nicht nur einen festen Tagesablauf entworfen, sondern kontrolliert auch, mit wem sie sprechen und welche Informationen sie erhalten darf. Als Yada mit rätselhaften Verletzungen aufwacht, sorgt sie sich, dass sie wie ihre verstorbene Mutter unter einer schweren psychischen Krankheit leidet. Schließlich macht sie eine Entdeckung, die ihr ganzes Leben in Frage stellt.

In einem zweiten Handlungsstrang lernte ich die Künstlerin Helene kennen, die in Berlin lebt. Nachdem sie aus einer Laune heraus mehrere Vorhersagen getroffen hat, von denen sich die meisten zufällig als richtig erwiesen, wird sie von Anhängern als Orakel verehrt. Sie lässt sich ohne Konto und Internet durch den Tag und die Wohnungen ihrer Freund:innen treiben. Ihre Anhängerschaft hat sich über die Zeit zu einer Art Sekte entwickelt und sie selbst hat kein großes Interesse mehr daran, ihnen die Richtung zu weisen. Einem Konkurrenten das Feld zu überlassen, der mit falschen Versprechungen lockt, erscheint ihr aber auch nicht richtig.

Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht von Yada und Helena erzählt. Der Fokus bleibt zunächst stark auf den beiden Protagonistinnen. Über die Welt, in der sie leben, erfuhr ich nur das, was sie aus ihrer subjektiven Perspektive bewusst wahrnehmen. Schnell wird klar, dass Yadas Bild von der zusammengebrochenen Gesellschaft auf dem Festland nicht zu Helenes Erlebnissen in Berlin passt und auf der Seestatt einiges im Argen ist.

Die Zukunft, welche hier von der Autorin geschildert wird, fühlt sich nicht allzu unmöglich an. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder idealistische Ideen einer Gesellschaft, die in Archivschnipseln eingestreut werden. Es handelt sich um gut recherchierte kurze Passagen beispielsweise über das fiktive Königreich Polyrais, das Schicksal der Republik Nauru oder die Anfänge von Scientology. Ich fand diese Einschübe interessant, sie gaben neue Denkanstöße für die fiktive Geschichte und untermauern die Plausibilität des Geschehens.

Ich tauchte beim Lesen tief in die Psyche der beiden Protagonistinnen ein und erhielt einen umfassenden Einblick, was das Erlebte mit ihnen macht. Auch die komplizierten Beziehungen der beiden zu Familie und Freunden werden intensiv beleuchtet. Eine ganze Weile war ich ahnungslos, wohin die Geschichte mich führen wird, bis sich eine Ahnung entwickelt, die schließlich zur Gewissheit wird. Die Antworten auf die meisten meiner Fragen meinte ich im Laufe der Geschichte gefunden zu haben, was durch längere Erklärungen zum Ende hin bestätigt und um weitere Hintergrundinformationen erweitert wurde.

Die Neugier trieb mich durch die Seiten, auch wenn der Erzählton unaufgeregt ist und die Geschichte mit wenigen Spannungsmomenten auskommt. "Auf See" ist gleichzeitig Beziehungsroman, Dystopie und Gesellschaftskritik, die sich mit den Schattenseiten libertärer Ideen auseinandersetzt. Eine kurzweilige, zum nachdenken anregende Lektüre, die ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 22.08.2022

Ein sehr interessantes Buch, das auf drei Ebenen spielt:

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Erstens: Yada, ein junges Mädchen, das auf einer künstlichen Insel lebt. Ihr Vater ist ein sektiererischer Visionär, will alles und jeden seiner Idee unterordnen. Sich selbst aber ausgenommen. Er isst ...

Erstens: Yada, ein junges Mädchen, das auf einer künstlichen Insel lebt. Ihr Vater ist ein sektiererischer Visionär, will alles und jeden seiner Idee unterordnen. Sich selbst aber ausgenommen. Er isst morgens und mittags allein, lauter frische Leckerbissen während das
gemeine Volk, seine Tochter inklusive, einheitlichen grünen Vitaminbrei essen müssen. Zudem gönnt sich der Vater Auslandsreisen, obwohl er Yada immer erklärt, die Außenwelt ist zerstört, es gäbe sie nicht mehr, Doch die Tochter beginnt zu rebellieren. Dem Vater schwebt eine perfekte Gesellschaft auf dem Meer vor, alle Menschen streben nach Perfektion, Gleichheit, Freiheit. Aber es ist nur die vom Vater akzeptierte Freiheit, alle Andersdenkende werden entfernt, Yada wächst isoliert auf, ohne Kontakt zu anderen Kindern, die Erwachsenen um sie herum gängeln oder meiden sie. Irgendwann merkt Yada, wie sehr ihr Vater und seine Clique sie betrogen und belogen haben, sie mit Medikamenten gefügig gemacht haben und sie flieht von der Insel.
Zweitens: Helena, freie, ungebundene Künstlerin, Malerin, Bloggerin, aber alles ohne feste Überzeugung. Sie tut dies, weil sie es kann, nicht weil es ihr ein Bedürfnis ist. Sie hat eine riesige Fangemeinde, Follower und Bewunderer. Aber ihr liegt nichts an ihnen. Sie versteht auch nicht den Rummel, der um sie gemacht wird. Sie will einfach frei und ungebunden sein.
Drittens: Kapitel die “Archiv” betitelt sind und über Sonderwirtschaftszonen, über Unternehmungen diverser Visionäre oder Betrüger berichten, die versucht haben entweder eigene Mini-Staaten zu gründen, oder Menschen um ihre Ersparnisse zu bringen, mit
angeblichen Inseln oder Ländern in denen sie frei und ungebunden leben könnten.
Yada und Helena werden sich begegnen, Yadas Vater hat nun keine Macht mehr über sie und kann sie nicht zwingen, zu ihm zurück zu kehren, was für ihn persönlich katastrophale Folgen haben wird. Aber Yada ist endlich frei. Sie wird nun in einem alten geschenkten VW Golf ihre Freiheit genießen, die sie während ihrer Kindheit und Jugend nie hatte.
Während die “Archiv” betitelten Kapitel trocken und emotionslos über die missglückten Versuche selbständige Staaten zu bilden berichten, sind die anderen Kapitel, die über Yada, Helena oder die anderen agierenden Personen berichten, spannend, ja sogar dramatisch geschrieben, man lese nur das Kapitel über Yadas Flucht.
Das Buch ist in Abschnitte unterteilt, die die Namen der englischen grammatikalischen Zeiten im Indikativ Aktiv tragen: Future Simple, Future Progressive, Past Perfect, Present Progressive und Future Perfect. Weshalb hat die Autorin wohl das Present Simple ausgelassen?
Theresia Enzensberger hat ein faszinierendes Buch geschrieben, angesiedelt zwischen Utopie und Realismus, zwischen Fantasie und Wirklichkeit.

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Veröffentlicht am 26.09.2022

Eine autonome Insel?

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Yada wächst in der sogenannten Seestatt auf, einer autonomen Insel vor Deutschland, bei der ihr Vater der Ideengeber und Projektentwickler ist. Doch ist der Entwurf dieser eigenstaatlichen Utopie wirklich ...

Yada wächst in der sogenannten Seestatt auf, einer autonomen Insel vor Deutschland, bei der ihr Vater der Ideengeber und Projektentwickler ist. Doch ist der Entwurf dieser eigenstaatlichen Utopie wirklich so perfekt? Yada stößt auf immer mehr Ungereimtheiten, auf die ihr Vater ihr keine Antworten zu geben vermag. Auf der Suche nach ihrer Mutter und ihrer wahren Identität gerät sie in einen Strudel aus Hilflosigkeit, dem Gefühl des Ausgeliefertseins und stößt an ihre Grenzen. Aus der Sicht verschiedener Protagonisten erfahren wir in diesem dystopischen Roman von der Seestatt und in Einschüben von anderen vermeintlich visionären Ertwicklungen autonomer Gesellschaften. Wir begleiten u.a. die junge Protagonistin Yada, die an vielen Stellen naiv wirken mag, allerdings stets authentisch in ihrer Rolle bleibt. Allen Figuren folgt man gerne, allerdings wird stets eine erzählerische Distanz gewahrt, sodass man die Entwicklungen als Außenstehender gespannt verfolgt, aber nicht zu sehr in das Geschehen involviert ist. Die intellektuell anspruchsvollen Einschübe waren mir teilweise etwas zu ausführlich, auch in den anderen Passagen hätte die ein oder andere Kürzung dem Lesefluss nicht geschadet. Insgesamt ein faszinierender Roman, der aktuelle Thematiken aufgreift und niveauvoll in Sprache und Plot beleuchtet. Darüber hinaus ist das Cover sehr ansprechend und ästhetisch!

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Fesselnde dystopische Zeitreise

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MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender Zukunftsvision, beklemmender Dystopie und einer Coming-of-age-Geschichte der jungen Protagonistin Yada darstellt.
Sehr anschaulich führt uns die Autorin unterschiedliche faszinierende Zukunfts- und Lebenskonzepte vor Augen und zeigt eindrücklich die Notwendigkeit auf, jegliche Machtverhältnisse in Frage zu stellen und hilfreiche resiliente Strategien zu entwickeln, um mit seinen Zukunftsängsten angesichts post-apokalyptischer Zustände umzugehen. Die fesselnde und vielschichtig angelegte Geschichte regt zu einer Auseinandersetzung mit interessanten gesellschaftspolitischen Fragestellungen und tiefgründigen Zukunftsthemen an - Themen also, die jeden von uns betreffen (sollten).
Angesiedelt ist Enzensbergers Ausgangsszenario in einer nicht allzu fernen, aber nicht näher verortbaren Zukunft zu einer Zeit geprägt durch die Folgen des Klimawandels und gesellschaftliche Unruhen. Schon der Einstieg in die beklemmende, prägnant erzählte Handlung hat mich auf Anhieb mit ihren deutlichen Bezügen zur Gegenwart gefesselt. Die Autorin stellt zwei unterschiedliche Erzählperspektiven gegeneinander, die offensichtlich auf bislang noch unbekannte Weise zusammenhängen, und gibt uns zugleich faszinierende Einblicke in zwei sehr verschiedene Handlungsorte. Zum einen erleben wir die interessante, etwas unwirkliche Welt der 17-jährigen Yada, die isoliert vom Rest der vermeintlich im Chaos versunkenen Welt auf einer kleinen künstlichen Insel, der schwimmenden Seestatt mitten in der Ostsee lebt – zusammen mit ihrem unnahbaren Vater Nicholas Verney, der Gründer und Leiter dieses visionären Zukunftsprojekts ist und so einiges vor ihr zu verbergen scheint. Man spürt deutlich zwischen den Zeilen, dass hier so einiges im Argen liegt und vertuscht werden soll. Zum anderen lernen wir in einem zweiten Erzählstrang die faszinierende Figur von Helena kennen, eine Künstlerin, Aktivistin und unfreiwillige Gründerin einer libertären Sekte und erleben aus ihrer Sicht ihren bewegten Alltag in einer etwas anarchistischen, aber eigentlich immer noch „normalen“ Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergedriftet ist.
Obwohl schon bald klar wird, welche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und den jeweiligen Figuren bestehen, ergeben sich manche Hintergründe und Bezüge zur Handlung aufgrund der cleveren, komplexen Konzeption auch erst im Nachhinein. Eingeschoben in die sich abwechselnden Erzählstränge der Haupthandlung sind die mit Archiv betitelten Kapitel, in denen historisch verbürgte Fakten über fantastische Utopien und ihr Scheitern in der Vergangenheit vorgestellt werden. In diesen fundiert recherchierten Abhandlungen erfahren wir neben lehrreichen Hintergründen zum modernen Neoliberalismus und zur Gründung eigener Nationen allerlei Faszinierendes wie Unglaubliches wie beispielsweise über den legendären Betrüger Gregor MagGregor, die Insel Ascension oder die Geschichte der Piratenkommune Libertatia.
An der Seite der beiden in ihren Lebenskonzepten so unterschiedlichen Hauptfiguren Yada und Helena nimmt uns die Autorin mit auf eine interessante Zeitreise, in der es zunächst viele Ungereimtheiten, überraschende Wendungen aber auch spannende Ansätze zu neuen Lebensgemeinschaften im Angesicht des allgegenwärtigen Untergangs zu ergründen gibt.
Dank des lebendigen Erzählstils wird man zwar rasch in die Geschichte hineingezogen und doch fiel es mir nicht leicht, mich auf die vielschichtigen Charaktere und ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzulassen, da insbesondere Helena auf mich sehr unnahbar und distanziert wirkte. Beim Lesen ist zudem große Aufmerksamkeit vonnöten, um durch die eingeschobenen, detailreichen Archiv-Kapitel im Lesefluss zu bleiben und die verschiedenen Ebenen dieser genialen Geschichte zu erfassen. Zum Ende hin fügen sich schließlich die vielen verschiedenen Mosaikteilchen sehr stimmig zusammen zu einem faszinierenden Gesamtbild. Gekonnt lässt die Autorin ihren Roman mit einem hoffnungsvollen, versöhnlichen Ausklang enden, der einen sehr nachdenklich zurücklässt.

FAZIT
Ein fesselnder und anspruchsvoller Roman, der uns in eine nicht allzu ferne Zukunft blicken lässt.
Eine nicht einfache aber interessante und zum Nachdenken anregende Lektüre!

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Veröffentlicht am 22.09.2022

Roman trifft Essay

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Ort: Das Meer, in unmittelbarer Nähe zum Festland. Zeitpunkt: Ein nicht näher spezifizierter Zeitraum in der Zukunft. Yada, fast achtzehn Jahre alt, lebt mit ihrem Vater und einigen anderen Bewohnern auf ...

Ort: Das Meer, in unmittelbarer Nähe zum Festland. Zeitpunkt: Ein nicht näher spezifizierter Zeitraum in der Zukunft. Yada, fast achtzehn Jahre alt, lebt mit ihrem Vater und einigen anderen Bewohnern auf einer Seestatt, denn das Festland ist aufgrund von Naturkatastrophen in einem chaotischen Zustand. An ihre Mutter kann Yada sich kaum erinnern, es heißt, sie wäre ihrer psychischen Krankheit unterlegen. Um die Tochter vor demselben Schicksal zu bewahren, wird Yada von ihrem Vater beschützt – oder sollte man lieber sagen: überwacht? Denn die Ungereimtheiten häufen sich und als Yada eines Tages die Flucht aufs Festland gelingt, stellt sie fest, dass ihr Vater nicht nur in Bezug auf die Zustände in Deutschland, sondern auch in Bezug auf ihre Mutter gelogen hat. Ein über Jahre hinweg sorgfältig aufgebautes Kartenhaus an Lügen stürzt zusammen und Yada findet sich in einer Realität wieder, in der sie erst lernen muss, sich zurechtzufinden. Womit sie am wenigsten gerechnet hat: Yada findet ihre totgeglaubte Mutter wieder, die als freischaffende Künstlerin in Berlin lebt. Sie ist eine Berühmtheit, weil sie einst Prophezeiungen über die Zukunft verkündete, von denen viele in Erfüllung gingen. Seitdem wird sie als „das Orakel“ bezeichnet, wogegen Helena unermüdlich ankämpft – doch ohne Erfolg. Als wieder eine ihrer Verkündungen wahr wird, beschließt sie gemeinsam mit ihrer Tochter und ein paar engen Freunden ihre Stimme für eine gute Sache zu nutzen.

Dem Roman „Auf See“ liegt nicht nur eine äußerst interessante Idee zugrunde, sondern auch ein ungewöhnliches Konzept. Wir tauchen abwechselnd in die Perspektive der Tochter, Yada, und der Mutter, Helena, ein – gegen Ende des Romans kommen noch weitere Stimmen hinzu. Die Passagen, die Yada und Helena gewidmet werden, werden von Essays zu historischen Themen unterbrochen. Sie gehören romanintern zu dem von Helena erarbeiteten und sukzessive erweitereten Archiv, sind aber gleichzeitig Themen, die die Autorin selbst brennend interessieren – die, so lässt sich vermuten, sie zu ihrem dystopischen Werk inspiriert haben – und die sie für uns, die Leser, in ansprechender und spannender Form interpretiert und zusammengefasst hat. So erfahren wir über den Betrüger Gregor MacGregor, der sein Geld damit verdiente, dass er Land einer von ihm erfundenen Insel verkaufte; wir lernen Ernest Hemingways jüngeren Bruder Leicester kennen; wir erhalten Geschichtsunterricht für die Insel Nauru und wie deren reiche Phosphatreserven – nichts anderes als Vogelscheiße – das Leben seiner Einwohner über Jahrzehnte hinweg bestimmen sollte; wir erhalten einen groben Überblick über die Entstehung der Sekte Scientology und dürfen zusammen mit der Autorin zu dem Geburtsort des modernen Neoliberalismus reisen – um nur einige Beispiele zu nennen. Wir haben hier somit einen utopischen Roman vorliegen, der um eine Essaysammlung bereichert wurde. Mit anderen Worten, uns liegt mit „Auf See“ ein fiktional-wissenschaftliches Konglomerat vor – wenn das mal keine innovative und spannende Idee ist! Ich habe die Lektüre von „Auf See“ sehr genossen und habe mich gerne auf derartig anregende Weise weiterbilden lassen. Allerdings gerät zugunsten der historischen Einschübe die fiktive Ebene teilweise zu kurz, was mich zu der Schwachstelle des Romans kommen lässt, und zwar löst sich die Geschichte gegen Ende etwas zu schnell und abrupt in Wohlgefallen auf, wodurch einige Fragen unbeantwortet und einige Nebenhandlungen unaufgelöst bleiben. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei „Auf See“ um einen wertvollen und nachdenklich stimmenden Roman, den ich allen Lesern, die ich sich sowohl für utopische/dystopische Ideen als auch für historische Themen interessieren, aufs Wärmste empfehlen kann.

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