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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.08.2018

Nicht ganz überzeugt

Der Schatten
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Norah ist nach der Trennung von ihrem Freund Alex gerade nach Wien gezogen, um eine neue Stelle anzunehmen, als sie eines Tages eine mysteriöse Prophezeiung erhält: ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Norah ist nach der Trennung von ihrem Freund Alex gerade nach Wien gezogen, um eine neue Stelle anzunehmen, als sie eines Tages eine mysteriöse Prophezeiung erhält: Angeblich wird sie am 11. Februar einen Mann namens Arthur Grimm töten und zwar aus guten Gründen und absolut freiwillig. Norah tut die Prophezeiung zuerst als die Worte einer verwirrten Frau ab, doch schon bald muss sie sich fragen, ob sie tatsächlich einen Grund hat, Arthur Grimm zu hassen. Einmal davon abgesehen könnte Norah doch niemals jemanden töten. Oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: btb
Seitenzahl: 416
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum & Präsens
Perspektive: hauptsächlich aus weiblicher Perspektive, selten auch aus männlicher
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: + Es werden ein Goldfisch und eine Katze getötet, Letztere mit Absicht. Es werden unzählige Vögel grundlos getötet, und Tierversuche werden ohne jeglichen kritischen Kommentar zitiert. Hier auch wieder meine Empfehlung: Wenn ihr ebenfalls gegen sinnlose, grausame Tierversuche seid, schaut bitte beim Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei, die schon jahrelang engagiert und teilweise sogar schon erfolgreich für Alternativen und für tierversuchsfreie Forschung kämpfen.

Warum dieses Buch?

Ich habe den Hype komplett verpasst und war eine der letzten Leserinnen, die noch nichts von der Autorin gelesen hatte. Als Thriller-Liebhaberin, die etwas auf sich hält, musste das natürlich geändert werden. Zudem klang der Klappentext herrlich unheimlich und rätselhaft.

Meine Meinung

Einstieg (-!)

Der Einsteig war für mich eine große Hürde und ist mir sehr schwer gefallen. Das lag vor allem am dialogarmen Beginn. Auch später gibt es über weite Strecken nur wenige Dialoge, da Norah meist alleine und mit sich selbst beschäftigt ist, jedoch gewöhnt man sich daran. Wer allerdings viel Wert auf Gespräche legt, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden. Ich fürchte auch, dass die Geschichte, die nur relativ zäh in Schwung kommt, einige LeserInnen schon am Anfang verlieren wird. Dabei lohnt es sich durchaus, durchzuhalten.

„‘Du bringst den Tod‘, sagte die Frau.
Ihre Stimme klang ruhig und rau.
Stirnrunzelnd blickte Norah sie an.
‚Was haben Sie gerade zu mir gesagt?‘ […]
‚Blumen welken‘, sagte sie. ‚Uhren bleiben stehen. Die Vögel fallen tot vom Himmel.‘“ Seite 21

Schreibstil (♥)

Melanie Raabe hat einen außergewöhnlichen Schreibstil, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste. Er besteht oft aus kurzen Sinneseindrücken, die in Ellipsen und unvollständigen Sätzen geschildert werden und die uns einen Einblick in Norahs Welt geben. Bereits nach einigen Seiten lernte ich jedoch den flüssigen, routinierten, angenehmen Schreibstil, der sich durch angemessene Komplexität und teilweise lange Bandwurmsätze auszeichnet, zu schätzen. Auch gelingt es der Autorin spielend, sprachlich das Tempo anzuziehen, wenn dies notwendig ist. Melanie Raabes Wortschatz ist zwischendurch durchaus als etwas anspruchsvoller zu beschreiben, so manches Fremdwort kann man hier bestimmt noch dazulernen. Besonders toll fand ich die sehr bildhaften, kreativen und gelungenen Metaphern und Vergleiche, die die Autorin gekonnt in ihren Text einwebt. Manchmal hat man auch das Gefühl, dass zwischen den Zeilen immer wieder auch symbolische Bedeutung steckt.

„Doch dann drangen die Geschehnisse der letzten Tage an die Oberfläche, einzelne Gesichter und Szenen tauchten vor ihrem inneren Auge auf, in rascher Folge, wie die Aufnahme eines Karussells, das sich schneller und schneller drehte und seine Passagiere schließlich aus seinem Orbit schleuderte, mit verrenkten Gliedmaßen, wie Ballerinas im Sprung.“ Seite 203

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Die Autorin hat eine sehr spannende, vielversprechende Ausgangssituation voller Geheimnisse und Rätsel geschaffen, die man unbedingt ergründen und lösen möchte. Es handelt sich um eine wendungsreiche Geschichte, die immer wieder überraschen kann. Melanie Raabe nimmt sich viel Zeit, um Norahs Gedankengänge und Gefühle klar und detailliert auszuformulieren, behandelt Themen wie Schuld, Angst, Rache, Einsamkeit, Liebeskummer und Trauer sehr tiefgründig. Etwas schlecht kommt zwischenzeitlich Österreichs Hauptstadt Wien weg, in der sich hauptsächlich schwierige, tratschende, Pelz tragende, misogyne und transphobe Menschen zu tummeln scheinen, allerdings wird Norahs negative Weltsicht zumindest zu einem späteren Zeitpunkt noch revidiert.

Doch die Erwartungen waren sehr hoch (bei dem Hype kein Wunder!) und ein Problem hatte ich leider mit der Geschichte: Obwohl ich stellenweise wirklich gefesselt und gebannt auf die Auflösung gewartet habe, so konnte sie mich leider schlussendlich nicht überzeugen. Ich hätte mir hier irgendwie mehr erwartet, irgendetwas Größeres, Logischeres, einen Aha-Moment. Eigentlich bin ich immer ein Fan ungewöhnlicher Ausgänge, aber hier muss ich leider jenen enttäuschten LeserInnen zustimmen, die behaupten, die Geschichte wirke konstruiert und an den Haaren herbeigezogen.

„[…] und plötzlich war da ein Summen. Sie spürte den Ton mehr, als dass sie ihn hörte, irgendwo zwischen Zwerchfell und Brustbein. Nein, es war kein Ton. Es war ein Gefühl, und sie brauchte einen Moment, bis sie es benennen konnte, weil sie es in den letzten Jahren, in denen sie praktisch nie alleine gewesen war, beinahe vergessen hatte. Ihre Einsamkeit war ohrenbetäubend.“ Seite 24

Protagonistin (♥)

Norah ist eine sehr liebevoll ausgearbeitete, komplexe Protagonistin, die ich sehr mochte und die mir schnell ans Herz gewachsen ist. Mir fiel es sehr leicht, mit ihr mitzufühlen und mitzufiebern. Die Autorin nimmt sich Zeit für ihre Protagonistin, was ich sehr wichtig finde. Norah ist intelligent, hat einen großen Gerechtigkeitssinn und ist eine stolze Feministin, die tatsächlich auch im Alltag gegen Sexismus kämpft (und genau das ist so wichtig!). Sie hat mich teilweise ein bisschen an mich selbst erinnert, auch wenn Norah eine viel impulsivere, direktere, wütendere Weise hat, auf Ungerechtigkeiten zu reagieren (oft waren ihre Reaktionen jedoch so befriedigend, weil die Leute sie einfach verdient haben!). Auch Norahs "soziale Projekte" fand ich sehr sympathisch - mit ihrer Hilfsbereitschaft, ihrem gutem Herzen, ihrem Mut, tatsächlich etwas zu verändern, mit ihrem tollen Musikgeschmack, ihrer sozialen Kompetenz und mit all ihren Fehlern und Schwächen hat mich sofort für sich gewonnen und sehr beeindruckt. Die österreichische Künstlerin Soap&Skin, die auch im Buch immer wieder erwähnt wird, sei LiebhaberInnen guter Musik und melancholischer, düsterer Töne übrigens sehr ans Herz gelegt. Hört einmal rein – es lohnt sich!

Nebenfiguren (♥)

Auch die Nebenfiguren sind sehr gut ausgearbeitet, erscheinen wie plastische Menschen, die auch abseits des Rampenlichts ihre Leben weiterführen. Sogar Figuren, die nur selten vorkommen, erhalten ihre Fehler, sympathischen Seiten und ihre schwierige Vergangenheit. Hier gibt es also überhaupt nichts auszusetzen, im Gegenteil, ich bin sehr begeistert!

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Die Geschichte kommt (wie erwähnt) nur sehr schleppend in Gang, es dauerte relativ lang (zwischen 50 und 100 Seiten), bis ich wirklich von der Geschichte gefesselt war. Ab dann gelingen der Autorin Spannungsaufbau und -steigerung aber sehr gut. Norahs Situation ist so unerklärlich und rätselhaft, dass man unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht. Ständig versucht man, Antworten auf die vielen Fragen zu finden. Immer wieder gibt es unerwartete Wendungen, die mich unvorbereitet getroffen haben und gut unterhalten konnten. Besonders loben möchte ich an dieser Stelle auch die düstere, unheimliche Atmosphäre, die im Buch ständig mitschwingt. Die Autorin weiß ihr Setting, das winterliche Wien, sehr gut zu nutzen.

Ich mochte an sich die ruhige Erzählweise, dennoch gibt es leider immer wieder Spannungseinbrüche, manche Abschnitte wirken langatmig und zäh. An diesen Stellen hätte gekürzt werden können, denn dies hätte das Buch noch besser gemacht und ihm das nötige Tempo verliehen.

„Und die Bettler. Die Obdachlosen. Wie Geister kamen sie ihr vor. Ihre Rufe halten durch die Straßen, immer und immer wieder, wie die von Gespenstern. Hallo? Hallo? Und die Lebenden fröstelten, wenn sie ihre Stimmen vernahmen, und taten so, als hörten sie nichts.“ Seite 16

Geschlechterrollen (♥)

Norah ist eine sehr selbstbewusste, soziale, starke und mutige Frau, die erfolgreich im Beruf ist und die sich als überzeugte Feministin für Gleichberechtigung und gegen Misogynie und Transphobie/Homophobie stark macht. Dafür gibt es ein großes Lob! Erfrischend war für mich auch die Tatsache, dass die Autorin darauf achtet, ganz verschiedene Frauen und Männer zu porträtieren. In männlich dominierten Berufen stellt Melanie Raabe sicher, dass auch Frauen gezeigt werden, um Geschlechterstereotypen entgegenzuwirken. Zudem gibt es hier keine Lästereien über das Aussehen oder Liebesleben von anderen Frauen. Gerade das finde ich wirklich wichtig - dass Frauen zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen!

Mein Fazit

„Der Schatten“ von Melanie Raabe ist ein Thriller mit vielen Stärken, aber auch einigen Schwächen. Der angenehme, routinierte, bildhafte Schreibstil voller schöner Vergleiche und Metaphern konnte mich ebenso überzeugen wie die liebenswert ausgearbeitete, mutige, gutherzige, starke Heldin und die ebenfalls komplexen Nebenfiguren. Über weite Strecken kann die Autorin auch, was Spannung und Atmosphäre betrifft, punkten. Der Schauplatz, das winterliche, düstere Wien, wird sehr gut eingeflochten, es gibt einige überraschende Wendungen, viele Geheimnisse wollen von den LeserInnen entdeckt werden. Leider kommt es jedoch immer wieder zu Spannungseinbrüchen, manchmal ist die Geschichte langatmig und verläuft schleppend, und der Einstieg fiel mir aufgrund der wenigen Dialoge sehr schwer. Obwohl ich ihm entgegengefiebert habe, konnte mich das Ende nicht überzeugen, ich empfand es als zu konstruiert, hätte mir etwas anderes erwartet. Was moderne Geschlechterrollen betrifft, so punktet Melanie Raabe aber mit ihrer feministischen Protagonistin, die sich gegen Misogynie, Homophobie und andere Ungerechtigkeiten engagiert einsetzt. Insgesamt hat mich „Der Schatten“ also dennoch gut unterhalten, auch wenn er sein Potential nicht voll ausschöpfen konnte. Den Hype kann ich, was dieses Buch betrifft, aber leider nicht wirklich verstehen.

Mein letztes Buch der Autorin wird es definitiv nicht bleiben, weil ich die Figuren und den Schreibstil sehr mochte. „Die Falle“ habe ich bereits als Hörbuch bestellt.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Ende: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4,5 Sterne
Geschlechterrollen: ♥
Tiefgründig!

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3,5 Lilien!

Veröffentlicht am 03.08.2018

Ganz nett, mit Schwächen

Der Alphabetmörder (Ein Grall-und-Wyler-Thriller 1)
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Spoilerfreie Rezension


Inhalt

In einem Gehege im Tierpark wird eine verstümmelte Leiche gefunden. In ihre Haut wurde ein A tätowiert. Schon bald taucht eine zweite Leiche auf, sie trägt den Buchstaben ...

Spoilerfreie Rezension


Inhalt

In einem Gehege im Tierpark wird eine verstümmelte Leiche gefunden. In ihre Haut wurde ein A tätowiert. Schon bald taucht eine zweite Leiche auf, sie trägt den Buchstaben B auf der Haut. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um einen Serienmörder handelt, der auf kranke Weise das Alphabet vollenden will. Jan und seine Kollegin Rabea sind Profiler und werden als Berater angefordert. Für Jan, der seine schmerzhafte Vergangenheit im Westerwald vor Jahren hinter sich gelassen hat, ist die Rückkehr besonders schwierig. Die Ermittlungen geraten bald zum Wettlauf mit der Zeit. Und auf einmal werden die Morde persönlich, denn der Alphabetmörder hat schon sein letztes Opfer, das Z, ausgewählt: Jan…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
Seitenzahl: 384
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus verschiedenen männlichen und weiblichen Perspektiven
Kapitellänge: eher kurz
Tiere im Buch: - Ein hilfloses Tierbaby wird ermordet und vermutlich davor noch gequält, weil der Mörder daran das Töten „geübt“ hat. Es gibt eine Erwähnung, dass sich jemand EINE Katze hält, daher auch hier wieder mein Hinweis: Katzen sind alleine niemals glücklich (sind sind EinzelJÄGER, keine EinzelGÄNGER), sondern sehr einsam und unglücklich. Sie können verschiedene Verhaltensstörungen entwickeln und depressiv und/oder aggressiv werden. Wer seine Katze liebt, schenkt ihr deshalb mindestens einen Gefährten. Einen riesigen Pluspunkt gibt es zudem dafür, dass der Profiler vegan lebt!

Warum dieses Buch?

Als Thrillerfan bin ich immer auf der Suche nach neuem Lesestoff und wenn ein junger, vielversprechender deutscher Autor ein umjubeltes Debüt veröffentlicht, macht mich das natürlich neugierig. Aber auch der Klappentext klang spannend. An dieser Stelle ein großes Lob an den Verlag fürs geheimnisvolle, zurückhaltende Cover – das zieht mit Sicherheit im Buchhandel alle Blicke auf sich!

Meine Meinung

Einstieg (♥)

Den Einstieg fand ich sehr gelungen. Durch das kurze Kapitel aus der Sicht des Opfers und durch den gruseligen, brutalen Fund im Wildpark wird die Neugier sofort geschürt. Ich habe sehr leicht in die Geschichte gefunden und wollte sofort wissen, wie es weitergeht.

„In jedem Menschen steckt eine Bestie, dachte Jan. Es kam nur darauf an, ob sie geweckt wurde.“ E-Book, Position 520

Schreibstil (+/-)

Dem Schreibstil stehe ich zwiegespalten gegenüber. Einerseits ist er einfach und unauffällig, enthält treffende Vergleiche und lässt sich schnell lesen (Pageturner!), anderseits fand ich ihn besonders im ersten Viertel des Buches stellenweise holprig. Teilweise haben mich stilistische Formulierungen (zum Beispiel werden manchmal englische Redewendungen verwendet, die es im Deutschen aber nicht gibt wie „Hat sie jemanden gesehen?“ (von engl. „to see someone“ = daten)) und inhaltliche Wiederholungen gestört. Man merkt (vor allem am Buchbeginn) auch an den manchmal konstruiert und unnatürlich wirkenden Dialogen, dass es sich um ein Debüt handelt (das hat sich aber später verbessert). Auch waren mir die Beschreibungen stellenweise nicht detailliert und anschaulich genug. Hier hätte ich mir mehr Details gewünscht, damit das Kopfkino leichter anspringt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Der Autor hat sich in seinem Buch einen interessanten Plot ausgedacht, der sowohl vorhersehbare als auch vollkommen unerwartete Wendungen beinhaltet und der definitiv gut unterhält. Um einige Stunden lang der drückenden Sommerhitze zu entgehen (so mancher Gänsehautmoment und das Setting mitten im Winter schaffen hier Abhilfe), eignet sich die kurzweilige Lektüre mit Sicherheit, aber wer einen genauen Einblick in den Alltag von Profilern haben möchte und einen Thriller mit Tiefe sucht, der wird mit diesem Buch nicht glücklich werden. Obwohl ich hier viele gute Ideen und viel Potenzial erkennen konnte, bleibt die Behandlung der durchaus ernsten Themen wie Verlust, Schuld, menschliche Abgründe und schwierige Vergangenheit leider häufig oberflächlich.

Die gelegentlichen Logikfehler im Verhalten mancher Figuren und im Plot kann ich großteils verzeihen (außer wenn sich mal wieder jemand vollkommen unvernünftig in große Gefahr begibt, denn das ist einfach nur dumm und ich bin es nach dem Lesen vieler Thriller langsam leid!). Das Ende, die Auflösung, hätte ich zwar niemals erraten, allerdings fand ich das Tatmotiv nicht gut genug ausgebaut und erklärt, es wirkte auf mich etwas konstruiert.

Protagonisten (+/-)

Man merkt, dass sich der Autor bei seinen Protagonisten Mühe gegeben hat. Sie haben Stärken und authentische Schwächen, machen Fehler. Auch die Vergangenheit wirkt immer noch auf sie ein. Besonders gefallen hat mir, dass Jan, der Chef-Profiler, nicht hart und cool sein muss, sondern dass er - im Gegenteil - ein sehr sensibler Mann mit gutem Herzen ist und sogar vegan lebt. Jene Menschen, die sich bewusst zu dieser Lebensweise entschieden haben und damit nicht nur unzähligen Tieren das Leben retten, sondern auch unserer Umwelt etwas Gutes tun, werden leider oft immer noch belächelt. Woher kommen dieser Hass und dieser Drang, Witze über Veganer zu machen? Ist es das eigene schlechte Gewissen, das an einem nagt? Darüber sollten einige Menschen vielleicht einmal nachdenken.

Obwohl es hier also viele gute Ansätze gibt und obwohl ich mit Rabea und Jan durchaus mitfühlen konnte, ist es mir dennoch über weite Strecken nicht gelungen, eine enge Verbindung zu den Hauptfiguren aufzubauen. Besonders Rabea erschien mir blass und austauschbar, in wenigen Wochen werde ich sie vermutlich vergessen haben. Das ist sehr schade.

„‘Das habe ich dir immer gesagt: Niemals in eine Idee verlieben. Du musst sie genauso schnell töten können, wie du sie erschaffen hast.‘“ E-Book, Position 1941

Nebenfiguren (+)

Die Nebenfiguren waren erstaunlich gut ausgearbeitet. Hier gibt es kaum Klischees, einige Figuren haben mich richtig begeistert und manches Mal konnte mich das Fallen einer Maske vollkommen überraschen. Körpersprache und Mimik werden zudem stets sehr gut beschrieben, das hat mir ebenfalls sehr gefallen.

Spannung & Atmosphäre (+)

Hier liegt meiner Meinung nach die größte Stärke des Buches. Durch die kurzen Kapitel, den einfachen Schreibstil und die atemlose, unheilvolle Spannung, die der Autor von Anfang an aufbaut (weil man für das Opfer hofft und bangt), fliegt man nur so durch die Seiten. Lars Schütz liefert gute Unterhaltung und einige gruselige Gänsehaut-Momente.

Geschlechterrollen (♥)

Hier erhält der Autor einen riesigen Pluspunkt: In dieser Geschichte gibt es keine Geschlechterstereotypen - im Gegenteil, eine breite Bandbreite von Frauen wird gezeigt und immer wieder wird mit Rollenklischees radikal gebrochen. Es gibt viele Frauen in Führungspositionen (Gerichtsmedizinerin, Leiterin der SOKO, Profilerin, Reporterin), die ihren Job sehr gut machen. Frauen dürfen zudem, auch was ihr Liebesleben betrifft, selbstbewusst und selbstbestimmt sein (ohne je von einem Mann dafür verurteilt zu werden – juhu, endlich!), sind gute Fußball- und Basketballspielerinnen und werden für ihren Fahrstil gelobt. Männer dürfen stark UND sensibel sein (und durchaus mal weinen), Frauen zeigen sich zeitweise hart und einschüchternd. Der Autor ist ohne Frage für das Thema Gleichberechtigung sensibilisiert und sich auch der Vorbildfunktion von Medien bewusst. Dafür ein großes Lob!

Mein Fazit

„Der Alphabetmörder“ ist ein spannender Thriller, der durch seinen einfachen Schreibstil und die atemlose, unheilvolle Spannung schnell zum Pageturner wird. Der Autor überzeugt mit einem unterhaltsamen Plot, mit gut ausgearbeiteten Nebenfiguren, mit unerwarteten Wendungen und mit einem modernen Frauen- und Männerbild, das mit Klischees und Rollenstereotypen bricht. Leider weist der Thriller auch einige Schwächen auf: Der Schreibstil war für mich teilweise holprig zu lesen, die Dialoge wirken stellenweise etwas konstruiert, viele Aspekte werden nur oberflächlich behandelt und die Hauptfiguren bleiben, obwohl sich der Autor Mühe gegeben hat, austauschbar. Sie konnten mich leider nicht wirklich erreichen. Insgesamt hat Lars Schütz aber ein kurzweiliges Debüt geschrieben, das sich durch so manchen Gänsehaut-Moment und durch das winterliche Setting perfekt als kühlende Sommerlektüre eignet!

Ob ich den zweiten Band lesen werde, ist noch nicht klar und wird wahrscheinlich vom Klappentext abhängen.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonisten: 3 Sterne
Nebenfiguren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4,5 Sterne
Ende: 3,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Geschlechterrollen: ♥ (Modernes Frauen- und Männerbild, frei von Stereotypen – toll!)

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3,5 Lilien!

Veröffentlicht am 27.03.2024

Meh… Hat mich leider emotional nicht erreicht!

Die Kriegerin
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zwei befreundete (Ex-)Soldatinnen kämpfen mit ihren Traumata.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zwei befreundete (Ex-)Soldatinnen kämpfen mit ihren Traumata.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Kapitel, Unterteilung durch Absätze

Inhaltswarnung: Gewalt, Blut, (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen (bis Vergewaltigung), Tötung eines Tieres (Hund), Feuer, Suizid, psychische Krankheiten, Depression, Trauma, posttraumatische Belastungsstörung, Sexismus, Misogynie, selbstverletzendes Verhalten, Alkohol

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- ruhige und langsame Geschichten
- reduzierter, eher distanzierter Schreibstil
- Leben als Soldatin
- Trauma / posttraumatische Belastungsstörung
- psychische Krankheiten / Suizid / Selbstverletzung
- sexualisierte Gewalt (Vergewaltigung) als zentrales Thema
- Spuren von magischem Realismus (Träume)

Lieblingszitate

"Die Soldatinnen hier im Feldlager warnen sich gegenseitig vor ihm. Anzeigen tut ihn niemand." Seite 128

"Denn natürlich kann in diesen Nächten etwas passieren, kann die Nähe, die beim Tanzen entsteht, ausgenutzt, kannst du gegen deinen Willen in eine Toilette gedrängt, können in dein Getränk K.-o.-Tropfen gemischt, kannst du fotografiert, berührt, gepackt, geküsst werden, ohne dass du selbst dabei ein Mitspracherecht hast." Seite 195

"Die Dunkelheit schlug hohe Wellen, füllte Lisbeths Lungen, zerdrückte ihre Brust, schmeckte nach Asche.“ Seite 13

Meine Rezension

Nachdem mich vor einigen Jahren das düstere, tiefgründige Debüt von Helene Bukowski („Milchzähne“) so begeistert hatte, wurde ich natürlich aufgrund des Titels und Klappentexts (beides klang sehr feministisch) sofort auf ihr neues Buch aufmerksam und wollte es lesen.

Doch konnte mich auch die „Kriegerin“ wieder emotional so abholen und mitreißen? Das muss ich leider verneinen, denn die Lektüre ließ mich seltsam unbefriedigt, ernüchtert und leicht enttäuscht zurück. Müsste ich die Leseerfahrung in einem Wort zusammenfassen, wäre das wohl: Meh!

Natürlich gab es ein paar Dinge, die mir auch dieses Mal wieder gut gefallen haben, z. B. die Grundidee und die Wahl der Themen (das Leben als Soldatin, Sexismus, sexualisierte Gewalt, Trauma). Einzelne Szenen haben mir zugleich das Herz zerrissen und mich unglaublich wütend gemacht! Die Schauplätze fand ich gut gewählt und erfrischend (Kreuzfahrtschiff, Bungalow am Meer, Militäreinsätze in anderen Ländern) und ich mochte die teils kafkaeske Grundstimmung, die Spuren des magischen Realismus (große Bedeutung von Träumen) und manch interessante Wendung oder Nebenfigur.

Aus feministischer Sicht gibt es ebenfalls nicht viel auszusetzen, weil der Roman so frauenzentriert ist und Alltagssexismus in einer männerdominierten Branche und die Folgen von sexualisierter Gewalt in den Fokus rückt. Als positiv habe ich auch empfunden, dass LGBT-Aspekte eingeflochten wurden und dass der Freund der Hauptfigur als alleinerziehender Vater ganz und gar nicht toxisch ist. Ein Pünktchen Abzug gibt es für das eine oder andere Klischee. Wer gerne Bücher und ihre Symbolik analysiert, ist hier übrigens an der richtigen Adresse – die „Kriegerin“ gibt das (mit ihren rosaroten Vögen, ungewöhnlichen Träumen und großen Steinen) auf jeden Fall her!

Das klingt doch alles ganz positiv, oder? Warum dann trotzdem nur 3 Sterne? Nun, leider vermochte es das Buch nicht, mich nachhaltig zu berühren und zu fesseln. Die Thematik, von der ich aufgrund des Klappentexts dachte, sie wäre das Kernthema (sexuelle Gewalt), nimmt tatächlich nur wenig Raum in der Geschichte ein. Der Schreibstil war dafür auch zu reduziert und oberflächlich, lieferte zu wenige Details, blieb in Bezug auf die Figuren zu distanziert. Es ist sehr schwer, mit den Charakteren mitzufühlen, wenn man als Leser:in nicht an sie herangelassen wird (und diesen Eindruck hatte ich). Ich konnte zum Beispiel das egoistische Verhalten der Protagonistin sehr oft nicht nachvollziehen (warum verlässt sie einfach so ihre Familie und Tochter, ohne sich zu melden, warum tötet sie aus Rache einen unschuldigen Hund?) und hatte auch am Ende des Buches das Gefühl, sie eigentlich überhaupt nicht zu kennen. Wer an einem unschuldigen Wesen seine Rachegefühle auslässt, ist zudem bei mir sowieso „unten durch“ – EGAL wie traumatisiert die Person ist, das ist für mich keine Entschuldigung oder Ausrede!

Außerdem fehlten mir Spannung, Tempo und Handlung (man hat teilweise überhaupt keine Ahnung, worauf die Geschichte hinauswill) – ich fand sie besonders im Mittelteil zäh bis langweilig. Mit seinen 250 Seiten war der Roman trotzdem (beim immerhin dritten Versuch) ganz gut zu schaffen – ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich nicht durchgehalten hätte, wenn er 400 Seiten gehabt hätte. Jetzt beim Schreiben der Rezension – nur knappe zwei Wochen nach Beendigung des Buches – fällt mir leider auf, dass ich schon wieder viel vergessen habe. Die Geschichte wird mir wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben, sie hat einfach keinen bleibenden Eindruck hinterlassen…

Mein Fazit

„Die Kriegerin“ ist ein Roman, den ich mit hohen Erwartungen begonnen, jedoch leider ernüchtert und etwas enttäuscht beendet habe. Das lag hauptsächlich daran, dass mich das Buch emotional einfach nicht erreichen und auch nicht fesseln konnte. Für große Fans sehr ruhiger, reduzierter Geschichten könnte es vielleicht etwas sein, alle anderen sollten lieber zu Helene Bukowskis Debüt greifen („Milchzähne“), das fand ich nämlich echt großartig!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 2 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Pacing/Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2023

Okay/ganz nett für zwischendurch – Stärken und Schwächen halten sich die Waage

Whitefeather (Legende der Schwingen 1)
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Mit 18 Jahren stehen Liz und ihre Freund:innen kurz vor dem Moment, der alles verändern wird: Nur wenn sie von der heiligen Klippe abspringen, erhalten die Auserwählten ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Mit 18 Jahren stehen Liz und ihre Freund:innen kurz vor dem Moment, der alles verändern wird: Nur wenn sie von der heiligen Klippe abspringen, erhalten die Auserwählten unter ihnen entweder weiße oder schwarze Engelsflügel und dürfen in einer der zwei Himmelsstädte leben. Wer kein Engelsblut in sich trägt, auf den wartet im Abgrund jedoch der Tod. Wer von den 5 Freund*innen wird zum Whitefeather? Wer zum Blackfeather? Und werden überhaupt alle den Sprung überleben?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1/2
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, hin und wieder auch männliche
Kapitellänge: mittel

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: H+rensohn, H+renbock

Kurzrezension

„Bist du bereit für deinen Absprung?“ E-Book, Position 30

„Whitefeather“ ist das beste Beispiel dafür, dass auch durchwachsene Rezensionen neugierig machen können. Diese waren nämlich der Grund dafür, dass ich zu dieser Jugendfantasy über Engel gegriffen habe. Doch worum geht es überhaupt? Es geht um eine Welt, in der Jugendliche, die vermutlich Engelsblut in sich tragen, zusammen auf Höfen aufwachsen, um dann mit 18 Jahren von einer heiligen Klippe zu springen. In diesem Moment erhalten sie entweder schwarze oder weiße Flügel und leben fortan in einer der zwei Himmelsstädte. Es sei denn, sie tragen doch kein Engelsblut in sich – denn dann stürzen sie ab und sterben…

„Whitefeather“ habe ich schon vor längerer Zeit gelesen, doch die Rezension bin ich euch bis heute schuldig geblieben. Meine Erinnerung ist deshalb auch schon etwas verblasst, doch zum Glück konnte ich auf meine Notizen von damals zurückgreifen. Trotzdem soll es dieses Mal nur eine Kurzrezension werden, deshalb komme ich auch gleich zum Punkt: Insgesamt fand ich das Buch ganz okay – es hat mich weder vollkommen begeistert noch auf ganzer Linie enttäuscht.

Was hat mir gefallen? Ich mochte sowohl den flüssigen, anschaulichen Schreibstil (auch wenn es stimmt, dass teilweise auf etwas unpassende Weise altertümliche und moderne Worte aufeinandertreffen) und die lebendigen und authentischen Dialoge. Auch die Grundidee und das Worldbuiling (die Himmelsstädte Sorothez und Tirithan und das Leben dort) haben mir ganz gut gefallen – auch wenn ich die Geschichte machmal als etwas vorhersehbar und klischeehaft wahrgenommen habe. Im Mittelteil gab es vereinzelt sehr spannende Passagen und auch die eine oder andere unerwartete Wendung und schockierende Enthüllung. Mit der Figurenzeichnung bin ich insgesamt ebenfalls zufrieden: Die meisten Figuren fand ich gut ausgearbeitet und sympathisch – besonders Oz ist mir hier positiv in Erinnerung geblieben. Als „ganz nett“ würde ich die Liebesgeschichte beschreiben – auch wenn sie mich nicht vom Hocker gehauen hat, wie man so schön sagt.

Doch „Whitefeather“ hat leider auch ein ein paar nicht unerhebliche Schwächen: Zum Beispiel braucht die Geschichte sehr lange, bis sie endlich ins Rollen kommt und bis endlich etwas passiert. Es gibt einige Spannungsmomente, die gut gelungen sind (während einer solchen Passage habe ich mir auch überstürzt Band 2 runtergeladen, bin mir aber jetzt im Nachhinein nicht mehr sicher, ob das eine gute Entscheidung war), dazwischen bricht aber der Spannungsbogen immer wieder ein und langatmige Abschnitte vermiesen einem den Lesespaß. Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls ernüchtert zurück: Das Buch enthält leider einige Geschlechterstereotype (Verhalten von Männern vs. von Frauen stellenweise sehr klischeehaft) und die Protagonistin ist alles andere als eine starke weibliche Hauptfigur: Sie wirkte auf mich leider sehr naiv und passiv – in eigentlich allen Belangen. Das ging auch 2020 (da ist das Buch erstmals erschienen) schon besser!

Gewünscht hätte ich mir auch, dass bei den (teilweise durchaus ernsten/schwierigen) Themen, die K. T. Meadows in ihrem Buch behandelt (Missbrauch, Vorurteile, Liebe, Freundschaft, gesellschaftliche Erwartungen), noch mehr in die Tiefe gegangen worden wäre. An dieser Stelle gleich eine Warnung: Am Ende dieses Buches erwartet euch ein ziemlich gemeiner Cliffhanger – zur Lektüre von Band 2 hat er mich bisher trotzdem nicht motivieren können. Ich bin noch hin- und hergerissen, ob ich die Fortsetzung lesen soll…

Mein Fazit

„Whitefeather“ ist „okaye“/ ganz nette Engelsjugendfantasy für zwischendurch – mehr aber auch nicht. Die Stärken (gute Ideen, sympathische Figuren, flüssiger Schreibstil) und die Schwächen (naive Protagonistin, Klischees, Spannungseinbrüche) halten sich hier die Waage. Für mich ganz klar ein Buch, das man lesen kann, aber sicher nicht gelesen haben muss. Aufgrund der Rollenklischees und der passiven weiblichen Hauptfigur würde ich das Buch Jugendlichen aber definitiv nicht weiterempfehlen. Ich denke, es gibt bessere, zeitgemäßere Geschichten da draußen – mit stärkeren Frauenfiguren, die Mädchen eher als Vorbild dienen können.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 3,5 Sterne
Einstieg: 2 Stern
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 2,5 Stern
Tempo: 2 Stern
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

☆★☆ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.07.2023

Originelle Idee, aber die Umsetzung überzeugt nicht!

P.S. Morgen bist du tot
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Psychopathin Chloe hat sich nur aus einem einzigen Grund die John-Adams-Universität für ihr Studium ausgesucht: Sie hat mit einem anderen Studenten noch eine Rechnung ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Psychopathin Chloe hat sich nur aus einem einzigen Grund die John-Adams-Universität für ihr Studium ausgesucht: Sie hat mit einem anderen Studenten noch eine Rechnung offen. Mit 13 Jahren wurde sie von ihm vergewaltigt, nun soll er dafür bezahlen und durch ihre Hand sterben. Praktisch, dass Chloe bei einer Psychopathie-Studie teilnehmen darf und so ein Stipendium ergattern konnte. Chloes Plan gerät jedoch ins Wanken, als plötzlich die anderen Studienteilnehmer:innen nach und nach ermordet werden. Plötzlich schwebt Chloe selbst in Gefahr und weiß: Sie darf den anderen Psychopath:innen aus dem Programm auf gar keinen Fall vertrauen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, zwischendurch auch männliche
Kapitellänge: meist kurz

Inhaltswarnung: Alkohol, Tod von Menschen, Gewalt, Gewalt gegen Frauen, sexualisierte Gewalt, häusliche Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: F+tze, Schl+mpe (viele Male), H+re, Bitch, Luder

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Uni-Leben
- Serienkiller:innen
- Dexter-Vibes
- moralisch graue Hauptfigur
- detaillierte Beschreibungen von Gewalt
- Rachemotiv
- Jeder-misstraut-jedem-Thriller
- Thematisierung von sexualisierter Gewalt

Meine Rezension

„Will Bachmann trinkt zu viel und hängt mit Leuten rum, die nicht auf ihn aufpassen. Will Bachmann hat einige Fehler gemacht. Will Bachmann hat noch 60 Tage zu leben.“ E-Book, Position 234

Das Debüt von Vera Kurian wollte ich vor allem deshalb lesen, weil ich die Idee frisch und originell fand und außerdem mehr über das spannende Thema „Psychopathie“ erfahren wollte. Hätte ich die Rezensionen im Vorhinein gelesen, hätte ich gewusst, dass die Leser:innen-Meinungen durchwachsen sind, und hätte ich in die Zukunft schauen können, hätte ich gewusst, dass sich meine mittelmäßige Bewertung dort perfekt einreihen wird.

Doch zuerst zu den Stärken des Buches. Auf ganzer Linie überzeugen konnten mich die spannende Prämisse (wie gesagt) und die Art, wie sich der Plot entwickelt. Da gab es doch die eine oder andere unerwartete Wendung, die mich eiskalt erwischt hat. Die Geschichte hatte eindeutig Dexter-Vibes, weil einen die manipulative, eiskalte, moralisch dunkelgraue Protagonistin mit ihren Racheplänen sofort für sich einnimmt. Denn auch wenn man wie ich im echten Leben ganz klar gegen Selbstjustiz ist, versteht man Chloes Motive und denkt beim Lesen (tut ja niemandem weh): Dieser Vergewaltiger Will hat es doch irgendwie verdient!

„Ich habe noch nie jemanden wie mich kennengelernt. Doch wenn es irgendwann passiert, denke ich, dass es wie die Begegnung zweier Wölfe in der Nacht sein wird, die sich beschnüffeln und den anderen als Jagdgefährten erkennen.“ E-Book, Position 113

Auch die Einblicke in die Innenwelt und Gedanken der Psychopath:innen (es gibt mehrere Perspektiven) fand ich äußerst spannend und interessant – da wird schnell mal ein bei einem Autounfall verbrannter Junge als „knusprig gebratener kleiner Sche+ßer“ beschrieben. Derart empathielose, pietätlose Formulierungen muss man mögen oder zumindest aushalten können, wenn man mit diesem Buch seinen Spaß haben will. Sehr gut gefallen hat mir auch das gegenseitige Misstrauen, das sich die Studienteilnehmer:innen entgegenbringen, weil man ja nie wissen kann, wie gefährlich die andere Person ist. So etwas liebe ich ja in Büchern! Eine kleine Liebesgeschichte wurde auch eingebaut, die fand ich eigentlich ganz nett – mehr aber auch nicht.

Leider gab es aber auch ein paar Aspekte, die mich enttäuscht haben. Das begann schon mit dem sehr einfachen, nichtssagenden, sich wiederholenden Schreibstil – der wohl auch schuld daran ist, dass das Buch trotz guter Themenwahl (Leben als Psychopath:in, Trauma, Rache, Freundschaft) leider bis zum Ende sehr oberflächlich bleibt. Außerdem gab es (liegt wohl an der Übersetzung) immer wieder Fehler bei der Zeitenfolge, die mich ziemlich gestört haben. Und auch wenn das Buch stellenweise wirklich atmosphärisch dicht und sehr spannend ist (vor allem im ersten Drittel, auch durch den Countdown bis zum geplanten Mord), gibt es im Mittelteil einige lange Durststrecken, in denen der Spannungsbogen einbricht und in denen die Handlung nicht von der Stelle kommt. Aus diesem Grund habe ich das Buch auch immer wieder weggelegt und sehr lange für die Lektüre gebraucht – weil es mich einfach nicht gefesselt hat. Aus der grandiosen Grundidee hätte man so viel mehr machen können! Hier wurde sehr viel Potential verschenkt. Das Verhalten der Hauptfigur und den Schluss fand ich zudem teils unglaubwürdig.

Etwas ratlos lässt mich die feministische Analyse zurück: Auf scharfsinnige, kritische Kommentare darüber, wie (schlecht) Frauen in unserer Gesellschaft behandelt werden, folgen immer wieder extrem unreflektierte sexistische, Frauen objektifizierende und toxische Bemerkungen und extrem viele gegenderte Beleidigungen (Schl+mpe, F+tze, B+tch, H+re). Meine Vermutung ist, dass die feministischen Stellen bewusst eingebaut wurden, der Autorin ihre verinnerlichte Misogynie aber eben NICHT bewusst war, wodurch sie immer dann durchkommt, wenn sie sich nicht darauf konzentriert hat. Hier hoffe ich natürlich, dass Vera Kurian bis zu ihrem nächsten Buch dazulernt – es wäre dringend nötig!

Mein Fazit

„P. S. Morgen bist du tot“ ist ein Thriller mit einer richtig coolen Grundidee, der sein Potential aber leider nicht nutzen kann (Spannungseinbrüche, oberflächlich, enttäuschender Schreibstil)! Aus dieser Geschichte hätte man so viel mehr machen können! Deswegen bin ich insgesamt etwas enttäuscht und spreche (auch wegen der teilweise sehr sexistischen Aussagen der Protagonistin) keine Leseempfehlung aus. Es gibt dort draußen bessere und vor allem feministischere Thriller – lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 2 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 2 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

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