Veröffentlicht am 29.02.2024

Absolut fesselnd!!

Maimouna19

June Hayward und Athena Liu sind zwei junge Schriftstellerinnen, die sich zu Beginn ihres Studiums kennengelernt haben und seitdem in einer Art „Zweckfreundschaft“ miteinander verbunden sind. Die chinesisch-amerikanische Athena steigt direkt mit ihren ersten Romanen zum gefeierten Star der Literaturszene auf, was ihr ein luxuriöses Leben frei von finanziellen Sorgen erlaubt. Für June läuft es weniger gut, ihr Debütroman bleibt weitestgehend unbeachtet und sie muss sich mit Jobs als Aushilfslehrerin mehr recht als schlecht über Wasser halten.

Als Athena in ihrer Wohnung im Beisein von June bei einem absurden Unfall ums Leben kommt, entwendet June das gerade fertiggestellte Manuskript von Athenas neuestem Roman, der die Geschichte des chinesischen Arbeiterkorps während des Ersten Weltkriegs behandelt. Sie hat das Potential des Stoffes erkannt, überarbeitet das Werk und veröffentlicht es unter ihrem neuen Pseudonym Juniper Song (wer denkt bei dem Thema dieses Romans nicht an eine Autorin chinesischer Herkunft!). Erwartungsgemäß entwickelt sich das Buch zu einem Bestseller und die Leserschaft darf nun gespannt sein, ob es June gelingt, ihr Geheimnis zu bewahren oder ob die Täuschung doch auffliegt.

Rebecca F. Kuang ist eine amerikanische Autorin chinesischer Herkunft und bekannt durch ihre Fantasy-Romane (die Trilogie Im Zeichen der Mohnblume sowie den Roman Babel). Da mich das Fantasy-Genre überhaupt nicht anspricht, war sie mir bis dato kein Begriff. Ich bin nur zufällig auf Yellowface aufmerksam geworden, da es in der Gegenwart spielt und ich eine spannende Geschichte, die in der Literaturszene spielt, erwartet habe. Um es gleich vorwegzunehmen: Yellowface hat mich nicht enttäuscht, sondern meine Erwartungen mehr als erfüllt.

Mit June, der Erzählerin der Geschichte, hat RF Kuang einen sehr widersprüchlichen Charakter geschaffen. Einerseits ist sie eine skrupellose Diebin, andererseits kämpft sie mit Verzweiflung und Selbsttäuschung, ihre Ängste, ihr Neid, ihre Eifersucht wirken real. Bei mir hat die Figur der June die unterschiedlichsten Emotionen ausgelöst, angefangen von Entrüstung, über Frustration bis zu Mitleid (am Ende hat das Mitleid überwogen).

Alle anderen Protagonisten (Athena, Athenas Ex-Freund Geoff, Candice, etc.) in diesem Buch sind ebenfalls sehr komplex, niemand ist durchgängig sympathisch (auch wenn wir sie natürlich nur durch Junes Augen sehen können). Selbst für Nebenfiguren wie Athenas Mutter, Junes Mutter und Schwester, Lektoren, Agenten, sogenannte „Freunde“ aus den sozialen Medien habe ich gewisse Antipathien entwickelt; niemand ist nur Opfer, jeder ist irgendwann auch Täter.

RF Kuang ist ein packender, spannender und kurzweiliger Roman gelungen, rasant und flüssig geschrieben, den ich bis zum Schluss kaum aus den Händen legen konnte. Gleichzeitig befasst sich das Buch mit vielen top-aktuellen Themen, sei es die Verlogenheit der Literaturbranche, „Diversity“ als Marketingtool für hohe Verkaufszahlen zu nutzen, statt Literatur tatsächlich zu diversifizieren, sei es die Debatte über kulturelle Aneignung (wer „darf“ über bestimmte Themen schreiben), Rassismus, oder den Einfluss der sozialen Medien auf Erfolg/Misserfolg eines Buches. Gerade was die sozialen Medien betrifft, ist hier alles dabei: Bashing, Ghosting, Hate Speech, etc. Auch die Vereinsamung des/der Einzelnen durch soziale Medien wird sehr deutlich, weder Athena noch June scheinen wirklich gute Freunde oder eine liebevolle Beziehung zur Familie in der realen Welt zu haben. Kontakte, Austausch findet überwiegend über Twitter, IG, etc. statt.

Auch wenn das Buch nicht mit dem vielleicht gewünschten furiosen Knall endet, ist das Finale durchaus folgerichtig und schmälert meine Begeisterung für Yellowface keineswegs.

Klare Leseempfehlung meinerseits, bei Yellowface handelt es sich um grandiose Unterhaltung, die viel Stoff zum Nachdenken liefert.

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