Lebendige Geschichtsstunde par excellence!
Ulf Schiewe hat mit seinem fast 1000 Seiten langen Epos über genauso so viele Jahre deutscher Zeitgeschichte einen Roman vorgelegt, der bis jetzt einzigartig ist.
In fünf Abschnitten (Die Ungarn, Die Wenden, ...
Ulf Schiewe hat mit seinem fast 1000 Seiten langen Epos über genauso so viele Jahre deutscher Zeitgeschichte einen Roman vorgelegt, der bis jetzt einzigartig ist.
In fünf Abschnitten (Die Ungarn, Die Wenden, Der große Krieg, Napoleon und Preußen, Revolution) hat der Autor versucht die wichtigsten Epochen Deutschlands, verbunden mit einer Familiengeschichte, darzustellen. Der zeitliche Bogen spannt sich von 995 n. Chr. mit dem Beginn der Ungarnraubzüge bis zur Revolution in Berlin 1848.
Natürlich lebt kein Protagonist 1000 Jahre (außer in Vampirromanen), darum handelt es sich hier um Nachfahren einzelner Familien, die immer wieder vorkommen und so den roten Faden bilden. Die Namen Schmitt, Fischer und von Billung, sowie die immer wiederkehrenden Vornamen Arnulf, Ewalt, Gisela, Gero und Hedwig vereinfachen somit das Lesen und es ist kein Personenregister notwenig.
Die Basis für die Geschichte legt Arnulf, ein junger Schmied, der in einem kleinen Dorf in Tirol lebt. Die räuberischen Ungarn fallen zu dieser Zeit über das Land her und die Menschen versuchen sich so gut es geht darauf vorzubereiten und zu verteidigen. Doch nicht die Ungarn sind Arnulfs Schicksal, sondern ein verhängnisvoller Nachmittag im Wald, der mit einem Toten endet. Der junge Schmied muss alles hinter sich lassen und flieht in Richtung Augsburg. Auf den Weg dorthin begegnet er Hedwig, die vor den Ungarn flüchtet und die bereits über sie und ihr Dorf hergefallen sind. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg Richtung Augsburg. Doch die Stadt ist das Ziel der mordenden Krieger aus dem Osten. Nach der Belagerung der Stadt kommt es zur großen Schlacht am Lechfeld...und Arnulf ist mitten drin! Bald bemerkt der junge Mann, dass er kein Krieger ist. Trotzdem schlägt er sich tapfer und rettet sogar Ritter Ewalt von Billung das Leben. Außerdem erbeutet er einen außergewöhnlichen Säbel, der Arnulfs Nachfahren bis in 19. Jahrhundert begleiten wird.
Über Generationen hinweg erleben wir in diesem Schmöker die Entstehung Deutschlands. Ulf Schiewe hat sich bewusst jenen fünf Epochen gewidmet. Er fand diese Kriege und Umbrüche besonders wichtig oder merkte an, dass diese Epoche in historischen Romanen kaum Erwähnung finden. So war für mich zum Beispiel das Kapitel um die Wenden komplettes Neuland. (Als Österreicherin haben wir uns in der Schule auch hauptsächlich den Habsburgern gewidmet) Hingegen habe ich bereits mehrere Bücher über Napoleon und seine Kriege gelesen. Auch die Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts und die Revolution sind mir nicht unbekannt.
Durch die Zeitsprünge muss man sich daran gewöhnen, dass man seine liebgewonnen Charktere nach einiger Zeit wieder loslassen muss. Das fand ich ganz besonders nach dem ersten Abschnitt schade. Doch man begegnet in weiterer Folge den Nachfahren Arnulfs. Dabei lernen wir nicht in jeder Generation Helden oder Sympathieträger kennen. Außerdem hat jede der drei Familien im Laufe der fast tausend Jahre einmal Reichtum mit nicht rechten Mitteln angehäuft. Einzig der Abschnitt rund um den 30jährigen Krieg war mir zu kriegslastig, bietet aber auch kaum die Möglichkeit für andere Themen.
Die Figuren im Roman kommen aus allen erdenklichen Schichten, wobei Ulf Schiewe die Unterschiede in ihrer Lebensart sehr gut beschrieben hat. Und auch innerhalb einer Familie reicht die Spannweite vom einfachen Bauern oder Schmied bis hin zum Fabrikanten und Unternehmer. Auch die Frauenfiguren sind oft ihrer Zeit voraus und sind starke Persönlichkeiten, wobei sie natürlich der Zeit angepasst sind.
Trotz der Dicke wird der Roman nie langatmig und hat mich die mehr als 900 Seiten schneller verschlingen lassen, als ich dachte.
Schreibstil:
Ulf Schiewe schreibt sehr bildgewaltig. Die Sprache war zu Beginn nicht ganz der Zeit angepasst, aber das wäre wohl auch eher für uns Leser unleserlich gewesen ;) Und mit dem Fortschreiten der Zeit passt sich die Sprache auch immer mehr an. Trotzdem weiß man von der ersten Seite an, dass man es hier mit einem historischen Roman zu tun hat.
Trotz der immer wieder neuen Geschichten fand ich die Charaktere alle sehr lebendig und liebevoll gezeichnet. Alle haben Ecken und Kanten und sind nicht nur gut oder böse.
Fazit:
Dieser historische Roman von Ulf Schiewe über die fast tausendjährige Geschichte Deutschlands konnte mich überzeugen. Die atmosphärische Erzählung anhand des Schicksals einer Familie über Jahrhunderte hinweg ist eine Geschichtsstunde par excellence! Für wahre Historenfans ein Muss!