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Veröffentlicht am 09.12.2020

Warum werde ich nicht glücklich, obwohl es mir „gut“ geht?

Die Überwindung der Gleichgültigkeit
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er Ratgeber „Die Überwindung der Gleichgültigkeit – Sinnfindung in einer Zeit des Wandels“ von Alexander Batthyány wurde 2017 im Kösel-Verlag veröffentlicht. Er thematisiert die Gleichgültigkeit, die inmitten ...

er Ratgeber „Die Überwindung der Gleichgültigkeit – Sinnfindung in einer Zeit des Wandels“ von Alexander Batthyány wurde 2017 im Kösel-Verlag veröffentlicht. Er thematisiert die Gleichgültigkeit, die inmitten des Wohlstands um sich wuchert und klärt die Frage, die sich mancher vielleicht stellt: Warum werde ich nicht glücklich, obwohl es mir „gut“ geht?

Der Autor wagt sich dabei an die These, dass die Gleichgültigkeit dadurch entsteht, dass wir die Hoffnung in unsere Ideale verloren haben. Daraus resultiert, dass wir nicht mehr aktiv am Leben teilnehmen, um unsere Werte einzubringen, sondern mit einer Erwartungshaltung durch das Leben gehen: Was kann mir die Welt geben? Unser Fokus liegt auf unserem Bedürfnis, glücklich zu werden, und genau das ist laut dem Schriftsteller der Grund, weshalb wir nicht glücklich sein können.

Diese These untermauert der Autor das ganze Buch über mit Argumenten und überträgt es auf viele Themen: Sinnkrise, Burnout, Tod und Liebe sind nur wenige von ihnen.

Alexander Batthyány schließt sein Werk mit dem Appell, dass die Thematik der um sich greifenden Gleichgültigkeit jeden etwas angeht und definiert damit auch schon die Zielgruppe des Buches: „Jeder ist aufgerufen, und jeder noch so kleine Beitrag zählt.“
„Reichtum durch Geben“ – meine Meinung

Die Sprache, die der Autor verwendet, ist für mich sehr eindrücklich, denn oft wurden mehrere Wörter hintereinander verwendet, um die (Wichtigkeit der) Aussage zu verdeutlichen. Dies geschieht jedoch zu Lasten der Verständlichkeit, da die Sätze so leider oft unnötig lang wurden. Aber wie im Nachwort steht: Dieses Buch kann man nicht mal eben lesen. Man muss es auf sich wirken lassen. Deshalb fand ich die Wortwahl des Autors sehr passend, auch wenn man manchmal einen Satz zwei Mal lesen musste: Es hat seine Wirkung erzielt und einen zum Nachdenken gebracht.

Trotz der Sprache, die darauf zielte, Emotionen hervorzurufen, blieb der Autor sehr sachlich. Allgemein ist das Werk sehr seriös gehalten – es ist gespickt mit Zitaten, zahlreichen Quellenverweisen und Studien, die die These des Autors belegen. Des Öfteren sind vor allem Zitate von Viktor Frankl eingestreut, dessen Werk Alexander Batthyány näherbringen wollte. Der Autor selbst ist Inhaber des Viktor-Frankl-Stuhls für Philosophie und Psychologie, sodass ich alles in allem dem, was er schrieb, vertrauen konnte.

Die Argumentation des Buches ist durchgehend schlüssig – ich finde keine Lücke oder Widersprüche. Jedoch sind einige Stellen nicht so leicht verständlich, sodass man sich den Kontext noch einmal vor Augen führen muss, um zu verstehen.

Mein erster Eindruck des Buches war: Interessant.

Denn ich selbst habe manchmal Phasen, in denen ich gleichgültig bin und mich frage, wohin meine Gefühle sind. Auch Sinnkrisen kommen bei mir gehäuft vor. Deshalb habe ich mich entschieden, dieses Buch zu lesen, obwohl ich keine großen Erwartungen hatte.

Jetzt, da ich das Buch gelesen habe, muss ich sagen: Wow. Ich kann mich wirklich sehr gut in diesem Buch wiederfinden. Die Thesen passen einfach und die Erklärungen öffnen mir die Augen bezüglich meines eigenen Verhaltens oder Denkweisen der Psychologie im Alltag.

Und ich muss zugeben: Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, dieses Buch zu lesen. Ungefähr ein Mal pro Woche habe ich es abends zusammen mit meinem Freund gelesen. Dadurch bot es einerseits Gesprächs- und Diskussionsstoff zwischen uns, da wir uns gegenseitig in manchen „falschen Denkmustern“ wiedererkannten. Andererseits habe ich mich so aktiv mit dem Inhalt auseinandergesetzt, dass ich mich jetzt noch in meinem Alltag an die eine oder andere These oder Studie erinnere und deshalb reifer mit meinen eigenen Krisensituationen umgehen kann als vorher.

Tatsächlich mache ich mir jetzt mehr Gedanken über meine Werte und scheue mich weniger davor, Sicherheiten loszulassen und den Fokus darauf zu legen, wo ich gebraucht werde. Ich gehe aktiver durchs Leben.

Jedoch möchte ich noch eines anmerken: Mein Freund findet, dass das Buch sich zu oft wiederholte, da es immer um die eine These der Gleichgültigkeit geht. Ich jedoch bin der Meinung, dass diese Wiederholungen nötig sind. Erstens um den „harten Stoff“ wirklich sacken lassen zu können und zweitens, um seriös zu sein. Dafür sind eben viele verschiedene Quellen, Zitate und Beispiele nötig, vielleicht auch mehrere Erklärungen für eine These.
„Gefühle sind kein Selbstzweck“ – Fazit

Ich finde, dieses Buch unterscheidet sich dadurch von anderen Büchern, wie sehr eindrücklich es vermittelt: Es muss etwas geändert werden, und das in uns selbst, bei jedem. Aktivität statt Passivität, schauen, wo man gebraucht werden kann.

Es unterscheidet sich außerdem von anderen Ratgebern durch seine wissenschaftliche, aber dennoch gut verständliche Art.

Dadurch hat das Buch eine Chance, durch unsere Abwehrmechanismen zu dringen und dafür zu sorgen, dass wir wirklich aufstehen – und das jetzt sofort – und uns weiterentwickeln – zu Menschen, die nicht daherleben, sondern aktiv am Leben teilnehmen.

Deshalb: Von mir eine Kaufempfehlung, insbesondere für Menschen, die sich mit Entscheidungen schwertun, sich ihrer selbst und ihrer Werte noch nicht bewusst sind. Für Menschen, die sich einsam fühlen, die oft in Sinnkrisen stecken oder mit Gleichgültigkeit zu kämpfen haben.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Gelungene Verschmelzung des Buddhismus mit der westlichen Psychologie

Buddhistische Psychologie
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Wie verschleiern Emotionen unsere Sicht oder belasten uns? Wie erkennen wir unseren Sinn im Leben? Welchen emotionalen Grundmustern unterliegen wir? Wie kultivieren wir Gewahrsein? Wie entwickeln wir Mitgefühl? ...

Wie verschleiern Emotionen unsere Sicht oder belasten uns? Wie erkennen wir unseren Sinn im Leben? Welchen emotionalen Grundmustern unterliegen wir? Wie kultivieren wir Gewahrsein? Wie entwickeln wir Mitgefühl? Was ist das Ich, was das Nicht-Ich? Wie lassen sich psychische Probleme bewältigen? Wie wendet man die Methode Focusing und Disidentifizieren am besten an? Und: Wie arbeitet man mit der innerpsychischen dynamischen Persönlichkeit?

Tilman Borghardt, Dharma-Lehrer und ehemaliger Arzt und Homöopath verbindet in „Buddhistische Psychologie“ zusammen mit Wolfgang Erhardt, Diplom-Psychologe und Gründer des „Instituts für Essentielle Psychologie“, den Buddhismus mit der Psychologie.



Das Buch ist an Privatpersonen ebenso wie an Psychotherapeuten gerichtet, da es einerseits viele psychische Muster aufdeckt und Methoden des Buddhismus zur Verfügung stellt, die jedem Leser helfen können, andererseits auch beschreibt, inwiefern das Wissen die Arbeit eines Psychotherapeuts beeinflusst und, wie dieser jenes in seinen Therapiesitzungen anwenden kann.



Allgemein ist das Buch in einfacher Sprache gehalten und so sehr verständlich für mich gewesen. Der Buddhismus wird auf sehr modere Weise aufbereitet und findet im psychologischen Kontext Verwendung. Die Autoren decken auf, wie viele Methoden im Buddhismus auf psychischer Ebene helfen können und welche psychologischen Theorien, die teilweise heutzutage als aktuell gelten, schon in buddhistischen Weisheiten oder Traditionen zu finden sind.



Ich habe das Buch oft laut gelesen. Das laute Lesen und die Wortwahl haben mich in eine meditative Haltung versetzt. Manchmal habe ich inne gehalten und über die Worte nachgedacht. Ich weiß nicht, warum, aber allein schon die Wortwahl regt einen zum Nachdenken an. An einigen Stellen dachte ich mir: Wow, das habe ich mir immer ganz genau so gedacht oder gefühlt, aber ich wusste nie, wie ich das ausdrücken, anderen Menschen mitteilen soll. Dieses Werk hat mit seiner Wortwahl genau den Inhalt getroffen.



Die Autoren sind oft auf Wortbedeutungen eingegangen, haben Worte definiert, zueinander in Beziehung gesetzt, sodass in mir nun ein neues Bewusstsein für Gefühle entstanden ist und ich mich einiges besser mitteilen kann als zuvor. Außerdem kann ich nun das, was in mir vorgeht, besser einordnen und reflektieren.



Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, weil ich finde, dass dieses Buch von jedem gelesen werden sollte, weil es, obwohl der Inhalt an manchen Stellen recht simpel (aber immer viel ausführlicher und besser beschrieben ist, als man selbst es je gekonnt hätte!), einem hilft, besser im Leben zurecht zu kommen. Es gibt einem mehr Möglichkeiten, mehr Perspektiven auf die Welt und auf sich selbst. Es gibt einem mehr Methoden an die Hand, mit deren Hilfe man lernt, mit sich selbst umzugehen und gegenüber anderen ruhig zu bleiben, mehr Verständnis aufzubringen, überhaupt zu verstehen.



Da ich allerdings weiß, dass es vielen Menschen nicht wichtig ist, sich in diese Richtung weiterzuentwickeln, folgendes: Dieses Buch ist ein Schatz für jeden, der sich in irgendeiner Weise für Psychologie interessiert. Für jeden, der sich selbst und andere besser kennenlernen will. Für jeden, der sich im Buddhismus auskennt und die psychologische Perspektive kennenlernen will. Für jeden, der bereit ist, ein neues Lebensgefühl zu bekommen.



Lasst euch von den 600 Seiten nicht abschrecken. Ich habe über ein Jahr lang immer wieder in diesem Buch gelesen. Das ist kein Buch, das man ein Mal durchliest und wieder weglegt. Es ist ein Buch, das man mit auf seinen Prozess im Leben nimmt.

[Danke an Bloggerportal Randomhouse und den arkana-Verlag für dieses Rezensionsexemplar!]

Veröffentlicht am 20.01.2019

Denn jeder wird als Original geboren und so viele sterben als Kopie

Authentizität
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„Authentizität – Die neue Wissenschaft vom geglückten Leben" von Stephen Joseph, denn jeder wird als Original geboren und so viele sterben als Kopie.



Mangelnde Authentizität als Ursache des Unglücklichseins ...

„Authentizität – Die neue Wissenschaft vom geglückten Leben" von Stephen Joseph, denn jeder wird als Original geboren und so viele sterben als Kopie.



Mangelnde Authentizität als Ursache des Unglücklichseins - ausgegangen wird hierbei davon, dass in uns allen das steckt, was uns glücklich macht, wir dies jedoch verdrängen und Ausreden suchen, um nicht das zu leben, was wir wollen, was uns glücklich macht. Wir trauen uns nicht oder sind uns gar nicht dessen bewusst, was es ist, was in uns steckt, so sehr haben wir schon den Bezug zu unserem Innersten verloren.

Was will ich? Und vor allem, wieso lebe ich nicht, was ich will? Wieso verdränge ich, was in mir drinnen ist?

Laut Stephen Joseph, einem der führenden Vertreter der Positiven Psychologie, sind 3 Schritte unentbehrlich, um zur Authentizität, die glücklich macht, zu gelangen: Sich selbst zu erkennen, im Innern zu sich zu stehen und auch nach außen hin so zu handeln. Kongruenz. Fehlt diese, so sind wir laut ihm unglücklich.

Diese 3 Schritte werden noch mal in viele kleine Teilschritte zerlegt. Der Autor weist auch darauf hin, dass es kein ultimatives Glück gibt. Keiner ist immer glücklich. Der Weg hin zu einem authentischen Leben ist also ein Weg zu mehr Glücklichsein, garantiert aber kein ständiges Glücksgefühl. Damit bleibt der Autor auf dem Boden der Tatsachen.

Was für mich besonders interessant war, waren unsere Abwehrmechanismen: Muster, die unser tägliches Handeln bestimmen und uns daran hindern, das zu tun, was wir eigentlich wollen. Wir alle nutzen das eine oder andere Muster. Für mich war das Eingehen auf einige dieser Abwehrmechanismen wie z.B. Sublimierung, Projektion, Dissoziation oder auch Rationalisierung eine Bereicherung.
Deshalb lese ich mir die typischen Abwehrmechanismen immer wieder durch, bemerke schnell, wenn ich im Begriff bin, sie anzuwenden und kann so früh genug entgegensteuern – um das zu sagen oder zu tun, was ich wirklich will.
Auch erkenne ich diese Muster oft bei anderen Menschen, deshalb kann ich diese besser verstehen als zuvor.

Erkenntnisreich war für mich auch die Anwendung des Themas Authentizität auf (Liebes)Beziehungen und Erziehung, da ich nun gewappnet dafür bin, meinen Kindern von Anfang an eine größtmögliche Authentizität zu ermöglichen und auch authentischere Beziehungen wachsen lassen kann.

Dieses Buch ist definitiv keines, welches man ein Mal liest und dann im Regal verstauben lässt. Denn das Wissen und auch die Anwendungen, die einem vermittelt werden, lassen sich direkt im Alltag umsetzen. So ist dieses Buch ein perfekter Begleiter auf einem Weg hin zu mehr Glücklichsein, einer verschärften Wahrnehmung davon, was man wirklich will und, ob man dies auch umsetzt. Die perfekte Hilfe, um herauszufinden, welches Original du bist oder sein willst und, welche Kopie du in Wirklichkeit spielst. Der Schlüssel, mehr und mehr wieder zum Original zu werden.

Danke an den Kailash-Verlag für dieses wunderbare Buch!

Veröffentlicht am 15.12.2018

Die verstorbene Mutter ist mein neues Vorbild...

Eine Liebe, in Gedanken
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Hamburg, 1964. Antonia und Edgar sind wie füreinander gemacht, denn sie erträumen sich eine Zukunft fernab ihrer Herkunft, wollen anders leben und lieben als ihre Eltern. Da bekommt Edgar die einmalige ...

Hamburg, 1964. Antonia und Edgar sind wie füreinander gemacht, denn sie erträumen sich eine Zukunft fernab ihrer Herkunft, wollen anders leben und lieben als ihre Eltern. Da bekommt Edgar die einmalige Gelegenheit: Ein Berufsangebot in Hongkong, das er sich nicht entgehen lässt.
Antonia soll später nachkommen. Nach einem Jahr vergeblichen Wartens löst sie die Verlobung auf und versucht, mit ihrer einstigen Leichtigkeit weiterzuleben, gefangen zwischen ihrem Ideal der Freiheit und Unabhängigkeit und dem Schmerz, den Edgar hinterlassen hat.
50 Jahre später stirbt Antonia und ihre Tochter beginnt, deren Vergangenheit aufzuwühlen: Hat ihre Mutter wirklich gelebt, wie sie es sich gewünscht hatte? Und wer ist dieser Mann, den sie niemals hatte vergessen können? Wenigstens ein Mal möchte sie ihm begegnen...
Für mich war dieses Buch ein Beziehungsgeflecht aus Mutter-Tochter-Beziehungen. Mit jedem Einblick ins Leben von Antonia treibt die Autorin die Beziehung zwischen dieser und Edgar voran. Mit jeder kleinen Entdeckung der Tochter geht Antonias Leben in die Gegenwart der Tochter über.



Manchmal ziehen sich die Sätze über fünf Zeilen, sind dabei aber so einfach gewählt, dass es den Lesefluss nicht stört. Kristine Bilkau versteht es, dem Leser kleine, scheinbar unwichtige Details vor Augen zu führen, so anschaulich gewählt, dass man gerade durch sie anfängt, sich mit Antonia zu identifizieren und mitzufühlen.

All diese kleinen Details, Gedanken, fügen sich im Laufe des Buches zu einem größeren Ganzen zusammen. Am Ende hat man tatsächlich das Gefühl, man hätte alles, was Antonia erlebt, hautnah miterlebt.

Anfangs war mir der Schreibstil der Autorin etwas ungewohnt. Aber ich habe ihn genießen gelernt, denn er passt perfekt zu Antonia, die ich so sehr ins Herz geschlossen habe.

Auch wenn man von vorneherein das Gefühl hat, dass es für Antonia nicht gut ausgehen wird, ist gerade dieses Wissen der Reiz, weiterzulesen. Man möchte mitfiebern, ihr zur Seite stehen bei jedem Scheitern, Schmerz, der sie jedoch nicht von dem Versuch abbringt, ihre Träume in die Realität umzusetzen, zu leben.

Antonia nimmt die Außenwelt intensiv war. Sie lebt intensive Beziehungen. Das macht sie verletzlich und gleichzeitig so lebendig.

Am Ende bleibt im Prinzip die wichtigste aller Fragen offen. Dies hat mich mit Entsetzen zurückgelassen. Als die letzte Seite gelesen war, bin ich im Zimmer auf und ab gegangen, habe nachgedacht, konnte es kaum fassen. So tragisch, dramatisch war das Ende.

Irgendwann habe ich begriffen, dass es genau darum geht: Antonia hat nie erfahren, wieso die Beziehung zu Edgar hatte enden müssen. Ihr ganzes Leben hindurch hat sie den Schmerz in sich getragen, nie eine Antwort bekommen. Denn es gibt keine Antwort. Ebenso wie sie sich ein Leben lang eine Antwort darauf zu geben versucht hat, müssen wir es nun auch tun.

Das lässt uns selbst im letzten Moment des Buches, obwohl Antonia nicht mehr lebt, noch immer mit ihr fühlen. Eine letzte Ehre.

Wer Drama, Tragik und ein entsetzlich-gefühlsintensives Ende mag, hier ist es: Ein Buch, das sich tief ins Herz gräbt und einen nicht wieder loslässt.

Veröffentlicht am 03.09.2018

So abwechslungsreich wie die Geschichtsschreibung, ist auch dieses Buch

Land im Sturm
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Auf über 900 Seiten durchlaufen wir die Geschichte von 955 im Welschen in den Alpen bis 1848 in Deutschland. 5 Teile, die aufeinander aufbauen und zentrale Wendepunkte der Geschichte markieren.
„Land im ...

Auf über 900 Seiten durchlaufen wir die Geschichte von 955 im Welschen in den Alpen bis 1848 in Deutschland. 5 Teile, die aufeinander aufbauen und zentrale Wendepunkte der Geschichte markieren.
„Land im Sturm" von Ulf Schiewe war für mich ein Glücksgriff.

Ich gebe zu, 925 Seiten Buchlänge mögen zunächst erschreckend wirken. Bei diesem Buch braucht man jedoch wirklich nicht in Sorge sein:
Der flüssige Schreibstil und die handlungsreiche Geschichte lassen einen schnell jegliche anfängliche Sorge vergessen.
Deshalb meine Bitte: Wendet euch nicht wegen der Seitenzahl gleich von diesem Buch ab, bevor ihr Näheres wisst oder die ersten 3 Kapitel gelesen habt:
Gebt diesem Buch eine Chance.

Inhaltsübersicht:

Teil 1:
955. Kleines Dorf, von Welschen, Nachkommen romanisierter Kelten, bewohnt. Genauer: In einer Familie eines Hufschmieds, dessen Erbe Arnulf antreten wird. Sein älterer Bruder Volkmar möchte Bauer werden. Wie es das Schicksal will, wirft die Vogtstochter ein Auge auf Arnulf. Und dann ist da noch die Angst vor den Ungarn, die jeden Moment einziehen und alle Dörfer plündern könnten. Die Probleme nehmen ihren Lauf...

Teil2:
Lüneburg/Lümborg, 1146. Wieder in einer Schmiedsfamilie, bestehend aus Arnulf und Gero, vermutlich Nachkommen des Arnulfs aus Teil1. Außerdem im Wendenland bei deren Schwester Irmhild, die mit Erik zusammen ist. Dieser, einst ein sächsischer Fischerssohn, versucht nun sein Glück als Seefahrer und Kaufmann.
Kein Leben in Frieden: Die Angst und Unsicherheit plagen sie. Denn die Sachsen werfen begehrliche Blicke auf das heidnische Wendenland, Herzog Heinrich der Löwe bereitet schon einen Kreuzzug gegen dieses vor.
Zu allem Unglück geraten Gero und Arnulf auch noch in eine Schlägerei, deren Konsequenzen Gero bis in den Tod hinein verfolgen...

Teil3:
1647. Ein Krieg jagt schon seit beinahe 30 Jahren übers Land und „hinterlässt eine breite Schneise des Schreckens und des Elends". Das Volk leidet unter den Machtkämpfen der Fürsten. Wir begleiten eine Schwadron unter der Leitung von Ewalt Freiherr von Billung, deren Vorfahren uns in in den Teilen zuvor als Nebenpersonen begegnet sind.
Doch in der Schwadron rumort es. Noch mehr in Ewalts Herz: Er hat genug vom Krieg und nicht übel Lust, zu desertieren. Wenn nötig, mit der ganzen Truppe...

Teil4:
„Januar 1813. Napoleon hat eine empfindliche Niederlage erlitten. (...) Niemand denkt daran, die Monarchie abzuschaffen, und doch muss sie erneuert werden." Die preußische Armee ist geschlagen und wird neu organisiert.
Der König zögert: Er hat Angst, durch seine Entscheidung sein ganzes Land zu verlieren.
Wir sind in einer Familie, Nachfahren der Schmiedsfamilie. Noch stehen sie finanziell gut. Wir begleiten Hedwig, die die meiste Zeit auf ihrer Arbeit bei den Buschardts als Magd verbringt.
Alles gut so weit, wäre nicht eines Tages der Freiherr Ewalt von Billung bei den Buschardts zu Gast gewesen und hätte er kein Auge auf Hedwig geworfen...

Teil5:
Februar 1848.
Hedwigs Sohn Ewalt ist "ein fähiger Ingeneur" geworden. "Fabriken wachsen aus dem Boden und verdrängen die kleinen Handwerksbetriebe".
Deshalb steigt die Arbeitslosigkeit.
Hedwigs Familie gehört jedoch zu „den Gewinnern der industriellen Entwicklung". Aus der kleinen Hammerschmiede ist die Schmitt-Werke geworden, die sich nun auf den Bau von Dampfmaschinen und Gleisen konzentriert.
Ob das jedoch so bleibt, ist fraglich, denn die Konkurrenz ist hart...

Familiennamen tauchen immer wieder auf, so besonders die Namen Hedwig, Arnulf, Gero, Ewalt und von Billung. Im Prinzip begleitet man das komplette Buch über die gleichen Familien, sodass sich ein besonderer Effekt herausbildet: Man wird Zeuge einer Familiengeschichte. Verwechslungsgefahr besteht meiner Meinung nach jedoch nicht.

Auch hat man keine Schwierigkeiten, sich in die jeweilige Zeit mit ihren wirtschaftlichen und politischen Problemen einzufinden, da der Autor vor jedem Teil zwischen 1 und 3 Seiten die aktuelle Lage kurz und anschaulich geschildert hat.

Das Buch ist gespickt mit zahlreichen Dialogen, aber auch die Beschreibungen der Umgebungen und Arbeitstechniken sowie die Gesellschaft zu dieser Zeit bewegende Themen kommen nicht zu kurz.
Aber auch hier braucht man nicht in Sorge zu sein: Der Autor versteht es wunderbar, wahre Begebenheiten mit Fiktion zu vermischen, ohne, dass sich der Leser dabei langweilt. Im Gegenteil, in mir ist zumindest mein geschichtliches Interesse wieder vollends aufgeblüht!

Ich denke, die Inhaltsübersicht zeigt zur Genüge auf, wie abwechslungsreich die Handlungen des Buches sind. Es wird einem nie langweilig, da der Autor immer gekonnt alles, was das Leserherz begeht, miteinander vermischt. Nichts kommt zu kurz, nichts ist zu lang.

Politik, Wirtschaft, Handwerk, Militär, Kampf, Waffen – Langeweile? Sicherlich nicht.
Wer wirklich an nichts von alledem Interesse hat – den interessiert vielleicht die Art zu leben der Menschen an sich, die Ängste, die sie plagten oder die Art, wie mit Krankheiten umgegangen wird.
Selbst (tragische) Liebschaften und Tode kommen hier nicht zu kurz. Das nur, um zu zeigen, was für Themen in diesem Buch unterschwellig mit aufgegriffen werden.

Zu den Figuren lässt sich sagen: Sie sind mir sehr stark ans Herz gewachsen, was sicherlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass man eine Familiengeschichte miterleben durfte. Dabei sind die Charaktere ebenso abwechslungsreich wie die Handlung. Und findet man mal eine Ähnlichkeit zwischen den Verwandten – so freut man sich, diese wieder miterleben zu dürfen.

Mein Fazit:
Ein Buch, das ich niemals vergessen werde. Der Autor hat es geschafft, mich nicht nur für seine Werke, sondern auch für die wahren Begebenheiten, die dahinterstecken, zu öffnen.
Meine Empfehlung: Lesen, mitfiebern und faszinieren lassen!

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