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Veröffentlicht am 09.04.2018

Sylt mal anders

Brennende Gischt
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In diesem Krimi zeigt sich Sylt nicht nur als Insel der Reichen und Schönen, sondern auch als ein ursprüngliches Stück Land inmitten der Nordsee mit ebenso ursprünglichen (Ur)Einwohnern. Von ihnen stammt ...

In diesem Krimi zeigt sich Sylt nicht nur als Insel der Reichen und Schönen, sondern auch als ein ursprüngliches Stück Land inmitten der Nordsee mit ebenso ursprünglichen (Ur)Einwohnern. Von ihnen stammt Liv Landers, die junge Kommissarin ab: noch keine 30 Jahre ist sie alt und doch schon Mutter einer pubertierenden Tochter. Dennoch: gleichzeitig auch eine gestandene Ermittlerin, die mit ihrer Verwandtschaft auf der Insel hadert, ist diese doch dabei, ihre Seele zu verkaufen und sich zu einem Teil des Jet Sets zu machen. Mehr oder weniger um jeden Preis.

Deswegen lebt sie auch nicht mehr auf der Insel und hält sich und ihre Tochter Sanne so gut wie möglich davon fern. Doch das ist nicht immer möglich, wird sie doch wieder einmal zu einem Fall gerufen: diesmal ist es ein junger und attraktiver Pfarrer, den es getroffen hat. Doch es bleibt nicht dabei - es gibt mehr Leichen und es scheint sich eine düstere Haube über die ganzen Ermittlungen zu legen, denn es könnte um etwas ganz, ganz Schlimmes gehen. Kann es wirklich sein, dass der oder die Mörder in diesem Fall die Grenzen des Menschlichen weit hinter sich gelassen haben?

Ein Krimi, in dem das Privatleben der Ermittlerin Liv Landers stark im Vordergrund steht. Ich finde, es passt gut zu dem Setting und dadurch intensiviert sich auch ein anderer Eindruck von Sylt: nämlich das Bild als Nicht-Nur-Touristen-Insel.

Insgesamt ein runder Fall, am Ende fehlte mir ein kleines bisschen die Spannung - ich fand die ganzen Entwicklungen dann doch recht absehbar.

Aber definitiv eine Reihe, bei der ich am Ball bleibe, bei der sich die Protagonistin von der Masse absetzt dank verschiedener Alleinstellungsmerkmale. Auf den nächsten Fall freue ich mich schon jetzt!

Veröffentlicht am 09.04.2018

Kein Trauerkloß

DUMPLIN'
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ist Willowdean, von ihrer Mutter liebevoll Dumplin' (Klößchen) genannt trotz ihres Übergewichts. Nein, sie ist eigentlich in ein angenehmes Umfeld eingebettet, wird von ihrer Mutter und der großen, schlanken ...

ist Willowdean, von ihrer Mutter liebevoll Dumplin' (Klößchen) genannt trotz ihres Übergewichts. Nein, sie ist eigentlich in ein angenehmes Umfeld eingebettet, wird von ihrer Mutter und der großen, schlanken und schönen Ellen, seit Jahr und Tag ihre beste Freundin, über alle Maßen geschätzt.

Und diejenigen, die ihr eines auswischen wollen, haben keine Chance. Doch ist Will wirklich so selbstbewusst, wie es scheint? Einmal im Jahr kommen ihr zweifel, denn dann lässt ihre Mutter alles stehen und liegen, um den lokalen Schönheitswettbewerb, den sie selbst einst gewann, zu organisieren - diesmal rekrutieren sich die Teilnehmerinnen aus Wills Jahrgang. Aber es ist keine Rede davon, dass Will teilnehmen könnte - weder ihre Mutter noch Ellen ziehen das überhaupt in Erwägung. Und dann will Will es wirklich wissen! Und zwar nicht nur um ihrer selbst Willen. Nein, es gibt eine Reihe weiterer Mädchen, die aus dem ein oder anderen Grund nicht zur Zielgruppe gehören - wenn es nach Will geht, soll sich das jetzt ändern!

Auch, wenn sie ihren stärksten Rückhalt verloren hat - ihre heißgeliebte Tante Lucy ist vor zehn Monaten gestorben. Möglicherweise an den Folgen ihres Übergewichts?

Wobei sie etliche Kilo mehr drauf hatte, als Will, die zudem neuerdings von Verehrern umgeben ist. Doch denen - und sich selbst - traut sie nicht so recht über den Weg. Oder doch?

Ein Roman für die Schönheit von innen, für Nähe, Wärme, Freundschaft und nicht zuletzt für Selbstakzeptanz. Ein Buch, dass man jedem verzweifelten Teenie zu lesen geben sollte und dem ein oder anderen Erwachsenen gleich mit. Nun ja, zumindest weiblichen Angehörigen dieser beiden Zielgruppen, denn es ist eindeutig ein Mädchen- oder Frauenbuch.

Manchmal, wenn es um Cheerleader, Schönheitswettbewerbe und Schulbälle ging, empfand ich es als zu amerikanisch für meine Welt, als zu weit entfernt von meiner Realität und von dem, was mir wichtig ist. Dennoch, ich hatte viel Spaß mit und an diesem sehr warmherzigen und lebensbejahenden Roman und kann ihn Mädchen und Frauen, die ein bisschen Schwung bzw. Beschwingtheit an sich selbst vermissen, nur von Herzen empfehlen.

Veröffentlicht am 06.04.2018

Ich möchte KEIN Eisbär sein

Das Eis
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im - nicht mehr so - kalten Polar: damit stelle ich mich gegen den Wunsch, den die schweizer Gruppe Grauzone 1981 besang. Inzwischen ist so einiges passiert, gerade auch in Bezug auf die Erderwärmung: ...

im - nicht mehr so - kalten Polar: damit stelle ich mich gegen den Wunsch, den die schweizer Gruppe Grauzone 1981 besang. Inzwischen ist so einiges passiert, gerade auch in Bezug auf die Erderwärmung: Gletscher kalben noch und nöcher, das Polarmeer ist bedroht und die langfristige Existenz der Eisbären gleich dazu. Umso mehr Touristen gibt es, die einen Blick auf sie in ihrer eigentlichen Umgebung erhaschen wollen - und leider gibt es auch noch genügend, die zu gern auf sie schießen und anschließend mit einem selbst erlegten Eisbärenfell prahlen würden - ganz und gar ohne Rücksicht auf Einzelschicksale,

So war Tom Harding nicht und er konnte auch seinen Freund Sean Cawson von seiner Haltung und Einstellung überzeugen. Mit der Unterstützung durch internationale Investoren waren sie dabei, eine exklusive Lodge für Touristen, die zudem ein weltweites Symbol für den Umweltschutz sein sollte, zu erschaffen. Doch Tom kehrte von einer gemeinsamen Tour nicht zurück.

Erst vier Jahre später wird er gefunden - Sean ist inzwischen erfolgreich mit der Lodge und auch in weitere Geschäfte der Geldgeber involviert. Zudem hat er sich nach der Scheidung von seiner Frau und Gefährtin früherer Jahre mit einer jungen und sehr erfolgreichen Schönheit zusammengetan und es sieht so aus, als bekäme er alsbald den Ritterorden verliehen. Alles bestens also. Aber: Kann es sein, dass er tatsächlich seinen besten Freund in der ein oder anderen Art und Weise auf dem Gewissen hat?

Die Geschichte wird hauptsächlich aus der Sicht von Sean erzählt und zwar in der Sicht einer Retrospektive: Alles beginnt mit dem Auftauchen von Toms Leiche - danach werden die Ereignisse sozusagen von hinten aufgerollt.

Eine Erzählweise, die spannend, vielschichtig, aufschlussreich und klug daher kommt, dennoch manchmal ein wenig langatmig wirkt, manchmal malt die Autorin aus meiner Sicht auch ein wenig zu sehr in schwarz und weiß. Insgesamt ist dies ein überraschender, teilweise auch schockierender, dabei sehr zeitgemäßer Umweltroman. Nein, keine Ökogeschichte, finde ich! Es geht um das Schicksal unserer Erde mit all ihren Belangen, das hier exemplarisch an einem "Fall" aufgerollt wird. Laline Paull schreibt durchaus fesselnd, nur gelegentlich wird es des Guten ein wenig zu viel. Dennoch: ein sehr empfehlenswertes Buch, gerade auch als Geschenk an jüngere Menschen, die ja in Zukunft die Geschicke der Erde zu verantworten haben werden!

Veröffentlicht am 02.04.2018

Ein ungesundes Leben

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
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in jeder Hinsicht führt Anna: sie lebt ganz allein in einem New Yorker Stadthaus, das sie aufgrund ihrer Agoraphobie seit über zehn Monaten nicht verlassen hat, sie trinkt viel zu viel und vor allem: sie ...

in jeder Hinsicht führt Anna: sie lebt ganz allein in einem New Yorker Stadthaus, das sie aufgrund ihrer Agoraphobie seit über zehn Monaten nicht verlassen hat, sie trinkt viel zu viel und vor allem: sie beobachtet ihr Umfeld, also ihre Nachbarn. Nicht einfach nur so, nein, dafür hat sie ein hochsensibles Fernglas, mit dem ihr wirklich kein Fitzelchen entgeht. Sie beobachtet Szenen des Familienstreits, des Ehebruchs - und einmal tatsächlich einen Mord.

Und zwar ist das Opfer eine Frau, die noch kürzlich bei ihr zu Besuch war. Den Rest der Familie hat sie in Teilen auch schon kennengelernt, natürlich auf dieselbe, einzig mögliche Art.

Oder hat sie sich das nur eingebildet? Denn Anna liebt doch sehr in ihrer eigenen Welt und betrügt nicht nur andere, sondern auch sich. Ist sie selbst die Manipulierende in diesem Geflecht, oder bestimmen andere Faktoren die Handlungsentwicklung? Anna selbst, die jahrelang als Kindertherapeutin tätig war, hat jedenfalls beste Voraussetzungen dafür. Und Ein Psychothriller, den Hitchcock sicher gerne verfilmt hätte: prall gefüllt mit subtilem Nervenkitzel, dessen Ursache sich erst ganz zum Schluss offenbart.

Allerdings leider mit einigen (wenigen) unlogischen Wendungen und Erzählsträngen, die nicht richtig aufgedeckt werden, was ich schade finde bei einem so spannungsreichen Stoff.

Wobei die Spannung eher eine der ruhigen Art ist: die Handlung entwickelt sich eher hintergründig. Wer gerne einen geschickt aufgebauten Thriller mit überraschenden Elementen liest, der ist hier an der richtigen Adresse!

Veröffentlicht am 21.03.2018

Das Buch der Schuld

Von Vögeln und Menschen
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In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und ...

In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und Frauen. Vor allem um Frauen. Ich sehe das Buch als einen Familienroman, gewissermaßen aber auch als Krimi, einer, der quasi rückwärts erzählt wird.

Denn die Geschichte beginnt in der Gegenwart mit Rinus Caspers, der als Vogelvertreiber am Amsterdamer Flughafen arbeitet - und zwar mit Begeisterung - und mit seiner Frau Lina, einer Krankenschwester, die ebenso wie er Vögel liebt. Scheinbar hat sich etwas ereignet, doch bald schwenkt der Fokus auf ein lange zurückliegendes Ereignis:

Ein alter Mann wird in seinem Zimmer im Seniorenheim ermordet aufgefunden: ein sehr netter Herr, der, obwohl schon sehr bejahrt, noch eine ganze Weile hätte leben können, so gut wie er beisammen war. Doch er hatte Geld - Geld, das nun fehlt und das kann auch bei lieben Menschen ein Grund für Mord sein. Eine Schuldige - nämlich seine Haushaltshilfe Louise ist schnell gefunden und gibt den Mord nach anfänglichem Leugnen zu, wofür sie lange Jahre ins Gefängnis muss. Ihre Familie geht daran zugrunde und sie selbst letztendlich auch.
Jahre später stirbt eine Frau durch das Zutun von Louises Tochter Lina. Diese, längst glücklich verheiratet und Mutter eines elfjährigen Sohnes, gibt ihre Schuld sofort zu, ja, sie macht diese sogar größer als diese in der Anklage ist, wo nämlich von einem Unglück, schlimmstenfalls einem Totschlag ausgegangen wird. Doch Lina sagt aus, diesen Mord seit Jahrzehnten geplant zu haben.

Eine traurige Geschichte um große Themen wie Schuld und Sühne, aber auch Reue und Hingabe - wie auch um deren Fehlen. Und zwar durchaus auch auf anderen Ebenen als in diesem ganz besonders dramatischen, im Zentrum der Handlung stehenden Fall. Doch Margriet de Moor hat sie mit einer Leichtigkeit, einer Klarheit - die in der deutschen Übersetzung sehr gut transportiert wird - geschildert, die Charaktere ebenso eigenwillig wie plastisch dargestellt, dass ich sie schnell gelesen hatte. Im Vergleich zu anderen Werken der Autorin empfand ich es als besonders zugänglich. Da die Autorin stets einen gewissen Abstand zu ihren Figuren und der Handlung wahrt, bleibt man auch als Leser ein Beobachter von außen, was ich mit Blick auf die Handlung als sehr passend empfinde. Man wird dadurch quasi davor bewahrt, sich selbst zu sehr zu involvieren.

Ein aus meiner Sicht spannender und vielschichtiger Roman, der jedoch durch seine nüchterne Erzählweise sicher auf einige Leser auch (zu) kalt wirken kann. Ich empfehle ihn dennoch als ein ungewöhnlichen Roman, den ich gerade durch den fernen Blick, den man als Leser hat, als besonders wirkungsvoll empfunden habe. Wenn auch viele Fragen offen blieben. Doch das ist sicher Absicht und Teil des Romankonzepts.