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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2019

Gute Taten. Ob es dir gefällt oder nicht.

Böse Jungs (Band 1)
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„Anschnallen und Festhalten für das coolste und lustigste Abenteuer aller Zeiten!“

Mr Wolf, Mr Shark, Mr Piranha und Mr Snake sind böse Jungs. Allerdings missverstandene böse Jungs, die mit ihrem Image ...

„Anschnallen und Festhalten für das coolste und lustigste Abenteuer aller Zeiten!“

Mr Wolf, Mr Shark, Mr Piranha und Mr Snake sind böse Jungs. Allerdings missverstandene böse Jungs, die mit ihrem Image aufräumen wollen. Na, zumindest einer von ihnen - Mr Wolf - ist hochmotiviert, allen anderen zu beweisen, dass er und seine Kumpels gar nicht böse sind. Also sucht er nach einer Gelegenheit, um zeigen zu können, dass sie alle nur Gutes tun wollen. Das ist aber gar nicht so einfach, zumal seine Truppe ein wenig träge ist und häufig in alte Muster zurückfällt.

Dieser Comic ist wunderbar schräg. Er kommt mit schwarzweißen Zeichnungen aus, die richtig cool und witzig sind. Genau wie die Story. Hier ist nichts kitschig.
Der Wolf spricht uns Leser direkt an und führt uns durch die Geschichte. Auch versucht er die Dinge schnell für uns zurecht zu biegen, wenn sich mal wieder die Zeichen verdichten, dass es sich bei ihm und seinen Leuten vielleicht doch um böse Jungs handeln könnte.

Die Story kann meiner Meinung nach eine recht große Zielgruppe bedienen. Nicht nur Erstleser werden auf ihre Kosten kommen, sondern den Kleinen kann es auch vorgelesen werden. Wenn man als Vorleser auf die jeweils sprechende Figur zeigt, macht es auch für die Kleinsten großen Spaß. Wir haben zumindest unsere Freude an diesem Buch, immer wieder.

„Gute Taten.
Ob es dir gefällt
oder nicht.“

Veröffentlicht am 01.02.2019

Fantasievolle Geschichte

Rotzhase & Schnarchnase - Ein Wicht vor Gericht
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Da fiel Hase noch etwas ein.
ES TUT MIR LEID, DASS ICH DICH ANGESCHRIEEN HABE!“, schrie er.
Grünspecht kam geflogen.
„Schon gut, gut, gut!“, sagte sie. „Ich war in deinem Bau und habe deinen Lieblingssessel ...

Da fiel Hase noch etwas ein.
ES TUT MIR LEID, DASS ICH DICH ANGESCHRIEEN HABE!“, schrie er.
Grünspecht kam geflogen.
„Schon gut, gut, gut!“, sagte sie. „Ich war in deinem Bau und habe deinen Lieblingssessel vollgekackt, jetzt geht’s mir besser.“ (77)

Eines Tages finden Hase und Bär eine kleine verunfallte Eule. Hase ist sich sicher, dass Eulen schreckliche Tiere sind und spinnt fantasievollste Horrorszenarien über sie zusammen, die all die anderen Tiere verschrecken.
Erst als sie mit der Eule reden, stellen sie fest, dass Hase sich wohl geirrt haben muss. Was auf eine Eule möglicherweise zutrifft, gilt wohl längst nicht für alle…

Die Geschichte um den forschen Hasen und seine Weggefährten ist humorvoll und lehrreich erzählt.
Und auch die Illustrationen sind ganz wunderbar. Schlicht, lustig und auch hübsch.
Es geht um Vorurteile, die vorschnell und lautstark verkündet werden. Und es geht darum, wie all die anderen diesem Urteil unkritisch glauben.
Erst das Gespräch mit dem süßen kleinen Eulchen selbst öffnet den anderen Tieren die Augen: Na sowas, so groß und schrecklich ist sie ja gar nicht!

Ich finde dieses Buch ganz zauberhaft. Es bietet genau die richtige und fantasievolle Mischung: Es ist frech und lustig, aber auch ernst und lehrreich.

Veröffentlicht am 01.02.2019

Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben. (Oscar Wilde)

Lotti und Otto (Band 1)
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"Ab sofort darf jedes Kind Räuberhöhlen bauen und sie mit Blumengirlanden dekorieren, Blubberfische angeln und Puppenkleider nähen, auf Bäume klettern, sich gegenseitig Geschichten erzählen und Monstertorten ...

"Ab sofort darf jedes Kind Räuberhöhlen bauen und sie mit Blumengirlanden dekorieren, Blubberfische angeln und Puppenkleider nähen, auf Bäume klettern, sich gegenseitig Geschichten erzählen und Monstertorten mit Zuckerkringeln backen. Ganz egal, ob Junge oder Mädchen."

Die Otter Lotti und Otto treffen sich im Ferienlager und stellen fest, dass sie gleich aussehen. Da sie beide keine Lust auf die von den Erwachsenen vorgegebenen Beschäftigungen haben (Jungs angeln, Mädchen dekorieren), tauschen sie heimlich die Mützchen und schon dürfen sie das jeweils andere machen.

Für Kinder im Bilderbuchalter ist das Thema der Geschlechterrollen noch weitestgehend irrelevant. Zumindest interessieren sie sich selbst noch nicht explizit dafür. Doch die Erwachsenen kommen oftmals mit sehr festgefahrenen Ideen und Stereotypen daher und behandeln auch die Kleinsten schon entsprechend. Die wiederum übernehmen es für ihre Selbstidentität und ihr Verständnis von der Welt.

Das Typisch-Junge-typisch-Mädchen-Denken führt dazu, dass Rollenbilder weiterbestehen, die längst überholt sind und den Menschen in seiner Selbstentfaltung und Freiheit einschränken. Schon die Kleinsten sollten wissen: Sei du selbst und lass dich nicht durch Schubladendenken und Rollenklischees einengen. Die Erwachsenen, die so etwas wichtig finden, lassen sich übrigens schon von einem Mützchen in die Irre leiten, das nicht dem Rosa=Mädchen/Blau=Junge Schema entspricht. Wer möchte bitte so blind durchs Leben gehen?

Die Aussage des Buches finde ich also sehr wichtig und schon deshalb gefällt es mir. Die Geschichte um Lotti und Otto ist spannend für Kinder. Die Sprache ist kindgerecht und witzig. Story und Sprache sind aber nicht so ausnehmend gut, dass sie mir fünf Sterne wert wären.

Was wiederum die fünf Sterne rechtfertigt, sind die hübschen Illustrationen von Carola Sieverding. Niedlich, detailliert, zart. Wirklich ganz toll bebildert.
Die Autorin bekommt die volle Punktzahl dafür, dass sie sich einem wichtigen Thema annimmt und die Idee zum Buch geliefert hat.

Veröffentlicht am 01.02.2019

Na warte, Langeweile, ich werd’s dir zeigen

Ein Affe an der Angel
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"So konnte es nicht weitergehen! 'Na warte, Langeweile, ich werd’s dir zeigen', schimpfte Darko jetzt laut und stellte sich auf den Kopf. Im Kopfstand kamen ihm immer die besten Einfälle." (14)

Ein verregneter ...

"So konnte es nicht weitergehen! 'Na warte, Langeweile, ich werd’s dir zeigen', schimpfte Darko jetzt laut und stellte sich auf den Kopf. Im Kopfstand kamen ihm immer die besten Einfälle." (14)

Ein verregneter Tag, Warten im Stau oder Wartezimmer? Da kann einem schon mal so richtig langweilig werden, vor allem als Kind. Doch Darko weiß sich stets zu helfen: Sobald er sein Tierlexikon aufschlägt, erlebt er aufregende Fantasiereisen.

Darko ist nämlich "Tierforscher und Fachmann für Abenteuer". Stets dabei, wenn er im Einsatz gegen die Langeweile ist: Seine wandelbare Multifunktionswendeweste, gefüllt mit ultimativ wichtigen Dingen, deren skurrile Aufzählung teil der besonderen Erzählweise dieses Buches ist.

Seinem Tierlexikon entspringen aber nicht einfach nur ganz normale Tiere. Nein, es sind meist sehr spezielle Tierarten, über deren Lebensweise und Charakteristika Darko hin und wieder Informationen beisteuert. Zudem legen die Tiere stets lustige und besondere Marotten an den Tag. Da ist der müde Ameisenbär, der immer gleich nach Kaffee oder Cola fragt, der Brüllaffe, der sich für einen Löwen hält, der neugierige Brillenpelikan und der umweltbewusste und gerechtigkeitsliebende Elefant.

Story und Charaktere sind in diesem Buch sehr fantasievoll und nicht so überkorrekt, wie es heutzutage meist zu sein hat. Ich habe dieses Buch meinem dreijährigen Sohn vorgelesen, der die Gedankenreise viel schneller und unverkopfter mitgemacht hat als ich. Während ich noch erklärte, war er schon längst auf der spannenden Expedition durch langweilige Alltagssituationen. Besonders faszinierend für den jungen Zuhörer sind in diesem Buch die Wortneuschöpfungen, die besonderen Tiere und natürlich die Zeichnungen.

Die Illustrationen gefallen mir übrigens sehr gut. Sie sind sehr unkitschig, abenteuerlich und interessant. Die Figuren haben unterschiedliche Gesichtsausdrücke, was bei Bilderbüchern für kleinere Kinder oftmals vernachlässigt wird. Hier guckt auch mal jemand grummelig, entschlossen, gelangweilt…

An dieser Stelle möchte ich allerdings einen Fehler bemängeln, der kleinen Bücherwürmern sofort ins Auge fällt: Die im Text als gelb beschriebenen Gummistiefel sind orangerot gezeichnet. Was mir außerdem nicht gefällt sind die Titel. Die finde ich irgendwie ziemlich blöd: "Fang!", "Marsch!", "Klopf!".

Das sind allerdings nur Kleinigkeiten. Insgesamt mögen wir dieses Buch sehr. Es mag für eine ältere Zielgruppe gedacht sein (erstes Selbstlesealter), aber wir erleben damit eine sehr abenteuerliche und intensive Vorlesezeit.

Es regt zum Spiel mit der Sprache und zu Gedankenreisen an und macht Lust, selbst ein kleiner, Lexikon wälzender Forscher zu werden.

Veröffentlicht am 09.07.2018

Das Buch der Unruhe

Die Unruhigen
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"So ist die Liebe. Sie sitzt auf der braungebeizten Bank, und jemand hat gesagt, so ist die Liebe." (10%)

Linn Ullmann, eine der besten Autorinnen unserer Zeit, schreibt ein Buch über ihre Familie. Keine ...

"So ist die Liebe. Sie sitzt auf der braungebeizten Bank, und jemand hat gesagt, so ist die Liebe." (10%)

Linn Ullmann, eine der besten Autorinnen unserer Zeit, schreibt ein Buch über ihre Familie. Keine Autobiografie wie man sie kennt. Das Sachlich-Wahre verschwimmt durch die poetische Sprache und die faszinierenden Erzählperspektiven zu einer Art Roman. Aber um Fiktion handelt es sich auch nicht; schreibt sie doch über ihre berühmten Eltern.

Von ihrer Kindheit, über ihr (von den Eltern) unabhängiges Leben als erwachsene Frau bis hin zum Sterben ihres Vaters, umspannt das Buch weite Teile ihres Lebens. Und doch bleibt ihr Vater Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, und somit auch gefühlt der Mittelpunkt ihres Lebens.
Geplant war ein gemeinsames Buch mit dem Vater, zu dessen Zweck sie ihn befragen und auf Tonband aufnehmen wollte. Vater und Tochter starten dieses Projekt aber so spät, dass der alte Bergman nur noch kurze Zeit zu leben haben soll und geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist.

"Was schreibt Pessoa in Das Buch der Unruhe? Ich war früh aufgestanden und hatte viel Zeit darauf verwandt, mich darauf vorzubereiten zu existieren. Ab und zu, früher, tauchte Pessoa in den Gesprächen auf, wenn wir unser Buch planten – konnten wir möglicherweise Pessoas Titel stibitzen oder verdrehen, oder war das bloß gekünstelt, wir durften nicht zu gekünstelt werden, die Kunst besteht darin zu wissen, wo die Grenze zum Gekünstelten verläuft, aber als Arbeitstitel ging es in Ordnung, vielleicht konnten wir ja einen anderen Titel finden, wenn wir fertig und bereit waren, das Buch zu veröffentlichen, aber dann vergaß er Pessoa." (19%)

Einige Jahre nach dem Tod ihres Vaters findet Linn Ullmann die Kraft, sich mit den Tonbandaufnahmen literarisch auseinander zu setzen. So werden das gescheiterte gemeinsame Projekt und die scheinbar dürftige Materialgrundlage zu etwas ganz Besonderem.
Für die Tochter, aber auch für den Leser.
Denn Ullmann zaubert daraus ein so beeindruckendes, eindrückliches Buch, wie ich es selten gelesen habe. Ein Buch über die Liebe, über Familie, über eine zerbrechliche Mutter und einen übermächtigen Vater.

"Und ich denke nicht, dass das eine Geschichte ist über Eltern, die ihr Kind vernachlässigen." (https://www.deutschlandfunkkultur.de/linn-ullmann-ueber-ihr-buch-die-unruhigen-ich-wollte-ueber.1270.de.html?dram:article_id=420093)