Profilbild von Fornika

Fornika

Lesejury Star
offline

Fornika ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fornika über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.02.2020

Monolog einer alten Dame

Rote Kreuze
0

In Alexanders neuer Wohnung gibt es noch nicht einmal Möbel, da wird er schon von seiner 90jährigen Nachbarin zugequatscht. Tatjana leidet an Demenz und will noch schnell ihre Lebensgeschichte erzählen; ...

In Alexanders neuer Wohnung gibt es noch nicht einmal Möbel, da wird er schon von seiner 90jährigen Nachbarin zugequatscht. Tatjana leidet an Demenz und will noch schnell ihre Lebensgeschichte erzählen; bevor sie die vergisst. Sascha ist zunächst genervt, doch bald hat er die alte Dame ins Herz geschlossen.
Filipenkos Roman liest sich wie ein kurzer Abriss der jüngeren russischen Geschichte. Trotz der geschilderten Gräuel und Ungerechtigkeiten liest sich der Roman ganz angenehm, vielleicht auch, weil Tatjana alles mit dem Abstand der Jahrzehnte berichtet. Sie hat viel erlebt, und noch viel mehr erleiden müssen. Ihr Schicksal zeigt die ganze Idiotie des Systems und steht beispielhaft für viele. Trotzdem werden viele Aspekte bloß angerissen, da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Alexander dagegen ist ein sehr blasser Zuhörer, sein „Schicksal“ wirkt extrem unrealistisch und effektheischend. Ich hätte mir den Roman sehr viel besser als z.B. Tagebuch von Tatjana vorstellen können, Sascha gnadenlos rausgekürzt. Die Rahmenhandlung empfand ich als unnötig. Der Erzählstil gefiel mir nicht immer, einerseits lässt sich das Buch gut lesen, andererseits fehlten mir Emotionen, gerade die Willkür des Systems hätten Wut, Ohnmacht… irgendetwas auslösen sollen. Die eingestreuten Dokumente wirken (sind?) sehr authentisch, z.T. aber in epischer Breite vorhanden. Briefwechsel werden zu sehr ausgewalzt und bremsen die Geschichte aus, auch wenn sie natürlich zeigen sollen wie zermürbend Tatjanas Arbeit oft war. Das ändert nichts daran, dass so die Handlung zusätzlich an Schwung verliert.
Ich fand den Roman nicht ganz schlecht, hätte mir aber die Aufarbeitung dieses sensiblen Themas doch anders vorstellen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2020

Josef

Der Empfänger
0

Josef Klein ist vor Jahren in New York gelandet, hielt sich eigentlich immer für einen unpolitischen Menschen. Doch mit einem erstarkenden Hitler an Deutschlands Spitze, kann kein Deutscher mehr unpolitisch ...

Josef Klein ist vor Jahren in New York gelandet, hielt sich eigentlich immer für einen unpolitischen Menschen. Doch mit einem erstarkenden Hitler an Deutschlands Spitze, kann kein Deutscher mehr unpolitisch sein. Josefs Hobby, das Amateurfunken, führt dann auch dazu, dass er sich schnell auf der Seite der Nazis wiederfindet, die in den USA Spionage betreiben. Ungewollt wird er immer tiefer in ihre Kreise gezogen.

Lenze setzt den Schwerpunkt ihres Romans auf die Spionage der Nazis im Ausland. Das Netzwerk ist großflächig, nicht sonderlich gut versteckt und funktioniert ausgezeichnet. Auch wegen Personen wie Josef Klein, die zwar politisch nicht hinter der Ideologie stehen, aber gleichzeitig auch nicht so recht aufbegehren oder Annäherungsversuche abwehren. Überhaupt wirkt Klein in seinem ganzen Tun sehr passiv, eigene Meinung hat er anscheinend auch keine. Seine Figur ist durch und durch blass, sei es in seiner New Yorker Zeit, sei es in den Erzählsträngen zu späterer Zeit. Dabei ist sein Leben sehr spannend, die Verwicklungen mit FBI und der deutschen Abwehr unter Canaris hätten einen packenden Roman erzeugen können. Aber alles bleibt distanziert, emotionslos und eher nüchtern. Selbst ein Sachbuch über dasselbe Thema hätte sich wahrscheinlich interessanter gelesen, denn die Autorin lässt zwar viele historische Aspekte einfließen, reißt aber alles zu kurz an um ausgiebige Hintergründe zu liefern. Mir was das alles zu wenig; zu wenig Fiktion für einen schönen histor. Roman, zu wenig Hintergrundinfo für einen Erkenntnisgewinn, zu wenig Spannung für einen Krimi mit histor. Setting. „Der Empfänger“ ist nicht Fisch, nicht Fleisch, überzeugt zwar mit seinem Erzählstil, aber aus der Lebensgeschichte von Josef Klein hätte man sicherlich mehr machen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2020

X-Men für Anfänger

Vicious - Das Böse in uns
0

Victor und Eli haben in Unitagen schon zusammen gewagte Experimente durchgeführt. Sie wollten beweisen, dass man durch Nahtoderfahrungen besondere Kräfte bekommen kann, zu einem ExtraOrdinären wird. Das ...

Victor und Eli haben in Unitagen schon zusammen gewagte Experimente durchgeführt. Sie wollten beweisen, dass man durch Nahtoderfahrungen besondere Kräfte bekommen kann, zu einem ExtraOrdinären wird. Das Experiment gelang. Doch mit den Jahren haben sich die beiden entzweit, sind sogar zu erbitterten Feinden geworden. Bis sich die Lage endgültig zuspitzt.

Schwabs Geschichte rund um die beiden Freunde macht Spaß, ist fantasievoll und actionreich; hat aber auch so einige Fehlerchen. Zum einen drängte sich bei mir immer, immer, immer der Vergleich zu Marvels X-Men auf. Einzigartige Superkräfte, zwei Helden, die diese Kräfte für unterschiedliche Zwecke nutzen… es gibt viele Parallelen und die haben dem Buch nicht unbedingt gut getan. Die Grundidee hat ja wirklich Potential, aber etwas mehr hätte die Autorin schon draus machen dürfen. Ihren Schreibstil hingegen mochte ich sehr, flüssig, spannend und mit Humor führt sie durch die Handlung. Auch ihre Figuren mochte ich ganz gerne. Obwohl zwischen den Erzählsträngen bis zu 10 Jahren liegen, merkt man das Victor allerdings nicht an. Er redet, denkt und handelt immer gleich, Jahre, die eigentlich den Charakter eines Menschen formen, haben bei ihm überhaupt keinen Einfluss. Das wirkt sehr unrealistisch und seltsam losgelöst. So richtig rund läuft die Story also nicht immer, trotzdem habe ich sie gerade wegen den tollen Erzählstils ganz gerne gelesen. Die Fortsetzung interessiert mich schon, wird aber nicht sehnsüchtig erwartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.12.2019

Kann man lesen, muss man aber nicht

Wisting und der Tag der Vermissten
0

Seit 24 Jahren knöpft sich Kommissar Wisting einmal jährlich den Fall der verschwundenen Katharina vor. Er trinkt Kaffee mit dem Ehemann, arbeitet sich durch die alten Akten. Doch dieses Jahr interessiert ...

Seit 24 Jahren knöpft sich Kommissar Wisting einmal jährlich den Fall der verschwundenen Katharina vor. Er trinkt Kaffee mit dem Ehemann, arbeitet sich durch die alten Akten. Doch dieses Jahr interessiert sich nicht nur Wisting für den Fall, sondern auch der Sonderermittler Stiller. Und auch Wistings Tochter Line, ihres Zeichens Journalistin, wird auf den Fall angesetzt. Sollte nach all den Jahren doch Licht ins Dunkel kommen?

Die William-Wisting-Reihe ist seit Jahren erfolgreich, dieses Buch hier soll der erste Teil eines Ablegers davon werden; man kann ihn also unabhängig von den anderen lesen. Ich kenne die restliche Reihe nicht, bin aber trotzdem gut in die Handlung eingestiegen. Wisting ist ein ruhiger Typ, der zwar recht beharrlich ist, dem man das Herzblut, das er angeblich in die Ermittlungen steckt, allerdings leider nicht so richtig anmerkt. Dem Autor gelingt es einfach nicht Gefühle zu transportieren, und so wirkt der ganze (durchaus gut konstruierte) Fall fad und seltsam nüchtern. Auch die anderen Figuren fand ich schwer zu greifen, alles wirkt distanziert und kalt. Die Spannung hält sich auch in Grenzen, erst gegen Ende kommt etwas Schwung in die Handlung. Man verfolgt die Ermittlungen aus Wistings Perspektive und aus der seiner Tochter; oft kommt es dadurch zu Überschneidungen und völlig unnötigen Wiederholungen. Die Idee des Autors selbst finde ich wirklich gut, die Auflösung hätte Potential gehabt. Aber die Umsetzung traf meinen Geschmack eher nicht und so werden weitere Wistingfälle für mich wohl nicht in Frage kommen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.12.2019

Wallace

Wallace
0

Nachtwächter Bromberg stößt eher per Zufall auf seinem Museumsrundgang auf eine Fotographie von einem gewissen Wallace. Der ist ihm zunächst völlig unbekannt, ein wenig Recherche fördert jedoch schnell ...

Nachtwächter Bromberg stößt eher per Zufall auf seinem Museumsrundgang auf eine Fotographie von einem gewissen Wallace. Der ist ihm zunächst völlig unbekannt, ein wenig Recherche fördert jedoch schnell Kurioses zutage: denn Wallace hat wie Charles Darwin die richtigen Schlussfolgerungen über die Evolution gezogen. Zeitgleich. Wenn nicht sogar ein wenig früher. Bromberg vertieft sich immer mehr in das Schicksal des weithin unbekannten Forschers.

Anselm Oelze versucht mit diesem Roman den etwas in Vergessenheit geratenen Forscher doch wieder ins Rampenlicht zurückzuholen. Das gelingt ihm auch recht gut, der Erzählstrang rund um Wallace (konsequent nur „der Bärtige“ genannt – Warum bleibt offen) ist einerseits spannend, andererseits auch informativ. Man begleitet ihn auf seinen Forschungsreisen, erlebt Schiffbrüche und Rückschläge, aber auch große Durchbrüche hautnah mit. Die Handlung rund um Bromberg fand ich recht langweilig, z.T. auch zäh; bis zuletzt passten die beiden Teile für mich nicht wirklich zusammen, das Schlagwort Wallace als verbindendes Element hätte definitiv noch mehr mit Leben gefüllt werden müssen. Der Informationsgehalt ist mir unterm Strich einfach zu wenig, dafür dass Bromberg so fleißig recherchiert, kommt doch erstaunlich wenig Wissen heraus. Vielleicht hätte er mal googlen sollen. Der Autor hat einen schönen Erzählstil, sodass man auch über die eintönigeren Seiten hinweglesen kann. Trotzdem bleibt der Roman hinter meinen Erwartungen zurück.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere