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Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine wunderbare Familien und Inselchronik über 95 Jahre

Die langen Tage von Castellamare
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Die Geschichte beginnt mit der sagenhaften Geburt von Zwillingen zweier verschieden Mütter.
Amedeo, das Findelkind aus Florenz, geht einen beschwerlichen, aber erfolgreichen Weg, als Ziehsohn des florentinischen ...

Die Geschichte beginnt mit der sagenhaften Geburt von Zwillingen zweier verschieden Mütter.
Amedeo, das Findelkind aus Florenz, geht einen beschwerlichen, aber erfolgreichen Weg, als Ziehsohn des florentinischen Arztes Esposito, zum Medico condotto auf der abgelegenen Insel Castellamare.
Nachdem er während des 1. Weltkrieges in die Schützengräben gerufen wurde, kehrt er auf die Insel zurück und erliegt dem Charme der Contessa Carmela, der Frau des Monte d’Isantu, entscheidet sich aber Pina, die Schulmeisterin, zu heiraten. Erst in der Nacht vor seiner Eheschließung schafft er es, sich endgültig von Carmela zu trennen, was zur Folge hat, dass es gleichzeitig zur Geburt seines ehelichen Sohnes Tullio und seines außerehelichen Sohnes Andrea, des zukünftigen Conte, kommt. Der Conte d’Isantu behauptete entgegen der Gerüchte auf der Insel, dass er der Vater von Andrea sei, aber die Gerüchte verstummten nicht. Kurzerhand wurde Amedeo als Medico condotto abgesetzt und musste seinen Lebensunterhalt anderweitig bestreiten. Amedeo, der als Geschichtensammler aufgewachsen ist, sammelte kurzerhand seine Geschichten in der Bar„Haus am Rande der Nacht“, die er und seine Frau Pina fortan betreiben sollten. Die Beiden bekamen noch zwei Söhne und eine Tochter. Amedeo sammelte alle Geschichten der Insel und ihrer Bewohner und alle Geschichten, die die Bewohner aus der Vergangenheit kannten und schrieb sie fein säuberlich in sein rotes Buch.
Über 95 Jahre begleiten wir die Familie Esposito und die Geschehnisse auf der Insel, aber Maria-Grazia, Amedeos Tochter, wird später im Jahre 2009 bedauernd feststellen, dass nach Amedeos Tod leider kein Inselbewohner die Geschichten fortgeschrieben hat.

Für mich als Leser war es wunderbar mit dieser Familien-und Insel Chronik den Werdegang einer kleinen, abgelegenen italienischen Insel so beobachten. Die Welt außerhalb dieses kleinen Inselkosmos führte zwei Weltkriege, entwickelte technische Errungenschaften, erlebte den wirtschaftlichen Aufschwung und auch den Börsen-und Bankencrash. Die Insel erlebte die Auswirkungen diese Ereignisse meist nur am Rande. Und doch haben diese Auswirkungen vieles an dieser Insel und ihren Bewohnern verändert. Die Charaktere, insbesondere die Familie Esposito, wurden beeindruckend klar gezeichnet. Das enggewobene Beziehungsgeflecht der Inselbewohner wäre mit einem Personenverzeichnis zu Beginn des Buches oder Ende sicherlich leichter zu entschlüsseln gewesen. Abschließend kann ich sagen, ich wäre noch gerne einige 100 Seiten länger auf der Insel geblieben, im Schoße der Familie Esposito.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zwei Welten

Wir sehen uns am Meer
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Ein faszinierender Roman, den ich fast verschlungen habe, der mich aber traurig zurück gelassen hat.

Liat Benjamini, Jüdin aus Tel Aviv, lebt und studiert für einige Monate in New York. Dort lernt sie ...

Ein faszinierender Roman, den ich fast verschlungen habe, der mich aber traurig zurück gelassen hat.

Liat Benjamini, Jüdin aus Tel Aviv, lebt und studiert für einige Monate in New York. Dort lernt sie den jungen Palästinenser Chilmi aus Ramallah kennen. Chilmi ist Maler. Er lebt schon seit drei Jahren in New York. Die Beiden verlieben sich in einander und verbringen die Tage und Nächte gemeinsam. Liat beschleicht schon nach der ersten Nacht die Angst, dass ihre jüdische Familie von ihrer Beziehung zu einem Palästinenser erfährt. Chilmi hat mit Politik eigentlich wenig zu tun, lässt sich aber immer wieder mit Liat auf Diskussionen ein, die ihre unterschiedliche Einstellung widerspiegeln. Liat lebt in dem Glauben ihre Beziehung zu Chilmi am Tag ihrer Abreise zu beenden, aber da hat sie die Rechnung ohne ihr Herz gemacht.

Diesen Roman als reinen Liebesroman zu sehen ist weit gefehlt. Liat beschreibt zwar voller Gefühl Chilmi und auch ihre tiefe Beziehung zu ihm, aber wir erfahren auch sehr viel über die Situation zwischen Juden und Palästinenser. Die Diskussionen der Beiden liefern einen tiefen Einblick in die Seelen dieser beiden Völker. Noch krasser werden die jeweiligen Sichtweisen deutlich als Liat auf Chilmis Bruder Wassim trifft.
Im Laufe der Zeit wird auch immer deutlicher, dass Beide sich nach ihrer jeweiligen Heimat sehnen und in ihren Traditionen verhaftet sind.
Auffällig fand ich, dass Liat, die sich sehr nach ihrem Zuhause sehnt, nach ihrer Rückkehr mit den einst vertrauten Orten fremdelt. Chilmi, der auch nach Ramallah zurückkehrt, entdeckt plötzlich seine Bodenständigkeit und bezweifelt plötzlich, dass er kurzfristig nach New York zurückkehrt. Als Leser spekuliert man allmählich, ob und wie die Beiden wieder zu einander finden können. Ich war neugierig zu erfahren, wie die Beiden die politischen Situation und familiäre Situation lösen.

Warum dann dieses traurige Ende? Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ich hätte dieses Ende nicht gewählt!!!

Veröffentlicht am 01.04.2021

Podcast/Thriller mal anders

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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Elle Castillo, lange Zeit beim Jugendamt tätig, betreibt einen True-Crime-Podcast, in dem unaufgeklärte Verbrechen neurecherchiert und bewertet werden. Elle möchte darin den Opfern eine Plattform geben, ...

Elle Castillo, lange Zeit beim Jugendamt tätig, betreibt einen True-Crime-Podcast, in dem unaufgeklärte Verbrechen neurecherchiert und bewertet werden. Elle möchte darin den Opfern eine Plattform geben, vor allem will sie Gerechtigkeit für die Opfer.

Der neue Fall, „Der Countdown-Killer“ droht allerdings alle vorherigen Dimensionen zu sprengen. Als Elle Castillo anfängt den Entführer und Mörder, der vor ca. 20 Jahren sein Unwesen trieb, neu zu beleuchten, wird wieder ein junges Mädchen entführt.

Elle verfolgt wie besessen jede neue Spur um das Verbrechen aufzuklären und begibt sich, ihre Freundschaften und ihre Familie in Gefahr.



In diesem Thriller betreibt nicht nur die Hauptfigur Elle Castillo einen True-Crime-Podcast, sondern zu dem Thriller kann man die einzelnen Podcast-Folgen anhören oder auch das Transkript der einzelnen Folgen lesen. Anfänglich empfand ich diesen Einfall richtig gut und war von der authentischen Dynamik begeistert. Nach einigen gelesenen oder auch gehörten Podcast Folgen fingen diese Unterbrechungen an mich zu stören. Der Thriller entwickelte sich zu einem Auf und Ab, Spannung und dann wieder Unterbrechung durch den Podcast, der uns Lesern zwar eine Menge Informationen lieferte, aber trotzdem den Spannungsbogen meiner Meinung nach immer wieder runterzog.

Die Spannung kam überhaupt nur schleppend zustande. Die Protagonistin durchlebte Panikattacken und Alpträume. Sie fokussierte sich mehr und mehr auf die Täterergreifung, niemand glaubte ihr und sie kämpfte längst über ihre Kräfte hinaus. Gegen Mitte des Buches erfuhren wir dann einiges aus der Jugend des bis dahin unsichtbaren Täters und konnten eigene Schlussfolgerungen ziehen. Lange Zeit war aber der Schwerpunkt der Ereignisse Elles Befindlichkeiten, was der Spannung nicht guttat.

Erst im letzten Abschnitt konnte man die wahre Qualität der Autorin erkennen. Spannung, Dramatik und Shutdown so geschrieben, dass man das Buch während der letzten hundert Seiten nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Abschließend möchte ich festhalten, dass mir die Idee Podcast und Thriller zu mischen, gefallen hat, nur die Umsetzung hat noch nicht richtig gepasst.

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Veröffentlicht am 25.01.2021

Kaltes Dalsland

Schneenacht
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Embla Nyström, Kriminalinspektorin in Göteborg, verbringt die Winterferien gemeinsam mit Elliot, dem Sohn ihres Ex, bei ihrem Onkel Nisse in Dalsland. Ein Mordfall in der unmittelbaren Umgebung beendet ...

Embla Nyström, Kriminalinspektorin in Göteborg, verbringt die Winterferien gemeinsam mit Elliot, dem Sohn ihres Ex, bei ihrem Onkel Nisse in Dalsland. Ein Mordfall in der unmittelbaren Umgebung beendet den unbeschwerten Urlaub. Bei der Tatortbesichtigung glaubt Embla ihren Augen nicht zu trauen. Vor ihr, in einem Hotelbett erschossen, liegt der Gegenstand unzähliger Albträume, die Embla seit 14 ½ Jahren verfolgen. Damals wurde ihre Freundin Lollo in Emblas Gegenwart überwältigt und verschleppt. Milo Stavic, Gangsterboss aus Göteborg, der jetzt ermordet vor ihr liegt, hat ihr damals gedroht, sie und ihre Familie überall zu finden und zu ermorden, wenn sie von der beobachteten Entführung erzählen würde. Von Albträumen und Schuldgefühlen gepeinigt, hat sie bis heute geschweigen.

Jetzt gilt es, diesen Mord aufzuklären.


Lag es an der anhaltenden Kälte, dass der Krimi und auch die Ermittlungen schwer und langsam in Gang kamen?

Embla Nyström und ihre Geschichte werden behutsam und unkompliziert eingeführt, was mir sehr entgegen kommt, da es mein erstes Buch aus der Embla-Nyström-Reihe ist. Trotzdem wurde ich zu Beginn der Ermittlungen ziemlich unruhig und ungeduldig.
Bei beiden Mordfällen werden nur zögerlich die Zeugen befragt und wer nicht befragt werden will, geht den Ermittlern einfach aus dem Weg.

Erst gegen Mitte des Buches kommen die Ermittlungen in Schwung. Die endlich aufkommende Spannung hält sich dann aber bis zum Ende.

Im Laufe des Geschehens zeigt sich, wie schwierig Ermittlungen bei Morden innerhalb von Clans sind, vor allem wenn sie in verschiedenen Ländern agieren.

Die kriegsähnliche Auseinandersetzung auf dem an der norwegischen Grenze abgelegene Hof fand ich übertrieben und unrealistisch.

Das Ende, ja so ganz befriedigend empfand ich das auch nicht. Wahrscheinlich ist es dann doch der Realität geschuldet, denn vollkommen kriegt man diese Verbrechen nicht gelöst.

Alles in Allem kann für Liebhaber Skandinavischer Krimis eine klare Leseempfehlung gegeben werden.

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Veröffentlicht am 23.04.2020

Unterhaltsamer Krimi mit sozialkritischem Hintergrund

Mörderhof
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Neben der Diskussion über die Erweiterung eines Hühnerhofimperiums, Überdüngung durch Gülle aus Massentierhaltung und Agrarpolitik im Allgemeinen, geht’s hier um „Pommes“ (Kriminalkommissar Willen), der ...

Neben der Diskussion über die Erweiterung eines Hühnerhofimperiums, Überdüngung durch Gülle aus Massentierhaltung und Agrarpolitik im Allgemeinen, geht’s hier um „Pommes“ (Kriminalkommissar Willen), der nach zwei Jahren die Ermittlungen in einem ungelösten Vermisstenfall wieder aufnehmen will.

Wird er den Vermissten finden oder gar dessen Mörder?


Kriminalinski hat hier einen wirklich unterhaltsamen Krimi vorgelegt. In eher dörflicher Atmosphäre wird das Geflecht der Dörfler untereinander gezeigt. Man kennt sich, man zankt sich, man akzeptiert aber letztlich den anderen und man weiß wem man vertrauen kann.

Das schiefe Bild, das manche Fleisch-und Geflügelfabrikanten in der Gesellschaft darstellen, schadet nicht nur der Umwelt und den Verbrauchern, sondern auch den Bauern, die lediglich gesunde und frische Nahrung produzieren wollen, aber mittlerweile als Ursache der Verunreinigung unseres Grundwassers beschuldigt werden.

Die Lösung des Kriminalfalls war ziemlich vorhersehbar, aber der Weg dahin war einfallsreich.

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