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Der Zopf

Laetitia Colombani
Veröffentlicht am 10.04.2018

Tief bewegender, ergreifender Roman

Girdin

Hinter dem kurzen schlichten Titel des Romans „Der Zopf“ verbirgt sich eine fulminante Erzählung. Das Buch ist das Debüt der Französin Laetitia Colombani. So wie man zum Flechten eines Zopfs drei Stränge benötigt verwebt sie in der Handlung geschickt die Geschichte von drei Frauen, die auf drei verschiedenen Kontinenten leben. Kurz innehalten ließ mich die Autorin beim Lesen einer Ballade, die das Knüpfen einer Perücke beschreibt und deren Strophen das Geschehen immer wieder unterbrechen.

Die erst 20-jährige Guilia ist die Tochter des letzten Perückenfabrikanten Siziliens. Als ihr Vater nach einem Unfall bewusstlos im Krankenhaus liegt, übernimmt sie die Führung des Unternehmens und stellt schon bald fest, dass die Firma kurz vor dem Konkurs steht, weil die benötigten Haare aus Italien für die Produktion nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Sarah ist 40 Jahre alt und eine erfolgreiche Anwältin, die im kanadischen Montreal lebt und neben ihrem Vollzeitjob ihre drei Kinder alleine großzieht. Eine schwere Krankheit schwächt sie, die Therapie zur Genesung lässt ihre Haare ausfallen. Eine Echthaarperücke würde ihr Aussehen verbessern und dadurch ein wenig ihres Selbstwertgefühls zurückgeben. Die Inderin Smita zählt in ihrem Land zu den Dalit. Sie ist Schmutzsammlerin wie bereits Generationen vor ihr. Ihr größter Wunsch ist es, dass ihre Tochter es einmal besser haben soll wie sie. Dazu ist sie bereit ihr Haar dem Gott Vishnu, den sie verehrt, zu opfern.

Der Roman spielt in der Gegenwart und ist schnörkellos geschrieben, mit spürbarem Ausdruck. Durch den Wechsel zwischen den drei Perspektiven entstanden kleine Cliffhanger die mich zum schnellen Weiterlesen verführten. Jeder der drei Frauen möchte ihren eigenen Traum von einem selbstbestimmten Leben verwirklichen, dazu kämpft jede ihren eigenen Kampf. So sehr die Geschichten sich auch unterscheiden mögen, so ähneln sie sich doch darin, dass die Erfüllung jedes Traums von gesellschaftliche Erwartungen aufgehalten wird.

Am meisten hat mich die Stigmatisierung Smitas als Dalit berührt und ihr Mut dazu, dem für sie und ihren Nachfahren vorgesehenen Leben zu entkommen. Der Weg dahin ist steinig und mit sehr viel Hoffnung verbunden, aber auch ohne über den Ausgang Gewissheit zu haben. Guilia ist eingebunden in die Traditionen ihrer Familie und der Branche, ihre gesamte Familie ist vom Erfolg des Unternehmens abhängig. Ihr Wagnis und das Risiko neue Wege zu gehen, sind beeindruckend und führen sie weg von der Alternative einer Heirat mit einem begüterten Mann. Sarahs Traum ist es, zum Partner in der Kanzlei aufzusteigen, die Anforderungen dazu sind hoch. Die Krankheit bringt ihr eine unwillkommene Auszeit, die jedoch dazu führt, ihren Wunsch zu überdenken, ihre Chancen abzuschätzen, weitere Möglichkeiten zu erkennen und bewundernswerterweise mit neuer Energie und Courage ihr Leben neu auszurichten.

„Der Zopf“ ist ein tief bewegender, ergreifender Roman, der einen Ausschnitt aus dem Leben dreier Frauen einfängt. Sie zeigen Kraft und Entschlossenheit von ihrem Lebensweg abzuweichen, um ihre Ziele zu verwirklichen. Gerne vergebe ich hierzu eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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