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Veröffentlicht am 04.02.2019

Die Krähe lässt sich nicht die Flügel stutzen.

Blinde Rache
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„Blinde Rache“ von Leo Born bildet den Auftakt zu einer Thrillerserie rund um die unkonventionelle Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky. Das Taschenbuch ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen ...

„Blinde Rache“ von Leo Born bildet den Auftakt zu einer Thrillerserie rund um die unkonventionelle Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky. Das Taschenbuch ist im Dezember 2018 bei Bastei Lübbe erschienen und umfasst 464 Seiten.
Mara Billinsky arbeitet nach längerer Abwesenheit wieder in ihrer Heimatstadt Frankfurt. Durch ihr Auftreten und ihr Verhalten stößt sie bei ihren Kollegen auf Unverständnis: Mit Tattoos, Piercings, schwarzem Outfit und Sarkasmus eckt sie immer wieder an. Schnell hat sie ihren Spitznamen weg: die Krähe. Wen wundert es da, dass ihr eine fast unlösbare Aufgabe gestellt wird? Sie wird mit der Klärung eines schrecklichen Mordfalls im kroatischen Verbrechermilieu beauftragt. Doch bald schon liegt der Verdacht nahe, bei diesem Verbrechen handele es sich um den Auftakt zu einer Mordserie. Als sie bei ihren Ermittlungen auf der Stelle tritt und immer wieder aneckt, wird ihr der Fall schließlich entzogen. Doch das hindert sie nicht daran, auf eigene Faust weiter zu ermitteln.
Der Thriller beginnt gleich spannend mit der Schilderung eines Folter- und Mordverbrechens. Unwillkürlich fragt man sich beim Lesen, wer wohl dahinterstecken und was wohl das Motiv zu diesem grausamen Verbrechen sein mag. Wie von einem Thriller, der im Milieu der Banden- bzw. organisierten Kriminalität spielt, nicht anders zu erwarten, geht es auch im weiteren Verlauf eher brutal zu. Die Foltermethoden haben es wirklich in sich. Dennoch dominiert während des Lesens die Spannung, voyeuristische Elemente werden vom Autor gemieden; beim Lesen zermartert man sich unwillkürlich das Hirn, um auf eine Lösung zu kommen. Das Ende des Romans hat es dann endgültig in sich: Nach einer überraschenden Wendung und einem nervenzerreißenden Showdown werden die Morde zwar aufgeklärt, aber den Leser/innen stellen sich einige moralische Fragen. Auch wenn die Mordopfer sehr unangenehme Zeitgenossen waren, bleibt die Frage nach den Grenzen sowie dem Recht und Unrecht der (Selbst-)Justiz.
Neben der eigentlich zentralen Mordserie spielen noch zwei weitere Verbrechen eine Rolle, die teils aber nicht endgültig geklärt werden. Dieses animiert die Lesenden, sich auf weitere Bände dieser Serie zu freuen. Gleiches gilt für die abschließende Offenlegung von Maras Schicksal.
Immer wieder richtet der Autor den Blick auf die Schattenseiten unserer Gesellschaft, wenn er z.B. Einblicke in Hannos Jugendzentrum und das Schicksal der dortigen Jugendlichen gewährt oder das Thema „(Zwangs-)Prostitution“ thematisiert.
Borns Sprache und Stil sind flott und flüssig zu lesen. Perspektivwechsel und an passenden Stellen eingefügte fragmentarische, kurze Sätze verleihen dem Lesen Tempo; Gleiches gilt für die eher kurzen Kapitel, die oft mit einem Cliffhanger enden. So mag man beim Lesen das Buch kaum zur Seite legen. Besonders gut ist es dem Autor gelungen, die dunkle Seite der Bankenmetropole Frankfurt darzustellen. Auch dieses sorgt für eine Aufrechterhaltung des Spannungsbogens und zugleich für eine bedrückende Atmosphäre.
Mara Billinsky ist bestimmt ein streitbarer Charakter, jedoch erfährt man beim Lesen immer wieder häppchenweise Details aus ihrer Vergangenheit, die es nachvollziehbar machen, wieso sie so ist, wie sie ist, nämlich eine Einzelgängerin, die wenig Wert darauf zu legen scheint, wie sie bei anderen ankommt. Sie ist aber dennoch, wie auch die anderen Charaktere, vielschichtig gezeichnet, was mir persönlich sehr gut gefällt. Einblicke in die Psyche der Handlungsträger erleichtern eine Identifikation mit denselben, Selbstreflexionen derselben lassen sie wandelbar und entwicklungsfähig erscheinen. Dieses gilt vor allem auch für Maras Partner Jan Rosen.
Insgesamt legt Leon Born mit „Blinde Rache“ einen äußerst spannenden, teils bedrückend und stets rasant zu lesenden ersten Teil einer Thrillerreihe vor, den ich selbst am liebsten in einem Rutsch durchgelesen hätte. Auf jeden Fall hat mich das Buch neugierig auf die Nachfolgebände gemacht, denen ich mich bei Gelegenheit ebenfalls widmen werde. Ich kann diesen Thriller allen Freund/innen der deutschen Thrillerliteratur nur wärmstens empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Spannung
  • Geschichte
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 06.01.2019

ReMIT macht Jagd auf den Wedding Killer

Rachgier
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Zum zehnten Mal ermitteln Carol Jordan und Tony Hill in einem neuen Team gemeinsam mit vielen altbekannten Gesichtern in „Rachgier“ von Val McDermid. Der Thriller kam im September 2018 bei Knaur heraus ...

Zum zehnten Mal ermitteln Carol Jordan und Tony Hill in einem neuen Team gemeinsam mit vielen altbekannten Gesichtern in „Rachgier“ von Val McDermid. Der Thriller kam im September 2018 bei Knaur heraus und umfasst 480 Seiten.
Der Wedding Killer ist unterwegs. Er sucht sich seine Opfer unter einsamen Frauen auf Hochzeiten und verbrennt sie, nachdem er ihr Vertrauen erschlichen hat, samt Auto bis zu Unkenntlichkeit. Dieser komplizierte Fall wird natürlich Carol Jordan, Tony Hill und ihrem Team übertragen, das allerdings an mehreren Fronten zu kämpfen hat, denn nicht alle gönnen dem neu gegründeten ReMIT einen Erfolg.
Um es vorweg zu sagen: Der Thriller gleicht eher einem Krimi, stehen doch die Mordermittlungen im Mittelpunkt. Dieses tut der Spannung jedoch keinen Abbruch, und die Grenzen zwischen diesen beiden Genres sind bekanntermaßen fließend.
Das Buch ist von der ersten Seite an spannend geschrieben, und der Spannungsbogen steigt bis zum Ende stetig an. Auch wenn mich gegen Ende Carols Gedankengänge sehr irritierten und sie fast von mangelnder Professionalität seitens der Ermittlerin zeugen, fand ich den Schluss an sich überraschend und sowohl brillant als auch tragisch. Hier hat McDermid erneut bewiesen, dass sie ihr Handwerk wirklich versteht und die Lesenden überraschen kann.
Der Roman selbst umfasst mehrere Erzählstränge. Neben dem eigentlichen Mordfall haben Carol und Tony sowohl auf beruflicher als auch auf privater Ebene ihre Kämpfe auszutragen, und auch unter ihren Teammitgliedern gibt es einige, die nebenbei mit der Lösung eigener Probleme beschäftigt sind. Dieses hat zur Folge, dass die Erzählung immer wieder vom eigentlichen Kriminalfall abweicht, was aber dem Spannungsaufbau nicht schadet. Genau im Gegenteil: Dadurch bekommt der eigentlich der Unterhaltung dienende Roman neue thematische Impulse, hier z.B. die Kritik am Umgang mit dem Internet, insbes. den Social Media, die Denkanreize bieten. Auch das mehrmalige Rückgreifen auf ältere Fälle behindert das Verstehen nicht.
Die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen der Thriller erzählt wird, sind ebenfalls sehr reizvoll. Neben den einzelnen Ermittlungsbeschreibungen erfolgt immer wieder ein Wechsel zur Perspektive des Mörders. Hier erfährt man nach und nach, welche Motive der Täter hat, sodass man sich beim Lesen in dessen Psyche hineinversetzen kann und dem Ermittlungsteam in weiten Phasen an Wissen voraus ist. Sehr interessant und überzeugend fand ich die immer wieder eingeblendeten Gedanken von Tony Hill, es also nachzuvollziehen, wie er an den Fall herangeht.
Die Charaktere sind detailliert und realitätsnah beschrieben, weshalb es leichtfällt, sich mit ihnen zu identifizieren. Selbstzweifel, von denen einige Ermittler/innen immer wieder heimgesucht werden, lassen die fiktiven Figuren menschlich erscheinen. Lediglich die Intrigantin Penny Burgess war mir von Anfang an unsympathisch, was mir die Identifikation erschwerte.
McDermids Sprache ist schnörkellos und flott zu lesen, es fehlt auch nicht an humoristischen Elementen. Dass die Autorin gewandt mit Sprache umgehen kann und gut recherchiert hat, kann man Begriffen wie „kathartische Tat“ und ähnlichem entnehmen.
Insgesamt handelt es sich bei „Rachgier“ um einen spannend und hervorragend geschriebenen Roman, der Leserinnen und Leser von der ersten bis zu letzten Seite in seinen Bann zieht, durch gut Recherche und sprachliches Knowhow glänzt. Ein Buch, das ich allen Thriller- und Krimileser/innen einfach nur ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 02.01.2019

Das wenig appetitliche Geschäft mit dem Kakao – spannend und gekonnt in Szene gesetzt. Für mich ein klares Lesemuss.

Bittere Schokolade
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Wir wollen alles – und das sofort, billig und aus aller Herren Länder. Nur ab und zu meldet sich unser schlechtes Gewissen. Den Konsequenzen dieser Konsumentenmentalität kommt Tom Hillenbrand auf spannende ...

Wir wollen alles – und das sofort, billig und aus aller Herren Länder. Nur ab und zu meldet sich unser schlechtes Gewissen. Den Konsequenzen dieser Konsumentenmentalität kommt Tom Hillenbrand auf spannende und informative Weise auf die Spur.
In „Bittere Schokolade“ ermittelt Xavier Kieffer nun schon zum sechsten Mal im kulinarischen Milieu. Der Kriminalroman ist im November 2018 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und umfasst 480 Seiten.
Als der luxemburgische Koch Xavier Kieffer nach vielen Jahren seine ehemalige Freundin wiedertrifft, engagiert diese sich inzwischen als Pattiseurin für sozial verträglichen Kakao- bzw. Schokoladenanbau und –handel. Doch kurze Zeit darauf wird sie vor seinen Augen niedergeschossen; für Kieffer natürlich ein Grund, auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei führen seine Ermittlungen tief in den Dschungel des alles andere als koscheren Kakao- und Schokoladengeschäfts.
Hillenbrands Roman überzeugt nicht in erster Linie durch seine durchgängige kriminalistische Spannung im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr durch seine nicht weniger dramatische Thematik. Zwar stößt man beim Lesen immer wieder auf äußerst spannungsgeladene Passagen, wenn Kieffer z.B. in einer Hauruckaktion seine eigenen Nachforschungen auf der afrikanischen Kakaoplantage von Varanga anstellt oder in einem fulminanten Showdown Verbrechern gegenübersteht, doch ist das eigentlich Ungeheuerliche der Einblick in das spekulative Geschäft mit dem Kakaoanbau, der sich bestimmt auf beliebig viele Branchen übertragen lässt und zum Nachdenken anregen sollte – ein Thema, das mich persönlich schon lange beschäftigt. Dabei ist die Handlung von Anfang bis Ende logisch aufgebaut, lässt es aber dennoch nicht an Überraschungsmomenten missen.
Weitere gesellschaftskritische Themen, die in diesem Roman angesprochen werden, sind das Hofieren des Essens, wenn Kieffer auf seine Hausmannskost setzt, die Dominanz der digitalen Medien, wenn z.B. Valéries Verlag am Rande des Ruins steht, und eine immer wieder einfließende Kritik an der Europapolitik, hier personifiziert in Kieffers Freund Pekka Vatanen. Nicht zuletzt erhalten Leser/innen einen liebevollen Einblick in luxemburgische Besonderheiten.
Sehr gut gefallen haben mir Hillenbrands Sprache und Stil. Die Sprache ist eine angenehme Mischung aus Anspruch, wenn z.B. Begriffe wie „quichottenhaft“ verwendet werden, und Flapsigkeit. Auch das Luxemburgische kommt nicht zu kurz, und typische Gerichte werden am Ende in einem Glossar erklärt - alles in allem abwechslungsreich, gut und flüssig zu lesen. Ist das Thema des Buches an sich auch ernst zu nehmen, fehlt es dennoch nicht an einer klug eingestreuten Prise Humor: „Kieffer wollte nicht selten abstürzen, sondern überhaupt nicht.“
Dieses ist der erste der kulinarischen Krimis, die ich gelesen habe. Und ich muss festhalten: Mit Xavier Kieffer hat Tom Hillenbrand einen mir wirklich sympathischen Protagonisten geschaffen – nicht mehr der Jüngste, Kettenraucher und in mancherlei Hinsicht herrlich unbedarft spontan (Wer reist schon so völlig unvorbereitet in den Kongo?), kommt er auf unorthodoxe Weise doch ans Ziel. Auch alle anderen Charaktere sind wandelbar, detailliert und sorgfältig gezeichnet.
Der Titel ist Programm, das Cover für alle Schokoladenfans eine Augenweide: Wer träumt nicht von diesem cremigen Genuss? Mir jedenfalls läuft – trotz des weniger schönen Hintergrunds – bei dessen Anblick das Wasser im Mund zusammen.
Insgesamt hat mir dieser Krimi in vielerlei Hinsicht große Lesefreude bereitet und Denkanstöße geboten, und es wird bestimmt nicht der letzte Roman um diesen außergewöhnlichen Amateur-Ermittler gewesen sein, den ich gelesen habe. Für mich jedenfalls das erste Highlight des Jahres und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 29.12.2018

Zarah und Zottel – ein Dream-Team!

Zarah und Zottel - Die Sache mit der gestohlenen Zeit
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Das 64-seitige Bilderbuch „Zarah & Zottel. Die Sache mit der gestohlenen Zeit“ von Jan Birck ist 2017 bei FISCHER Sauerländer erschienen. Es handelt sich hierbei um den zweiten Band der Zarah & Zottel-Reihe.
Hausmeister ...

Das 64-seitige Bilderbuch „Zarah & Zottel. Die Sache mit der gestohlenen Zeit“ von Jan Birck ist 2017 bei FISCHER Sauerländer erschienen. Es handelt sich hierbei um den zweiten Band der Zarah & Zottel-Reihe.
Hausmeister Holzköppel wirft Zarah, Zottel und ihren Freunden vor, ihm mit ihren Spielen auf dem Hof die Zeit gestohlen zu haben. Doch das wollen die Kinder nicht auf sich sitzen lassen. Und so machen sie sich auf die Suche nach der gestohlenen Zeit … und entdecken dabei Verblüffendes …
„Wir haben einfach zu wenig Zeit.“ Wer kennt das Problem nicht? Auch Kinder leiden schon unter diesem Zuwenig. In seinem Buch regt Jan Birck auf kindgerechte und einfallsreiche Weise dazu an, dem Mangel an Zeit auf die Spur zu kommen, und zeigt, dass ein Mehr an Zeit auch ein Mehr an Miteinander zur Folge hat.
Weitere Themen, die Kinder betreffen und in diesem Buch angesprochen werden, sind das Aufwachsen mit nur einem Elternteil sowie der Traum vom Indianerleben.
Blättert man das Buch durch, stechen einem zuerst die großflächigen, künstlerisch wertvollen und dennoch Kindern angemessenen Bilder ins Auge. Sie sind achtsam, mit Liebe zum Detail gezeichnet und geben Anlass zum Innehalten, Betrachten und Entdecken. Außerdem bergen sie eine gewisse Dynamik in sich, was bei Kindern des medialen Zeitalters gut ankommen dürfte.
Der Text ist in kleinen Portionen auf den Seiten verteilt, sodass sich das Buch auch als erste Lektüre für Erst- und Zweitklässler/innen eignen sollte. Sehr gefallen hat mir, dass man das Buch auch ab und an drehen und wenden muss, um das Geschriebene richtig lesen zu können. Die Sprache ist einfach gehalten, die Sätze und Satzkonstruktionen sind nicht zu kompliziert, entsprechen also den Verstehenskompetenzen von Kindergarten- und Grundschulkindern, ohne jedoch zu anspruchslos zu sein. Auch in diesem Buch fehlt es wieder nicht an Wortwitz und –spielerei.
Alles in allem präsentiert Jan Birck auch mit diesem zweiten Band wiederum ein Bilderbuch, das sowohl Kindern als auch Vorleser/innen Freude bereitet, Grund zum Nachdenken gibt und Leseanfänger/innen dazu animiert, sich mit der geschriebenen Sprache zu beschäftigen.

Veröffentlicht am 25.12.2018

Liebe und Eifersucht, Verrat und Rache – und dunkle Geheimnisse

Der Verrat
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Mit „Der Verrat“ präsentiert Ellen Sandberg ihren zweiten großen Familien- und Spannungsroman. Er ist im Dezember 2018 bei Penguin erschienen und umfasst 480 Seiten.
Nach zwanzigjähriger Haft wegen Mordes ...

Mit „Der Verrat“ präsentiert Ellen Sandberg ihren zweiten großen Familien- und Spannungsroman. Er ist im Dezember 2018 bei Penguin erschienen und umfasst 480 Seiten.
Nach zwanzigjähriger Haft wegen Mordes am Stiefsohn ihrer Schwester, Pia, wird Nane im Sommer 2018 aus dem Gefängnis entlassen. Da noch immer eine große Schuld auf ihr lastet, sucht sie Versöhnung mit ihrer Schwester und deren Mann, Thomas. Doch als Thomas einen Herzinfarkt erleidet und infolgedessen im Koma liegt, verwandelt sich die Suche nach Vergebung in eine Suche nach der Wahrheit. Was geschah wirklich im Sommer 1998 in den Weinbergen hoch oben über der Saar?
Ich lese eher selten Familienromane, doch hat mich der Umstand, dass sich hinter dem Pseudonym Ellen Sandberg die Münchener Kriminalschriftstellerin Inge Löhnig verbirgt, zum Griff nach diesem Werk veranlasst. Und ich wurde in keinerlei Hinsicht enttäuscht: Der Roman liest sie spannend wie ein Psychothriller.
Der Spannungsbogen ist von Anfang an gegeben, gegen Ende steigt er sogar bis ins Unermessliche. Immer wieder wird man beim Lesen auf falsche Fährten gelockt und durch unvorhergesehene Wendungen überrascht. Am Ende wird das Familiengeheimnis lückenlos aufgeklärt und hinterlässt einen tragischen Eindruck – so jedenfalls ging es mir.
Auch dem Schreibstil der Autorin ist die durchgehende Spannung zu verdanken: Sprachlich nicht ohne Anspruch, aber dennoch gut verständlich, vermag es Sandberg, die Dramatik auch über den Satzbau zu transportieren. Kurze, fast fragmentarische Sätze wechseln sich mit eher beschreibenden Elementen ab und verleihen dem Lesen Tempo. Hatte ich einmal mit dem Lesen begonnen, gab es kein Halten mehr.
Das Geschehen wird auf zwei Zeitebenen geschildert, die einander abwechseln: den aktuellen Ereignissen aus dem Sommer 2018 und denjenigen aus den Jahren 1997/98. Beide Zeitebenen verwebt die Autorin gekonnt miteinander, sodass man beim Lesen nach und nach die Tragik und die Umstände des zurückliegenden Mordfalls erfasst.
Die Zahl der Charaktere ist übersichtlich, sie entstammen vor allem zwei Familien. Über weite Strecken des Romans bestimmen Frauen das Geschehen: die drei Schwestern Pia, Birgit und Nane. So unterschiedlich sie auf den ersten Blick auch sein mögen, eines haben sie alle drei gemeinsam: In ihnen schlummern dunkle Geheimnisse. Doch ebenfalls die übrigen Handelnden sind wandelbar sowie detailliert und lebensnah gezeichnet. Am Ende bleibt man mit der Frage zurück, wem man eigentlich noch trauen kann.
Im Ganzen genommen, vereint „Der Verrat“ alles, was einen guten Roman ausmacht: Spannung, Dramatik und meisterliche Erzählweise. Ich jedenfalls kann dieses Buch allen nur wärmstens empfehlen.