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Veröffentlicht am 22.01.2019

Segelschiff voll Girlpower

Die drei Opale 1: Über das tiefe Meer
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Je länger man das sehr schön gestaltete Cover ansieht, desto mehr Details kann man rings um Mauseknochen entdecken, allesamt mit Bezug zum Inhalt des Buches. Es ist wie eine Einladung zum Lesen.

Mauseknochen ...

Je länger man das sehr schön gestaltete Cover ansieht, desto mehr Details kann man rings um Mauseknochen entdecken, allesamt mit Bezug zum Inhalt des Buches. Es ist wie eine Einladung zum Lesen.

Mauseknochen ist die weibliche Hauptfigur, die auf dem Segelschiff „Jägerin“ wohnt. Ihre Welt ist gekennzeichnet von Feindschaften unter den Stämmen. Machtgier heizt die düstere Stimmung an. Es ist dringend notwendig, Einigkeit wieder herzustellen.
Doch als ein neuer Steuermann die „Jägerin“ betritt, beschleicht Mauseknochen sofort ein blödes Gefühl.

Obwohl Mauseknochen noch auf der Suche nach ihrer Rolle in der Mannschaft ist, schließlich gibt es ja eine Prophezeiung, muss sie schon einige große Herausforderungen meistern und Prüfungen bestehen. Es freut mich, dass das Buch ganz deutlich dafür plädiert, dass auch Mädchen gewaltige Abenteuer bestehen können. Das Buch macht darüber hinaus klar, dass es im Leben ein gesundes Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen braucht, dass Menschen eine zweite Chance verdienen und dass man zusammen mehr erreicht als allein.

Die Charaktere im Buch haben besondere Fähigkeiten und jeweils phantastische Begleiter, die sie unterstützen. Es gibt schreckliche Ungeheuer, aber auch riesige, sanftmütige Wesen, die den Menschen zur Hilfe eilen.

Das Buch ist in drei Teile mit vielen kurzen Kapiteln gegliedert. Der erste Teil wird für die Einführung in die Geschichte verwendet und ist vermutlich deshalb bis auf die ersten paar Seiten noch nicht besonders spannend. Im zweiten Teil entstehen die zunächst unlösbar erscheinenden Aufgaben, die Mauseknochen zu lösen hat. Der dritte Teil war dann so spannend, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Fazit: „Über das tiefe Meer“ ist der lesenswerte Auftakt zur Trilogie „Die drei Opale“.
Die Altersempfehlung ab 12 Jahren empfinde ich als angemessen, wobei auch Erwachsene Mauseknochen bei ihren Abenteuern begleiten können. Beim nächsten Teil bin ich gern wieder mit dabei.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Schuld - Selbstbewusstsein - Liebe

Nackt über Berlin
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Jens Lamprecht, Rektor einer Privatschule, ist immer darauf bedacht, die Schule im rechten Licht erscheinen zu lassen. Dafür investiert er viel Zeit und Energie, dafür nutzt er Freunde, Kollegen und Schüler ...

Jens Lamprecht, Rektor einer Privatschule, ist immer darauf bedacht, die Schule im rechten Licht erscheinen zu lassen. Dafür investiert er viel Zeit und Energie, dafür nutzt er Freunde, Kollegen und Schüler aus, dafür ist er bereit die Wahrheit zu dehnen und umzudichten. Lange geht das Ganze gut, bis sich eine Schülerin in den Tod stürzt, die hoffnungslos in einen Lehrer der Schule verliebt ist. Mit seinem Beruf ist Jens Lamprecht so verheiratet, dass er seine Ehe verspielt.
Tai, Sohn vietnamesischer Einwanderer und Zeuge rechtsradikaler Grauentaten, findet Jens Lamprecht nach einem schweren Tag betrunken auf der Straße und filmt ihn. Was als lustige Blödelei im Rahmen eines für den Rektor peinlichen YouTube-Videos beginnt, eskaliert, nachdem Tai Jannik dazu gerufen hat und beide den Rektor nach Hause begleitet haben, zu einer Freiheitsberaubung, die ihresgleichen sucht.
Jannik, der etwas ängstliche, zurückhaltende und übergewichtige Fan von klassischer Musik, stolpert mehr oder weniger in die ganze Sache mit rein. Trotz seiner Schwierigkeiten Freunde an der neuen Schule zu finden, trifft er auf Tai, mit dem er regelmäßig die Pausen im Musikzimmer verbringt. Fasziniert von Tai, würde Jannik mit ihm durch jedes Abenteuer gehen und wird zum Mittäter.

So Hin- und Hergerissen die beiden Endpubertierenden bezüglich ihrer Sexualität oder bezüglich ihrer nächsten Schritte im Fall Lamprecht sind, so unterschiedlich setzt Axel Ranisch auch die Sprache ein. In Momenten, wo sich Jannik und Tai im Rahmen ihrer Taten gegenseitig hochschaukeln, kommt eine prollige, trotzige, respekt- und niveaulose Sprache zu Einsatz. Einerseits hat mich diese Ausdrucksweise erschreckt, andererseits musste ich in mich reisschmunzeln, weil die beiden sich dabei selbst gar nicht peinlich finden. Ist Jannik wegen ihrer gemeinsamen Taten am zweifeln, pegelt sich die Sprache auf ein normales, gut argumentiertes Niveau ein. Wenn Jannik über sein Lieblingsthema Musik spricht oder nachdenkt, gibt es nochmals eine Steigerung in der Sprache. In diesen Szenen bekommt sie einen poetischen Touch.

Bis auf einen kleinen Hänger in der Mitte des Buches kommt die Story spannend und interessant rüber. Mit all den Schwächen und Stärken, die Pubertierende so haben, sind Jannik und Tai sympathisch angelegte Charaktere. Da Tai sich zwischenzeitlich etwas rätselhaft verhält, was man erst am Ende des Buches nachvollziehen kann, ist für mich insgesamt Jannik der liebenswertere Charakter. Wer sich ein Bild von Jannik mach möchte, schaut sich am besten Bilder von Axel Ranisch an. Mindestens optisch verkörpert Axel Ranisch für mich 1:1 den Jannik.
Den Rektor Lamprecht empfand ich zunächst als rein rücksichtslosen Menschen, der seine gerechte Strafe bekommen muss. Im Verlauf wurde er immer bemitleidenswerter. Zum Ende des Buches nach dem „Reinigungsprozess“, steht die Seele Lamprecht quasi nackt da. Dadurch konnte sich dann sogar für ihn eine gewisse Sympathie aufbauen.
Für alle drei Hauptcharaktere gilt: Der erste Eindruck täuscht. Die ganze Wahrheit geben sie erst nach und nach preis.

Neben der eigentlichen Handlung stellt das Buch für mich auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem technischer Fortschritt dar. Ist er mehr Fluch als Segen? Voll automatisierte Häuser geben Hackern, die nicht einmal hochgradig spezialisiert sein müssen, die Möglichkeit, das Leben der Bewohner zu manipulieren, zu stören oder auch zu zerstören. Wenn genug kriminelle Energie vorhanden ist, kann einem sämtliche Lebensgrundlage entzogen werden. Man wird zum Gefangenen seiner eigenen Errungenschaften, eine gruselige Vorstellung.

Fazit: Mir hat das Buch gefallen, insbesondere die Entwicklung der drei Hauptcharaktere, sowie die verschiedenen Sprachebenen. Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Jeder kriegt, was er verdient.

Deichfürst
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Wer ist der Mann, dessen Schatten auf dem Buchdeckel zu sehen ist? Handelt es sich dabei um den überaus unbeliebten Deichfürsten, der nach einer seiner Schandtaten auf das beruhigende Auf und Ab der Wellen ...

Wer ist der Mann, dessen Schatten auf dem Buchdeckel zu sehen ist? Handelt es sich dabei um den überaus unbeliebten Deichfürsten, der nach einer seiner Schandtaten auf das beruhigende Auf und Ab der Wellen starrt. Oder ist es der Polizeihauptkommissar Stephan Möllenkamp, der nach gelöstem Fall noch etwas mit seiner neuen Heimat Ostfriesland hadert. Das Cover hat jedenfalls etwas Geheimnisvolles, das Lust macht, den Krimi aufzuschlagen und ihn zu lesen.

Die zwei Protagonisten, Polizeihauptkommissar Stephan Möllenkamp und die Lokalreporterin Gertrud Boekhoff, könnten aus meiner Sicht nicht gegensätzlicher sein. Er bedient sich neuester Methoden, um sich mit seinen Ermittlerkollegen auszutauschen, sie ist, wie ein Geheimagent schnüffelnd, auf der Jagd nach dem nächsten Artikel für ihr Lokalblatt. Er versucht sportlich und schlank zu bleiben, sie liebt ihr Feierabendbier und gutes Convenience Food. Obwohl sie sich oftmals bei ihren jeweiligen Ermittlungen gegenseitig behindern, gelingt es ihnen dann am Ende doch nur gemeinsam, den Fall zu lösen. Neben der ewigen Kabbelei zwischen Polizeihauptkommissar und Lokalreporterin ist auch das Untergraben der eigenen Autorität durch das Erscheinungsbild der Ermittlerkollegen sehr amüsant, zum Beispiel, wenn auffällig bedruckte Krawatten getragen werden oder wenn mit einem undichten Cabrio zur potentiellen Verhaftung des Täters gefahren wird. Die Vergesslichkeit der Ermittler und der Umgang mit den weiblichen Kollegen bringen weitere Komik mit sich.

Der Krimi ist spannend und zugleich witzig erzählt. Der Schreibstil lässt einen schönen Lesefluss zu. Die plattdeutschen Statements der Einwohner geben ostfriesische Authentizität. Gut gefallen hat mir auch der zweite Handlungsstrang. Als Leser war man so immer etwas dichter an der Lösung des Falls dran als die eigentlichen Ermittler.

Was für mich nicht so richtig in das Bild passt, sind die Speisen, die zum Weiberwochenende aufgetischt wurden. Ende der 90er gab es in meiner Wahrnehmung zwar vereinzelte Vegetarier, aber der Ernährungshype mit solch kreativen Speisen ist doch eher in den letzten 5 Jahren aufgekommen.

Trotzdem kann ich den vorliegenden Krimi uneingeschränkt weiterempfehlen.
Sollten Möllenkamp und Boekhoff bei weiteren Fällen ermitteln, wäre ich gern wieder mit dabei.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Ganz anders als ich dachte, aber so schön

Fünf Tage im Mai
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Liebhaber von altem Handwerk oder Freunde des Ursprünglichen und Natürlichen werden die Optik dieses Romans mögen. Der Schutzumschlag wirkt, als hätte jemand die Tiroler Bergwelt auf ein gehobeltes Brett ...

Liebhaber von altem Handwerk oder Freunde des Ursprünglichen und Natürlichen werden die Optik dieses Romans mögen. Der Schutzumschlag wirkt, als hätte jemand die Tiroler Bergwelt auf ein gehobeltes Brett skizziert und dann den Titel aufgestempelt. Nimmt man den Umschlag ab, hält man ein schön gemasertes Brett in den Händen. Ich finde die Aufmachung sehr ansprechend.

Inhaltlich war der Roman ganz anders aufgebaut als ich gedacht hatte. Ich war davon ausgegangen, dass die Protagonistin in Erinnerungen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen im Mai schwelgt. Weit gefehlt, die Ich-Erzählerin greift fünf besondere Tage im Mai aus unterschiedlichen Lebensjahren für ihre Geschichte auf. Die Lücken dazwischen werden bewusst ausgelassen, können durch den Leser gedanklich ausgefüllt werden. Kleine Rückblicksequenzen sorgen für ein gutes Verständnis.

Für mich war Illys Aufwachsen und Erwachsenwerden auch ein Eintauchen in eigene Erinnerungen, mit aus Elternsicht merkwürdigen Freunden, modischen Aussetzern und phasenweise „Bocklosigkeit“. Ich mochte Illy wirklich gern. Sie ist nicht annähernd perfekt, hat ein Händchen für Fettnäpfchen, also ein ganz normales „Pubertier“. Insbesondere die Beziehung zu ihrem Urgroßvater Tat‘ka habe ich als etwas Wunderbares empfunden. Sie verstehen sich auch ohne Worte, geben einander Geborgenheit, müssen sich die Unzulänglichkeiten des jeweils anderen nicht vorhalten. Somit hat sich die zu Beginn durchschnittliche Geschichte mit jedem Kapitel gesteigert. Zum Ende hin hatte ich mit Tränen zu kämpfen, weil da so viel Zuneigung und Liebe zwischen den beiden zu spüren war.

Etwas irritiert haben mich die Zeitangaben. 1986 hatte Illy Erstkommunion, zwölf Jahre später, 1998, war sie dann in der 7. Klasse am Gymnasium. Ich gehe davon aus, dass in Tirol die Einteilung der Klassen einfach anders gezählt wird als ich es kenne. Komisch kam mir auch vor, dass Illy als Tochter von Geschäftsleuten 2004 noch einen Walkman mit Kassette benutzt.

Insgesamt hat es mir „Fünf Tage im Mai“ gut gefallen, starke Gefühle ohne Kitsch. Ich empfehle den Roman gern weiter, insbesondere den in den 1980ern Geborenen.

Veröffentlicht am 29.11.2018

(Selbst-)Mord im Spukhaus?

Mörderische Renovierung
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Das Cover ist ein Hingucker für jeden Hobby-Verschwörungstheoretiker. In Schwarz und Weiß gehalten, zeigt es Axton House in einer übertriebenen Tiefe, aus einer ganz unwirklichen Perspektive. Über Allem ...

Das Cover ist ein Hingucker für jeden Hobby-Verschwörungstheoretiker. In Schwarz und Weiß gehalten, zeigt es Axton House in einer übertriebenen Tiefe, aus einer ganz unwirklichen Perspektive. Über Allem prangt ein riesiges Auge, das dem Betrachter in die Seele zu schauen scheint. Römische Ziffern von eins bis zwanzig umranden das Auge, geheimnisvolle, englischsprachige Begriffe wie the oracle, the monster, the wizzard und the nobleman rahmen das Buch ein. Für mich hatte schon das Cover so viel Anziehungskraft, dass ich „Mörderische Renovierung“ unbedingt lesen wollte.

A., dessen vollständiger Name nicht erwähnt wurde, und Niamh, katholische, stumme Punkerin mit immer wieder neuen, abgefahrenen Frisuren, verlassen Europa, um in Point Bless, Virginia, das Axton House zu beziehen. Axton House wurde A. von seinem Cousin vierten Grades, Ambrose Wells, zusammen mit einem ansehnlichen Geldvermögen vermacht. Doch es handelt sich nicht nur um ein Herrenhaus vom Feinsten, im Axton House soll es spuken. Schon nach kurzer Zeit gibt es erste paranormale Erscheinungen. Dazu kommen die Geschichten der Kleinstadtbewohner über geheime jährliche Treffen. Also fangen A. und Niamh an, das Rätsel um Axton House zu lösen. Bewundernswert sind dabei der unermüdliche Ehrgeiz der beiden, ihre Unerschrockenheit und ihre Steh-auf-Männchen-Natur.

Neu war für mich die Konstruktion des Romans. Nicht ein Prosatext erzählt die ganze Geschichte, nein, sie entsteht aus verschiedensten Puzzleteilen wie Tagebucheinträgen von A., Briefen an eine zunächst ominöse Tante Liza, Gesprächsnotizen, die Niamh zur Verständigung macht. Später kommen noch Ton- und Kameraaufzeichnungen, sowie Traumjournale und scheinbar wissenschaftliche Abhandlungen dazu. Aus alldem entsteht ein fantastischer Roman, der aus meiner Sicht zwar mit Aufmerksamkeit gelesen werden muss, aber trotzdem sehr gut verständlich ist. Ich fühlte mich beim Lesen ein bisschen wie ein Forensiker, der aus Hinweisen einen Tathergang rekonstruiert.

Besonders gut haben mir die escape-room-ähnlichen, stufenweise zu lösenden Rätsel, sowie der Ausflug in die Kryptographie gefallen. Schön fand ich darüberhinaus den unterschwelligen Witz des Romans, der immer wieder gekonnt platziert wird, z. B. als Niamh beim Besuch der Brodies das Tischgebet „spricht“ (S. 101) oder dass der Menschen kreuzende und züchtende Axton charles hieß (S. 104).
Zwei Dinge sind allerdings kritikwürdig, der nach meinem Geschmack nicht passende Titel und das Ende, was mir persönlich zu schnell kam. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit den Geheimnissen von Axton House hätte ich mir auch mehr Raum für die Wendung und das Ende gewünscht.

Fazit: Insgesamt hat mir „Mörderische Renovierung“ gut gefallen. Daher kann ich Edgar Canteros Roman ohne Bedenken weiterempfehlen, insbesondere allen experimentierfreudigen Leser, die gern auch mal etwas Neues ausprobieren.