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Veröffentlicht am 19.09.2018

Ein beeindruckendes Buch!

Unter blutrotem Himmel
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Was habe ich auf dieses Buch gewartet!

Nicht ganz speziell auf dieses, einfach generell auf ein neues von Mark T. Sullivan. Seit ich vor einer gefühlten Ewigkeit "Toxic" gelesen habe, zähle ich mich ...

Was habe ich auf dieses Buch gewartet!

Nicht ganz speziell auf dieses, einfach generell auf ein neues von Mark T. Sullivan. Seit ich vor einer gefühlten Ewigkeit "Toxic" gelesen habe, zähle ich mich zu seiner riesigen Fan-Gemeinde und habe bereits diverse Bücher von ihm verschlungen. Doch dann wurde es plötzlich ruhig um ihn und fast schon befürchtete ich, dass gar nichts mehr kommen würde. Am 22. Mai war die Durststrecke vorbei und "Unter blutrotem Himmel" wurde veröffentlicht.

Juni 1943. Pino Lella ist 17 Jahre alt und lebt in Italien. Wie viele andere Jugendliche in seinem Alter träumt auch er von der Welt "da draußen" und ihren Möglichkeiten. Ihn fasziniert das hochgepriesene Amerika, das Land der grenzenlosen Freiheit, wo Träume Wirklichkeit und einfache Bürgerliche zu Stars werden. Doch in seiner Heimatstadt Mailand ist von all dem Glamour nichts zu spüren. Die Deutschen haben die Stadt besetzt, überall herrschen Angst und Unruhe. Als die ersten Bomben fallen, wird Pino von seinem Vater zur Sicherheit in ein Lager in den Alpen nahe der Schweizer Grenze geschickt. Dort angekommen, sieht er sich mit den politischen Konsequenzen des zweiten Weltkrieges und des Nationalsozialismus konfrontiert und übernimmt die Verantwortung für jüdische und andere Flüchtlinge, die versuchen über die Alpen zu fliehen. Mehrmals wöchentlich führt er sie über steile Wege und Pfade an die Schweizer Grenze und riskiert dabei oft sein eigenes Leben. Als sein Vater ihn zurück nach Mailand holt, verpflichtet Pino sich widerwillig zum Dienst in der deutschen Armee und wird im August 1944 der persönliche Fahrer von Generalmajor Hans Leyers. Mitten im Kriegsgeschehen muss er sich nun seinen neuen Aufgaben und Herausforderungen stellen, kämpfen und überleben, ohne seine eigenen Werte und Ziele aus den Augen zu verlieren.

Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit, für die der Autor lange recherchiert hat. So besuchte er den Hauptprotagonisten Pino Lella einige Male in seiner alten Villa in Lesa am Lago Maggiore nördlich von Mailand, um sich persönlich seine Geschichte anzuhören. Beide freundeten sich mit der Zeit an und so wurde dies laut Sullivan zu einer seiner emotionalsten und wertvollsten Erfahrungen seines Lebens. Und genau das merkt man auf jeder einzelnen Seite. Der Schreibstil ist bildgewaltig, detailliert und dabei jedoch stets präzise und flüssig zu lesen. Man fegt wie ein Wirbelwind durch das Buch, weil man einfach nicht aufhören kann darin zu blättern. Dabei steht Pino nur beispielhaft für all die mutigen Menschen, die damals - ungeachtet ihres eigenen Lebens - andere retteten. Erzählt wird aus Pinos Sicht und aus der personalen Erzählperspektive, aber nicht in der grammatischen Ich-Form. Unterteilt ist der Roman in 5 Teile mit insgesamt 34 Kapiteln.

Fazit: Ein sehr ergreifendes und dramatisches Zeitzeugnis der italienischen Geschichte, das mich sehr beeindruckt hat. Eine Empfehlung an Leserinnen und Leser, die gern mal zur anspruchsvolleren Lektüre greifen und offen sind für Historisches und Biografien. Ich freue mich schon jetzt auf den Film!

(Recensio Online)

Veröffentlicht am 13.09.2018

Spannender Plot!

Die Stimme in dir
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"Die Stimme in dir" ist der zweite Band der Frost-Easton-Reihe, kann aber ganz unabhängig vom Vorgänger gelesen werden.

Das Besondere am Plot ist, dass man von Anfang an weiß, wer der Killer ist, was ...

"Die Stimme in dir" ist der zweite Band der Frost-Easton-Reihe, kann aber ganz unabhängig vom Vorgänger gelesen werden.

Das Besondere am Plot ist, dass man von Anfang an weiß, wer der Killer ist, was der Spannung jedoch absolut keinen Abbruch tut. Im Gegenteil! Brian Freeman ermöglicht uns einen EInblick in die Psyche des Täters, der sehr authentisch dargestellt wird. So begleitet man ihn beispielsweise bei der Suche nach seinem neuen Opfer. Außerdem verfolgen wir die Ermittlungen von Polizist Frost Easton, der auf den Fall angesetzt wird und alles Mögliche versucht, um den Mörder zu fassen. Dass das kein leichtes Unterfangen ist, sollte jedem klar sein. Schwerer wird es aber, wenn es sich beim Opfer um die eigene Schwester handelt. Das I-Tüpfelchen stellen Beweise dar, die offenbar gefälscht wurden. Wahrheit oder Gerechtigkeit - für welche Seite entscheidet man sich dann?

Geschickt führt uns der Autor auf Irrwege, spinnt hier und dort Fäden zu einem Netz zusammen und lässt die Lösung bis zuletzt offen. Puh! Als eingefleischte Krimi- und Thriller-Leserin bin ich schon einiges gewohnt und ich lasse mich auch nur selten täuschen, hier ist es dem Autor perfekt gelungen. Ich bin begeistert!

Der Schreibstil ist klar, leicht verständlich und flüssig zu lesen. Selbst als es um die Täterpsyche ging, wurde alles gut vermittelt und ich hatte keinerlei Schwierigkeit dem Plot zu folgen.

Fazit: Ein Thriller mit interessanten Charakteren, überraschenden Wendungen und Einblicken in die Abgründe der menschliche Psyche.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Empfehlenswerter Debüt-Roman!

Bis ans Ende, Marie
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Der Roman ist in mehrere kurze Abschnitte gegliedert und wird aus der Ich-Perspektive einer namenlosen Hauptprotagonistin erzählt. Im Präsens, was nicht unbedingt meinen persönlichen Geschmack trifft, ...

Der Roman ist in mehrere kurze Abschnitte gegliedert und wird aus der Ich-Perspektive einer namenlosen Hauptprotagonistin erzählt. Im Präsens, was nicht unbedingt meinen persönlichen Geschmack trifft, jedoch hervorragend zur Handlung des Buches passt. Die junge Frau stammt aus einer gutbürgerlichen und recht konservativen Familie, die sie mehr unter ihren Fittichen hält, als ihr lieb ist. Sie schafft es jedoch nicht, klare Grenzen zu ziehen und sich vollständig vom Druck ihrer Familie zu lösen. Selbst zum Medizinstudium möchten die Eltern sie zwingen, und es wirkt beinahe wie eine Lächerlichkeit auf sie, dass sie dieses auf Grund ihrer Hematophobie abbrechen muss. Stattdessen wählt sie ein geisteswissenschaftliches Studium, was ich ob ihrer eigenen psychischen Verfassung ziemlich skurril finde. Ein ernst zu nehmender Zustand, der gewiss seine Gründe hat. Da wären zum einen die schwer kranke Großmutter, mit der sie zusammen in einer Wohnung lebt und die im weiteren Verlauf stirbt, zum anderen ihr attraktiver Studienkollege Dominik, der partout auf keine Annäherungsversuche reagiert. Man bekommt das Gefühl, dass sie ihren Platz in der Welt noch sucht. Da ist Marie die perfekte willkommene Abwechslung ...

Marie arbeitet als Kellnerin in einer Kneipe. Sie ist ziemlich selbstbewusst, beliebt und absolut draufgängerisch. Alles, was unsere Ich-Erzählerin eben nicht ist. Recht schnell freunden sich beide an und werden zum ultimativen Duo Infernale.

"Ich greife nach dem Telefon, sehe eine Nachricht von Marie, ich will sie nicht lesen, will nicht an sie denken, will nicht wieder mit ihr saufen und tanzen, danebenstehen, wenn sie flirtet, mir ausmalen, wie sie fickt." (S. 31)

Dieses Zitat beschreibt wunderbar das Verhältnis zwischen den beiden Freundinnen, die eigentlich keine sind. Es ist vielmehr wie eine Art Hassliebe zwischen ihnen. Ein Ja wird zeitgleich zu einem Nein, ein vernünftiger Gedanke geht direkt über in den nächsten Drogen- oder Alkoholkonsumrausch. Die Ich-Erzählerin schwankt in Unsicherheit, ihre Gefühle verändern sich stetig und am Ende weiß sie selbst nicht mehr so genau, was wahr ist und was nicht.

Oft war mir nicht ganz klar, ob die jeweilige Handlung in der Realität stattfindet oder lediglich in den Träumen bzw. Wahnvorstellungen der Ich-Erzählerin. Die Autorin ließ die Grenzen geschickt miteinander verschmelzen, sodass man sich sogartig vorwärts bewegte, gefangen und getrieben in einem Strudel aus Erinnerungen und Einbildungen. So verwirrend das auch war, so sehr faszinierte es mich, zeigte es doch deutlich, wie schnell man selbst die Kontrolle über seinen Verstand verlieren kann.

Der Schreibstil ist außergewöhnlich - und gewöhnungsbedürftig. Meistens sind die Sätze ziemlich kurz oder unvollständig, weil sie das geistige Durcheinander der Protagonistin widerspiegeln. Dadurch verliert man zwischendurch den Überblick bzw. die Orientierung, wovon man sich nicht abschrecken lassen sollte. Im Nachhinein betrachtet war das genau richtig so. Ich nehme an, die Autorin wollte, dass ich mich - wie ihre Ich-Erzählerin - im Durcheinander bewege, dass ich die Zerrissenheit spüre und irritiert nach etwas Greifbarem in einem nicht kohärenten Ganzen suche.

"Er sagt, er wundert sich, dass sie mit so einem Typen -, sie hält ihm den Mund zu, er sagt, er hat noch nie mit einer Frau gefickt, die so geil und gleichzeitig so intelligent, Marie sagt nichts, kommt ein zweites Mal, einmal für mich, denke ich, und schläft zufrieden und gehalten ein, diese pseudofeministische Tussi." (S. 27)

Mir fehlten bei den Dialogen die Anführungszeichen, was das Lesen etwas erschwerte. Daran hatte ich mich bis zuletzt nicht gewöhnen können.

"Wohin?, frage ich sie und schenke Wein nach.
Nach Hause, sagt sie und legt die Gabel zur Seite.
Wo ist das?
Marie schüttelt den Kopf." (S. 42)

"Du siehst heiß aus, sagt Marie.
Ihr seht heiß aus, sagt Clemens." (S. 53)

Das Cover passt perfekt zum Inhalt des Buches.

(Recensio Online)

Veröffentlicht am 04.09.2018

Sehr bewegende Geschichte

Libellenschwestern
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Der Prolog beginnt an einem schwül-heißen Augustabend im Jahr 1939. Zu diesem Zeitpunkt wird das Schicksal der 12-jährigen Rill Foss und ihrer Geschwister besiegelt. Sie leben mit ihren Eltern als Fluss-Piraten ...

Der Prolog beginnt an einem schwül-heißen Augustabend im Jahr 1939. Zu diesem Zeitpunkt wird das Schicksal der 12-jährigen Rill Foss und ihrer Geschwister besiegelt. Sie leben mit ihren Eltern als Fluss-Piraten auf dem Mississippi in der Nähe von Memphis, Tennessee. Ihr Vater muss die hochschwangere Mutter mit Komplikationen ins Krankenhaus bringen, und während dieser Zeit werden sie gewaltsam von Beamten von Bord und in ein Waisenhaus der "Tennessee Children’s Home Society" gebracht. Dort beginnt eine grausame Zeit voller Demütigung und Misshandlung.

In einem zweiten Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, lernen wir die Senatorentochter Avery Stafford kennen, eine junge Anwältin, der eine politische Karriere vorherbestimmt ist. Avery lernt bei einem offiziellen Besichtigungstermin eines Altenheims die 90-jährige May Crandall kennen. Diese entwendet ihr das Libellenarmband, welches Avery von ihrer Großmutter May geschenkt bekam. Als sie es sich zurückholt, entdeckt sie in deren Zimmer ein altes Foto, auf welchem sie ihre Großmutter zu erkennen glaubt. Ihre Neugier ist geweckt, doch weder May Crandall, noch ihre demente Großmutter können oder wollen ihr diesbezüglich weiterhelfen. Trotzdem kommt Avery bei ihren Nachforschungen einem dunklen Kapitel ihrer Familiengeschichte auf die Spur.

Der Erzählstil ist flüssig und bildhaft. Lebendig werden die Ereignisse geschildert, die Protagonisten sind authentisch und real dargestellt. Der stete Wechsel der Zeitebenen zwischen Rill (Ende der dreißiger Jahre) und Avery (in der Gegenwart) hält die Spannung hoch und man kann als Leser kaum erwarten, wie es weitergeht. Im Laufe der Story ahnt man, dass die beiden Erzählstränge zueinander gehören und zum Schluss war ich emotional so berührt, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.

Dieses Buch kann ich jedem empfehlen. Wir erfahren in diesem Buch die erschütternde Wahrheit über die "Tennessee Children’s Home Society", und deren Leiterin, Georgia Tann, die unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit Millionen Dollar mit dem Verkauf von Kindern an wohlhabende kinderlose Paare verdiente, die teilweise ihren Eltern entrissen wurden, um zwangsadoptiert zu werden.

"All jenen, die Waisenkindern helfen, ein Zuhause zu finden. Ich wünsche euch, dass ihr euch stets dessen bewusst seid, wie wertvoll eure Arbeit und eure liebevolle Hingabe sind." (Zitat Buchanfang)

Das Cover zeigt eine Libelle, aus vielen kleinen Mosaiksteinen zusammengesetzt und in Pastelltönen, und bei genauerem Hinsehen erkennt man in der Libelle einen Arm, der zu einer Frau in einem Sommerkleid gehört. Lisa Wingate gelingt es, ihren fiktiven Roman mit wahren Fakten zu unterlegen und daraus eine sehr spannende und emotional mitreißende Geschichte zu machen.

Fazit: Eine Geschichte, die tief berührt und unter die Haut geht. Demnach eine Empfehlung an Leserinnen und Leser, die es gern anspruchsvoller mögen.

(Recensio Online)

Veröffentlicht am 28.07.2018

Erschütternd und fesselnd

Wie der Wind und das Meer
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Erzählt wird die Geschichte von den Trümmerkindern Sarah und Paul, die bei einem Luftbombenangriff in München 1945 ihre Familien verlieren. Ich habe direkt die Bilder vor Augen von Krieg, Zerstörung, Gewalt ...

Erzählt wird die Geschichte von den Trümmerkindern Sarah und Paul, die bei einem Luftbombenangriff in München 1945 ihre Familien verlieren. Ich habe direkt die Bilder vor Augen von Krieg, Zerstörung, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Selbst Kinder wurden ab 1944 aufs Land geschickt, weswegen die Einwohnerzahl drastisch sank. Das stimmt mich traurig und lässt mich an meine Großeltern denken, die damals aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben wurden. Mein Großvater fand meine Großmutter inmitten von Schutt und Asche und rettete ihr das Leben. So wie bei Sarah und Paul. Der elfjährige Junge irrt mit seinem Koffer durch die städtischen Überreste und stößt dabei auf die jüngere Jüdin Sarah. Da diese seiner verstorbenen Halbschwester ähnelt und er ihr helfen möchte, geben sich beide fortan als Geschwisterpaar aus. Ein Pakt, um zu überleben.

"Unsere Familie hat sogar einen Wahlspruch: Wir gehören zusammen wie der Wind und das Meer. Zusammen sind wir stark, zusammen kann uns nichts geschehen." (Seite 28)

Wir begleiten die beiden über viele Jahre hinweg und erfahren, wie sie ihr Leben nach dem Krieg verbringen. Dabei ermöglichen der bildgewaltige Schreibstil und die leicht verständliche Sprache der Autorin ein tiefes Abtauchen in die Geschehnisse. Eine riesengroße Lüge, die die beiden zur Kriegszeit schützte und die ihnen als Erwachsene allerdings zum Verhängnis wird. Wir erleben, wie sie sich lieben lernen, aufgrund bestimmter Umstände eigene Wege gehen müssen, auf andere Menschen treffen und den anderen jedoch ständig im Herzen tragen. Und wie es das Schicksal will, treffen beide wieder aufeinander. Gänsehaut-Momente, in denen mitgelitten und natürlich ausreichend mitgeheult wird! Ich frage mich, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie doch rechtzeitig die Wahrheit gesagt hätten. Die Konsequenzen ihrer verbotenen Liebe sind für mich das Hauptthema.

Das Buch ist in fünf größere Abschnitte mit jeweils kürzeren Kapiteln unterteilt, was das Lesen deutlich angenehmer macht. Große Zeitsprünge bereiten mir meistens Schwierigkeiten und mindern den Lesefluss, hier allerdings spielt das überhaupt keine Rolle, weil man ohnehin eine Seite nach der anderen lesen möchte.

Ich muss gestehen, dass ich trotzdem eine Weile für diesen Roman brauchte, weil ich ihn hin und wieder zur Seite legen und über das Gelesene nachdenken musste. Allerdings denke ich, dass die Autorin das freut, denn schließlich geht es hierbei um ein wichtiges Thema. Man merkt, dass Lilli Beck viel diesbezüglich recherchiert hat. Das war definitiv nicht mein letztes Buch von ihr.

Fazit: Ein sehr ergreifendes und dramatisches Zeitzeugnis der deutschen Geschichte!