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Veröffentlicht am 14.04.2021

Eine spannungsreiche Jagd durch die Welt der Kryptowährungen

Montecrypto
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Ich bin ein Fan! Aber nicht von Krimis und Thrillern im Allgemeinen, jedoch davon, wie es Hillenbrand schier meisterlich gelingt, vor dem Hintergrund der Geld- und Finanzwirtschaft und insbesondere der ...

Ich bin ein Fan! Aber nicht von Krimis und Thrillern im Allgemeinen, jedoch davon, wie es Hillenbrand schier meisterlich gelingt, vor dem Hintergrund der Geld- und Finanzwirtschaft und insbesondere der für viele noch geheimnisvoll anmutenden Welt der Kryptowährungen eine Geschichte voller Spannung, überraschenden Wendungen und mit nerdigen Typen und schrägem Humor zu entwickeln. Großartig! Ich wurde wunderbar unterhalten, war fasziniert von der gut konstruierten und mit Bonmonts, Pointen und Cliffhangern gewürzten Story und musste dank Wortwitz und einer gewissen unkonventionellen sprachlichen Heftig- und Deftigkeit mit Blick auf die Hauptfigur immer wieder laut und gerne lachen.
Und ganz nebenbei, quasi als Zusatz und didaktisches Meisterstück habe ich es verstanden – verstanden, welche Faszination Bitcoins & Co. auszuüben vermögen, und dass es sich hierbei nicht etwa um ein Ideenkonstrukt oder theoretisches Gebilde einzelner sondern möglicherweise gar um die Zukunft unseres Währungssystems handelt. Beeindruckend – und in diesem Fall Grundlage, Kulisse und Motivation einer Schnitzeljagd, die uns durch Länder und über Kontinente führt und gerade in Zeiten einer scheinbar nicht endenwollenden Pandemie Vielfältiges auszulösen vermag: Spannung, Sehnsucht, surrealistisches Staunen.
Ich war Dantes Quatermain, seine getreue Weggefährtin auf dem Weg zum großen Schatz und bereit, mir für die Auflösung der trickigen Rätselaufgaben die eine oder andere Nacht um die Ohren zu schlagen. Und nicht nur das: Hätte meine Hausbar es hergegeben, hätte ich mich zu gerne auch dem Barkeeper in Dante anvertraut und seiner Vorliebe für Cocktails nicht nur eine gewisse Offenheit entgegengebracht. So aber blieb mir nur, mit kühlem Kopf Puzzlestein für Puzzlestein aneinanderzufügen – und das Bild das entstand, zeigte einen Thriller, der so außergewöhnlich wie hochkarätig war.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Grandios – ein großer Erzähler, eine Landschaft voll überbordender Schönheit

Big Sky Country
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Groß und weit wie das Land und der Himmel, der dieses überspannt, legt Callan Wink seine epische Erzählung über Aufwachsen, Leben und Sein in Montana an. An Augusts Seite habe ich mich in die raue Landschaft ...

Groß und weit wie das Land und der Himmel, der dieses überspannt, legt Callan Wink seine epische Erzählung über Aufwachsen, Leben und Sein in Montana an. An Augusts Seite habe ich mich in die raue Landschaft mit ihren Gebirgen, Seen und der schier überbordenden Natur verliebt, habe das harte, einfache, ursprüngliche Leben als Rancher zu schätzen gelernt und Alleinsein als etwas erfahren, das Ruhe, Glück und Gelassenheit gebären kann.
Gerade diese Reduktion, Entschleunigung, das ruhige, gemächliche Tempo sind es letztendlich auch, was mich an diesem Roman so fasziniert und ihn für mich in die Tradition der großen amerikanischen Erzähler stellt. Die Handlung entwickelt sich langsam, unaufgeregt, Höhepunkte sind sparsam gesetzt. Und doch geschieht ganz viel, in der Entwicklung der Charaktere – geprägt, verflochten und als Teil der Landschaft, die maßgeblich auch zum Teil der eigenen Persönlichkeit wird. Die Liebe zu dem Land und seiner Schönheit scheint dabei zwischen den Zeilen jeder einzelnen Seite durch und wird zu einer Schönheit des Textes, seiner Bilder, seiner Figuren.
Rau ist jedoch nicht nur die Landschaft, auch das Leben seiner Menschen kann es sein. Gewalt – auch sexuell motivierte –, Unfälle, Entbehrungen – Callan Winks Figuren haben so einiges zu erdulden. Jedoch sind Schmerz, Leid und Qual auch Teil ihres Reifeprozesses und der Anpassung an eine Natur, die nicht nur zu geben sondern auch zu nehmen vermag und oftmals keine Gnade kennt.
„Big Sky Country“ ist für mich eine große Entdeckung – eines begnadeten Erzählers, eines Landes – wunderschön und so gewaltig – und vieler Leben, die Einzug in mein Herz gefunden haben.

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Veröffentlicht am 08.02.2021

Poesie und wunderschöne Worte für eine Kindheit voll Schmerz und Einsamkeit

Kindheit
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Was für ein wunderbares Büchlein! Nur gering an Seiten, ist es doch randvoll mit ganz viel Großem – zuvorderst einer Sprache, so voller Poesie, Gefühl und Gedanken, die mich verzaubern, hinfort tragen. ...

Was für ein wunderbares Büchlein! Nur gering an Seiten, ist es doch randvoll mit ganz viel Großem – zuvorderst einer Sprache, so voller Poesie, Gefühl und Gedanken, die mich verzaubern, hinfort tragen. Doch so schön in Wort und Bild, so bedrückend, gar traurig ist das Geschilderte.
Tove fühlt sich nicht zugehörig – weder der Familie, den Klassenkameraden noch der Gesellschaft. Sie unterscheidet sich, ihre Sicht auf die Welt ist eine andere, und immer wieder sind da die Worte, die sie durchströmen, durchdringen, ihr eine eigene Sprache geben. Das macht sie zu einer Einzelgängerin, der die Identifikationsmöglichkeiten und Verständnis anderer fehlen, der Austausch mit Menschen, die ihren Gedanken und Gefühlen und zuvorderst ihrem Schreiben gegenüber offen und vorurteilsfrei sind. Immer wieder wünscht sie sich nur den einen Menschen, der ihre Gedichte versteht, der diese mit Interesse und Ernsthaftigkeit betrachtet, sie als das zu sehen vermag, was sie sind: Kunst.
Sind Toves Empfinden, ihre Weltsicht und ihre hohe literarische Begabung das, was sie von anderen trennt, so ist ihre Poesie zugleich auch ihre Zuflucht in einer Zeit der Einsamkeit und Traurigkeit. Ohne eine wahre Freundin oder Freund an ihrer Seite, ohne einen Seelenverwandten das Erwachsenwerden erleben zu müssen, ist eine große Bürde für sie, verstärkt durch die fehlende emotionale Nähe in ihrer Familie. Toves Flucht in ihr Schreiben ist eine Flucht in sich selbst, ihre Worte, mit denen sie Gefühlen Ausdruck verleiht, die sie sonst mit keinem teilen, auf keinem anderen Wege zu äußern zu vermag.
Dieses Leseerlebnis war ein ganz besonderes. Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so berührt, angesprochen, mit in eine Welt lange vor meiner eigenen gezogen. Eine große Entdeckung für mich, die Entdeckung einer großen Schriftstellerin. Dafür bin ich dankbar.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

eine Geschichte, die auch unsere Geschichte ist – so spannend, so erschütternd, immer noch aktuell

Verraten
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Ich bin froh und dankbar, dass ich „Verraten“ gelesen habe. Gerade, weil die Handlung nicht bequem ist, mich auch mal zur nächtlichen Stunde umgetrieben und mir ein Geschichts- und Gedankenfeld eröffnet ...

Ich bin froh und dankbar, dass ich „Verraten“ gelesen habe. Gerade, weil die Handlung nicht bequem ist, mich auch mal zur nächtlichen Stunde umgetrieben und mir ein Geschichts- und Gedankenfeld eröffnet hat, dem ich mich viel zu selten widme. Was ist Schuld? Wie verhält es sich mit der Frage nach der persönlichen Schuld? Und trägt jeder Mensch Verantwortung für sein Handeln – auch wenn es unter schier unerträglichem Druck, Zwang und überwältigender Angst um das eigene Leben und das seiner Liebsten geschieht?
All dies geht mir auch jetzt noch durch den Kopf, nachdem ich die letzte Zeile gelesen und das Buch nun zugeklappt habe. Es war ein sehr intensives Leseerlebnis, das mich bereits ab der ersten Seite in seinen Bann gezogen hat. Ein wenig ahnungslos und vielleicht auch ein wenig naiv mit Blick auf Geschichte und Leben in der DDR wurde ich als Leserin ganz unmittelbar in das Geschehen hineingestoßen – das klingt hart, und das ist es mit Blick auf die Geschehnisse auch. Der Alltag in dem Durchgangsheim, der menschenverachtende Umgang mit den Kindern und jungen Männern und Frauen, die Entrechtung und Entwürdigung haben mich eiskalt erwischt, sind mir unter die Haut gegangen, haben mich sprachlos gemacht. Was ist Fiktion, was war wohl tatsächlich in diesen Heimen möglich?
Sebastian und Katja haben mir diese Geschichte sehr nahegebracht, stehen sie für mich doch stellvertretend für das Schicksal vermutlich unzähliger Männer, Frauen und Jugendlicher in der DDR, die der Willkür einer Staatsmacht schutzlos ausgeliefert waren und damit um ein Leben in Freiheit und die Möglichkeit beraubt wurden, ihre private und auch berufliche Gegenwart und Zukunft selbst zu gestalten.
Was mich die Handlung lehrt: Freiheit, Schutz, Mitbestimmung – all dies ist nicht selbstverständlich, es ist eine große Errungenschaft, ein Privileg, das es zu schätzen und vor antidemokratischen Strömungen in unserer Gesellschaft zu schützen gilt. Und zwar von jedem einzelnen von uns, damit Entrechtung, Demütigung und ein Leben unter Druck und Zwang hoffentlich irgendwann für immer der Vergangenheit angehören.

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Veröffentlicht am 01.11.2020

Emotional tief und nah - wunderschön und so schmerzhaft

Die Sommer
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Tief bewegt hat mich das Buch zurückgelassen - und meinen Mann ebenso, denn ich habe ihm viele Stunden daraus laut vorgelesen. Und manchmal auch ganz leise. Und manchmal musste ich schlucken und die Stimme ...

Tief bewegt hat mich das Buch zurückgelassen - und meinen Mann ebenso, denn ich habe ihm viele Stunden daraus laut vorgelesen. Und manchmal auch ganz leise. Und manchmal musste ich schlucken und die Stimme versagte. Das passiert mir selten. Ronya Othmann beschreibt in einer wunderbar melodischen Sprache die Kindheit und Jugend der Kurdin und Ezidin Leyla, hier in Deutschland - dem Land ihrer Geburt -, dort in einem kleinen Dorf im Norden Syriens, gleich an der Grenze zur Türkei. Ihre scheinbar unbeschwerten Sommer bei ihren Großeltern, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen, nachts unter dem freien Sternenhimmel, tagsüber zum Schutz vor der Hitze geborgen hinter den dicken Mauern des Hauses. Und dann, für mich als Leserin ganz langsam, erhält das Grauen, der Schrecken des Krieges Einzug, Furcht, Angst und Vertreibung, die bereits seit vielen, vielen Generationen Teil der Geschichte des ezidischen Volkes sind. Leyla, ihr Vater und ihre Mutter in Deutschland sind Teil dieses Krieges, wenn auch räumlich ganz weit entfernt, emotional dagegen so nah. Was macht das mit ihrem eigenen Leben, wie viel eigenes Leben kann so überhaupt entstehen, wachsen und über die Jahre bleiben - Ronya Othmann schildert es eindrucksvoll und mit einer Intensität und Nähe, die ich manchmal nur schwer zulassen konnte. Dieses Leseerlebnis bleibt - und zwar deutlich länger als diesen "einen Sommer" in meinem Kopf. Und ich hoffe sehr, dass auch die Fragen, die dieses Buch in mir aufgeworfen hat, und all meine Neugier auf Antworten so schnell nicht zur Ruhe kommen werden.

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