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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.11.2016

Unterhaltung pur

Miles & Niles - Schlimmer geht immer
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Miles und Niles nennen sich die schrecklichen Zwei und spielen noch immer ihrem Schulleiter Barkin Streiche, die Ihresgleichen suchen. Doch die neuerliche Mehrung von Streichen ruft die Schulbehörde auf ...

Miles und Niles nennen sich die schrecklichen Zwei und spielen noch immer ihrem Schulleiter Barkin Streiche, die Ihresgleichen suchen. Doch die neuerliche Mehrung von Streichen ruft die Schulbehörde auf den Plan und Barkins Vater, den ehemaligen Direktor. Der lässt sich kurzerhand als Direktor einsetzen und schickt seinen Sohn in den unfreiwilligen Urlaub. Aber auch gegen Miles & Niles weiß er sich ganz schön zu wehren. Bald gibt es für die beiden nur noch ein Ziel. Mit aller Kraft bis Ende des Schuljahres wenigstens einen Streich schaffen.
Die Geschichte ist wirklich toll. Miles und Niles haben im (ehemaligen) Direktor einen würdigen Gegner, der Kopf und Körper fordert. Geradezu tyrannisch setzt er alle Mittel in Bewegung, die Trickser zu brechen. Dabei stoßen die Jungs ganz schön an ihre Grenzen. Während Miles dabei relativ gelassen bleibt und im richtigen Moment seine Glanzauftritte hat, steht hier eher Niles im Mittelpunkt, der mit seinem Scheitern absolut nicht klarkommt. Seine Vergangenheit wird Thema und die Figur darf aufblühen. Miles bleibt dabei etwas auf der Strecke, ist aber in sich beständig.
Statt aber Miles und Niles nach jedem Fehlversuch nur auf noch gewagtere Streiche spielen zu lassen, wie es im ersten Band der Fall war, reagieren die Trickser nun mit Resignation. Die Kehrseite des Scheiterns wird deutlich. Und auch die Kehrseite der Streiche überhaupt, denn zum ersten Mal müssen Miles und Niles sich auch mit den Folgen ihrer Taten für sich und andere beschäftigen. Das hat im ersten Teil nahezu gefehlt und wertet die Reihe in meinen Augen wirklich auf. Die Jungs werden dadurch vielschichtiger und auch die Handlung erfährt mehr Tiefen. Vor allem in den Nebenfiguren bleiben aber die kindgerechten Stereotypen bestehen.
Wie im ersten Band auch besticht Schlimmer geht immer durch eine gelungene Mischung von kindgerechter Sprache und etwas schwierigeren Formulierungen. Der unterschiedliche Wortschatz von Miles und Niles färbt dabei wieder die Figuren, macht die Geschichte selbst aber auch sprachlich interessant. Der Dauerwitz der Kuh, der im ersten Band schon fast schmerzhaft ausgereizt wurde, hat übrigens nur einen Gastauftritt. Wirklich genial am Hörbuch ist aber Christoph Maria Herbst als Sprecher. Mit eigenwilligen Stimmfärbungen bekommt jede Figur ihre eigene Stimme und Sprache. Das macht die Geschichte lebendig und sorgt immer wieder für Aufmerksamkeit. Unterhaltung pur also!

Veröffentlicht am 03.11.2016

herrlich kindlich

Pernilla oder Wie die Beatles meine viel zu große Familie retteten
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Pernilla freut sich sehr auf das neue Baby, das ihr Mutter bald bekommen wird. Vielleicht bekommt sie ja endlich weibliche Unterstützung gegen ihre zwei großen Brüder. Doch die Vorfreude wird jäh getrübt, ...

Pernilla freut sich sehr auf das neue Baby, das ihr Mutter bald bekommen wird. Vielleicht bekommt sie ja endlich weibliche Unterstützung gegen ihre zwei großen Brüder. Doch die Vorfreude wird jäh getrübt, als sie erfährt, dass eine Familie mit vier Kindern nirgendwo mehr eingeladen wird. Dabei ist eingeladen zu werden doch das Schönste überhaupt. Also heckt Pernilla mit ihren Brüdern einen Plan aus und beginnt Flaschen zu sammeln.
Unverfälschte Sichtweise
Was ich an Pernilla so mag, ist dass es die Autorin schafft eine absolut kindlichen Blick auf die Welt zu werden. Pernilla denkt nicht etwas wie eine kleine Erwachsene, sondern wie ein Kind. Die Assoziationen dabei sind grandios und haben mir als „Große“ beim Lesen geholfen, den naiven Blick des Mädchens einzunehmen. Pernilla ist ein Mädchen, das einfach ist, ohne groß darüber zu philosophieren. Sie will toten Ameisen eine Feuerbestattung gewähren und wissen, wie viele Schnecken in eine leere Klopapierrolle passen. Dass sie dabei weniger Klischee-Mädchen und dafür mehr Kind ist, finde ich wirklich gelungen und aus meiner Sicht realistisch.
Idee und Plan
Darum ist es nur logisch, dass Pernilla selbst weder Planung noch Umsetzung schafft. Dafür braucht sie ihre Brüder und weiß die auch einzuspannen. Die Zusammenarbeit der Geschwister ist dann auch holprig und mit allerlei Hürden gepflastert, angefangen am unterschiedlichen Verständnis von Erwachsenen und Kinder, was einen guten Gast ausmacht. Aber gerade das ist doch herrlich amüsant und wirklichkeitsgetreu. Das Buch zeigt unterschiedliche Facetten und lässt die Welt nicht etwa in Weiß und Schwarz getaucht. Diese Vielschichtigkeit ist aber sehr gelungen verbunden, sodass nichts aus der Luft gegriffen wirkt und der große Zusammenhang erkenntlich wird.
Groß und klein
Darum ist Pernilla auch nicht nur ein wunderbar leichtes und lustiges Buch für den jungen Leser, sondern auch für Erwachsene mit „mitlesen“ Unterhaltung pur. Ein bisschen Augenrollen ist bestimmt drin, aber im Grunde muss man Pernilla einfach lieben. Gerade das Einbeziehen der Beatles als Verbindung zur Großeltern- und Elterngeneration und die damit verbundene Zeitlosigkeit von Musik und Geschehen finde ich da wirklich gut gewählt. Ein Buch, das Spaß macht.

Veröffentlicht am 27.10.2016

Genial. Einfache Themen, tolle Zeichnungen

Hilo 01
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D.J. ist ein stinknormaler Junge. Ganz schön nervig, denn alle anderen können irgendetwas verdammt gut. Eines Tages sieht J.D. wie etwas vom Himmel fällt und dieses Etwas stellt sich als Hilo heraus. Der ...

D.J. ist ein stinknormaler Junge. Ganz schön nervig, denn alle anderen können irgendetwas verdammt gut. Eines Tages sieht J.D. wie etwas vom Himmel fällt und dieses Etwas stellt sich als Hilo heraus. Der blonde Junge muss lernen, dass Grass nicht schmeckt und eine Unterhose als Kleindung nicht reicht. D.J. nimmt ihn mit nach Hause und will ihm helfen. Doch bald erkennen sie, dass Hilo noch viel mehr Hilfe braucht und die ganze Erde auf dem Spiel steht.
Genial
Wir sind alle von Hilo begeistert! Ich habe es meinem Sohn nach dem ersten Lesen in die Hand gedrückt und eigentlich sollte er da ins Bett. Zwei Stunden später kam er mit leuchtenden Augen wieder runter und erklärte, er habe das Buch durch. Am nächsten Tag hat er Hilo noch zweimal gelesen und seitdem begleitet es ihn überall hin. Zur Oma, zum Einkaufen, … Die Zeichnungen sind sehr gut und der Druck zeigt eine hohe Qualität, was bei so vielen Bildern einfach wichtig ist. Nicht jedes Bild ist mit Text, dafür sprechen die Zeichnungen teilweise sehr für sich. Das erzeugt viel Atmosphäre und Handlungsgeschwindigkeit.
Thematisch simpel
Die Themen, die in Hilo angesprochen werden, sind dabei geradezu simpel. D.J. fühlt sich in seiner „Normalität“ als Außenseiter, sowohl in der Schule als auch Zuhause. Dank Hilo und seiner Freundin, die frisch aus der Großstadt zurückgekehrt ist, lernt er seine eigenen Besonderheiten kennen. Genau das sind auch die Stärken, die die Handlung beeinflussen. Genauso muss Hilo lernen, sich seinen Ängsten zu stellen und verstehen, dass Weglaufen nicht immer hilft. Einfache Themen, die aber gerade bei der Zielgruppe hochaktuell sind und hier deutlich, aber trotzdem nicht zu direkt angesprochen werden.
In sich Stimmig
Das schöne ist, dass Hilo dadurch auf gewisse Weise zeitlos wird. Die Probleme, die Hilo und D.J. betreffen erfährt jedes Kind – oft sogar mehrmals. Im Grunde sind es solche, die auch uns Erwachsene noch immer beschäftigen. Gerade hier zeigt sich, dass Hilo zwar primär junge Leser anspricht, aber auch für ältere noch allerhand zu bieten hat. Kleinigkeiten im Humor beispielsweise, die Kinder nicht immer verstehen. Schön sind auch die immer wieder kehrenden Pointen, etwa wenn Hilo immer zur Begrüßung schreit, weil er das bei D.J. beobachten konnte. Aber auch die Kritik an den unterschiedlichen Eltern, die ihren Kinder entweder kaum beachten oder aber in eine bestimmte Richtung drängen wollen, spricht nicht nur den jungen Leser an.
Fester Platz im Regal
Bei uns hat sich Hilo einen festen Platz im Bücherregal verdient. Schlimm findet mein Großer nur, dass er bis nächstes Jahr warten muss. Da soll nämlich im März der zweite Band erscheinen. Und den werden wir uns nicht entgehen lassen.

Veröffentlicht am 04.10.2016

Beeindruckende Entwicklungen

Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm
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Maggie zieht 1993 mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester von Chicago nach Irland. Kein Traum für eine Jugendliche. Am meisten vermisst sie ihren Onkel Kevin, der ihr Bücher und Musik empfiehlt. Ihre ...

Maggie zieht 1993 mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester von Chicago nach Irland. Kein Traum für eine Jugendliche. Am meisten vermisst sie ihren Onkel Kevin, der ihr Bücher und Musik empfiehlt. Ihre Mutter Laura aber ist auf Kevin nicht gut zu sprechen, den Kevin ist ein Verlierer wie er im Buche steht. Er wohnt mit Mitte zwanzig noch bei seiner Mutter, ist drogenabhängig und nicht gerade der ideale Umgang für ihre Tochter. Da trifft Maggie in Irland auf Eoin, der sie das Heimweh vergessen lässt. Doch dann ändert sich alles und Kevins letzte Botschaft an seine Nichte wird wegweißend für Maggies Leben.
Ein unbeschriebenes Blatt
Maggie ist keine typische Jugendliche. Sie vermisst ihren Onkel mehr als jede Freundin und hat es auch nicht eilig, neue Freundschaften zu schließen. Sie ist aber auch kein Mauerblümchen. Pickelabdecken, Ausgehen, die Welt erleben – das sind keine Fremdworte für sie. Dadurch entspricht Maggie nicht dem Klischee einer jugendlichen Protagonistin. Viel mehr ist sie ein unbeschriebenes Blatt. Ihre Stimmung schwankt wild, ihre Hormone spielen verrückt, sie zeichnet sich durch wenig aus. Zumindest am Anfang.
Doch so wie Maggie Irland lieben lernt, lernen wir sie kennen. Ein Mädchen, das gerne einen fast Hundertjährigen besucht, um seinen Geschichten zu lauschen, aber auch um einfach bei ihm zu sein. Eine junge Frau, die mit ihrer Mutter auf eine ganz andere Art unzufrieden ist, als dass es alltäglich wäre. Eine Heldin, die bereit ist, für einen Augenblick Musikmagie gegen alle Regeln zu verstoßen. Maggie lernt Eoin kennen und spürt eine Sehnsucht nach Spiritualität, nach einem unerschütterlichen Glauben.
Neue Religionen
Diesen Glauben findet sie aber nicht in der Religion, die ihr trotz Nonnenschule fremd bleibt, sondern in Musik und Wort. Sie begibt sich auf eine sehr spezielle Wallfahrt und erfährt die Welt auf eine ganz neue Art und Weise. Dieser Weg ist nicht leicht, sondern droht immer wieder vergebens zu sein. Ein jugendlicher Ehrgeiz, aber auch die Kraft, die sie spürt, weil eigentlich mehr als nur eine wichtige Person an ihrer Seite steht. Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm ist eine so anschauliche und realistische Adoleszenzgeschichte, dass ich sie ohne zu zögern jedem Jugendlichen in die Hand legen würde.
Maggies Entscheidungen basieren nicht auf Rebellion oder Leichtsinn. Sie ist ein sehr vernünftiger Mensch, der sich en Veränderungen des Ichs durchaus bewusst ist – und nicht immer glücklich damit. Maggie erfährt sich im Laufe des Buches immer wieder neu und erfährt auch, wie sie nicht sein will. Sie geht ihren Weg und macht dabei Fehler, um geläutert zu werden und am Ende die größte Entscheidung von allen zu treffen: Wer will sie sein und wie will sie leben.
Musik und Sprache
Die Musik ist elementar im Buch. Immer wieder gibt es Verweise auf Lieder, Texte und Melodien. Vor allem geht es aber auch um die Gemeinschaft der Konzertbesucher, der Trauernden. Jene ungeschriebene Gemeinsamkeit, die Sprachen überwindet, Länder, Zeiten. Aber auch Literatur bietet die wichtigen Querverweise in Das Jahr, in dem Kurt Cobain sich das Leben nahm. Kevin hat eine Leseliste für seine Nichte erstellt, aus der ich zu gerne eine ‚Lesechallenge‘ machen würde. Das geschriebene Wort, der gelesene Text übersteht und umfasst diese Buch genauso, wie die gespielte und gehörte Musik. Die Lieder zum Buch gibt es übrigens im Internet zum Nachhören.
Viel mehr als eine Liebeserklärung an Nirvana und die fast schon religiöse Verzerrung Cobains ist dieses Buch ein Buch über das Leben und die Ichwerden. Maggie findet sich auf ihrer Suche nach ihrem Onkel. Und sie erkennt wann die Zeit für Vernunft gekommen ist, wenn der Leichtsinn sich gelegt hat, auch wenn dieser Schritt Unglück mit sich ziehen kann. Im Grunde also ist Maggie viel klüger als die meisten Menschen, die ich kenne. Dass ihr das nicht bewusst ist und sie sich einfach verzweifelt IHREN Platz im Leben sucht, macht sie so liebenswert und realistisch. Ein Buch über das Leben, die Jugend, die Liebe. Vor allem aber ein Buch über das Menschsein.

Veröffentlicht am 26.09.2016

Ein bewegender, grandioser Roman

Die Nachtigall
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Vianne und Isabelle sind Schwestern. Seit dem Tod der Mutter leben sie nicht mehr bei ihrem Vater und habe sich auseinandergelebt. Die ältere Vianne hat früh geheiratet und ist Mutter, die junge Isabelle ...

Vianne und Isabelle sind Schwestern. Seit dem Tod der Mutter leben sie nicht mehr bei ihrem Vater und habe sich auseinandergelebt. Die ältere Vianne hat früh geheiratet und ist Mutter, die junge Isabelle dagegen läuft aus jeder Schule davon, in der ihr Vater sie steckt. Als sie schließlich bei ihm in Paris bleiben will, bricht der Zweite Weltkrieg aus. Viannes Ehemann wird eingezogen und Isabelle soll sich in dem kleinen Dorf, wo ihre Schwester lebt, von dem Kriegsgeschehen fernhalten. Doch wie Vianne nur das Wohlergehen ihrer Tochter im Sinn hat, will Isabelle Großes. Sie schließt sich der Resistance an und verurteilt Vianne, bei der ein deutscher Soldat einquartiert wurde. Aber auch Viannes geduldiges Warten kennt sein Ende und schließlich finden beide Schwestern eigene Wege im Kriegsschrecken für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist – und beide müssen Schreckliches erleiden.

Eingebettet ist die Geschichte in die Rahmenhandlung Jahrzehnte nach den Erlebnissen des Krieges. In Amerika wird eine alte Frau von ihrem Sohn in eine Seniorenwohnung gebracht. Mit sich bringt sie die Erinnerung an einen Teil ihres Lebens, den er nicht kennt. Aufgeweckt wird diese durch einen Koffer, Bilder und nicht zuletzt die Einladung zu einer Ehrenveranstaltung in Paris. Einen Reiz des Romans macht es durchaus aus, zu rätseln, ob Vianne oder Isabelle diese gealterte Heldin ist. Aber auch das Ende des Romans, das sich in der Rahmenhandlung findet, birgt seinen Vorteil. Ein Ende, auf das gewartet werden musste, kein ganz gutes, aber auch kein schlechtes.

Die Etappen des Romans ziehen sich über den Kriegsanfang und die Besetzung Frankreichs bis zum Abzug der Nazis und der Heimkehr der in Deutschland Inhaftierten. Dabei entwickeln sich Isabelle und Vianne auf unterschiedliche Art und Weise und doch werden beide zu starken Frauen. Aktive Protagonistinnen, deren Persönlichkeiten dem Buch Leben geben. Isabelle, die impulsive, starke, spontane und eigenwillige Heldin, die sofort die Möglichkeit ergreift, ETWAS zu tun. Und Vianne, die Mutter, die vernünftige, überlegende Frau. Beide haben ihre Grenzen und Kräfte, ihre Waffen und Möglichkeiten. Beide stehen an verschiedenen Fronten der gleichen Seite.

Während Isabelle dabei gerade zu Anfang das Mädchen symbolisiert, das sich im Laufe der Handlung zu einer starken Frau, Geliebten und Kämpferin entwickelt, ist Vianne „die Mutter“. Sie arbeitet für ihre Tochter und es ist diese Mütterlichkeit, die sie zuletzt zur Heldin des Romans macht. Denn wo Isabelle immer genau das sein wollte, ihren Kampfgeist also aus der Geschichte zieht, die eines Tages von ihr erzählt werden soll, ist es Vianne, die erzählen wird. Vianne, die eigentlich nur behütet sein wollte, die nur im Sinn hatte zu leben und leben zu lassen. Immer wieder opfert sie sich dabei so sehr auf, dass es fast unverständlich wirkt und doch realistisch. Sie stellt die Vernunft fast immer über ihre Gefühle, auch wenn sie dabei leiden muss.

Gleichzeitig zeichnet Die Nachtigall ein so breites Bild des zweiten Weltkrieges, dass es nicht immer ein für oder gegen ist. Freundliche Wehrmachtsoldaten und verräterische Franzosen sind glaubhafter Teil der Handlung. Ein Punkt, der mir sehr gut gefallen hat, denn gerade bei Kriegsgeschichte ist es doch leicht in Schwarz und Weiß zu unterteilen, statt in Grautönen. Dass Kristin Hannah aber genau das gelingt macht das Buch nicht nur einem beeindruckenden Entwicklungsroman zweier Schwestern, sondern auch zu einer grandiosen Geschichte über den zweiten Weltkrieg im besetzten Frankreich. Viele Details, historische wie örtliche Genauigkeiten verfeinern dieses Bild. Die komplexen Figuren und die kunstvoll aufgebaute Handlung machen Die Nachtigall schließlich zu einem Buch, das nur wärmstens zu empfehlen ist.

Denn der Roman beschönigt weder, noch verzerrt er. Eine markante Stelle schaffte es, mir am Bahnhof, das Buch in der Hand, Tränen in die Augen zu treiben – wirklich eine Seltenheit. Ein wunderbarer Stil vervollständigt diese Lektüre. Das Buch fesselt und liest sich flüssig. Fortlaufende Motive werden eingebunden. Immer wieder wichtig wird die Erinnerung neben der das Vergessen steht. Das Überleben neben dem Tod. Die Liebe neben der Angst vor Verlust. Eine bewegende Geschichte, die schleunigst auf eure Leseliste sollte.