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Veröffentlicht am 24.09.2018

Spannend erzählt, aber es war halt doch auch ein üblicher Thriller-plot...

Blutrausch - Er muss töten (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 9)
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Auch der neunte Band der Hunter-Reihe ließe sich ganz gut lesen, wenn man zuvor noch keinen anderen Teil der Reihe kannte oder „Leselücken“ im Reihenverlauf hätte; so habe ich selbst zwischendrin auch ...

Auch der neunte Band der Hunter-Reihe ließe sich ganz gut lesen, wenn man zuvor noch keinen anderen Teil der Reihe kannte oder „Leselücken“ im Reihenverlauf hätte; so habe ich selbst zwischendrin auch mal einen Band ausgelassen, ohne nun über offensichtliche Hintergrundwissenslücken zu stolpern. Lediglich das allerletzte Kapitel, das vermutlich (hoffentlich!) einen fließenden Übergang in den nachfolgenden Band bieten soll, könnte es von minimalem Vorteil sein, zumindest „Die stille Bestie“, den sechsten Band der Reihe, zu kennen; von weitaus größerem Vorteil wird es jedoch wohl sein, den zu kennen, ehe man einen entsprechenden Nachfolgeband lesen wird. Prinzipiell muss man, um „Blutrausch“ (wobei im Buch selbst eigentlich nur ein Mord beschrieben wird, den man auf gewisse Weise als „Blutrausch“ bezeichnen könnte; der deutsche Titel klingt sehr viel mehr nach wildem Gemetzel, das es so aber gar nicht gibt) lesen und verstehen zu können, noch nichts Anderes aus dieser Buchreihe kennen.

„Blutrausch – Er muss töten“ fand ich nun einen sehr gelungenen Thriller; dieses eBook zu lesen hat mir sehr großen Spaß gemacht und ich habe auch kaum mal pausieren mögen, weil die Geschichte mich so einsog und ich häufig dachte: „Ach komm, ein Kapitel liest du nun noch; so lang sind die ja eh nicht“, bis ich doch vier, fünf, sechs weitere Kapitel gelesen hatte, ehe ich den Kindle tatsächlich mal zur Seite legte.
Dabei ist die Handlung sogar eher thrillertypisch; was für mich hier einmal mehr den ganz großen Reiz ausmachte, war der mit Wechseln der Perspektive verbundene Erzählstil; mal wurde von der Ermittlungsarbeit berichtet, dann gab es kurze Ausflüge in Hunters Privatleben (der übrigens in diesem Band generell eher kurz kam und als „Reihen-Hauptfigur“ kaum auszumachen war), plötzlich schwenkte man zum Täter und mit einem Male wurde von einer Unbekannten erzählt, hinter der man ein mutmaßliches Opfer vermuten konnte… da blieb ich einfach stets neugierig auf die Verbindungen, auf die Fortsetzung des entsprechenden Strangs: Würden die Ermittler nun bei ihrer Arbeit einen Durchbruch erzielen, wäre diese Person nun das letzte Opfer, würde tatsächlich jetzt dieser eine Mensch getötet werden oder würde diese Figur nur ein Ablenkungsmanöver Chris Carters sein…? Wäre die Handlung einfach nur geradeaus herunter erzählt worden, hätte sich meiner Meinung nach nicht mehr als ein durchschnittlicher Spannungsroman aus ihr ergeben, zumal ich den ganz großen „Oh meine Güte, wir haben das völlig falsch verstanden!“-Moment bei der zweiten gefundenen Leiche in der Kombination von Inszenierung/Spruch schon recht hervorstechend fand und mich ab da regelmäßig fragte, warum das noch keinem aufgefallen zu sein schien.

Insgesamt blieb „Blutrausch“ aber ein fesselnder, weil einfach toll geschriebener, Thriller, der mich keinesfalls enttäuschte – aber eben auch nicht der ganz große Wurf mit allzu überraschenden Enthüllungen und Wendungen war.

[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalley, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 29.08.2023

Überraschungsfortsetzung, aber nu reicht's dann wohl auch - oder nicht?

Kalmann und der schlafende Berg
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Wenn ich mit einem nach "Kalmann" nicht gerechnet hatte, dann damit, dass es je eine Fortsetzung geben würde; von daher war ich doch sehr positiv überrascht, als ich die Ankündigung des Titels "Kalmann ...

Wenn ich mit einem nach "Kalmann" nicht gerechnet hatte, dann damit, dass es je eine Fortsetzung geben würde; von daher war ich doch sehr positiv überrascht, als ich die Ankündigung des Titels "Kalmann und der schlafende Berg" gesehen habe, denn auch wenn der erste Band 2020, als ich ihn gelesen habe, nicht zu meinen Top-Titeln gehörte: Kalmann, der Protagonist, hatte durchaus Eindruck hinterlassen und um es vorwegzunehmen, wird "Kalmann und der schlafende Berg" in diesem Jahr eher auch nicht zu meinen absoluten Top-Titeln gehören, aber so schnell ebenfalls nicht vergessen werden, obschon mir dieser knackige Roman nu wiederum nicht mehr als einen entspannten Nachmittag auf dem Balkon beschert hat.
Wie auch der nur nach der Hauptfigur benannte erste Band war "... und der schlafende Berg" zwar kurz, aber auch kurzweilig, wobei ich im Übrigen davon abrate, diesen zweiten Band, auch wenn er prinzipiell eine eigenständige Geschichte erzählt, ohne Kenntnis des Vorgängers zu lesen. Es wird doch relativ oft das Geschehen aus "Kalmann" erwähnt und mit der Figur des Kalmann wird man in Band 1 auch eher langsam vertraut gemacht, während man sich im zweiten Band nun schon fast wie zu den Einwohner*innen von Raufarhöfn zählend fühlen kann, die von Kalmann kaum noch überrascht werden können und für die all seine „Eigentümlichkeiten“ längst zum Alltagsbild gehören. Das war selbst mir hier in "Kalmann und der schlafende Berg" dabei nun schon fast ein wenig zu viel bzw. stellenweise zu wenig "Außenwelt".
Kalmann tritt hier als Erzähler auf und entsprechend seiner Art wertet er kaum, er ordnet nicht wirklich ein: er schildert hauptsächlich einfach einen Ist-Zustand – und seine Erlebnisse rund um den 6. Januar, während seiner Zeit in den USA, wirken da eher lückenhaft und stockend. Zum Einen begreift er das ganze Geschehen in Washington, D.C. gar nicht und zum Anderen merkt man, dass ihm generell alles fremd ist und er sich auch in seiner Familie väterlicherseits da nicht als Mitglied, sondern als Besucher, sieht. Das passt zwar zum generell sehr heimatverbundenen Kalmann und seiner ohnehin eher einzelgängerischen Art; ich kann also nicht sagen, dass ich Kalmann da nicht als authentisch empfunden hätte, aber da fehlte für mich einfach die Dynamik, die in Kalmanns isländischem, bewährten Umfeld herrschte. Da war ich wirklich froh, als Kalmanns Erzählung hier bei seinem Rückflug aus den Staaten angelangt war und dass sich die restliche Geschichte auf isländischem Boden ausbreitete.

Vor dem Lesen hatte ich wegen der in der Buchbeschreibung angesprochenen Verstrickung von USA, Island und Kaltem Krieg ein wenig Sorge, dass es hier ein wenig sehr politisch und verschworen wird; ich bin Politthrillern generell nicht sehr zugetan, aber das war hier dann doch noch recht gemäßigt und blieb gut nachvollziehbar.
Ein bisschen schade fand ich den spektakulären Showdown am Schluss, der für mich einem dritten Band definitiv widerspricht, denn auch Band 1 mündete zwar letztlich in großer Aufregung, dort war das Ende aber nicht derart über alle Maßen aufsehenerregend wie nun im Nachfolger und insgesamt ergibt sich für mich da eine derartige Menge an Action, dass es für das gesamte Lebtag eines ferner eher leisen Charakters wie Kalmann, noch dazu in einer so, auch was die Population angeht, eher abgelegenen Einöde ausreicht und zu sehr Gefahr laufen würde, ihn ins Klamaukige abdriften zu lassen, sollte man ihm noch mehr Abenteuer andichten. (Allerdings hatte Band 1 für mich ja auch schon einer Fortsetzung widersprochen. Nun denn.)

Veröffentlicht am 01.08.2023

Comic-Held zum Lesen

DC Superhelden: Batman im Kampf für Gerechtigkeit
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Etwas unglücklich ist, dass man selbst in diesem doch eher kurzen Büchlein, das Kinder zum Selberlesen einladen will, nicht sämtliche Fehler auszumerzen geschafft hat. Ich habe die "Rücksäcke" auf Seite ...

Etwas unglücklich ist, dass man selbst in diesem doch eher kurzen Büchlein, das Kinder zum Selberlesen einladen will, nicht sämtliche Fehler auszumerzen geschafft hat. Ich habe die "Rücksäcke" auf Seite 19 zwar prompt überlesen, aber beim einen Kind hakte es beim lauten Lesen angesichts des "ü" zunächst dann doch hörbar und sorgte im Anschluss für Verwunderung, ob das aber eventuell tatsächlich die wirklich korrekte Mehrzahl von "Rucksack" wäre.
Ferner sind zwar keine Fehler aufgefallen und einer in einem ganzen Buch wäre für mich zumindest dann keine Rede wert, wenn sich das Buch nicht ausgerechnet an Neu-Leser richtete, die im flüssigen Lesen noch nicht ganz so firm sind, aber in diesem Fall hat es mich schon geärgert.

Mit der Altersempfehlung tue ich mich zudem etwas schwer: ich denke, ab sechs Jahren kann man es Kindern durchaus bereits vorlesen und diesen dabei weiterhin ein bisschen Batman-Wissen beibringen (denn ohne etwas Zusatzwissen dürfte man hier vermutlich schon an der Verbindung zwischen Batman und Bruce Wayne scheitern), aber generell würde ich es wohl erst Ende der 2. oder zur 3. Klasse hin einführen, grad wenn man das Buch mit dem Gedanken heimträgt, dass "das Kind muss unbedingt das Lesen üben, hat aber null Interesse an Büchern. Mit Superhelden könnte man es aber doch locken."
Bei den Sätzen wird zwar angenehm zwischen "kurz und knackig“" und "mit Nebensatz" gewechselt, aber es gab doch einige Begriffe, angesichts derer ich mir für die Kinder ein kleines Glossar/Lexikon gewünscht hätte, da ich sie für Menschen unter 10 Jahren noch als zu schwierig bzw. unbekannt empfand.

Bei diesem Batman-Werk handelt es sich um ein in erster Linie geschriebenes Buch; dies ist also kein Comic. Immer wieder tragen zwar Schwarz-Weiß-Illustrationen, über je eine Einzelseite erstreckt, zur Auflockerung bei, aber was dem einen 9jährigen Kind zu wenig "Comic-Batman" war, hat das andere Kind gleich kreativ werden lassen und einzelne Szenen selbst malen lassen wollen.
Hier hat es sich also als ziemliches 50:50-Glücksspiel herausgestellt, ob "Batman im Kampf für Gerechtigkeit" gut ankam.

Es sind zwei Geschichten enthalten, wobei die zweite doch kurzweiliger wirkte: In der ersten Geschichte bestand das Grundproblem im menschengemachten (und in diesem Fall vom Bösewicht befeuerten) Klimawandel. Der wurde hier letztlich gut verständlich und vor Allem kindgerecht zusammengefasst, aber es wurde doch halt viel von Batman und Robin lediglich darüber geredet, ehe die ganz große Aufregung losging.
In Geschichte 2, in der Poison Ivy die zu besiegende Gegenspielerin war (und die Erwachsene ein klitzekleines bisschen an den "kleinen Horrorladen" denken lassen könnte), wurde da weitaus mehr Aktivität gezeigt und die "Grusel-Fressblume" sorgte da auch für deutlich mehr Spannung bei den Kindern als die, salopp gesagt, eigentlich einfach nur auszuknipsenden Wärmelampen der ersten Geschichte.

Prinzipiell empfehle ich dieses Buch zwar weiter, würde meine Empfehlung aber definitiv davon abhängig machen, wie wenig Comic ein Kind in Bezug auf einen eigentlichen Comic-Helden akzeptiert.

Veröffentlicht am 09.05.2023

Nachhallend

Girl A
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„Girl A“ erzählt keine klassische Anfang-Verlauf-Schluss-Geschichte; dieser Roman ist achronologisch aufgebaut und wirkt dabei ähnlich zerbrochen wie die Figuren, von denen er erzählt. Im Fokus steht das ...

„Girl A“ erzählt keine klassische Anfang-Verlauf-Schluss-Geschichte; dieser Roman ist achronologisch aufgebaut und wirkt dabei ähnlich zerbrochen wie die Figuren, von denen er erzählt. Im Fokus steht das sogenannte „Girl A“, das, daraufhin zur Wahrung ihrer Anonymität als solches benannt, im Alter von 15 Jahren dem Elternhaus entkam, in dem ihre Geschwister und sie zwischenzeitlich seit Jahren gefangengehalten und von ihren Eltern, insbesondere dem immer mehr religiösem Wahn verfallenden Vater, misshandelt wurden – diese Vorgänge liegen in „Girl A“ bereits lange zurück, aus Lex, eben jenem „Girl A“, ist inzwischen eine in New York lebende Anwältin geworden, die nun nach dem Tod der Mutter, dem letzten gelebt habenden Elternteil, zurück nach Großbritannien reist, da diese sie testamentarisch betraut hat, den Nachlass abzuwickeln, der im Wesentlich aus dem inzwischen verfallenen „Horrorhaus“ besteht – Lex ist somit nicht nur gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, was weiterhin mit diesem Haus geschehen soll, sondern dies auch mit ihren Geschwistern zu besprechen… an dieser Stelle hakte „Girl A“ für mich ein wenig, da erklärt wurde, dass die Kinder nach ihrer Rettung alle getrennt voneinander untergebracht und später vor Allem sämtlich adoptiert worden waren; für mich blieb es da etwas zu vage, wieso die Kinder hinsichtlich der leiblichen Mutter erbberechtigt gewesen sein sollten: Rührte das noch vom früheren Tod des Vaters her; hatte die Mutter sie nach und trotz all der Geschehnisse einfach weiterhin als Begünstigte benannt…? Wieso war das Haus nicht nach der Rettung der Kinder, z.B. zur Begleichung der Anwaltskosten, längst verkauft worden? Aber gut: die Opfer waren nun also plötzlich für den Tatort verantwortlich, und dieses Buch erzählt davon, wie Lex mit all ihren Geschwistern darüber reden muss, wobei sie mit der Erinnerung konfrontiert wird, dass sie sich auch in Gegenwart einer Therapeutin schon immer schwertat, über das zu reden, was ihren Geschwistern und ihr damals widerfahren ist.
Da schwenkt der Roman von Szenen der Gegenwart, in denen Lex hauptsächlich ihre Geschwister nacheinander aufsucht und in denen gezeigt wird, wie es jenen nach ihrer Befreiung weiterhin ergangen ist, zu Rückblenden, in denen Lex sich erinnert, wie sie vom relativ normal aufwachsenden Mädchen zum zunächst vernachlässigten und später zum eingesperrten und misshandelten Kind wurde. Es gibt übrigens keine auffallend bildhaften Darstellungen der Gewalt, die die Geschwister durchmachen mussten; hier scheint alles sehr vage durch und lässt letztlich zwar keinen Zweifel, aber man muss doch schon ein wenig aufmerksamer lesen, um das Grauen zu erfassen. Während des Lesens fand ich es zwar mitunter schwierig, weil mir alles teils so unklar geschildert zu sein schien und manches quasi über Nacht völlig extrem geworden war (wurde z.B. vorher zwar mal das zu wenige Essen und das Hungergefühl angesprochen, war eines der Kinder aber „plötzlich“ nicht „einfach nur“ hungrig, sondern buchstäblich bereits am Verhungern), aber im Nachhinein war das sehr geschickt gemacht, weil „Girl A“ eben spezifisch von Lex erzählte und man so eigentlich krass verdeutlicht bekam, dass bei ihr Verdrängungsmechanismen immer noch fleißig Rädchen drehten, und dass sie bestimmte Dinge/Situationen tatsächlich wohl gar nicht mehr erinnerte oder noch die mutmaßlich besseren Dinge im Gedächtnis hatte, wie der Vater der die Kinder auslachte, dass sie angesichts eines verfaulten Schimmel-Irgendwas tatsächlich glaubten, er würde sie zwingen, sowas zu essen. Oder dass ihr bestimmte Dinge letztlich gar nicht mehr auffielen, weil sie auf alle Geschwister zutrafen und sonstige Vergleichsmöglichkeiten inzwischen ja fehlten.

Spannend fand ich letztlich aber auch die Darstellungen der Geschwister, die allesamt grundverschieden waren und bei denen sich zeigte, wie hilflos die Geschwister auch im Umgang miteinander noch waren und dass alle sehr anders mit ihrer Herkunft umgingen bzw. dass sich teils auch zeigte, wie sehr man auch von den Eltern geprägt worden war.

Insgesamt ein sehr bedrückendes Buch, bei dem man, nicht zuletzt im Wissen, dass es derlei Befreiungsschläge schon gegeben hat und dass die hier geschilderten Verhältnisse durchaus Realitäten entsprechen, auch nicht umhinkommt, sich zu fragen, was passiert und wie es endet, wenn niemand entkommen kann.

Veröffentlicht am 05.03.2023

Tagebuch zum Drüberstolpern

Ohne mich
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In diesem eigentlich zeitgenössischen Roman ist die Protagonistin Mitte 20 und damit generationstechnisch hinter mir angesiedelt, aber ich habe „Ohne mich“ tatsächlich als insofern zeitlos empfunden als ...

In diesem eigentlich zeitgenössischen Roman ist die Protagonistin Mitte 20 und damit generationstechnisch hinter mir angesiedelt, aber ich habe „Ohne mich“ tatsächlich als insofern zeitlos empfunden als dass die Erzählung mich durchaus auch an den Millenniumswechsel zurückzuversetzen vermochte: Da ich bei Münster großgeworden bin und einige Mitschülerinnen doch auch dort studiert haben, ehe es sie mal weniger mal deutlich entfernter weit verstreut hat, hatte ich ohnehin eine breitere Identifikationsbasis und ich bin mir wirklich unsicher, ob diese Novelle für mich ansonsten überhaupt fassbar gewesen wäre, ganz egal, ob ich die Gedankenspiele der Erzählerin habe nachempfinden können.
Prinzipiell ist „Ohne mich“ ein einziges Gedankenspiel: die Erzählerin gibt, ohne auch nur einmal ins Zaudern zu geraten, direkt wieder, was in ihrem Kopf vor sich geht, erzählt dabei von aktuellen Begebenheiten…. es ist als läse man ein schnell heruntergerattertes Tagebuch. Nicht nur dass ihre Kurzzeitehe bereits geendet ist, neigt sich nun auch das Studium der erzählenden Figur dem Ende zu und symptomatisch wird letztlich nur gefragt, was der Eine mit dem abgeschlossenen Philosophiestudium mit diesem denn nun überhaupt anfangen wolle, während sowohl Protagonistin als auch ihre Jura-Kommiliton
innen zuvor diskutieren, welche berufliche Richtungen sie nun eigentlich mit ihren Jura-Abschlüssen einschlagen wollen, ehe der Erzählerin auffällt, wie „unfertig“ die eben zu Ende studiert Habenden wirken, wenn man sie mit denen vergleicht, die nach der Schule im Heimatort ansässig geblieben sind, eine Ausbildung begonnen haben, teils bereits geheiratet und Kinder bekommen, und deren Umfeld immer weitgehend gleich geblieben ist. Partiell wirkte die Erzählerin für mich wie am Rande einer Depression stehend, teilweise befürchtete ich ein Alkoholproblem und war erleichtert, als an einer Stelle bekundet wurde, dass sie nun drei Monate keinen Alkohol getrunken habe (was ihr offensichtlich nicht schwergefallen war), aber im Großen und Ganzen lebte man hier ein Jahr lang mit einer Figur mit, die alles mit sich selbst auszumachen versuchte bzw. alle Belastungen vor sich hin- und weiterzusammenschob, dass man erahnte: Irgendwann würde sie ins Stolpern geraten.
Da war ich zwischendurch tatsächlich versucht, ans Ende zu linsen, um zu erfahren, ob die Erzählerin ihre eigene Geschichte überhaupt überleben würde oder ob der Titel „Ohne mich“ womöglich einfach nur auf das Romanende anspielen würde. Ferner habe ich ein paar Mal zum Buch gegriffen und es direkt wieder beiseitegelegt, weil ich mich in jenen Momenten kaum auf die irgendwie träge, irgendwie überdrehte Erzählung einlassen konnte, zu erdrückend fand ich die Wucht, mit der die Geschichte da auf mich zukam. Letztlich habe ich, um dieser greifbaren Beklemmung zu entgehen, einen sonnigen Tag abgewartet, an dem ich mich nachmittags nach draußen auf den Balkon setzen und mir die Sonne während des Lesens ins Gesicht scheinen lassen konnte. So, zwar im sicheren Zuhause, aber ohne vier Wände direkt um mich herum, habe ich „Ohne mich“ dann, und zwar sehr gefesselt, am Stück gelesen.

Letztlich weiß ich gar nicht so recht, was ich mit diesem Werk anfangen soll: eine echte Geschichte erzählt es nicht, für mich war es aber ein Buch, das leise „Du bist nicht alleine, Anderen geht es auch so, diese Gedanken sind normal“ schrie. Am Ende habe ich es wirklich gerne gelesen, aber ich habe keine Ahnung, wem ich diese Lektüre weiterempfehlen wollen würde, zu welchem Anlass (und wiederum: an wen) ich ein Exemplar hiervon verschenken würde. Ich glaube, das ist ein Roman, über den man im besten Falle einfach von sich aus stolpert, so wie die Erzählerin über ihren weiteren Lebensentwurf stolpert.