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Veröffentlicht am 22.06.2019

Nie aufgeben

Hannah und ihre Brüder
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Während einer Veranstaltung wird der angesehene Gönner der Stadt Chicago Elliot Rosenzweig von einem alten Herrn beschuldigt, während der NS-Zeit schwerste Verbrechen begangen zu haben. Der alte Ben Solomon ...

Während einer Veranstaltung wird der angesehene Gönner der Stadt Chicago Elliot Rosenzweig von einem alten Herrn beschuldigt, während der NS-Zeit schwerste Verbrechen begangen zu haben. Der alte Ben Solomon wird aus dem Saal geführt. Doch er ist sich sicher, er hat in Rosenzweig den SS-Offizier Otto Piontek erkannt. Als Kinder und Jugendliche sind sie zusammen aufgewachsen und doch wurde Otto zu einem der schlimmsten Mörder dieser Zeit. Wie allerdings soll Ben das beweisen? Er engagiert die Anwältin Catherine Lockhart und den Privatdetektiv Liam Taggart. Auch diese Beiden muss er erstmal von seiner Geschichte überzeugen.

Nicht davonkommen dürfen diese Nazi-Verbrecher, die so viel Leid über so viele Menschen gebracht haben. Und doch etliche konnten sich davonstehlen, mit Geld und Helfershelfern entzogen sie sich ihrer gerechten Strafe. Jahre später sind auch die entflohenen Täter alt geworden. Sollen sie verfolgt werden, wenn sie nach der langen Zeit noch entdeckt werden? Mord verjährt nicht, zurecht. Es gilt alles daranzusetzen die Mörder ihrer Strafe zuzuführen. Und genau das macht der alte Ben Solomon. Er gibt nicht auf in seinem Streben nach Gerechtigkeit. Die Taten des Otto Piontek müssen gesühnt werden. Mit der tatkräftigen Unterstützung von Lockhart und Taggart geht Solomon seine schwierigste Aufgabe an.

Mit diesem Buch geht der Autor ein wichtiges Thema an. Findet man heute noch einen Nazi-Verbrecher, ist dieser auch schon betagt. Vielleicht hat er jahrelang ein unauffälliges und unbescholtenes Leben geführt und sagt so etwas wie, was wollt ihr denn noch, es ist schon so lange her, ich bin alt. Aber kann dieses Argument gelten? Nicht umsonst gibt es für Mord keine Verjährung. Natürlich muss solchen Leuten der Prozess gemacht werden, natürlich darf ein Ben Solomon nicht aufgeben. Da die Täter häufig keine Reue zeigen, sind sie im Gefängnis richtig untergebracht. Da können vermeintlich gute Taten keinen Ausgleich bilden. Ob sich nicht zu viele unter dem Schutz ihrer Gönner der Verfolgung entziehen konnten. Sicher, doch den Glauben an das Rechtssystem halten die aufrecht, die sich dem entgegenstemmen. Obwohl die sehr erzählende Darstellung der Handlung den Lesefluss etwas bremst, sollte man sich dieses wichtigen Buches annehmen.

Veröffentlicht am 20.06.2019

Postbotin mit Herz

Mörder unbekannt verzogen
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Sie lebt, wo andere Urlaub machen. Und sie nimmt es nicht für selbstverständlich. Wenn Daphne Penrose von ihrer Heimat Cornwall erzählt, gerät sie ins Schwärmen. Das vom Golfstrom gesegnete Klima, das ...

Sie lebt, wo andere Urlaub machen. Und sie nimmt es nicht für selbstverständlich. Wenn Daphne Penrose von ihrer Heimat Cornwall erzählt, gerät sie ins Schwärmen. Das vom Golfstrom gesegnete Klima, das die Bäume und Pflanzen gedeihen lässt. Die mal liebliche, mal raue Landschaft. Die gewachsenen und liebevoll erhaltenen Städtchen. Was will man mehr? Einen Mord auf jeden Fall nicht und zwei schon garnicht. Doch genau das passiert. Der angesehene Arzt Dr. Finch wird während einer Veranstaltung erschossen und nahezu gleichzeitig wird eine weitere Leiche entdeckt.

Auch in ihrem zweiten Fall begeben sich Daphne Penrose und ihr Mann Francis auf Verbrecherjagd. Inspektor Vincent hat vornehmlich seinen Urlaub im Kopf und dennoch mach auch er sich daran, den Mörder zu finden. Als Botin der Royal Mail mit ihrem Fahrrad unterwegs nutzt Daphne jede Gelegenheit, den Leuten auf den Zahn zu fühlen. Wer kann nur etwas gegen den Doktor gehabt haben? Nicht so einfach ist es, etwas herauszufinden, war der Arzt doch allseits beliebt, einzig in Geldangelegenheiten hat er mitunter ein strengeres Regiment geführt, als nötig gewesen wäre. Doch reicht das als Motiv? Da könnte schon eher ein Corpus Delicti, das Francis untergekommen ist, zu einer echten Spur werden.

Wenn es nach dem Autor ginge, müsste man sofort nach Cornwall reisen und sich die Schauplätze des Romans selbst anschauen. Und, wer weiß? Vielleicht würde einem Daphne irgendwo über den Weg radeln. Vielleicht sollte man sich da beeilen, denn so leicht wie heutzutage wird es später vielleicht nicht mehr sein. Doch nicht nur die Begeisterung des Autors für Cornwall ist ansteckend, auch der Enthusiasmus, mit dem er seinen Figuren Leben einhaucht, wirkt ausgesprochen sympathisch. Die liebenswürdige Neugier, mit der Daphne unterwegs ist, passt zu ihrem Beruf und auch zu ihrer Berufung. Nie verliert Daphne dabei die Balance, sie merkt, wann es zu viel würde bevor der oder die Befragte überhaupt merkt, dass er oder sie Informationen preisgibt. In technischen Details versierter steht Francis seiner Frau in nichts nach, außer, dass er hin und wieder doch den Beamten die Arbeit überlässt.

Ein vergnüglicher Kriminalroman, der Urlaubsgefühle weckt und mit einem spannenden und überraschenden Fall überzeugt.

Veröffentlicht am 16.06.2019

Vom Finden

Das wilde Leben der Cheri Matzner
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Im Jahr 1962 stirbt Marilyn und Cheri Matzner wird geboren. Allerdings ist die Geschichte ihrer Herkunft nicht so einfach. Ihre leibliche Mutter bringt sie in einer kleinen Klinik in Trenton zur Welt und ...

Im Jahr 1962 stirbt Marilyn und Cheri Matzner wird geboren. Allerdings ist die Geschichte ihrer Herkunft nicht so einfach. Ihre leibliche Mutter bringt sie in einer kleinen Klinik in Trenton zur Welt und verschwindet kurz nach der Entbindung. Das junge Ehepaar Matzner erwartet ein Kind. Es ist tragisch, der kleine Junge stirbt kurz nach der Geburt. Cici Matzner fällt in eine tiefe Depression, auch weil sie keine Kinder mehr bekommen kann. Sol sieht eine Chance darin, das neugeborene Mädchen zu adoptieren. Und so wächst Cheri in einer wohlhabenden Familie auf, hat die Möglichkeit zu studieren und überhaupt auf ein glückliches Leben.

Es könnte so schön und einfach sein, ist es aber nicht. Selbst die kleine Cheri merkt bald, dass ihre Familie nicht so ist wie andere. Cici kommt aus Italien und hat ihren Akzent nie abgelegt. Sols Familie hat sich von ihm abgewandt als er seinen Willen durchsetzte und Cici heiratete. Und Cici vereinnahmt ihre Tochter etwas arg. Sie will es besonders gut machen und vergisst, dass eine Mutter auch mal loslassen muss. Auch Cheris Verhältnis zu Sol ist eher angespannt. Von ihm möchte sie unabhängig sein. Nach einigen Versuchen in verschiedenen Jobs, ist Cheri nun verheiratet.

Dies ist wieder mal eines der Bücher, die sich möglicherweise erst dann erschließen, wenn man das letzte Kapitel beendet hat. Zunächst wirken die Handlungsstränge etwas zusammenhanglos und man fragt sich manchmal, weshalb einiges so angelegt ist, wie es ist. Je weiter man liest, desto mehr fügt sich alles zusammen. Cheris Persönlichkeit gewinnt mehr Kontur und man kann für die meisten ihrer Handlungen viel Verständnis entwickeln. Sie schafft vieles selbst und manchmal erhält sie Hilfe von ganz unerwarteter Seite. Cheri Matzner ist ein ungewöhnlicher Charakter, dem man außerordentlich gönnt, in sich selbst zu ruhen. Ein durchaus lebensbejahender Roman, in dem tragische Momente mit großer Authentizität geschildert sind.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Das schöne Zimmer

Der dunkle Bote
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November 1920 in Wien, die wirtschaftliche Lage ist schlecht, das Wetter ebenfalls. Die Menschen leiden unter Hunger, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Auch Kriminalinspektor August Emmerich lebt nicht ...

November 1920 in Wien, die wirtschaftliche Lage ist schlecht, das Wetter ebenfalls. Die Menschen leiden unter Hunger, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit. Auch Kriminalinspektor August Emmerich lebt nicht auf großem Fuß. Immer noch ist er auf der Suche nach seiner Lebensgefährtin Luise, die von ihrem Mann entführt wurde, der eigentlich im Krieg als vermisst gegolten hatte. Als die Nachricht hereinkommt, eine Leiche sei gefunden worden, machen sich Emmerich und sein Assistent Winter sofort auf den Weg. Ein Mann wurde eigenartig drapiert und ein später auftauchender Bekennerbrief gibt weitere Rätsel auf.

Ein wenig erinnert die Schilderung des Lebens und des Verbrechens in Wien an Berlin zu eben jener Zeit. Es gibt Banden, die die Stadt unter sich aufteilen wollen. Schieber und Schmuggler sind allenthalben unterwegs, um ihren Vorteil aus der schlecht laufenden Wirtschaft und der wachsenden Geldentwertung zu ziehen. Der verlorene Krieg bringt unterschiedliche politische Strömungen hervor, die das Land und die Stadt verändern wollen, wobei ihnen jedes Mittel recht ist auch das der Gewalt. Die normalen Menschen leben häufig im Elend, Kinder werden allein gelassen und müssen zusehen, wie sie zurechtkommen. Es ist eine dunkle kalte Zeit, in der der dunkle Bote umgeht. August Emmerich unternimmt alles, um den Mörder zu stoppen.

In seinem dritten und wohl persönlichsten Fall will August Emmerich sowohl das Rätsel um den sogenannten dunklen Boten lösen als auch seine Lebensgefährtin wieder zurück an seine Seite bringen. Manchmal ist er garnicht so sicher, wie er seine Prioritäten setzen soll.

Die Schilderungen über den Beginn des Winters 1920 in Wien treffen wirklich ins Mark. Der Krieg hat das Land ausgelaugt, es ist nichts mehr wie es war. Anscheinend gibt es nur noch Verbrechen, Not und Elend. Man fragt sich tatsächlich, wieso Menschen schon so relativ kurze Zeit später Menschen wieder in den Krieg zogen. Auch August Emmerich ist verwundet heimgekehrt, doch unverzagt geht er seiner Arbeit nach, um die Welt wenigstens etwas besser zu machen. Nicht immer kann ihm das vollständig gelingen, doch gerade das macht seine Figur umso authentischer. Auch wenn hier die Kriminalistik manchmal eher zur Nebensache gerät, brilliert dieser spannende Roman mit einem detaillierten Sittengemälde seiner Zeit.

Veröffentlicht am 09.06.2019

New in Town

Fünf Sterne für dich
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Mit seiner Tochter ist Konrad Michaelsen von Köln nach Hamburg gezogen. Mathilda ist also neu an der Schule. Pia Flemming ist zum ersten Mal als Klassenlehrerin eingesetzt. Sie beschließt für ihre 7d gleich ...

Mit seiner Tochter ist Konrad Michaelsen von Köln nach Hamburg gezogen. Mathilda ist also neu an der Schule. Pia Flemming ist zum ersten Mal als Klassenlehrerin eingesetzt. Sie beschließt für ihre 7d gleich mal einen Elternabend durchzuführen. Dorthin macht sich Konrad auf den Weg, dem als alleinerziehender Vater das Wohl seiner Tochter sehr am Herzen liegt. Etwas überrascht ist er von Pia, dem zweiten Klassenlehrer Tom Wohlfahrt und einigen anderen Eltern. Konrad Michaelsen, dessen Broterwerb darin besteht, Renzensionen nach Kundenwunsch zu schreiben, kann nicht umhin sich über einige Anwesende einige Notizen zu machen.

Man muss sich vorstellen, wie Konrad im Renzensionsstil über seine Mitmenschen parliert, da kriegt man ein Grinsen nicht aus dem Gesicht. Doch nicht nur lustig geht es zu in diesem Familienroman mit Herz. Denn Konrad hatte durchaus einen Grund, Köln zu verlassen. Einen Grund, von dem Mathilda nichts wissen soll. Und auch Pia ist nicht die Gipfelstürmerin, in ihrem ersten Einsatz als Klassenlehrerin muss sie sich erst finden und so leicht machen es ihr Eltern und Kinder nicht. Doch beherzt nimmt sie ihre Aufgabe an. Und wie man bald erfahren muss, können Kinder doch manchmal recht grausam sein. Man denke da nur an die eigentlich harmlose Sitzordnung, mit der es aber durchaus echte Probleme geben kann. Und Neue in der Klasse werden auch genau unter die Lupe genommen.

Wie bei einem Bild; mit wenigen Federstrichen schafft es die Autorin, die Stimmung ihrer handelnden Personen zu umreißen. Wenn die 12jährige Mathilda erste Pubertätslaunen an den Tag legt, ihr Vater hilflos amüsiert stolz reagiert, kann man sich bestens vorstellen, was da läuft. Vielleicht erinnert man sich an die eigene Jugend oder hat selbst Kinder, mit denen man da durch musste. Oder Pia Flemming in ihrer neuen Rolle als Klassenlehrerin, natürlich etwas unsicher, aber doch kreativ und ideenreich. Und die unterschwelligen oder manchmal auch gar nicht so unterschwelligen Strömungen in der Klasse geben dem Roman gewiss viel Lebensechtheit. Es ist nicht immer nur lustig wie im echten Leben. Gekonnt hält die Autorin die Balance zwischen heiteren und ernsten Phasen, wobei sie den Leser nach und nach immer mehr in den Bann ihrer Geschichte zieht.