Cover-Bild Der Abfall der Herzen
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 448
  • Ersterscheinung: 22.02.2018
  • ISBN: 9783103973471
Thorsten Nagelschmidt

Der Abfall der Herzen

Roman
»Wann hast du eigentlich aufgehört, mich zu hassen?«
»Als du mir den Brief geschrieben hast.«
»Was für einen Brief?«
Und er beginnt sich zu fragen, was er sonst noch vergessen hat von diesem Sommer 1999. Nagel lebte damals in seiner ersten WG, hielt sich mit Nebenjobs über Wasser und verschwendete kaum einen Gedanken an die Zukunft. Damals, als ein Jahrhundert zu Ende ging, man im Regional-Express noch rauchen durfte und nur Angeber ein Handy hatten. Dann änderte sich alles, plötzlich und unvorhergesehen verwandelte sich seine Welt in einen Scherbenhaufen. Thorsten Nagelschmidt hat einen Roman über Liebe, Freundschaft und Verrat geschrieben. Über einen letzten großen Sommer und die Spurensuche 16 Jahre später.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.02.2018

Ein Ende, das erst der Anfang ist

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Das Buch „Der Abfall der Herzen“ ist das erste, das Thorsten Nagelschmidt, der auch kurz „Nagel“ genannt wird, unter seinem realen Namen veröffentlicht. Es handelt auf zwei Ebenen, nämlich zum einen in ...

Das Buch „Der Abfall der Herzen“ ist das erste, das Thorsten Nagelschmidt, der auch kurz „Nagel“ genannt wird, unter seinem realen Namen veröffentlicht. Es handelt auf zwei Ebenen, nämlich zum einen in der Gegenwart und zum anderen im Rückblick auf den Sommer des Jahres 1999. Während der Autor zu Beginn des Romans autobiographisch beschreibt, wie es zu dem Buch gekommen ist, verschwimmen seine Erinnerungen an die Vergangenheit immer mehr. Daher hat er nicht nur neue Charaktere als seine damaligen Freunde erfunden, sondern auch die Ereignisse fiktionalisiert.

Versteht sich „Abfall“ im geläufigen Sinne als Rest der da bleibt, so ist der Titel passend zu den Versatzstücken zu sehen, die wir mit dem Blick auf frühere Jahre in unserem Gedächtnis gespeichert haben. Die tief in unseren Herzen vergrabenen Gefühle spielen uns dabei manches Mal einen Streich und lassen Szenen ganz anders erinnern als sie sich tatsächlich ereignet haben. Das Cover ist haptisch sehr schön gestaltet. Der sepiafarbene Hintergrund ist fühlbar längs gestreift und spiegelt mit dieser klaren Linie die Regeln und Gesetze der Erwachsenenwelt wieder. Um sich genau davon bewusst abzuheben und den Trotz widerzuspiegeln erscheinen die Jugendlichen im unteren Drittel in den kräftigen Farben türkisblau und orange bei ihrem wagemutigen, aber verbotenen Sprung in den Baggersee.

Der Roman beginnt mit dem Ende, nicht nur weil es vor Beginn des ersten Kapitels so geschrieben steht, sondern weil Thorsten Nagelschmidt zunächst erzählt, wie es dazu kam, dass er sich auf Spurensuche in seine Vergangenheit begibt. Er wohnt heute in Berlin und trifft sich dort eines Tages mit einem guten Freund, mit dem er Jahre vorher im Clinch lag, an der Bar eines Möbelgeschäfts. Plötzlich ist die Rede von einem Brief den er ihm 16 Jahre vorhergeschrieben hat nachdem der Streit angeblich beendet wurde und an den er sich partout nicht erinnern kann. Aber bereits damals hat der Autor Tagebuch geführt.

Das Lesen in den alten Kladden wirft jedoch immer neue Fragen auf, die ihn nicht mehr loslassen. Darum geht er einer Reihe von Anhaltspunkten nach und vereinbart Termine mit seinen Freunden und Bekannten aus Rheine, der Stadt, in der er 1999 gewohnt hat. Hier ist er aufgewachsen und wurde zum Sänger und Songschreiber der Band Muff Potter. Jeder erzählt ihm auf Nachfrage bestimmte Ereignisse aus seiner eigenen Perspektive. Die inzwischen verwaschenen Gedanken bieten ein breites Spektrum dessen, was sich abgespielt haben könnte anstelle von realen Begebenheiten. Erst langsam nähert Thorsten Nagelschmidt sich einer Wahrheit, die ihn gleichzeitig sich selbst ein wenig besser kennen und verstehen lässt. Der Sommer 1999 mit all seinen guten und schlechten Seiten, vor allem aber einer gehörigen Portion Liebeskummer lebt wieder auf für ihn.

Der Autor hat mir reichliche Denkanstöße gegeben, die auch mich in meine eigene Jugend entführt haben. Meine Familiengeschichte ist eng verknüpft mit der Stadt Rheine, so dass ich nicht nur rein gefühlsmäßig in die Vergangenheit gereist bin, sondern auch einige Örtlichkeiten des Romans kenne. Und wenn Thorsten Nagelschmidt mit der Bahn von Rheine nach Aachen fährt und „in einem Kaff namens Lindern“ (S. 167) aussteigt dann ist er nur drei Stationen vorher an meinem Wohnort vorbei gekommen.

Der Autor ist in den vorigen 16 Jahren auch immer wieder zu Besuch in seiner Heimat gewesen, aber eher aus Gewohnheit an den immer gleichen Stätten. Erst der nicht mehr erinnerte Brief führt ihn an Orte zurück, deren Veränderung er sich jetzt erst bewusst wird. Wie viele andere in seinem Alter hat er sich gegen das Erwachsen werden aufgelehnt mit der vollen Absicht, bloß nicht in ausgetretenen Pfaden zu laufen. Sein Studium ruht, die Karriere der Band letztlich ebenfalls, er hält sich mit gelegentlichen Jobs über Wasser. Dennoch ist da nie der Gedanke darüber, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Viel Alkohol, sogar Drogen und unflätige Manieren sind angesagt, aber schließlich halten seine Freunde und Freundinnen es genauso. Ihr Verhalten ist provozierend, Raufereien unter Gleichaltrigen die anderer Meinung sind nichts Ungewöhnliches. Durch Songs, Filme, Bücher und Ereignissen mit deutschlandweiter Bedeutung wie beispielsweise der Sonnenfinsternis im August, an die ich mich sehr gut erinnere, konnte ich mich im Jahr 1999 verorten.

Thorsten Nagelschmidt nutzt eine schlichte Sprache und erzählt eine alltägliche Geschichte und dennoch machen das Sammelsurium der fiktiven Freunde, darunter Gedankenspinner und Lebenskünstler, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die Geschichte abwechslungsreich und zu etwas Besonderem. Es war für mich interessant und spannend zu sehen, was ein Treffen mit einem alten Freund auslösen und wozu eine Suche in der Vergangenheit führen kann. Die Erzählung wirkt nicht nur echt, sondern ist es auch. Aus einer gewöhnlichen Erzählung über seine Jugend verbunden mit Freundschaft, Hass, Liebe und Ängsten gestaltet der Autor auf eine ganz eigene Weise eine mitreißende Reise in die Vergangenheit, die auf ihren Ausgang in der Gegenwart ungeduldig warten lässt. Lassen Sie sich davon mitnehmen!

Veröffentlicht am 14.04.2018

Nicht die richtige Lektüre für mich

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Dies ist der erste Roman, den der Autor (und Musiker und Künstler) unter seinem richtigen Namen veröffentlicht. Und das passt auch, weil die Geschichte Autobiografisches aus seinem Leben als 22/23jähriger ...

Dies ist der erste Roman, den der Autor (und Musiker und Künstler) unter seinem richtigen Namen veröffentlicht. Und das passt auch, weil die Geschichte Autobiografisches aus seinem Leben als 22/23jähriger im Jahr 1999 behandelt. Gefallen hat mir die Idee zu beschreiben, wegen einer Art Schreibblockade ein eigentlich in Arbeit befindliches Buch aufzugeben und statt dessen anhand alter Tagebuchaufzeichnungen und vieler Gespräche mit früheren Freunden sein Leben in den Monaten von April bis September 1999 darzustellen. Allerdings vermisse ich das, wovon es im Klappentext aufreißerisch heißt „innerhalb weniger Monate verwandelte sich seine Welt in einen Scherbenhaufen“. Denn eigentlich werden nur ganz unspektakuläre Dinge aus dem Alltag eines jungen, nicht unbedingt der Norm entsprechenden Erwachsenen wiedergegeben. „Nagel“ lebt seinerzeit in der ihm verhassten Provinzstadt Rheine. Seine langjährige Beziehung geht in die Brüche, was ihm erheblichen Liebeskummer und Eifersucht beschert; er lebt in einer WG, hat Gelegenheitsjobs, spielt mäßig erfolgreich in einer Band und hat eine ganze Armada an Freunden, mit denen er fast pausenlos Konzerte, Kneipen und Partys besucht, wo Alkohol strömt und gekifft wird. Alles in allem eher das Leben eines unreifen Erwachsenen, dem ich selbst überhaupt nichts abgewinnen kann. Vielleicht soll der erwähnte Scherbenhaufen der Umstand sein, dass Nagel am Ende des Sommers seinem Nebenbuhler eine Falsche über den Kopf zieht.
Vermutlich gehöre ich nicht zu dem angesprochenen Leserkreis. Allein die Bezugnahme auf aktuelle Ereignisse des Jahres, an die ich mich selbst gut erinnere, wie die Sonnenfinsternis im August oder der Bewurf von Joschka Fischer mit Farbbeuteln, hat das Buch für mich einigermaßen lesenswert gemacht.

Veröffentlicht am 10.06.2018

Langeweile statt emotionaler Spurensuche

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Kurzmeinung:
Hält nicht, was der Klappentext verspricht. Episodenhaft erzählte autobiografische Anekdoten eines normalen Studenleben der späten 90er bietet leider eher Langeweile als emotionale Spurensuche.

Meine ...

Kurzmeinung:
Hält nicht, was der Klappentext verspricht. Episodenhaft erzählte autobiografische Anekdoten eines normalen Studenleben der späten 90er bietet leider eher Langeweile als emotionale Spurensuche.

Meine Meinung:
Im Februar war ich vom Fischer Verlag zur Book Release Party von "Der Abfall der Herzen" eingeladen. In einer coolen Location hat der Autor zusammen mit zwei Gästen Szenen aus dem Buch vorgelesen. Die Stimmung war richtig gut, die Chemie zwischen Nagelschmidt und seinen Gästen war super, es gab viel Situationskomik und wir haben viel gelacht. Neben den Lesungen hat der Autor einiges zum Buch und zur Entstehung erzählt und natürlich gab es auch Livemusik (da Nagelschmidt nicht nur Autor, sondern auch Musiker ist). Nach diesem tollen Abend habe ich mich sehr auf die Lektüre des Buches gefreut. Da ich die gehörten Passagen als sehr witzig in Erinnerung hatte, habe ich mich auf viel Lachen beim Lesen eingestellt.
Doch dann kam sehr schnell die Ernüchterung. Ich weiß nicht, ob die ausgelassene Stimmung gefehlt hat, oder das Witzeln zwischen den Vorlesern, aber beim selber Lesen waren die ganzen Szenen dann irgendwie gar nicht mehr lustig.
Der Autor vertieft sich im Jahr 2015 in seine Tagebücher und schwelgt in Erinnerungen aus dem Jahr 1999. Er erzählt von seinem WG- Leben als Student, seinen Freunden, seiner ersten großen Liebe und der Trennung, vom Kiffen, Feiern, Musik. Alles schön und gut, aber eben auch sehr... normal.
Für mich hatte dieser Roman keinen Mehrwert.
Der Autor wechselt immer wieder zwischen Passagen in der Gegenwart und Anekdoten aus der Vergangenheit. Allerdings hatten beide Zeiten keinen richtigen Reiz für mich. Die Begebenheiten waren nicht besonderes lustig, nicht besonders spannend, nicht besonders tiefgreifend. Dadurch stellte sich bei mir beim Lesen schnell Langeweile ein und ich musste mich aufraffen, überhaupt weiterzulesen.
Wirklich schade, denn der Klappentext verspricht etwas anderes und auch nach der Lesung hatte ich wie gesagt eigentlich einen anderen Eindruck von dem Buch.
Als positiv kann ich vermerken, dass sich beim Lesen sofort das Gefühl der 90er eingestellt hat und der Autor die Stimmung sehr gut eingefangen hat.
Auch das Thema der selektiven Erinnerung fand ich ganz spannend. Wie erinnern wir uns an Dinge? Was behalten und was vergessen wir? Wie verändern wir vielleicht auch unsere Erinnerungen? Nagelschmidt macht bei seinen Nachforschungen die Erfahrung, dass jeder der Interviewten bestimmte Situationen etwas anders in Erinnerung hat und so jeder seine eigene, subjektive Wahrheit bildet. Die Abschnitte, die um diesen Gedanken kreisen, fand ich gelungen. Da hätte man vielleicht einen größeren Schwerpunkt setzen können. Insgesamt gehen diese interessanten Aspekte nämlich in der trägen Erzählung unter.

"Ich weiß, da lauert eine Geschichte, und ich weiß, dass ich sie erzählen will. Die Frage ist nur, ob ich sie zu packen kriege." (S.319)

Meine Antwort darauf: leider nein.


Fazit:
Leider meist eher etwas langweilig. Thorsten Nagelschmidt blickt zurück auf den Sommer 1999, auf seine Studentenzeit, wilde Parties, Freundschaft und die große Liebe.
Es ist ganz nett, um sich mal wieder den 90er Vibes hinzugeben. Auch die Passagen über die selektive Erinnerung fand ich ganz interessant. Aber alles in allem hat mich der Roman nicht vom Hocker gehauen. Es fehlte der Spannungsbogen. Diese Reminiszenz an Nagelschmidts Jugend mag für ihn gewinnbringend gewesen sein – für mich als Leserin war es aber höchstens ganz nett, meistens aber eher etwas öde.

Veröffentlicht am 01.03.2018

Autobiographische Anekdoten aus einem banalen Leben eines 23-jährigen Musikers und Studenten Ende der 90er-Jahre

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Thorsten "Nagel" blickt im Jahr 2015 auf den Sommer 1999 zurück und zieht sich in eine Datsche in Brandenburg zurück, um seine Memoiren zu Papier zu bringen.
1999 hatte er seinem Freund Sascha dessen ...

Thorsten "Nagel" blickt im Jahr 2015 auf den Sommer 1999 zurück und zieht sich in eine Datsche in Brandenburg zurück, um seine Memoiren zu Papier zu bringen.
1999 hatte er seinem Freund Sascha dessen Freundin Laura ausgespannt, nach dem seine eigene Freundin sich mit Timo eingelassen hatte. Allem Anschein nach hatte Thorsten aber auch nicht allzu viel Enthusiasmus in die Beziehung gesteckt, sondern mehr in den Tag hineingelebt und sich orientierungslos neben seinem Studium mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten zu haben und die restliche Zeit mit seinen WG-Kumpels Richter und Thommy und ihrer gemeinsamen Band vor ihrem Umzug nach Berlin in Rheine verbracht zu haben.

Thorsten vertieft sich 2015 in seine Tagebucheinträge aus den späten 90er-Jahren, anhand derer der Roman episodenartig erzählt wird und mehr oder weniger witzige Szenen aus dem Leben eines Musikers/ Studenten/ Freund/ Suchenden enthält. In Momentaufnahmen wird das Leben eines jungen Mannes und seiner Beziehungen in den 90ern geschildert.
Durch die für mich zum Teil zusammenhanglose Aneinanderreihung der offenbar autobiographischen Anekdoten war mir der Roman zu langatmig und langweilig, so dass ich mich zwingen musste, den Roman nicht nur quer zu lesen, um bis zum Ende durchzuhalten.
Den im Klappentext angekündigten Scherbenhaufen des 23-jährigen Ich-Erzählers konnte ich nicht als derart erzählenswert ausmachen. Die Nacherzählung seines jugendlichen Lebens wirkte auch mich wie das Geschwafel von jemandem, der sich am liebsten selbst reden hört. Auch die Spurensuche durch die Interviews mit seinen alten Weggefährten, die aus ihrer Sicht, damit zum Teil sehr unterschiedlich, aber auch nur sehr stichpunktartig Thorstens Fragen beantworten, wirkte mir zu halbherzig und unausgereift.

Möglicherweise zähle ich aber einfach zur falschen Zielgruppe des Romans und vielleicht ist Nagelschmidts "Abfall" eher ein Buch für Männer, die selbst ihre Jugend in den 90er-Jahren verlebt haben und sich mit dem unreif wirkenden Protagonisten und seinen Erfahrungen mit Frauen, Kiffen und seinen Banalitäten des Alltags identifizieren können.