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Veröffentlicht am 19.02.2018

Die letzten Monate eines Dramatikers

Wiesenstein
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„Bewunderung, die man erfährt, macht klein, Geringschätzung groß.“
Der Dramatiker Gerhart Hauptmann war allerdings der Bewunderung durchaus nicht abgeneigt, auch wenn sein Zitat anderes vermuten lässt. ...

„Bewunderung, die man erfährt, macht klein, Geringschätzung groß.“
Der Dramatiker Gerhart Hauptmann war allerdings der Bewunderung durchaus nicht abgeneigt, auch wenn sein Zitat anderes vermuten lässt. Hans Pleschinski holt den umstrittenen Literaturnobelpreisträger (1912) von seinem „Dichtersockel“ und zeigt ihn mit all seinen menschlichen Vorzügen, aber auch Schwächen.
Sehr ausführlich schildert er Hauptmanns letztes Lebensjahr vor dem historischen Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und seinem Ende. Nach dem furchtbaren Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 kehrt Hauptmann schwer krank aus dem Sanatorium des Dr. Weidner in seine geliebte Villa Wiesenstein im schlesischen Riesengebirge zurück und verbringt hier, liebevoll umsorgt von seiner Frau Margarete und etlichen treuen Bediensteten, die ihm noch verbleibenden Monate.
In literarisch anspruchsvollem Schreibstil erzählt Pleschinski recht eindrücklich von den Bemühungen des alten Ehepaares, inmitten von Chaos und Zusammenbruch seinen gewohnten Lebensstil so gut wie möglich aufrecht zu erhalten, und zeigt gleichzeitig die schreckliche Realität von Vertreibung und Mord außerhalb des noch immer privilegierten Wiesenstein.
Aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet der Autor die Person Gerhart Hauptmanns, erwähnt Erinnerungen und flicht Tagebucheinträge Margarete Hauptmanns ebenso in seinen Roman ein wie Zitate von Biographen und Auszüge aus Werken des Dramatikers. Eine recht umfangreiche Recherchearbeit, die Pleschinski geleistet hat!
Ob und inwieweit Hauptmann eine Mitschuld am Regime trifft, mag der Leser selbst entscheiden. Hat er mit den Mächtigen des Dritten Reiches kollaboriert oder sich nur in eine sichere Nische geflüchtet und aller offenen Kritik enthalten?
Ein sehr anspruchsvoller, vielschichtiger Roman!

Veröffentlicht am 28.01.2018

Ein Roman voller Musik

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
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Der Buchtitel deutet es bereits an: Frank, Besitzer eines kleinen Plattenladens in der Unitystreet, ist überaus versiert in allen Musikrichtungen und stets treffsicher,wenn es darum geht, seinen Kunden ...

Der Buchtitel deutet es bereits an: Frank, Besitzer eines kleinen Plattenladens in der Unitystreet, ist überaus versiert in allen Musikrichtungen und stets treffsicher,wenn es darum geht, seinen Kunden die Schallplatte zu „verordnen“, die ihnen in ihrer jeweiligen Lebenslage Hilfe oder Trost sein kann. Sein eigenes Leben versucht er gleichmäßig und ruhig zu verbringen, in Gesellschaft der anderen Straßenbewohner und skurrilen Ladenbesitzer. Doch als eines Tages eine junge Frau im grünen Mantel vor seinem Schaufenster ohnmächtig wird, gerät seine eigene, leicht instabile Harmonie ins Wanken…
Der Leser fühlt sich in dieser Geschichte sofort heimisch. Rachel Joyce erzählt wunderbar leicht, sensibel und mit leisem Humor. Mühelos gelingt es den Lesern, sich mit einzelnen Personen ihres Romans anzufreunden; so skurril und unbequem viele ihrer Charaktere sein mögen - sie wirken echt.
Die Autorin reißt etliche Themen an, die nicht nur in den Achtziger Jahren, in denen der Hauptteil ihres Romans spielt, relevant sind, geht dabei aber nicht sehr in die Tiefe. Da ist der Trend zu Veränderungen, denen Frank sich verweigert; so etwa das Ende der Schallplattenära und der Siegeszug der CDs. Das Entstehen großer Einkaufszentren und der Ausverkauf kleiner Geschäfte, ja, ganzer Straßenzüge, bringt Frank und andere in Bedrängnis. Den eigentlichen Mittelpunkt der Erzählung jedoch bildet die komplizierte Liebesgeschichte zwischen Frank und Ilse und ihre große Liebe zur Musik. Wie selbstverständlich begleitet Musik aller Stilrichtungen den Leser durch die Seiten und Ereignisse des Buches. Joyce´s Roman ermuntert uns, Melodien intensiver anzuhören und genauer nachzuspüren, schlicht: in Musik einzutauchen. Die „Playlist“ am Ende des Buches fasst die angesprochenen Titel noch einmal zusammen. Ein besonderer Lesegenuss für Musikliebhaber.

Veröffentlicht am 23.01.2018

Beklemmend realistisch

In eisiger Nacht
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Ein komplizierter Fall für Detective Max Wolfe und seine Truppe, der alle Beteiligten zutiefst aufwühlt: zwölf tote junge Frauen sind in einem Lastwagen gefunden worden, jedoch dreizehn Pässe. Was ist ...

Ein komplizierter Fall für Detective Max Wolfe und seine Truppe, der alle Beteiligten zutiefst aufwühlt: zwölf tote junge Frauen sind in einem Lastwagen gefunden worden, jedoch dreizehn Pässe. Was ist mit der verschwundenen dreizehnten Frau passiert?
Flüssig und fesselnd erzählt der Autor in seinem vierten Kriminalroman, welchen Schwierigkeiten und Gefahren Wolfe und seine Partnerin Edie begegnen, als sie diesen verworrenen Fall zu lösen versuchen. Ein realistischer, aktueller Hintergrund und authentisch gestaltete Charaktere bilden das Umfeld, und (wie von ihm gewohnt) sozialkritische Töne durchziehen sein Buch.
Familie, Liebe und das Leben - das sind Themen, die auch in diesem Krimi die wesentlichen Bestandteile darstellen. Soziale Ungleichheit, die aktuelle Flüchtlingsproblematik, ihre Auswirkungen und der Erfolg derer, die davon profitieren, sind die Motive, die Parsons bewegen und die er auf mitreißende Weise schriftstellerisch umzusetzen versteht.
Auch der „private“ Wolfe wird beleuchtet. Als Ich-Erzähler schildert er seine Situation als alleinerziehender Vater sehr offen.
Während der Leser angespannt Wolfes Ermittlungen verfolgt, verweist Parsons immer wieder darauf, dass Polizeiarbeit nicht nur aufregend und interessant ist. Dass die Einsätze auch lebensgefährlich sein können, wird im Londoner „Black Museum“ von Scotland Yard dokumentiert, das Parsons in jedem seiner Romane erwähnt. Man muss die ersten Bücher um Wolfe nicht unbedingt kennen, um seine Arbeit „In eisiger Nacht“ zu verstehen. Aber nach dieser Lektüre wird man sicher den Wunsch verspüren, auch die ersten drei Teile zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Spannung
Veröffentlicht am 09.01.2018

"Old School"

Geheimnis in Rot
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Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und ...

Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und gibt gleich einen Hinweis auf den ursprünglichen Titel des Kriminalromans „The Santa Klaus Murder“, der erstmalig im Jahr 1936 veröffentlicht wurde.
Zum Inhalt: Wie in jedem Jahr versammelt Sir Osmond die Familie und einige Freunde in seinem Haus in Flaxmere, um gemeinsam Weihnachten zu feiern, wobei einer von ihnen auf Wunsch des Hausherrn den Weihnachtsmann spielt. Aufgrund innerfamiliärer Spannungen ist die Atmosphäre allerdings gereizt. Sir Osmonds Schwester Mildred behauptet, „sie habe schon immer gewusst, dass bei diesen Familientreffen an Weihnachten nichts Gutes herauskomme“ – und diesmal soll sie Recht behalten.
Mit feinem Humor charakterisiert Mavis Doriel Hay (1894 – 1979) ihre Personen und zeichnet mit viel Ironie ihre Beziehungen zueinander und zum Familienoberhaupt nach. Wunderbar beobachtet und in authentischer Weise gibt sie (aus den unterschiedlichen Sichtweisen einzelner Familienmitglieder) menschliche Schwächen und Stärken wieder, wobei der ermittelnde Colonel Halstock ein Bindeglied zwischen ihnen bildet. In klassischer Manier folgt die Autorin dem Prinzip, einen Mord allein mit Hilfe von Kopfarbeit zu lösen, Reflexion und Logik stehen im Mittelpunkt. Hier ist der Leser aufgefordert, auf die Zwischentöne zu achten.
Wer ohne „Action“ auskommt und einen Krimi nicht nur konsumieren will, sondern es mag, mitzurätseln, ist mit diesem „Old School“ Roman gut bedient.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Atemlose Spannung...

Der Näher
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… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges ...

… zieht sich auch durch den dritten Thriller aus Rainer Löfflers Feder. Zum Inhalt: In Gummersbach werden zwei schwangere Frauen vermisst gemeldet. Abschiedsbriefe scheinen Hinweise auf ein freiwilliges Verlassen ihrer Familie zu geben. Was zunächst wie ein Routinefall aussieht und von Kriminalhauptkommissar Borchert auch als solcher behandelt wird, entwickelt sich nach und nach zu einem komplexen Mordgeschehen. Selbst für den neu hinzugezogenen Fallanalytiker Martin Abel gilt es, eine harte Nuss zu knacken. Und ihm ist sehr schnell klar: ihm bleibt nicht viel Zeit.
Spannend, rasant, atemlos: in schwungvollem Stil, durchzogen von Sarkasmus, schwarzem Humor und besonders bildhaften Darstellungen, verwickelt der Autor seinen Leser in eine Serie von Entführungen und bestialischen Morden. Löffler spart dabei nicht mit detaillierten und äußerst brutalen Beschreibungen, so dass teilweise recht drastische Bilder vor dem geistigen Auge entstehen: ein Thriller, der seinen Namen wahrlich verdient. Auch mit dem Seelenleben des Täters macht er uns nach und nach vertraut. In diesen Abschnitten, die sich mit dem aktuellen Geschehen abwechseln, erfährt man wesentliche Details über Kindheit und Intentionen des Mörders. Die Identität des Täters allerdings bleibt bis fast zum Schluss verborgen. Abels Ermittlungen werden zu einem Wettlauf mit der Zeit, bei dem der Autor den Lesern kaum eine Verschnaufpause gönnt.
Kurz: Ein echter Thriller für Leser, die über gute Nerven verfügen.