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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2022

Autobiografische Familiengeschichte

Auf der Straße heißen wir anders
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Dieser Roman trägt autobiografische Züge. Die Erzählerin Karlotta hat genau wie die Autorin eine deutsche Mutter und einen armenischen Vater. Letzterer ist in Istanbul aufgewachsen. Später ist er dann ...

Dieser Roman trägt autobiografische Züge. Die Erzählerin Karlotta hat genau wie die Autorin eine deutsche Mutter und einen armenischen Vater. Letzterer ist in Istanbul aufgewachsen. Später ist er dann seiner Mutter nach Deutschland nachgereist, die hier schon geraume Zeit Gastarbeiterin war. Der Tod dieser Großmutter ist nun Anlass für die Erzählerin, ihrer Familiengeschichte nachzuspüren, über die sie nur vage etwas weiß. Gemeinsam mit ihrem Vater begibt sie sich nach Armenien.
Den Roman fand ich sehr informativ. Denn über den von den Türken an den Armeniern begangenen Genozid und ihre Unterdrückung in der Türkei habe ich bislang nur sehr wenig gewusst, wie auch übrigens die Erzählerin. Einziger Kritikpunkt meinerseits sind die Zeitensprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit, die ohne Kenntlichmachung durch z.B. Kapitel ineinander übergehen und so für etwas Verwirrung beim Lesen sorgen.
Sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 27.11.2022

Das Trauma häuslicher Gewalt

Liebe ist gewaltig
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Das Buch führt uns eindringlich vor Augen, welches lebenslange Leid Kindern zugefügt wird, die von ihren Eltern physisch und psychisch misshandelt werden. Zu dieser Gruppe gehört die Protagonistin Juli, ...

Das Buch führt uns eindringlich vor Augen, welches lebenslange Leid Kindern zugefügt wird, die von ihren Eltern physisch und psychisch misshandelt werden. Zu dieser Gruppe gehört die Protagonistin Juli, die wir abschnittsweise als 17jährige, 24jährige und 26jährige erleben. Sie blickt immer wieder zurück auf ihre Kindheit in einer gutbürgerlichen, angesehenen Anwaltsfamilie mit drei Geschwistern, deren Vater ein Psychopath ist und alle Familienmitglieder körperlich und seelisch drangsaliert. Und die Mutter negiert diese Zustände, stellt sich nicht schützend vor ihre Kinder. Dass Juli daran Schaden nimmt, ist nur allzu verständlich. Vor ihrem endgültigen Zerbrechen bewahrt sie letztlich ihr Bruder.
Lesern, die selbst nie Ähnliches erlebt haben, geht das Geschilderte sicherlich an die Nieren. Aber solange es häusliche Gewalt in Familien gibt, kann nicht oft genug mit dem Finger darauf gezeigt werden, um Außenstehende zu sensibilisieren und zum Eingreifen zu animieren. Die Protagonistin kommt unsympathisch rüber. Aber bei ihrer Vergangenheit auch kein Wunder. Die Sprache liegt manchmal auf Fäkalniveau und ist gewöhnungsbedürftig. Allerdings lässt sie so alles sehr eindringlich erscheinen.
Wer nicht nur reine Unterhaltungsliteratur sucht, dem empfehle ich dieses Buch.

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Veröffentlicht am 19.11.2022

Die verantwortungsvolle Tätigkeit einer Dolmetscherin

Intimitäten
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Dieses Buch hat für mich seinen Reiz darin zu erfahren, wie es am Internationalen Gerichtshof in Den Haag zugeht, der Genozide, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahndet. Diese Kenntnisse ...

Dieses Buch hat für mich seinen Reiz darin zu erfahren, wie es am Internationalen Gerichtshof in Den Haag zugeht, der Genozide, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahndet. Diese Kenntnisse vermittelt uns die Ich-Erzählerin, die dort als Dolmetscherin arbeitet und gerade in einem Verfahren gegen einen afrikanischen Präsidenten übersetzt. Das ist eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, zumal die Wortwahl eines Dolmetschers wichtige Prozesse beeinflussen kann. Daneben können wir einige ihrer Freundschaften und Liebesbeziehungen verfolgen. Die Protagonistin selbst und die Nebenfiguren wirken auf mich nicht sehr sympathisch, sie bleiben recht distanziert. Nüchtern sind auch Sprache und Erzählstil. Das wiederum passt gut zu der speziellen Dolmetschertätigkeit. Auf jeden Fall versteht es die Autorin, ähnlich wie eine Übersetzerin gut mit Worten umzugehen.
Ein kurzes, aber sehr interessantes Buch.

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Veröffentlicht am 12.11.2022

Verschachtelte Geschichte

Phlox
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Dieses Buch ist schon sehr anspruchsvoll, nicht so sehr in Bezug auf seinen Umfang (fast 480 Seiten) als vielmehr was die formale Erzählweise anbelangt. Es ist einfach sagenhaft, was der Autor an Informationen ...

Dieses Buch ist schon sehr anspruchsvoll, nicht so sehr in Bezug auf seinen Umfang (fast 480 Seiten) als vielmehr was die formale Erzählweise anbelangt. Es ist einfach sagenhaft, was der Autor an Informationen in einen einzigen Satz packt, der dadurch sehr verschachtelt wird. Solche Schachtelsätze reihen sich endlos aneinander. Oft füllt nur ein Satz eine Seite. Zum Problem wird dann, wo sich zwischendurch beim Lesen pausieren lässt. In meinen Augen ist das hohe Erzählkunst. Und noch eine formelle Besonderheit fällt auf – es gibt viele Klammereinschübe, entweder Erläuterungen oder verballhornte Äußerungen/Kindermund der Kinder des Ich-Erzählers. Der Buchtitel passt gut zum Inhalt. Denn die Geschichte entwickelt sich ähnlich vor uns wie die sich weit auffächernde Pflanze Phlox.
Inhaltlich kommt der Erzähler dann vom Hölzchen aufs Stöckchen. Er schildert seine wiederkehrenden Aufenthalte von Kindheit an in einer Art Pension in dem fiktiven Ort Schmogrow direkt an der deutsch-polnischen Grenze im Oderbruch. Die skurrilen Wirtsleute hatten einen Haufen Stammgäste und Angehörige, jeder einzelne mit einer ihm eigenen Historie, die nun geschildert wird. Auf diese Weise erhält der Leser ein umfassendes Bild über die deutsche Geschichte in einem Zeitraum zwischen vor dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Nachwendezeit, wenngleich die Anzahl der Romanfiguren so groß ist, dass sich der Überblick kaum behalten lässt. Das eigene Leben des Erzählers wird längst nicht so offen gelegt. Hier hätte ich mir mehr Informationen gewünscht. Erfolgloser Dichter scheint er zu sein, die Trennung von seiner esoterischen Lebensgefährtin droht, die Zeiten in Schmogrow verklärt er.
Auf jeden Fall kein Nullachtfünfzehnbuch und deshalb sehr interessant.

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Veröffentlicht am 02.11.2022

Ruhige Liebesgeschichte

Die Zeit, die vor uns liegt
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In ruhigem, bedächtigem Erzählstil präsentiert uns die Autorin eine sich anbahnende Liebesgeschichte zweier über 60jähriger. Er ist Witwer und hat den Kontakt zu seinem Sohn verloren, sie lebt schon seit ...

In ruhigem, bedächtigem Erzählstil präsentiert uns die Autorin eine sich anbahnende Liebesgeschichte zweier über 60jähriger. Er ist Witwer und hat den Kontakt zu seinem Sohn verloren, sie lebt schon seit vielen Jahren in einer von Gleichgültigkeit geprägten Ehe. Bei einem gemeinsamen Yoga-Kurs lernen sie sich kennen. Beide wissen, dass sie zunächst ihre Vergangenheit aufräumen müssen, bis sie frei für den anderen sind. Doch das fällt ihnen schwer.
Es wird gut dargestellt, dass ein Neuanfang im Alter nicht unbedingt einfach ist. Gefallen hat mir, dass hier einmal über ein Paar jenseits der Lebensmitte erzählt wird, noch dazu abwechselnd aus der Perspektive eines jeden Partners. Dazu passt der ruhige Grundton der Geschichte.
Nur schade, dass das Buch keinen größeren Umfang hat.

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