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Maimouna19

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.04.2024

Drama und Spannung pur!!!

Sommer wie Winter
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Judith Taschlers „Sommer wie Winter“ spielt in einem österreichischen Bergdorf. Hier lebt die Familie Winter mit ihren vier eigenen Kindern (Anna, Martina, Manuela, Andreas) und dem Pflegesohn Alexander ...

Judith Taschlers „Sommer wie Winter“ spielt in einem österreichischen Bergdorf. Hier lebt die Familie Winter mit ihren vier eigenen Kindern (Anna, Martina, Manuela, Andreas) und dem Pflegesohn Alexander Sommer. Sie betreiben einen Bauernhof mit Gästepension sowie ein Hotel, das von Vater Anton geführt wird. Was für Touristen eine erholsame, ländliche Idylle ist, bedeutet für die Familie harte Arbeit. Alle Kinder müssen mithelfen, besonders Alexander muß noch härter arbeiten als die leiblichen Kinder. Er steht im Zentrum der Geschichte, ist auf der Suche nach Liebe und Anerkennung und fühlt sich nicht wirklich zur Familie zugehörig. Es wird nicht viel miteinander geredet in dieser wortkargen Familie, aber unter der Oberfläche brodelt es, bis die Situation eskaliert. Wir lernen eine Familie kennen, für die nichts mehr ist, wie es einmal war….

In Gesprächen mit ihren Therapeuten erzählen die einzelnen Familienmitglieder die Geschehnisse aus ihrer Sicht. Es handelt sich um Monologe, man erfährt nur, was die Mitglieder sagen, die Therapeuten kommen nicht zu Wort.
Durch diese kurzen Abschnitte, in der jeder seine Version erzählt, werden die Puzzleteile zusammengesetzt, die schlußendlich das ganze Drama aufzeigen.

Taschlers Schreibstil ist schnörkellos, direkt, knapp und klar. Sie gibt jeder Person ihre eigene Sprache, kein Wort ist zuviel, auf Nebensächlichkeiten wird komplett verzichtet. Man spürt geradezu die weggesperrten Emotionen.

Die besondere Form des Romans und der Schreibstil haben mich begeistert! Themen wie Schuld, Betrug, Herkunftstrauma, Identität werden so fesselnd und packend dargestellt, dass ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen habe. „Sommer wie Winter“ ist das erste Buch von Judith Taschler, das ich gelesen habe, es wird mit Sicherheit nicht das letzte sein!

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Intensive Familiengeschichte

Dschinns
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„Dschinns“ erzählt die Geschichte der Familie Yilmaz und spielt zu großen Teilen in Istanbul.
Wir befinden uns in den den 1990er Jahren und nach dreißig Jahren Gastarbeiterdasein in Deutschland hat sich ...

„Dschinns“ erzählt die Geschichte der Familie Yilmaz und spielt zu großen Teilen in Istanbul.
Wir befinden uns in den den 1990er Jahren und nach dreißig Jahren Gastarbeiterdasein in Deutschland hat sich Hüseyin seinen Traum erfüllt. Er hat sich eine Eigentumswohnung in Istanbul gekauft, um hier seinen Ruhestand zu verbringen. Um die Wohnung einzurichten, reist er ohne seine Familie nach Istanbul, verstirbt aber schon am Tag des Einzugs unerwartet an einem Herzinfarkt.
Um an seiner Beerdigung teilzunehmen, reist seine Familie aus Deutschland an: seine Frau Emine und seine vier Kinder, Sevda, die älteste Tochter, sein Sohn Hakan, seine Tochter Peri und sein jüngster Sohn Ümit.

Jedem Familienmitglied ist eines der Buchkapitel gewidmet, so dass man die Familiengeschichte aus sechs unterschiedlichen Perspektiven kennenlernt. Fatma Aydemir ist es gelungen, eine eigene Sprache für jedes Familienmitglied zu finden. So erhält jeder Charakter seine ganz eigene Stimme und es fällt leicht, sich in jede Figur hineinzuversetzen und mitzufühlen. Alle Familienmitglieder kämpfen mit ihren eigenen Dschinns und schmerzhaften Erfahrungen, da sie nie gelernt haben, ihre Geheimnisse der Vergangenheit miteinander zu teilen.

Fatma Aydemir ist ein tief bewegendes und intensives Familienepos gelungen. Durch die Augen der Familienmitglieder erfährt man einiges über das Gastarbeiterleben in Deutschland, über Rassismus und Demütigungen, über Rollenbilder und Identität. In herzzereissenden Szenen lernt man, was es bedeutet in dieser Familie aufzuwachsen, in der vieles ungesagt, unter dem Deckmantel des Schweigens verborgen, bleibt.

„Dschinns“ ist ein literarisches Kunststück, beeindruckend und intensiv. Die Geschichte ist stimmig, spannend und auch wenn der Roman unterhaltsam ist, so ist er doch gleichzeitig dramatisch.
Klare Leseempfehlung meinerseits, „Dschinns“ ist ein sehr lesenswertes Buch, das tief unter die Haut geht.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Zeitgeschichte mit aktuellem Bezug

Als wir an Wunder glaubten
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Schauplatz des Romans ist Unnenmoor, einem kleinen, abgelegenen Dorf im ostfriesischen Moor, in den Nachkriegsjahren.
Hier leben Edith mit ihrer Tochter Betty und Annie mit ihrem Sohn Willy. Die beiden ...

Schauplatz des Romans ist Unnenmoor, einem kleinen, abgelegenen Dorf im ostfriesischen Moor, in den Nachkriegsjahren.
Hier leben Edith mit ihrer Tochter Betty und Annie mit ihrem Sohn Willy. Die beiden Frauen waren schon immer Freundinnen, haben zusammengehalten und sich gegenseitig geholfen, als ihre Männer in den Krieg mußten. Beide hoffen auf deren Rückkehr und dass das Leben wieder wie vor dem Krieg sein wird. Doch nur Josef, Annies Mann, kehrt fünf Jahre nach Kriegsende als Invalide – er hat beide Beine verloren – aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Vom Krieg traumatisiert, findet Josef nicht in das alte Leben zurück. Er beginnt zu trinken, Annie bleibt ihm fremd, stattdessen fühlt er sich zu Edith hingezogen. Annie gibt ihrer Freundin die Schuld an ihrem Unglück und glaubt, Edith habe sie und ihre Familie verhext.
Viele der Bewohner dieses rückständigen Dorfes sind ebenfalls sehr empfänglich für Aberglaube, Hexerei und magische Kräfte und beginnen Edith, einer eigenständigen, selbstbewußten und dazu noch rothaarigen (!) Frau, zu mißtrauen.

Helga Bürster ist es hervorragend gelungen, die Atmosphäre dieser abgelegenen, kargen Landschaft authentisch einzufangen. Sehr anschaulich beschreibt sie die Trostlosigkeit und den schweren Alltag in dem kleinen Moordorf. Auch der Einsatz des Plattdüütschen führt dazu, dass man sich direkt in die Geschichte hineingezogen fühlt.
Die verschiedenen Charaktere sind liebevoll und detailreich dargestellt – wortkarg, dickköpfig, teilweise schrullig – norddeutsch eben. Man trifft auf so verschiedene, eigenwillige Menschen wie die alte Guste, eine Kräuterfrau, die krumme Katie, die als Hausiererin durch die Dörfer zieht, Theo, den Zeitungsschreiber, und auch den Spökenfritz, der weiß, wie man das Unglück wieder los wird und sich das gut bezahlen lässt.

Die Geschichte erzählt sehr gut, wie schnell Menschen, die sich hoffnungs- und orientierungslos fühlen sowie Angst vor dem Neuen/Unbekannten haben, dem Aberglauben verfallen und schnell einen Sündenbock finden. Ein durchaus beklemmender Bezug zur aktuellen Lage ist ebenfalls gegeben. Anscheinend brauchen manche Menschen in schwierigen Zeiten Sündenböcke, denen man die Schuld für alles in die Schuhe schieben kann. Früher waren es Hexen, heute sind es die Regierung, Migranten, etc. Man glaubt vielleicht nicht mehr an Wunderheiler, dafür folgt man kruden Verschwörungstheorien.
Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann!

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Veröffentlicht am 05.04.2024

Schöne Welt? - Nein, banaler Alltag!

Schöne Welt, wo bist du
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Sally Rooney hatte mich mit "Normal People" schon nicht überzeugt, habe den Hype nie so richtig verstanden. Das Cover von „Schöne Welt, wo bist Du“ hat mich angesprochen, also habe ich ihr eine zweite ...

Sally Rooney hatte mich mit "Normal People" schon nicht überzeugt, habe den Hype nie so richtig verstanden. Das Cover von „Schöne Welt, wo bist Du“ hat mich angesprochen, also habe ich ihr eine zweite Chance gegeben.
In der Geschichte geht es um Alice, Felix, Eileen und Simon, vier junge Leute Ende Zwanzig / Anfang Dreißig, die mit ihrem Leben nicht unbedingt zufrieden sind.
Alice und Eileen sind seit ihren Studienzeiten miteinander befreundet. Alice ist zu einer erfolgreichen Schriftstellerin geworden, die nach einer längeren Auszeit bedingt durch psychische Probleme wieder in ihr Leben zurückfinden will. Über eine Dating-App lernt sie Felix kennen, der als Lagerarbeiter jobbt und keinen besonders guten Ruf hat. Eileen hält sich mit einem schlecht bezahlten Job bei einem Literaturmagazin über Wasser. Sie hat die Trennung von ihrem Freund hinter sich und ist sich nicht sicher, ob sie sich auf eine Beziehung mit ihrem Jugendfreund Simon, einem gläubigen Christen mit einem recht gut bezahlten Job, einlassen soll.
Keine der Personen war mir wirklich sympathisch, ich bin mit niemandem warm geworden. Im Gegenteil – das Sich-gegenseitig-vor-den-Kopf stoßen und Schaffen von Problemen, die es sonst nicht gegeben hätte, hat mich eher genervt. Und so plätschert die Geschichte auf mehr als 300 Seiten vor sich hin….
Am besten gefallen hat mir noch der Aufbau der Geschichte – der Wechsel zwischen Erzählperspektive und Email-Austausch, der nicht immer sofort erkennbar war, die fehlenden Anführungszeichen bei wörtlicher Rede, haben immerhin zu konzentriertem Lesen geführt.

Alles in allem hat mich das Buch nicht sonderlich in den Bann gezogen, ich fand die Geschichte eher banal. Aber vielleicht ist der Roman auch ein Generationen-Ding und die Endzwanziger/Dreißiger finden sich hier eher wieder.

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Veröffentlicht am 04.04.2024

Big Brother is everywhere....

Going Zero
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Zehn Kandidaten (Zero 1 bis Zero 10) wurden ausgewählt, um am Betatest von FUSION, einem Projekt der US-Geheimdienste und dem Social Media Konzern WorldShare von Cy Baxter, teilzunehmen. FUSION ist ein ...

Zehn Kandidaten (Zero 1 bis Zero 10) wurden ausgewählt, um am Betatest von FUSION, einem Projekt der US-Geheimdienste und dem Social Media Konzern WorldShare von Cy Baxter, teilzunehmen. FUSION ist ein Hightech-Überwachungsprojekt, das verspricht, jeden überall aufspüren zu können und soll der Regierung helfen, Terroristen und Verbrecher festzusetzen, bevor sie ihre Taten begehen können.

Die Kandidaten werden über den Start des Tests informiert und haben dann zwei Stunden Zeit, abzutauchen. Wer es schafft, 30 Tage unauffindbar zu bleiben, erhält ein Preisgeld von 3 Millionen US-Dollar. Auch für Cy Baxter steht einiges auf dem Spiel. Gelingt es, alle Testteilnehmer vor Ablauf der Frist aufzuspüren, winkt eine milliardenschwere Partnerschaft mit den US-Geheimdiensten.

Kaitlyn Day, eine Bibliothekarin aus Boston, die aus ganz eigenen Motiven an diesem Test teilnimmt, wird anfangs gründlich unterschätzt, erweist sich aber schnell als ernstzunehmende Herausforderung.

Anthony McCarten erzählt eine absolute spannende und temporeiche Geschichte, die mich so gefesselt hat, dass ich das Buch mehr oder weniger in einem Rutsch verschlungen habe. Ich habe mit Kaithlyn mitgefiebert und –gelitten und war jedes Mal erleichtert, wenn es ihr doch wieder gelungen war, ihren Verfolgern ein Schnippchen zu schlagen und zu entkommen.

Auch wenn man es eigentlich weiß, ist es trotzdem gruselig zu lesen, inwieweit jeder schon zum gläsernen Mensch geworden ist, selbst wenn er in den sozialen Medien keine privaten Informationen von sich gibt. Öffentlich aufgestellte Kameras, Handyortung, Fitness-Tracker, Kreditkartenzahlungen, Internet-Nutzungsverhalten, Autos mit ihrer Elektronik, etc. – jeder hat einen digitalen Fußabdruck. Und wenn das nicht reicht, gibt es ja auch noch Gesichtserkennungssoftware, Drohnen und Wärmebildkameras, etc. Chatverläufe und Email-Verkehr können ausgewertet, entsprechende Algorithmen genutzt und Profile erstellt werden – kann man da noch spurlos verschwinden?
Wenn dann noch dubiose Geschäftsinteressen und die niederen Züge des menschlichen Charakters zum Tragen kommen, wird es brandgefährlich. Datenschutz und Privatsphäre zählen nichts mehr, denn alles dient natürlich nur der Früherkennung und Gefahrenabwehr!

Was in Huxleys „Schöne neue Welt“ und Orwells „1984“ noch als Utopie belächelt wurde, ist inzwischen erschreckende Realität.

Klare Leseempfehlung meinerseits. Alles in allem ein echter Pageturner, flüssig geschrieben, spannend bis zur letzten Seite, besonders auch durch den Plot-Twist in der 2. Hälfte des Buches, der Kaithlyns wahre Motive enthüllt. Und am Ende bleibt ein beklemmendes Gefühl!

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