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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2019

Ein sehr bewegender Episodenroman

Endstation U-Bahnhof Kottbusser Tor
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Zum Inhalt:
Ferhat ist ein junger Türke, der von seinem Vater aus dem Osten der Türkei nach Berlin geschickt wird, damit er dort sein Abitur macht und Medizin studiert. Doch er landet mitten in Kreuzberg, ...

Zum Inhalt:
Ferhat ist ein junger Türke, der von seinem Vater aus dem Osten der Türkei nach Berlin geschickt wird, damit er dort sein Abitur macht und Medizin studiert. Doch er landet mitten in Kreuzberg, wo er die meiste Zeit unter Landsleuten ist und sich mit den alltäglichen Problemen der Berliner mit Migrationshintergrund herumschlagen muss. Mit seinen engsten Freunden hat er oft Meinungsverschiedenheiten, da sie als Deutschtürken Ferhats Gedankengänge und Verhaltensweisen nicht immer verstehen, und in der Liebe hat er bisweilen auch kein Glück. Neben der Schule muss er zudem hart jobben. Als ob der ganze Stress um ihn und das Leben in Kreuzberg nicht genug wäre, treffen ihn die Suizidfälle von Jugendlichen mit Migrationshintergrund an seiner Schule emotional sehr stark. Dann erlebt er selbst einen Schicksalsschlag mit seinem besten Freund, was ihn völlig aus der Bahn wirft...


Meine Leseerfahrung:
Als Deutschtürkin war ich sehr gespannt auf diesen Debütroman von Alper Soytürk und hatte ehrlich gesagt keine allzu große Erwartungen, als ich mit dem Lesen anfing. Der Schreibstil des Autors ist flüssig und angenehm, so dass man durch die ca. 400 Seiten recht zügig vorankommt. Zudem handelt es sich hier tatsächlich um einen Episodenroman mit vielen kurzen Kapiteln, die alle für sich abgeschlossene Geschichten bilden, und damit auch für kurzweiliges Lesen bestens geeignet sind. 

Zu Beginn lernt man viel über Ferhat und seinen Background, sowie über seine Lebensweise in Berlin. Allmählich tauchen verschiedene interessante Charaktere auf, denen sogar vereinzelt ein ganzes Kapitel gewidmet ist, und man ist plötzlich in einem völlig anderen Geschehen. Da ich eher zusammen hängende Kapitel bei Romanen gewohnt bin, habe ich zunächst versucht, eine Struktur dahinter zu suchen. Dabei kommt der Roman aber bestens ohne das Konzept des roten Fadens zurecht.

Wichtig sind hier tatsächlich die einzelnen lebensechten Charaktere und ihre ganz persönlichen Geschichten, die mich tief berührt haben. Einerseits konnte ich Vieles völlig nachvollziehen, andererseits waren einige Stellen selbst für mich als Deutschtürkin sehr befremdlich. Und zu Allem kam noch die Darstellung Berlins hinzu, die sich allmählich durch das Buch hindurch  verfestigt und ein Bild der Stadt abgibt, welches ich so nicht kannte und mich geradezu schockiert hat. 

Neben den ganzen ernsten Szenarien gab es auch einige lustige Stellen, bei denen ich laut auflachen musste. Nichtsdestotrotz ist das Hauptthema jedoch sehr ernst: das Suizidrisiko bei jungen Migranten. Und das wird weder verschönt noch verzerrt, sondern in all seinen Facetten völlig authentisch dargestellt. Ich habe beim Lesen eine emotionale Achterbahnfahrt mitgemacht und war überrascht, wie intensiv mich dieser Roman trotz einfacher Sprache und teilweise nicht wirklich unbekannter Themen gefesselt hat. 

Leser mit schwachen Nerven und starker Sensibilität in Bezug auf Suizidthemen sollten meines Erachtens den Roman mit Vorsicht genießen. Denn es ist definitiv eine sehr aufrüttelnde Lektüre, die Einen tief berührt, wenn nicht sogar Tränen vergießen lässt.


Fazit:
Alper Soytürk hat einen sehr bewegenden Episodenroman über Probleme  junger Migranten in Deutschland geschaffen, das uns nicht nur die Augen vor der schockierenden Wahrheit öffnet, sondern auch zum verantwortungsvollerem Verhalten gegenüber Mitmenschen und zu einem verständnisvolleren Miteinander bewegt. Literatur dieser Art sollte es noch mehr in Deutschland geben. 

Veröffentlicht am 30.05.2019

Erlesene Auswahl an Erzählungen über die Freundschaft

Auf die Freundschaft
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Zum Inhalt:
Über die Freundschaft wurden schon viele Geschichten geschrieben und unzählige Texte und Gedichte verfasst. Wie ihre Verfasser auch, sind die Geschichten so verschieden,  sowohl auf kultureller ...

Zum Inhalt:
Über die Freundschaft wurden schon viele Geschichten geschrieben und unzählige Texte und Gedichte verfasst. Wie ihre Verfasser auch, sind die Geschichten so verschieden,  sowohl auf kultureller als auch zeitlicher Ebene. Aber sie erzählen alle über gute und schlechte Freunde, über Freundschaften, die ein Leben lang halten und über solche, die man nicht pflegen sollte. In diesem Zusammenhang werden stets dieselben Themen wie Loyalität, Verbundenheit, Hilfsbereitschaft, aber auch Neid, Missgunst und Verlustängste aufgegriffen. Rafik Schami hat für uns Leser in der Weltliteratur gestöbert und besondere Erzählungen, Anekdoten und Aphorismen in diesem schönen kleinen Buch gesammelt.


Meine Leseerfahrung:
Ein großes Lob gebührt zunächst dem Verlag für den optisch sehr ansprechenden Umschlag bzw. die Gesamtgestaltung des Buches. "Büchlein" wäre auf Grund seiner Größe die korrektere Bezeichnung. Außen mag es klein sein, innen befinden sich jedoch  erlesene große Schriften der Weltliteratur.

Textsammlungen können tatsächlich sehr abwechslungsreich sein, wenn ein ausgewogenes Maß an verschiedenen Stimmungen in den Beiträgen eingefangen wird. Persönlich finde ich kurzweilige Lesezeit auch mal entspannend und unterhaltsam, insbesondere wenn dem Leser mehrere Facetten eines Lesevergnügens geboten werden. Rafik Schami hat aus verschiedenen Epochen die inhaltlich unterschiedlichsten Geschichten und Zitate zusammengefasst. So wechseln sich lustige Erzählungen mit traurigen, sowie anspruchsvollere Texte mit leichten, knappen Anekdoten ab und sorgen für schnelle Stimmungswechsel. So wird es nie langweilig für uns Leser und man kann dank eines übersichtlichen Inhaltsverzeichnises und eines praktischen farbigen Lesebandes auch mal von Beitrag zu Beitrag springen.

Ich kannte nicht alle Verfasser und bin froh, einige von Ihnen Dank Rafik Schami kennengelernt zu haben.

Es sind aber auch Beiträge zu finden von bekannten Persönlichkeiten wie Oscar Wilde, Antoine de Saint-Exupéry, Konfuzius, Franz Kafka, Aristoteles, Patricia Highsmith sowie von Rafik Schami selbst, so dass für jeden sicherlich etwas dabei ist.


Fazit:
Rafik Schami präsentiert mit diesem Buch ein ideales Geschenk, um bestehende Freundschaften zu honorieren, neue Freundschaften zu knüpfen oder aber einfach in den erlesenen Texten der Weltliteratur zu stöbern. Absolut lesenswert nicht nur für Schami-Fans!

Veröffentlicht am 20.05.2019

Ein sehr gelungenes True-Crime-Buch

Falschaussage
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Zum Inhalt:

Die 18-jährige Marie wird 2008 in ihrer Wohnung von einem maskierten Mann brutal vergewaltigt und erniedrigt. Als sie den Vorfall zur Anzeige bringen will, erlebt sie, wie einige Personen ...

Zum Inhalt:

Die 18-jährige Marie wird 2008 in ihrer Wohnung von einem maskierten Mann brutal vergewaltigt und erniedrigt. Als sie den Vorfall zur Anzeige bringen will, erlebt sie, wie einige Personen in ihrem Umfeld an ihren Schilderungen zweifeln und auf Distanz gehen. Kurz darauf wird sie von der Polizei auch nicht mehr als Opfer behandelt, sondern als eine Täterin, die eine Straftat vorgetäuscht haben soll. Völlig verwirrt von den Geschehnissen und geplagt von inneren Zweifeln nimmt sie ihre Anzeige zurück. Als einige Jahre später Ermittler einem unbekannten Vergewaltiger auf der Spur sind, ahnen sie noch nicht, dass die Akte Marie tatsächlich noch nicht geschlossen ist und dass es eine Verbindung zwischen den Vergewaltigungen gibt.


Meine Leseerfahrung:
Neugierig war ich auf Maries Geschichte, weil es sich um einen echten Fall handelt, der sich so in den USA ereignet hat. Schockierend war nicht nur die Tat an sich, sondern auch die Begleitumstände und die Behandlung des Opfers nach diesem tragischen Vorfall.

Armstrong und Miller schaffen es in einem durchweg neutralen Schreibstil über die Geschehnisse zu berichten. Das ganze Buch lässt sich wie eine spannende Fernsehreportage über eine Serie an Vergewaltigungen lesen. Dabei gehen die Autoren allerdings nicht chronologisch vor, sondern geben den Lesern mit mehreren Zeitsprüngen auch Einblicke in die Nebenhandlungen. Zudem erfährt man auch viel über den Background der einzelnen Ermittler sowie über das Täterprofil, indem auch mit einigen Einschüben über dessen Vergangenheit und Gegenwart erzählt wird.

Auch wenn sehr viele Personen und Tatorte vorkommen, und den Leser an der Unübersichtlichkeit verzweifeln lassen, ist das Buch dennoch sehr lesenswert,  weil das Autorenduo eine lobenswerte Recherche auf die Beine gestellt hat; und zwar einerseits  über eine ausgezeichnete Ermittlungsarbeit bis hin zur erfolgreichen Festnahme des Serienvergewaltigers, aber auch andererseits über eine miserable Polizeiarbeit in Bezug auf die Behandlung des Opfers sowie den mangelnden Ehrgeiz der örtlichen Polizeibehörden, Vergewaltigungsfälle aufzuklären.

Besonders beeindruckend fand ich persönlich, dass die Autoren zusätzlich allgemeine Fakten in Bezug auf sexuelle Straftaten liefern und auch mit entsprechendem Fussnotenverzeichnis ihren Tatsachenbericht untermauern. Als sachlich orientierte Juristin habe ich die umfassenden Erkenntnisse bezüglich Sexualstraftaten und die kriminalhistorische Entwicklung der polizeilichen Aufklärungsarbeit gespannt verfolgt, als emotionale Leserin wiederum habe ich mich in die Lage der Opfer hineinversetzen können und war erschüttert,  wie wenig Empathie bzw. soziale Ader manche Menschen im Rahmen der Opferhilfe zeigen.

Meines Erachtens wurde dieses Buch verdienterweise mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet. 


Fazit:
Ein absolut packendes True Crime Buch, das fundierte Erkenntnisse vermittelt und auf Grund einer grandiosen Recherchearbeit einen umfassenden Einblick in die amerikanischen Ermittlungsmethoden sowie das Opfer-/Täterverhalten im Bereich der Sexualstraftaten gewährt.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Abgrundtief schrecklich

Friedhof der Kuscheltiere
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Zum Inhalt:
Louis Creed zieht mit seiner Frau Rachel und seinen Kindern Ellie und Gage aus beruflichen Gründen in das idyllische Örtchen Ludlow in Maine. Ihr neues Zuhause grenzt auf der Rückseite an ein ...

Zum Inhalt:
Louis Creed zieht mit seiner Frau Rachel und seinen Kindern Ellie und Gage aus beruflichen Gründen in das idyllische Örtchen Ludlow in Maine. Ihr neues Zuhause grenzt auf der Rückseite an ein großes Waldgebiet mit einem Tierfriedhof und hat eine gefährliche Schnellstraße vor der Haustür. Auf dieser Straße wird die von der Tochter Ellie innig geliebte Katze der Familie überfahren. Der alte Nachbar Jud gibt Louis daraufhin ein Geheimnis von einer weiteren alten indianischen Grabstätte hinter dem Haustierfriedhof preis, wo angeblich tote Tiere wieder zum Leben erweckt werden. Sie begraben Ellies Katze dort, woraufhin das Unheil seinen Lauf nimmt...


Meine Leseerfahrung:
Mein erster Horrorroman war "Es" von Stephen King und seitdem erwarte ich immer das Schlimmste, wenn ich ein Buch von ihm in die Hand nehme. King liefert zwar immer Grauenhaftes ab, aber mit diesem Buch hat er den Maßstab für das abgrundtief Schreckliche sehr weit hoch gelegt. Vielleicht hätte dieser Roman vor 10 Jahren noch nicht so stark auf mich eingewirkt. Als zweifache Mutter war ich während des Lesens auf einer emotionalen Achterbahnfahrt und musste das Buch sehr oft aus der Hand legen, insbesondere ab dem zweiten Teil, weil ich innerlich völlig aufgerührt war. Der beängstigende Verlauf der Geschichte hat mich vollkommen in den Bann gezogen. Dass man als Leser mit den Figuren mitfühlt bzw. die düstere Atmosphäre regelrecht miterlebt liegt nicht nur an dem sehr bildhaften Erzählstil des Autors, sondern auch an den starken Charakteren mit ihren lebensechten Gedankengängen, an denen man als Leser teilhaben kann.


Stephen King selbst wollte dieses Buch nicht veröffentlichen, weil es seines Erachtens zu grauenvoll war. Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist sicher nie erfreulich. King hat aber mit diesem Roman eine Tür aufgemacht, durch die man als Leser nicht gehen sollte, wenn man ein schwaches Gemüt hat.


Fazit:
Eine abgrundtief schreckliche Geschichte, die man für immer wegsperren und vergessen möchte. Stephen King ist ohne Zweifel der Meister des Grauens und dieses Meisterwerk darf in keinem Horrorbuchregal fehlen.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Handlettering und Lifecoaching

Lises Lettering
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Zum Inhalt:
Was braucht man fürs Handlettering? Welche Stifte sollte man verwenden? Auf welchem Papier schafft man die schönsten Bilder? Und wie fängt man überhaupt an? Diese und andere Fragen werden von ...

Zum Inhalt:
Was braucht man fürs Handlettering? Welche Stifte sollte man verwenden? Auf welchem Papier schafft man die schönsten Bilder? Und wie fängt man überhaupt an? Diese und andere Fragen werden von Lise Hellström in Lises Lettering genauestens beantwortet. Aber nicht nur Fachliches wird behandelt, vielmehr erzählt die Autorin locker leicht aus ihrem Leben und enthüllt auch einige persönliche Dinge. Sie gibt Beispiele aus ihren Erfahrungen und fordert die Leser ihres Buches dazu auf, mutig und frei, ja einfach sie selbst zu sein. Neben einigen Vorlagen fürs Lettering erhält man zudem ein Lifecoaching noch dazu, und das alles in einer sehr unterhaltsamen und humorvollen Art und Weise. 



Meine Leseerfahrung:
Handlettering ist zwar aktuell ein sehr angesagtes Thema. Mich hatte das Fieber allerdings schon vor vielen Jahren in der Schulzeit gepackt, als ich mit kleinen Tags und Graffiti-Bildern anfing, um einfach abzuschalten und zu entspannen. Ich bin dankbar, dass ich dank dieses Buches nach vielen Jahren meine Motivation wiedergefunden habe, mich wieder kreativ zu beschäftigen. Ich war noch gar nicht mit der Hälfte des Buches durch, als ich mir ein Set mit dualen Brush Pens zum Üben angeschafft habe. Es macht verdammt viel Spaß, einige Quotes aus dem Buch nachzuzeichnen oder mit dem eigenen Schreibstil zu improvisieren. Ich freue mich jetzt schon auf weitere Experimente mit den Stiften auf Aquarellpapier, nachdem Lise Hellström so davon geschwärmt und ausdrucksvoll beschrieben hat, wie gut das funktioniert. In diesem Buch werde ich sicherlich noch sehr oft lesen und herumblättern.


Fazit:
Ein unerwartet herzlich verfasstes Buch über  Kreativwerden, Mutigsein und Individualität, das in keinem Buchregal fehlen sollte, wenn man sich mit dem Thema Handlettering  auseinandersetzt.