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Veröffentlicht am 06.10.2016

Die Sprache der Welt

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Brot, so schreibt Geißler, ist die einzige Sprache der Welt, die alle Menschen verstehen. Über den Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann ich nicht urteilen, aber so viel kann ich festhalten: Dieses Buch ...

Brot, so schreibt Geißler, ist die einzige Sprache der Welt, die alle Menschen verstehen. Über den Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann ich nicht urteilen, aber so viel kann ich festhalten: Dieses Buch ist gut zu verstehen und gut umzusetzen. Etwas über mich: Ich habe erst vor kurzem entdeckt, dass man Lebensmittel selbst herstellen kann. Man muss gar nicht immer fertig kaufen, man kann es selbst kochen, backen, braten, was auch immer. Ihr seht, hier steht kein Küchenprofi. Hier ist jemand, der Anweisungen braucht, diesen aber auch folgen kann. So weit, so gut. War es möglich, den Anweisungen in diesem Buch zu folgen?

Dickes, fettes Ja. Jeder, der des Lesens und Verstehens mächtig ist, wird fähig sein, den Schritt-für-Schritt-Anleitungen mitsamt Bildern folgen zu können. Dazu muss ich erwähnen, dass man aber auch vorher lesen sollte. Dann weiß man nämlich, dass man sich nicht sklavisch an die Zeiten halten muss. Es gibt jede Menge Luft nach oben oder unten, also kein Grund, wie bei einem aufzupäppelnden Babylöwen nachts halb zwei aufzustehen und sich um den Teig zu kümmern. Versuch macht kluch, deshalb darf man sich auch was trauen. Es gibt zu jedem Brot/Brötchen/Teig eine Grundart, ihn herzustellen: diese Grundart sollte man verinnerlichen oder zumindest mit einem der beiden Lesebändchen immer griffbereit haben. Hier ist auch die Erklärung für die von so vielen Nicht-ein-Brot-backenden Ich-bin-Erster-Rezensenten erwähnten zwei Lesebändchen: Eines lässt man im Rezept selbst, um die Zutaten parat zu haben, eines in der Anleitung zur Herstellung des Grundteiges oder auf den Seiten, wo genau beschrieben wird, wie das Aufziehen funktioniert.

Jetzt wollt ihr sicher wissen, ob ich überhaupt gebacken habe und wie es funktionierte. Erstens: ja. Mittlerweile ist der dritte Teig für das dritte unterschiedliche Brot beim Ruhen. Das tun diese Teige die meiste Zeit, nämlich ... nichts. Ehrlich. Die liegen da faul in ihrer Schüssel rum, alle paar Stunden komme ich vorbei und ziehe sie auf, was sie sich genauso gern gefallen lassen wie jemand, der Massagen mag. Dann lasse ich sie wieder in Ruhe, bis es Zeit wird, sie zum Reifen ins Körbchen zu lassen oder zum Backen ab in den Topf. Dafür können sie zwischen 20 und 30 Stunden faulenzen, unter Umständen sogar länger. Weil sie faulenzen, brauchen sie auch nur einen Bruchteil der Hefe, die ein normaler Teig verzehrt, und weil die meisten Küchenwaagen keine 0,irgendwas Gramm anzeigen, gibt es am Anfang des Buches Abbildungen für die Hefeportionen. Das funktioniert wirklich, wobei ich denke, dass wegen 0,01 Gramm hin oder her kein Brot Trara machen wird.

So, und funktionierte es überhaupt? Bei einem Anfänger wie mir, geht das? Nochmals ein dickes, fettes Ja. Ich war selbst überrascht. Das erste, ein Kartoffelbrot von einem knappen Kilo, sah fast so aus wie auf dem Bild im Buch und schmeckte so gut, dass es innerhalb von zwei Tagen bis zum letzten Krümel weg war. Das zweite, das Möhrenbrot (die Möhren mussten weg), erlitt ein ähnliches Schicksal. Es ist noch ein Drittel davon da, weshalb jetzt der dritte Teig vor sich hinfaulenzen darf - und ich gehe nicht davon aus, dass der katastrophal schief gehen wird.

Also? Mir geht's wie diversen Entdeckern und Forschern, nur dass ich im wahrsten Sinne des Wortes brotreiche Kunst betreibe: es funktioniert!

Veröffentlicht am 30.09.2016

Jemand geht um in der Nacht

Der Angstmann
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Ende 1944: Die Nazis hauen Durchhalteparolen raus und führen sich bestialischer denn je auf. Die Dresdner leben von Angst und Bezugsscheinen. Alle hoffen, dass sie von den Bombenangriffen der Alliierten ...

Ende 1944: Die Nazis hauen Durchhalteparolen raus und führen sich bestialischer denn je auf. Die Dresdner leben von Angst und Bezugsscheinen. Alle hoffen, dass sie von den Bombenangriffen der Alliierten verschont werden, das Gerücht, Churchills Tante lebe in Dresden und verhindere Schlimmeres geht um. Doch noch etwas oder jemand geht um und das meistens bei Alarm in der Nacht: der Angstmann. Und der tötet junge Frauen, quält sie, häutet sie, unvorstellbar. Max Heller, der alternde Kripomann, der dreißig Jahre zuvor schon einmal im Krieg gekämpft hat, nimmt die Ermittlungen auf. Doch Ressourcen sind knapp, es gibt keine Leute mehr, die er einsetzen könnte, und wen interessieren überhaupt ein paar ermordete Frauen, wenn im Krieg Millionen Menschen sterben? Max Heller interessieren sie, und er gibt nicht auf, obwohl er sich damit in Lebensgefahr begibt: erst durch die Nazis, später dann durch die Russen.

Ich bin so lange nach dem Krieg geboren worden, dass ich nicht weiß, ob Goldammer alles richtig recherchiert hat oder nicht. Aber grobe Fehler hat er bestimmt nicht gemacht, und manchmal muss man, um eine spannende Geschichte zu erzählen, etwas einbauen, wie zum Beispiel einen Kriminalkommissar, der nicht Mitglied der NSDAP ist. Was ich aber weiß ist, dass Goldammer hier einen wirklich spannenden Roman geschaffen hat, der einerseits mit einem grausamen Krimi punkten kann, andererseits auch die Grausamkeit der Nazis und des Krieges aufführt, gegen die alles andere zu verblassen droht. Der Angriff auf Dresden, das Bombardement, das Feuerinferno, das wurde mit einer gänsehauterzeugenden Eindringlichkeit beschrieben, genauso die Monate kurz nach dem Krieg, als die Russen die Stadt beherrschten und Hellers Ermittlungen mit dem jungen Saizev, der die Deutschen bis aufs Blut hasst und auch allen Grund dazu hat. Mir jedenfalls wäre es recht, wenn es weitere Bücher mit Heller (und gern auch Saizev) geben würde.

Veröffentlicht am 27.09.2016

Eine "kuhle" Story

Wir sind nicht zu fassen
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Der Chaos-Club: eine legendäre Vereinigung der Ashville High School. Geheim, aber immer präsent. Rache an fiesen Lehrern? Vogelscheißeangriff bei einem Picknick? Kühe auf dem Dach? Das sind so die Sachen, ...

Der Chaos-Club: eine legendäre Vereinigung der Ashville High School. Geheim, aber immer präsent. Rache an fiesen Lehrern? Vogelscheißeangriff bei einem Picknick? Kühe auf dem Dach? Das sind so die Sachen, welche von diesem Club inszeniert werden - und wie cool dazu! Als also Max, Elli, Malone, Wheeler und Adleta eine Nachricht vom Chaos-Club bekommen, zögern sie nicht lange, und folgen den Anweisungen. Doch sie tappen in eine Falle und werden gedemütigt. Und warum? Nach einiger Überlegung ist es klar: weil sie die langweiligen Normalos sind, jeder auf seine Weise verletzbar. Nicht gerade Loser, aber auch nicht die Topleute der Schule. Sie schwören Rache und entwickeln dabei ungeahnte Kreativität, die sie nicht nur an den Rand der Legalität bringt, sondern auch zum Überlegen: Ab wann wird aus Gerechtigkeit Rache? Und wem kann man wirklich trauen?

Kann ein Lehrer eine richtig coole Geschichte über Schüler, ihr Denken, ihre Probleme, ihr Erwachsenwerden, erste Liebe, Verrat und all das schreiben, was dazu gehört? In dem Fall lautet die Antwort eindeutig ja. Ich war zuerst skeptisch, doch Dinan hat es wirklich geschafft, mit Max einen echten, authentischen Jungen zu entwerfen, mit all den Unsicherheiten und Problemen, die für einen 16jährigen dazugehören. Gleichzeitig ist er aber auch keine Heulsuse, sondern jemand, der anfängt, für sich und seine Freunde einzustehen, aufzustehen, Verantwortung zu übernehmen. Das kommt nicht auf Zeigefingermoral daher, sondern witzig, mit daneben gegangenen Streichen, die echt unter der Gürtellinie verlaufen, mit Nachdenken und dem Korrigieren von Fehlern und dem Lernen aus solchen. Ich fand die Geschichte und ihre Protagonisten echt "kuhl" und empfehlenswert.

Veröffentlicht am 25.09.2016

Magier, Morde, Geister

Tal der Seelen
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Dubric Byerly, der Kastellan von Faldorrah, hat einen neuen Fall. Oder auch viele neue Fälle. In einer nahen Provinz finden sich dutzende oder hunderte tote Tiere, mit eingeritzten Symbolen, die darauf ...

Dubric Byerly, der Kastellan von Faldorrah, hat einen neuen Fall. Oder auch viele neue Fälle. In einer nahen Provinz finden sich dutzende oder hunderte tote Tiere, mit eingeritzten Symbolen, die darauf deuten, dass ein Blutmagier am Werk ist. Byerly hat vor vielen Jahrzehnten als General Kriege gegen diese Magier geführt, doch jetzt weiß er kaum, wie er gegen sie bestehen soll. Früher hat es besonders befähigte Assassinen gegeben, Magiertöterinnen, doch die letzte von ihnen ist schon lange tot. Und so stellen sich Dubric, seine Gefährtin Maeve, seine Pagen, sein Knappe und dessen Familie wieder einmal einer Gefahr, der sie eigentlich nicht Herr werden können.

Diese Fantasy-Mystery-Reihe ist für mich eine der besten, die je geschrieben wurde. In einer halb Mittelalter-, halb magischen Welt müssen ein alter Kastellan, der noch immer ein toughes Badass ist, und seine Untergebenen, die mehr Familie und Freunde darstellen, gegen übermächtige Kräfte kämpfen, die sie tatsächlich auch nur besiegen können, wenn sie alle zusammenhalten. Und dieses Zusammenhalten ist wirklich nicht einfach. Jeder von ihnen trägt traumatische Erlebnisse aus den vorherigen Geschehnissen herum, Magie und Geister treiben böse Spiele mit ihnen und niemand ist sicher. Der Schreibstil ist außergewöhnlich gut für Fantasy, die Charaktere entwickeln sich weiter und man kämpft und flucht und leidet, verliert und gewinnt mit ihnen. Leider ist das wohl der letzte Band der Reihe, was ich extrem schade finde.

Veröffentlicht am 24.09.2016

Freunde und Feinde

Die Schwarzen Musketiere - Das Schwert der Macht
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Lukas und seine Freunde Jerome, Paulus und Giovanni haben es sich 1633 auf der Burg Lohenstein einigermaßen eingerichtet. Ein wenig Sorgen macht dem jungen Grafensohn seine Schwester Elsa, die sich mehr ...

Lukas und seine Freunde Jerome, Paulus und Giovanni haben es sich 1633 auf der Burg Lohenstein einigermaßen eingerichtet. Ein wenig Sorgen macht dem jungen Grafensohn seine Schwester Elsa, die sich mehr und mehr in das Grimorium Nocturnum vertieft und dabei verändert. Er fürchtet, dass es einen schlechten Einfluss auf das Mädchen hat, das gerade einmal elf ist. Eines Tages kommt Senno, der Sterndeuter Wallensteins, wieder einmal vorbei und berichtet ihnen von ihrem Widersacher Waldemar von Schönborn, der immer mehr Macht bekommt und jetzt sogar im Besitz einiger Reichsinsignien ist. Wer diese Gegenstände hat, kann sogar darüber entscheiden, wer der nächste Kaiser wird. Den Jungs und Elsa ist klar, dass sie etwas tun müssen, um ihn aufzuhalten, und sie begeben sich nach Prag, wo sie nicht nur auf ihren alten Kommandanten Zoltan treffen, sondern auch auf Monster, Verrat, Intrigen und nicht zuletzt den Tod …

Wie schon im ersten Band schafft es Pötzsch genial, sowohl historisches Wissen als auch extrem gute Unterhaltung zu liefern, dabei trotz der vielen Gewalt, die leider den 30jährigen Krieg prägte, niemals seine Zielgruppe – junge Leser – aus den Augen zu verlieren. Er verbindet Fantasy mit geschichtlichen Fakten, webt einen dichten Abenteuerteppich um Freunde, die man sich selbst an die Seite wünscht, und Verräter, die man hassen muss. Er baut den pragerischen Mythos ein – den Golem – ohne ihm zu viel Raum zu widmen, und mittlerweile ist die Hauptperson, Lukas, alt genug, um eine Ahnung von Liebe zu verspüren, die zum Glück alles andere als süßlich oder nervig ist. Was soll ich sagen? Super, kann es nicht erwarten, Lukas und Co auf ihrem nächsten Abenteuer zu begleiten. Wales wird es wohl werden, denke ich. Bin dabei.