Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.04.2019

Schweigen über die Vergangenheit

Nordfinsternis
0

Ein dunkles Verbrechen an der Küste. Eine Familie, die schweigt. Und ein Mädchen, das vergisst. Bis Panikattacken Miriams Leben Jahrzehnte später außer Kontrolle bringen. Sie muss sich erinnern, um dem ...

Ein dunkles Verbrechen an der Küste. Eine Familie, die schweigt. Und ein Mädchen, das vergisst. Bis Panikattacken Miriams Leben Jahrzehnte später außer Kontrolle bringen. Sie muss sich erinnern, um dem Geheimnis ihrer Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Bald schon konfrontiert ein undurchdringliches Geflecht aus Lügen, Scham und Schuld sie mit ihrer größten Angst…


Miriam ist verheiratet, hat ein hübsches Haus, einen guten Job und ist seit kurzem Mutter. Das Glück scheint perfekt, wären da nicht ihre Unsicherheit, ihre (Über)Besorgtheit. Woher rühren Miriams plötzlich auftretende Panikattacken?

In hautnahem Präsens entführt uns Ricarda Oertel ins norddeutsche Kappeln, zeichnet in außergewöhnlich treffender Sprache das Bild einer Familie, deren Vergangenheit viele Geheimnisse verbirgt. Kleine Details fließen geschickt in die Szenen ein und lassen alles sehr lebendig werden, die Figuren sind plastisch charakterisiert und bleiben nicht immer die, die sie anfänglich zu sein scheinen.

Nach einem kurzen, erschütternden Prolog gliedert sich dieser Küstenkrimi in übersichtliche Kapitel, an deren Enden häufig auch jemand aus dem „off“ erzählt. Fragen über Fragen werden aufgeworfen, die Spannung steigt ab der ersten Seite und hält bis zum Ende an. Immer wieder gibt es Wendungen, die man nicht erwartet.

Mit einer wunderbaren Hommage an Astrid Lindgren wird das Thema Sterben und Tod berührend ins Geschehen eingeflochten, der Umgang mit schrecklichen Geschehnissen aufgearbeitet.

Ein gelungener psychologischer Spannungsroman, der mich Seite für Seite gefesselt hat, sowohl vom Schreibstil als auch vom Inhalt her, und den ich unbedingt weiterempfehle!

„5 Sterne plus“

Veröffentlicht am 11.04.2019

Süße Verführung

Das kleine Café im Gutshaus
0

Julie Shackmans Buch "Das kleine Cafe im Gutshaus" stellt bereits am Titelbild die wichtigsten Komponenten dar: das schottische Fairview mit einem herrschaftlichen Gutshaus, das über einen liebevoll gedeckten ...

Julie Shackmans Buch "Das kleine Cafe im Gutshaus" stellt bereits am Titelbild die wichtigsten Komponenten dar: das schottische Fairview mit einem herrschaftlichen Gutshaus, das über einen liebevoll gedeckten Cafetisch "wacht".


Die Autorin schubst den Leser gekonnt gleich mitten ins Geschehen und verzaubert mittels lebhafter und bildlicher Sprache, so "tanzt der Kuchen auf den Geschmacksknospen", ist von schokoladebraunen Augen und kirschroter Strickjacke die Rede. Die Sätze fließen köstlich dahin, während die Figuren, die unterschiedlicher nicht sein könnten, klar charakterisiert werden: zum einen Lara, die Hobbybäckerin, zum anderen ihre griesgrämige Chefin Kitty sowie der etwas hinterlistig wirkende alte Gutsbesitzer Carmichael.

Nach Enttäuschungen im beruflichen wie im privaten Leben möchte Lara zurück in ihrer Heimat ganz von vorne beginnen und am liebsten ein eigenes Cafe betreiben. Allerdings reicht es vorerst gerade einmal für eine Anstellung als einfache Servierkraft bei bei der konservativen Kitty Walker, die keine noch so geringe Veränderung akzeptieren mag. Im Cafe lernt Lara aber den eigenwilligen, 90jährigen Hugo Carmichael kennen und schätzen und kann sich nur wundern, dass sie nach dessem baldigen Tod zur Testamentseröffnung geladen wird. Die weiteren Erben sind ebenso überrascht und speziell der Enkelsohn Vaughan reagiert regelrecht empört und ablehnend gegenüber der Verfügung, dass die fremde Lara im Testament berücksichtigt wird.

"Träume gehen in Erfüllung, wenn man seinem Herzen folgt." Dies ist wohl der beste Grund, das Buch (weiter)lesen zu wollen und zu sehen, welche Träume und Wünsche hier wohl noch erfüllt werden.
Eine wunderschön verfasste Geschichte, die den Leser - nicht nur - in eine zuckerglasursüße Kuchenwelt entführt...

Veröffentlicht am 07.04.2019

Das Universum verbindet alle miteinander

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
0

„…in einem Universum, in dem die Handlungen aller unaufhörlich miteinander verbunden waren.“ Kap.8

Domenico Dara entführt uns in seinem Buch in das
verstaubte süditalienische Dorf Girifalco im Jahre ...

„…in einem Universum, in dem die Handlungen aller unaufhörlich miteinander verbunden waren.“ Kap.8

Domenico Dara entführt uns in seinem Buch in das
verstaubte süditalienische Dorf Girifalco im Jahre 1969.

Der zurückgezogene, einzelgängerische Postbote zeichnet sich aus durch seine Leidenschaft fürs Philosophieren und seine Begeisterung für Liebesbriefe. Daraus resultiert sein recht ungewöhnliches Hobby: er öffnet Briefe, schreibt sie in gekonnter Imitation der Schrift ab und archiviert die Kopien systematisch. Ab und zu greift er auch in die Korrespondenz ein, indem er einen Brief nicht zustellt oder selbst ein Schreiben aufsetzt und in den Briefschlitz steckt. So werden Liebende zusammengeführt, sorgenvolle Mütter getröstet und die Dorfpolitik durcheinandergewirbelt.

Der Autor versteht es, die komplexen Zusammenhänge nicht von Anfang an in einer geradlinig verlaufenden Geschichte darzustellen, sondern mittels einzelner Episoden aus dem Dorfgeschehen Puzzlesteine vorzustellen, die sich erst nach und nach zu einem großen Ganzen zusammenfügen. So erfährt der Leser erst im Laufe der 36 Kapitel, wer die vielen unterschiedlichen Personen mit den schwierigen Namen sind (Register am Ende beachten!) und in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen, warum so manche wahre Liebe zu Ende war, bevor sie noch richtig begonnen hat, warum das Schicksal – oder ist es der Zufall? – so oft eine Rolle spielt, warum ein längst vergangenes Verbrechen Jahre später noch seine Wirkung zeigt.

Mit einer sehr klaren, sich aber trotzdem distanziert anfühlenden Sprache beschreibt Domenica Dara viele einzelne Vorkommnisse sehr präzise und anschaulich. Realität verschwimmt mit Phantasie, Jetzt mit Damals. Der Leser versinkt in kleine Details des Dorfes und lernt so die vielen unterschiedlichen Facetten kennen, die schließlich ein wunderbares Gesamtbild ergeben.

Wer Spannung sucht, wird sie in diesem Buch nicht finden, wer hingegen Geduld aufbringt, die Reise in die Vergangenheit anzutreten, alte und neue Briefe zu lesen, das Schicksal der Dorfbewohner kennenzulernen und damit auch jenes des Postboten, der wird am Ende zufrieden ein ganz besonderes Buch in Händen halten.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Feuer und Eis - unterhaltsam und aufrüttelnd zugleich

Das Feuer der Erde
0

Feuer und Eis – Gegensätze und doch so eng miteinander verbunden.


Bereits im Titelbild verschmelzen diese beiden Komponenten zu einem treffenden Einblick ins Buch und einmal geöffnet, ist man auch schon ...

Feuer und Eis – Gegensätze und doch so eng miteinander verbunden.


Bereits im Titelbild verschmelzen diese beiden Komponenten zu einem treffenden Einblick ins Buch und einmal geöffnet, ist man auch schon mitten im Geschehen:

15. Februar 2029, Beardmore Gletscher, Antarktis
Die Temperatur hätte niedriger sein müssen. Georgina Finley registrierte es mit einer gewissen Unruhe. Ihre Sinne stellten sich scharf.

Mit einem spannenden, flott geschriebenen Einstieg entführt Leo Aldan den Leser geschickt in einen Wettlauf zwischen ehrlich beunruhigten Wissenschaftlern und skrupellosen Politikern sowie Konzerndirektoren.

Georgina Finley, eine junge Forscherin, entdeckt ungewöhnliche seismographische Aufzeichnungen und studiert die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Antarktis, auf die Vulkane, die unter dem Eis nur schlummern? Mit wissenschaftlich untermauerten Daten will sie die Menschen wachrütteln, doch machthungrige Industriebosse stellen sich ihr in den Weg.

Die Figuren sind sehr gut skizziert und authentisch ins Geschehen eingebettet, rasch gewinnt der Leser Zu- oder Abneigung zu jeder einzelnen Person, nur einer scheint sich nicht einordnen zu lassen…

Durch einen packenden Erzählstil ist die Geschichte lebendig und fesselnd, die Handlung ein guter Mix aus Realität und Fiktion. Zum Thema recherchierte interessante Details, wie z.B. das Methanhydrat, sind unauffällig eingeflochten, ohne jemals belehrend zu wirken.

Ein Lesevergnügen von der ersten bis zur letzten Seite - mit einem unerwarteten Ende - für alle, die eine Mischung aus Fakten und Unterhaltung schätzen.

Veröffentlicht am 26.03.2019

Delia - eine moderne Ärztin im antiken Rom

Das Schicksal der Medica
0

Gerlinde Friewald entführt uns mit ihrem Roman „Das Schicksal der Medica“ ins antike Rom, 63 vor Christus.

Sehr raffiniert ist der Prolog als Rückblende gewählt, in dem Delia kurz von sich selbst erzählt, ...

Gerlinde Friewald entführt uns mit ihrem Roman „Das Schicksal der Medica“ ins antike Rom, 63 vor Christus.

Sehr raffiniert ist der Prolog als Rückblende gewählt, in dem Delia kurz von sich selbst erzählt, ihrer strengen Erziehung durch den Vater und ihre Leidenschaft für Heilkräuter und Medizin. Darin gipfelt Delias Wunsch und Ziel: „Ich möchte meine Geschichte erzählen, die Erinnerungen aufflammen lassen, noch einmal alles fühlen und durchleben“.

Dann tauchen wir auch schon ein ins Geschehen:

Delia folgt dem Ruf des Arztes Asklepiades, um sich mit ihm über neue wissenschaftliche Erkenntnisse auszutauschen. Gleichzeitig wird sie dort ihren geliebten Marcus Aponius wiedersehen, zweifelnd, ob ihre Liebe die zwei langen Jahre der Trennung überdauert hat.

Während Delia Marcus´ Familie kennenlernt und das verwinkelte Rom, dessen Kontrast zu ihrer Heimatstadt Alexandria größer nicht sein könnte, werden die politischen Unruhen immer heftiger, ein Umsturz steht bevor. Leichen im Kanalnetz, flammende Reden von Catilina – was kommt da noch auf die junge Ärztin zu?

In einem sehr angenehmen Stil, sachlich, nüchtern, schnörkellos, schildert die Autorin Delia als emanzipierte, ehrgeizige Frau, die unbeirrt ihren Weg geht. Die Medica besticht überdies durch Charme und Witz, wodurch sie schnell die Sympathie ihrer Gastgeber gewinnt.
Sehr detailliert und bestens recherchiert werden die einzelnen Episoden des ereignisreichen Italien-Aufenthaltes dargestellt, wodurch der Leser die beiden Hauptfiguren Delia und Marcus schnell ins Herz schließt. Besonders interessant und ansprechend ist die Schreibtechnik in diesem Buch: ein Mix aus der Ich-Perspektive durch Delia und neutralem Erzählstil für Episoden, bei denen sie nicht persönlich zugegen war.

Das geschickt gewählte Ende lässt alle Möglichkeiten offen und den Leser auf weitere Einblicke in das spannende Leben der modernen Medica hoffen…