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Veröffentlicht am 04.12.2018

Charmantes Jugendbuch mit cleveren Rätseln

Winterhaus
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Sowohl inhaltlich als auch optisch ist "Winterhaus" sehr liebevoll gemacht. Auf rund 400 Seiten wird hier eine spannende und magische Geschichte rund um die junge Heldin Elizabeth Somers erzählt, die nach ...

Sowohl inhaltlich als auch optisch ist "Winterhaus" sehr liebevoll gemacht. Auf rund 400 Seiten wird hier eine spannende und magische Geschichte rund um die junge Heldin Elizabeth Somers erzählt, die nach dem tragischen Tod ihrer Eltern im titelgebenden Hotel den gleichaltrigen Freddy trifft. Gemeinsam erleben die beiden aufregende Ferien und ein zauberhaftes Abenteuer.
Durch die vielen Rätsel, die im Laufe der Geschichte eingefügt sind, kann der jugendliche Leser mitraten und fühlt sich als Teil der Geschichte. Das ist wirklich super gemacht. Ich habe das Buch zusammen mit einem 11-Jährigen und einer 12-Jährigen gelesen und wir hatten gemeinsam viel Spaß mit der Geschichte und dem Raten. Die wunderschönen Illustrationen von Chloe Bristol runden das Buch perfekt ab.

Veröffentlicht am 15.11.2018

Nahöstliche Rezepte mit persönlicher Note

Ofirs Küche
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Sehr liebevoll zusammengestelltes Kochbuch mit 80 vegetarischen (und teils veganen) Rezepten aus der israelischen und palästinensischen Küche. Einerseits sind natürlich Klassiker wie Hummus, Tahini und ...

Sehr liebevoll zusammengestelltes Kochbuch mit 80 vegetarischen (und teils veganen) Rezepten aus der israelischen und palästinensischen Küche. Einerseits sind natürlich Klassiker wie Hummus, Tahini und Shakshuka enthalten, andererseits jedoch auch Gerichte, von denen ich noch nie gehört habe. Für einige Rezepte benötigt man besondere Zutaten wie bestimmte Gewürze, andere wiederum lassen sich mit wenigen gängigen Zutaten zubereiten. Da ich fertigen Blätterteig vorrätig hatte, habe ich zuerst Bureasim mit Käsefüllung ausprobiert. Ziemlich einfach und trotzdem sehr lecker. Die einzelnen Schritte sind leicht verständlich erklärt und lassen sich gut nachvollziehen.

Zudem gibt der Autor einen äußerst spannenden Einblick in sein eigenes (Koch-)Leben und das Leben seiner Familie, wodurch das Kochbuch sehr persönlich wirkt. Er scheint zu jedem Gericht eine Bindung oder Erinnerung zu haben. Dadurch vermittelt er sehr gekonnt die Lust darauf, die Gerichte nachzukochen. Richtig schöne Food-Bilder sowie Alltagsszenen aus Tel Aviv runden das Kochbuch gekonnt ab.

Veröffentlicht am 13.10.2018

Faszinierendes Portrait der komplexen Nachkriegszeit in Deutschland

Deutsches Haus
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Hinter dem eher unscheinbaren Titel und Cover verbirgt sich ein Roman von großer Ausdruckskraft. Nach einer halb durchgelesenen Nacht habe ich „Deutsches Haus“ gezwungenermaßen aus der Hand gelegt, aber ...

Hinter dem eher unscheinbaren Titel und Cover verbirgt sich ein Roman von großer Ausdruckskraft. Nach einer halb durchgelesenen Nacht habe ich „Deutsches Haus“ gezwungenermaßen aus der Hand gelegt, aber es am nächsten Tag gleich ausgelesen. Die Geschichte scheint nur so aus der Autorin herauszufließen, ohne dass sie dabei den moralischen Zeigefinger allzu deutlich erhebt. Zwar gehe ich den Roman als Leser mit einem großen Wissen rund um die Shoah und seine schleppende Aufklärung an, trotzdem gelingt es Annette Hess, das Grauen ohne übertriebene Dramatik schrittweise lebendig werden zu lassen. In Zeiten, in denen das Verharmlosen des Holocausts im rechten politischen Bereich immer gängiger wird ("Vogelschiss"), ist diese Geschichte trotz ihres historischen Charakters hochaktuell und enorm wichtig.

Die Wirtsfamilie Bruhns scheint in den 1960er Jahren ein ganz durchschnittliches bürgerliches Leben zu führen. Sie versucht ihren Lebensunterhalt mit ihrem Restaurant zu verdienen, kämpft mit alltäglichen Problemen und verdrängt die Vergangenheit. Als Tochter Eva, die als Dolmetscherin für Polnisch arbeitet, beim ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess übersetzen soll, bricht die scheinbare Idylle zusammen. Wie ein Großteil der Deutschen in der damaligen Zeit will Familie Bruhns nichts von dem Prozess wissen und versucht Eva davon zu überzeugen, den Job nicht anzunehmen. Die tut es trotzdem – und erwacht schockiert aus ihrer naiven Unwissenheit. Während des Prozesses, der die Geschehnisse im Vernichtungslager Auschwitz aufrollt, wird sie mit Tätern und Opfern und Mitläufern und unverständlicher Grausamkeit konfrontiert. Die Familie Bruhns wird hier als Mikrokosmos dargestellt, der symbolisch die wichtigsten und widersprüchlichsten Ansichten der Zeit vertritt. Es geht um Schuld und Scham, Mittäterschaft und Drang zum Verschweigen sowie um die Grenzen zwischen dem Ausführen von Befehlen und einem Verbrechen. Manche Stellen sind schwer zu ertragen, denn der Roman zeigt eindrucksvoll, wie der Holocaust auch 20 Jahre später noch Leben zerstörte. Besonders nachhaltig wirkt hier das Schicksal des Juden Otto Cohn. Einzig die Geschichte um Evas ältere Schwester fand ich überflüssig. Da kommt die Serien-Autorin durch, die auch für Nebenfiguren interessante B-Storylines schaffen möchte. Auch wenn dieser Handlungsstrang nichts Wichtiges zur Handlung beiträgt, schadet er ihr jedoch auch nicht. Am Ende hinterließ der Roman einen tiefen Eindruck bei mir.

Veröffentlicht am 22.09.2018

Faszinierend

Süßwasser
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Ein Großteil der Geschichte spielt sich im Geist der jungen Nigerianerin Ada ab. Trotzdem ist „Süßwasser“ unheimlich lebendig und clever und schockierend. In Adas Kopf haust nicht nur ihre eigentliche ...

Ein Großteil der Geschichte spielt sich im Geist der jungen Nigerianerin Ada ab. Trotzdem ist „Süßwasser“ unheimlich lebendig und clever und schockierend. In Adas Kopf haust nicht nur ihre eigentliche Persönlichkeit, sondern auch sogenannte Ọgbanje. Dem Aberglauben nach handelt es sich dabei um tote Seelen, die sich in einem menschlichen Körper einnisten. Adas Eltern lassen die Tochter früh im Stich. Schon als Kind erlebt sie Gewalt und sexuellen Missbrauch. Für diese dramatischen Momente versuchen die Ọgbanje zu kompensieren, indem sie auf tragische Weise die Kontrolle über Adas Körper übernehmen. Ada erinnert sich hinterher entweder gar nicht mehr daran, was ihr zugestoßen ist, oder sie nimmt die Geschehnisse beinahe so distanziert wahr, als wären sie einer Fremden passiert. Die Ọgbanje versuchen einerseits Ada vor den psychologischen Auswirkungen des Erlebten zu schützen, folgen aber andererseits selbst einer niederen Motivation und führen Ada immer wieder absichtlich in gefährliche Situationen. Der Roman ist eine Art Coming-of-Age-Story: Wird Ada, während sie im Laufe der Geschichte erwachsen wird, die vielen Teile ihrer Persönlichkeit akzeptieren oder daran zugrunde gehen?

Akwaeke Emezi erzählt „Süßwasser“ abwechselnd aus der Wir-Perspektive der Ọgbanje und der Ich-Perspektive einer Teilpersönlichkeit, die vor allem in sexuellen und gefährlichen Situationen zum Vorschein tritt und Ada lenkt. Ada selbst kommt dazwischen nur ganz kurz zu Wort. Das zeigt deutlich, dass sie keine richtige Kontrolle über ihr eigenes Leben hat. Der Wir-Erzähler spricht immer von „der Ada“, so als wäre sie ein Objekt, und beschreibt sie gnadenlos als „unsere kleine Fleischansammlung“ oder „einen Sack aus Haut“. Hier entsteht ein spannender Kontrast: Einerseits sind die Persönlichkeiten auf Adas menschlichen Körper angewiesen, um in dieser Welt existieren und handeln zu können. Andererseits haben sie keinen Respekt vor ihrem Körper und richten Ada physisch und psychisch zugrunde.

Ob man das Beschriebene nun als multiple Persönlichkeit oder als Ọgbanje bezeichnet, ist eigentlich egal. Auf beeindruckende Weise erkundet der Roman, was zu einer Identität gehört, welche Masken der Mensch trägt und wie er Erlebtes verarbeitet. Die psychologisch und emotional ausgefeilte Geschichte erzählt die Autorin mit ausdrucksstarken Metaphern, die sofort pulsierende Bilder im Kopf entstehen lassen. Emezis lustvoller, oft schonungsloser Umgang mit Sprache stürzt den Leser in einen faszinierenden Strudel aus Sinneseindrücken.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Spannender Post-Brexit-Thriller

Die Lieferantin
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Die Fronten in Zoë Becks aktuellem London-Thriller „Die Lieferantin“ sind von Anfang an klar definiert:

Auf der einen Seite stehen die alten Drogendealer, die klassische Unterwelt. Sie verkaufen ihre ...

Die Fronten in Zoë Becks aktuellem London-Thriller „Die Lieferantin“ sind von Anfang an klar definiert:

Auf der einen Seite stehen die alten Drogendealer, die klassische Unterwelt. Sie verkaufen ihre meist gestreckte) Ware vor allem auf der Straße. In ihrem Milieu herrscht Gewalt. Einschüchterung, Schutzgelderpressung und Auftragsmorde gehören zum Alltag.

Auf der anderen Seite steht Ellie Johnson, die online nur anonym als „die Lieferantin“ auftritt. Sie bringt den Drogenhandel ins Zeitalter der Digitalisierung. Wer ihre (hundertprozentig reine) Ware beziehen möchte, lockt sich ins Darknet ein, lädt sich anschließend ihre App herunter und erhält die Drogen per Drohne.

Diese beiden Seiten prallen im Buch auf spannende Weise aufeinander. Gleichzeitig schafft Zoë Beck einen interessanten politischen Hintergrund für ihren Thriller, in den sie die Rivalen einbettet: Wir befinden uns in der nahen Zukunft in einer Welt kurz nach dem Brexit. Wohnungskrise, ein schlechtes Gesundheitssystem und gewalttätige Ausschreitungen prägen Großbritannien. Die Regierung plant eine Verschärfung der Drogengesetze und will unter anderem die Unterstützung und Versorgung von Abhängigen beenden. Über diesen sogenannten Druxit soll das britische Volk demnächst in einem Referendum abstimmen.

Das gruslige an diesem fiktiven Szenario ist, dass ich mir ohne Probleme vorstellen kann, das es in der Realität passieren könnte. Zoë Beck hat das aktuell angespannte politische Klima sehr gut charakterisiert und treibt es auf die Spitze.

Die Lieferantin verbindet ihren Drogenverkauf mit sozialem Aktivismus, denn der Erlös finanziert zum Teil die Anti-Druxit-Kampagne. Es klingt paradox, dass der illegale Verkauf von Drogen die Legalisierung dieser erreichen soll. Diese Widersprüche machen den Thriller zu einem komplexen, gesellschaftskritischen Werk. Hier stehen sich nicht einfach nur Gut und Böse gegenüber, sondern vielschichtige Charaktere, die ihre eigene Agenda verfolgen.