Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
online

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.10.2018

Hart und entbehrungsreich

Grenzgänger
0

war das Leben in der Eifel unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg für Familie Schöning, die unmittelbar an der deutsch-belgischen Grenze lebt. Der Vater ist nicht mehr derselbe, nachdem er aus dem Krieg ...

war das Leben in der Eifel unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg für Familie Schöning, die unmittelbar an der deutsch-belgischen Grenze lebt. Der Vater ist nicht mehr derselbe, nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt ist, er ist arbeitsunfähig, wendet sich Gott und vor allem der Kirche zu und kümmert sich überhaupt nicht mehr um seine Frau und die vier Kinder.

Nach dem baldigen Tod der Frau und Mutter würde er die vier Kinder am liebsten ins Heim abschieben, doch Hennie, die Älteste, wehrt sich mit Händen und Füßen - zunächst erfolgreich, bringt sie doch gutes Geld nach Hause, das der Vater freilich zu einem großen Teil vertrinkt. Offiziell arbeitet Hennie in der Küche der örtlichen Gaststätte, aber was sie in Wirklichkeit tut, darf keiner erfahren: sie ist nämlich zum Teil der örtlichen Schmugglerbande geworden, die nächtens rübermacht nach Belgien, um dann mit in Deutschland immer noch kostbaren Waren zurückzukehren.

Doch eines Nachts gibt es ein Blutbad - die Folge ist, dass Hennie in eine Besserungsanstalt und ihre Brüder in ein katholisches Heim eingewiesen werden.

Beide Anstalten sind nicht gerade Tempel der Warmherzigkeit, ganz im Gegenteil und bei Schilderungen der Handlungen kirchlicher Würdenträger, die so gar nicht in Würde agieren, fühlt man sich an die Schilderungen aus Irland, wo die katholische KIrche allmächtig war, erinnert.

Ein schönes und doch kein schönes Buch - das ist "Grenzgänger" von Mechthild Borrmann. Schön ist es natürlich in der Hinsicht, als dass die Autorin eine grandiose Schriftstellerin ist, die anspruchsvoll, gleichzeitig packend, spannend und mitreißend von der ersten bis zur letzten Zeile zu erzählen vermag und dabei einmal mehr großartige Recherchearbeit geleistet hat. Unschön, doch umso wichtiger ist das Thema: ein historisches Setting, in das die Handlung - also die Geschichte um Hennie - eingebettet ist.

Ich als großer Fan der Autorin habe alle ihre bisherigen Spannungsromane gelesen, um nicht zu sagen, verschlungen - am meisten gefiel mir bisher "Der Geiger", in dem es um den sowjetischen Gulag geht, doch dieses so traurige wie faszinierende Buch steht dem in Nichts nach. Obwohl ich mich in der deutschen Nachkriegszeit, einer aus meiner Sicht sehr interessanten Epoche, recht gut auskenne, wurden mir hier Eindrücke vermittelt, die nicht unbedingt neu waren, mich aber die Geschichte so plastisch und gleichzeitig so schmerzlich wie noch nie erleben ließen.

Und so traurig das Thema auch ist - Mechthild Borrmann schreibt stets mit einer ihr eigenen Zuversicht, auch mit einem gewissen Pragmatismus, der den Leser nach vorne schauen, ihn - mit gewissen Vorbehalten natürlich - optimistisch bleiben lässt. Obwohl es mir nach dieser Lektüre ganz ehrlich gesagt schwerfällt, noch an das Gute im Menschen zu glauben, trotz der wenigen starken und positiven Charaktere, die die Autorin auch in diesem Buch wieder agieren lässt - allerdings neben einigen andern, die ich nicht anders als teuflisch und von Grund auf Böse bezeichnen kann. Ein spannendes, aber auch kluges und wertvolles Buch, das ich von Herzen weiterempfehle!

Veröffentlicht am 21.10.2018

Seifferhelds neues Ehrenamt

Stick oder stirb!
0

Das ist eines der ganz besonderen Art: er gibt nämlich Stickunterricht im Gefängnis. Ein sehr beliebter Kurs ist dies - auch wenn die Knastbrüder nur mit stumpfer Nadel sticken dürfen - doch Siggi Seifferheld ...

Das ist eines der ganz besonderen Art: er gibt nämlich Stickunterricht im Gefängnis. Ein sehr beliebter Kurs ist dies - auch wenn die Knastbrüder nur mit stumpfer Nadel sticken dürfen - doch Siggi Seifferheld bringt ihnen seine Passion mit der gewohnten Leidenschaft bei und sucht sogar für jeden seiner sehr unterschiedlichen Schüler das passende Motiv aus.

Bis er auf ganz besondere Art - nicht während seines Kurses, wie man wohl denken könnte - als Geisel genommen wird. Dieses Drama verhilft dem Leser zu einem besonderen Genuss, nämlich zu einem Seifferheldschen Familientreffen der intensiven Art, das durch diverse Friends wie den Männern aus Siggis Koch- und Helmerichs Trommelclub erweitert wird. Wobei nicht nur Menschen, sondern auch Hunde in großer Zahl auflaufen: hat doch Siggis Frischangetraute, die ehemalige Reporterin MaC, im ehelichen Haushalt einen Welpenkindergarten eingerichtet.

Wer die Autorin Tatjana Kruse kennt, der weiß, dass sie sogenannte Cosy-Krimis schreibt, Krimis der eher beschaulichen Art. Dachte ich bisher jedenfalls und habe ich mich gerade bei Siggi Seifferheld ein bisschen darauf verlassen. Aber es geht ganz schön brutal zu, stellenweise zumindest, auch wenn man auch in der härtesten Szene immer was zu Lachen hat.

Folglich sollte man beim Lesen aufpassen, nämlich vor allem darauf, dass man vor Lachen nicht vom Sofa rutscht, an Originalität und Humor ist die Autorin nämlich nicht zu übertreffen. Und zwar trotz eventueller Leichen, die den Weg der Familie Seifferheld und damit auch des Lesers kreuzen.

Neben der zwar noch mit beiden Beinen im Berufsleben stehenden, aber auch nicht mehr superjungen Opernsängerin Pauline Miller und den recht neu hinzugekommenen zweieiigen Zwillingsschwestern Konny und Kirimhild, die in einem geerbten Haus eine Pension eingerichtet haben, ist es vor allem Senior, also Kommissar a.D. Seifferheld, mit dem Tatjana Kruse die deutsche Krimilandschaft bevölkert. Er war als Erster da und ich bin so froh, dass er nicht zugunsten einer der anderen Reihen abtreten musste. Ich wünsche ihm noch viele, viele ebenso spannende wie unterhaltsame Fälle im Kreise seiner immer größer werdenden Familie, zu der nicht zuletzt auch Hund Onis gehört, der im vorliegenden Band eine ganz besondere Rolle spielt!

Veröffentlicht am 18.10.2018

Antike Götter neu aufgelegt

Mythos
0

Griechische Heldensagen fand ich zwar immer ganz anregend, doch nur für kurze Zeit: zu farblos wurden sie erzählt und außerdem waren mir die ganzen Verbindungen der munteren Kerle (und Kerlinnen) auf ...

Griechische Heldensagen fand ich zwar immer ganz anregend, doch nur für kurze Zeit: zu farblos wurden sie erzählt und außerdem waren mir die ganzen Verbindungen der munteren Kerle (und Kerlinnen) auf dem griechischen Olymp und später auch in der römischen Glaubenswelt überhaupt nicht klar.

Damit räumt Tausendsassa Stephen Fry in seiner ureigenen Art nun auf - nämlich sowohl strukturiert als auch unterhaltsam. Und vor allem steckt da eine Unmenge von Wissen dahinter: sowohl in Bezug auf die Sagenwelt selbst als auch auf ihre Rezeption. Dass sich nämlich Sujets daraus bei Shakespeare, Goethe und auch in der viel jüngeren Literatur wiederfinden, hat mich zwar nicht überrascht, die konkreten Beispiele, die der Autor wieder und wieder benennt, haben mich aber dann doch das Staunen gelehrt.

Mir ist ganz klar, dass dieses Buch seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten fällig war - die Welt hat nur auf jemanden wie Stephen Fry gewartet, der dazu fähig ist, dieses so umfassende Thema auf ebenso freche wie respektvolle Art und Weise (lesen Sie selbst, dann werden sie merken, dass dies möglich ist) darzulegen.

Herrlich, wie prall und üppig sich die Welt der Göttermythen vor uns ausbreitet: es ist ein bunter und vielschichtiger Teppich voller Spannung. Wie verhält sich Zeus zu Hades beziehungsweise der Olymp zur Unterwelt. Wie ist Orpheus da hineingeraten?

Inzest is best - was man in der Gegenwart tunlichst meiden wollte, war in der Welt der griechischen bzw. römischen Götter gang und gäbe - Mütter trieben es mit Söhnen, Geschwister untereinander sowieso und sogar als keusch geltende Damen wie Demeter konnten mit Nachwuchs aufwarten.

Dass aus dem griechischen Hermes bei den Römern Merkur, aus Aphrodite Venus wurde, das ist hinlänglich bekannt, dass aber eigentlich alle oder fast alle griechischen Gottheiten ein römisches Pendant hatten, das überrascht dann doch. Und noch einiges mehr, denn Stephen Fry führt uns mit Stil und Charme durch die Welt der Götter - vor allem jedoch mit einer gehörigen Portion britischen Humors!

Veröffentlicht am 17.10.2018

Eine neue Wohnung ist wie ein neues Leben

3 Zimmer, Küche, Mord
0

hofft Serienheldin Loretta Luchs, ihres Zeichens Mitarbeiterin einer Telefonhotline der besonderen, nämlich erotischen Art mitten im Pott, will sie doch einen ganz neuen Anfang wagen. Ohne Altlasten, nachdem ...

hofft Serienheldin Loretta Luchs, ihres Zeichens Mitarbeiterin einer Telefonhotline der besonderen, nämlich erotischen Art mitten im Pott, will sie doch einen ganz neuen Anfang wagen. Ohne Altlasten, nachdem sie und ihre große Liebe sich getrennt haben - er konnte die ständigen Morde in Lorettas Nähe einfach nicht mehr ertragen. Und noch mehr ihre Art, damit umzugehen: sich nämlich mit vollem Karacho an der Seite von Ex-Polizist Erwin in die Ermittlungen zu stürzen.

Aber nun soll alles anders werden - mithilfe einer neuen Wohnung, in der sie nichts, aber auch gar nichts, an das Ende der Liebe erinnern soll. Alles steht bereit, der versammelte Freundeskreis aus dem Ruhrpott bereitet sich mit auf den Umzug vor - soweit Loretta sie lässt.

Kenner der Reihe werden es ahnen: Lorettas Start in der neuen Wohnung läuft ganz anders als geplant. Denn auch wenn der Umzug dank des bewährten Freundeskreises wunderbar gelingt, ist das neue Umfeld doch ziemlich gewöhnungsbedürftig - und ziemlich zutraulich, denn Loretta soll durch einen feierlichen Umtrunk gleich in die muntere Runde integriert werden und kann sich nur schwer von der darauf folgenden fast ständigen Belagerung retten.

Doch dann lauert auch diesmal der Tod im Umfeld von Loretta und das Unheil nimmt seinen Lauf. Und Loretta muss sich mal wieder durchschlagen - obwohl sie doch geschworen hatte, eine Zukunft ohne Leichen vor sich zu haben. Doch auch hier läuft es nicht ohne "a little help from my bzw. Lorettas friends" ab. Besonders Freunde der Ruhrpott-Ikone Frank werden diesmal auf ihre Kosten kommen! Und es gibt ein besonderes Pott-Highlight - der im Nachbarhaus ansässige Taubenvatta Anton spielt ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle.

Ohne Freundschaft läuft nix - dies das Credo des Buches, das diesmal ganz besonders warmherzig zum Tragen kommt. Ein anderes könnte "witzig geht die Welt zugrunde" sein. Nur schade, dass es schon wieder vorbei ist, denn auch dieser, bereits zehnte Band der Reihe, war allererste Sahne. Wer Spaß kombiniert mit viel Spannung mag, der kommt an dieser Reihe mit Loretta Luchs nicht vorbei!

Veröffentlicht am 16.10.2018

Volle Breitseite

Kreuz und Chrom
0

Wer sich auf diesen Krimi einlässt, musst damit rechnen, die volle Breitseite abzubekommen. Zunächst einmal in Bezug auf den Ermittler: Jan Schröder, ehemals verdeckter Ermittler (was seine neuen Kollegen ...

Wer sich auf diesen Krimi einlässt, musst damit rechnen, die volle Breitseite abzubekommen. Zunächst einmal in Bezug auf den Ermittler: Jan Schröder, ehemals verdeckter Ermittler (was seine neuen Kollegen im bayerischen Ermittlungsteam aber nicht wissen dürfen - da hat der Leser ihnen einiges voraus), relativ frisch verwitwet mit sechsjährigerTochter.

Diese ist sein ein und alles - seine Sonne und sein Mond, seine Freude und seine Last, vor allem aber die Sozia auf seiner Harley - Harli sagt Lea.

Und dann der Fall: ein toter Priester, der alsbald mit Mißbrauch in Verbindung gebracht wird. Kann das wirklich sein - ein ehrenwerter Mann, noch ziemlich jung? Jedenfalls relativ gesehen. Und dann noch ermordet im Beichtstuhl aufgefunden. Kaum zu fassen - vor allem , weil es offenbar gewisse Kräfte gibt, die am wesentlich längeren Schalter sitzen als Jan Schröder es tut und die es vermögen, ihn zu stoppen.

Denken sie. Aber so leicht ist das nicht bei ihm, zumal er sowohl mit der zuständigen Staatsanwältin als auch mit seinem direkten Kollegen - der nicht gerade als Energiebündel bekannt ist - ganz gut kann.

Starker Tobak ist es, den man hier zu lesen bekommen, aber wenn man genauer hinschaut, ist es ein einfühlsamer und ausgesprochen zeitgemäßer Krimi. Einer, der weh tut. Wie auch das Leben manchmal weh tut.

Die Einarbeitung in die Materie - also die Einführung der Figuren und des Settings empfand ich insgesamt als zu komplex, muss aber im nachhinein zugeben, dass es sich unbedingt gelohnt hat. So in etwa nach dem ersten Drittel wurde es sogar so spannend, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Mein Fazit also: Es brauchte ein wenig Zeit, aber dann kam es mit voller Kraft: ein wirklich ungewöhnlicher & überraschender Krimi, ausgesprochen lesenswert. Ich hoffe sehr auf baldigen Nachschub in Form von Band 2 der Reihe!