Cover-Bild Die Reise ins Reich
17,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Das Neue Berlin
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 12.06.2019
  • ISBN: 9783360013316
Tobias Ginsburg

Die Reise ins Reich

Unter Reichsbürgern
Die Reichsbürger – das sind verführte Irre und böse Verführer, Sektierer, Rechtsradikale und Hetzer hinter konservativer Fassade. Sie alle glauben an eine Weltverschwörung gegen das deutsche Volk und bekämpfen diesen vermeintlichen Feind.
Der jüdische Autor und Regisseur Tobias Ginsburg begibt sich für dieses Buch undercover unter Reichsbürger. Er besucht quer durch Deutschland verschiedene Gruppierungen, wird Untertan eines Königreichs, macht mit bei Plänen zum Sturz der BRD GmbH und für ein germanisches Siedlungsprojekt in Russland. Er lernt gewaltbereite Neonazis und friedensbewegte Esoteriker kennen, aber auch Biedermänner, von denen manche heute für die AfD im Bundestag sitzen.
»Die Reise ins Reich« ist Reportage, Sachbuch und aberwitzige Abenteuergeschichte zugleich. Sie liefert kuriose, komische und bedrückende Auskünfte über eine Bedrohung, die längst die Mitte der Gesellschaft erreicht hat.

»Ein irrwitzig-wahnsinnig-komisches Buch über die weitverzweigte Sumpflandschaft der rechtsradikalen Reichsbürger. Tobias Ginsburg hat sich monatelang in ihrem ›gemeinsamen Nest aus Menschenverachtung‹ aufgehalten und erzählt als Literat und Aufklärer von dieser wahrhaft bedrohlichen Szene.«
Günter Wallraff

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Das war mal so eine ganz andere Welt...

0

Ein abenteuerlicher Versuch ist das, den Undercoverjude (Eigenbezeichnung des Autors) Tobias Ginsburg da unternommen hat, die Natur des Reichsbürgers zu skizzieren.
Personen aus dem Buch werde ich nicht ...

Ein abenteuerlicher Versuch ist das, den Undercoverjude (Eigenbezeichnung des Autors) Tobias Ginsburg da unternommen hat, die Natur des Reichsbürgers zu skizzieren.
Personen aus dem Buch werde ich nicht benennen, jede Bühne wäre eine zu viel, aber wer das Buch liest, dem lege ich nahe mal einige der erwähnten Namen zu googlen. Gibt auch Videos, bei denen sich überwiegend Fremdscham einstellt, dann ist da aber die üble Gewissheit, dass solche Spinner durchaus ernstgenommen werden.
Es sind Menschen, überwiegender Anzahl ältere Männer, viele mehrfach gescheiterte Existenzen, manche hauptberuflich staatenlos, viele BRD-Leugner, einige deutsche Könige, Nazis, Rassisten, braune Esoteriker und Verschwörungstheoretiker, die Ginsburg während seiner Recherchen trifft. Aber nicht alle lassen sich so einfach einordnen. Eins hat Ginsburg gelernt und in seinem Buch zu vermitteln versucht: Oberflächlich Reichsbürger können erschreckend normal wirken. Wahnsinn ist nicht so einfach zu erkennen.
Es scheint nur zwei grob zu unterscheidende Arten von Reichsbürgern zu geben: Die, die machen (was, ist denen selbst manchmal nicht so klar); Buden mit Flyern und Mikrofonen, einen eigenen Staat auf baufälligen Geländen, von denen sie weginsolventiert werden und Politik in eigenen Parteien. Und dann gibts noch die, die folgen. So wie das Dritte Reich eben einen Führer hatte, so sehnen sich diese Reichsbürger eben danach wieder von einem Vorbild geführt zu werden.
Eins jedoch eint sie alle: Wut auf ein System, aus dem sie sich ausgeklammert fühlen. Es ist eine regelrechte Hass-Manufaktur, in der Ginsburg sich mehr als einmal gefragt hat, ob er eigentlich in einer unmittelbaren Gefahr schwebt, denn Ginsburg hat Feldforschung betrieben: Er hat sich ein Alter Ego, mitsamt Facebook-Identität und eigener Internetpräsenz mit Meinung zugelegt. Als alternativer Reporter „Tobias Patera“ mischt er sich unters Publikum, lauscht zwielichtigen Veranstaltungen, auf denen Redner und Publikum gleichermaßen über Flüchtlinge, Umvolkung, Regierungsumstürze und am Rande auch über Genderwahn schimpfen, wenn sie nicht gerade den Holocaust leugnen.
Frauen scheinen in dieser Szenerie überhaupt nur schmückendes Beiwerk zu sein wie "Souvenier"-Tische mit rechtspopulistischen Zeitschriften, Jutebeuteln, Buttons besonders anhand der T-Shirt-Größen in L und XL zeigen - Frauengrößen will der Reichsbürger nicht haben. Die sollen brav hinterherlaufen und dem Mann dabei zustimmen wie er Politik macht (oder was er dafür hält).
Das Wirre ist, dass sich die meisten dieser Reichsbürger mit fragwürdig einseitigen Ideologien nicht als Nazis oder Rassisten sehen. Ihre fremdenfeindlichen Parolen tragen sie ganz selbstverständlich nebem dem Konterfei von Rosa Luxemburg oder den Geschwistern Scholl auf ihren Transparenten und fühlen sich als Opfer eines Systems, das sie zu bekämpfen versuchen. Nazis sind immer die anderen, sie selbst jedoch der Widerstand. Ganz normaler Wahnsinn und paranoider Verdolgungswahn geben sich auf einer politischen Ebene die Klinke in die Hand.

Es ist ein skurriles Buch, das man da vor den Augen hat und gar nicht glauben kann, was man da liest, wie Menschen Teile von Realitäten so dermaßen ausblenden können, um in ihrem eigenen Weltbild Helden zu sein und weder sich noch die Ereignisse politisch einzuordnen vermögen.