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Veröffentlicht am 02.07.2019

Leben in der Optimalwohlgesellschaft

Die Unvollkommenen
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Die Unvollkommenen – Theresa Hannig

Dieser Roman spielt in der Bundesrepublik Europa, 2057.
„Es herrscht Frieden in der Optimalwohlökonomie, einem lückenlosen Überwachungssystem, in dem mithilfe von Kameras, ...

Die Unvollkommenen – Theresa Hannig

Dieser Roman spielt in der Bundesrepublik Europa, 2057.
„Es herrscht Frieden in der Optimalwohlökonomie, einem lückenlosen Überwachungssystem, in dem mithilfe von Kameras, Linsen und Chips alles erfasst und gespeichert wird. Menschen und hochentwickelte Roboter sollen Seite an Seite leben. Störenfriede werden weggesperrt. So auch die Systemkritikerin Lila. (…)“ (Klappentext)

Normalerweise übernehme ich nur sehr selten Teile von Klappentexten etc. Hier finde ich aber die Ausgangssituation sehr schön zusammengefasst. Zumal Die Unvollkommenen der zweite Band nach Die Optimierer ist, den ich leider nicht kenne. Zum Glück war diese Tatsache zumindest für den Einstieg kein Problem. Denn zum einen werden viele Dinge aus dem Vorgängerband noch einmal erklärt. Zum anderen, ist selbst die Protagonistin Lila nicht auf dem aktuellen Stand. Denn seit den Geschehnissen des letzten Bandes sind fünf Jahre vergangen, die Lila verschlafen hat. Sie ist eine Gegnerin der herrschenden Optimalwohlökonomie und wurde zu fünf Jahren Verwahrung verurteilt. Als würde man jemanden einfach ausschalten.
Den Rest ihres Lebens soll sie nun in einem Internat verbringen. Auf den ersten Blick reiner Luxus, Schlaraffenland, wenn auch umgeben und kontrolliert von Robotern. Lila plant von Anfang an ihre Flucht.

Spannend und fesselnd erzählt, eine spannende Ausgangssituation, dennoch konnte es mich nicht zu hundert Prozent packen.
Die dargestellte Zukunftsvision ist sehr interessant, wenn auch nicht erstrebenswert. Dabei wirft die Geschichte viele grundlegende Fragen auf. Beispielsweise über den Wert des Lebens, Selbstbestimmung, Recht auf Privatsphäre und die Vor- und Nachteile bzw. Gefahren künstlicher Intelligenz. Also wirklich lesenswert, wenn man das Genre mag.

Insgesamt war mir die Geschichte allerdings etwas zu eindimensional sowohl was den Plot betrifft, als auch von der Erzählstruktur her. Die Erzählweise ist relativ streng chronologisch, ausschließlich aus Lilas Perspektive. Da hätte ein klein wenig Raffinesse nicht geschadet. Etliche Handlungsstränge wären noch ausbaufähig gewesen. Wenn man ersten Band nicht kennt, fehlt letztendlich doch ein wenig der Weltenaufbau. Teilweise schien mir der Roman recht zahm und weichgespült, sehr stark am Jugendroman orientiert.
Dennoch, eine bodenständige, unterhaltsame Lektüre, die ich sehr gern gelesen habe!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Idee
  • Geschichte
  • Figuren
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 07.06.2019

Die Zerstörungskraft einer Sucht

All das zu verlieren
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All das zu verlieren – Leila Slimani

Die französisch-marokkanische Autorin und Prix Goncourt-Preisträgerin Leila Slimani wird in Frankreich für ihre Erzählkunst gefeiert. Der Klappentext verweist auf ...

All das zu verlieren – Leila Slimani

Die französisch-marokkanische Autorin und Prix Goncourt-Preisträgerin Leila Slimani wird in Frankreich für ihre Erzählkunst gefeiert. Der Klappentext verweist auf die Beschreibung einer „modernen Madame Bovary“. Tatsächlich gibt es einige Ähnlichkeiten in Plot und Personal. Doch gerade die Handlung und deren Hintergründe (die fehlen), reichen bei Weitem nicht an das Original heran.

Das Cover finde ich sehr passend. Es ist zweigeteilt und zeigt dadurch sehr deutlich die Zerrissenheit der Protagonistin. Ihr Leben ist durch eine Sexsucht geprägt und weist eine dunkle, depressive Seite auf, die sie aber mit allen Mitteln geheim zu halten versucht. Nach außen zeigt sie eine perfekte, strahlende Seite.
Adèle ist mit ihrem Leben unzufrieden. Mit ihrem Mann verbindet sie eine reine Zweckehe, mit dem Kind ist sie überfordert – ihre einzige Ablenkung ist schneller, harter Sex. Sie will begehrt werden, um sich selbst zu spüren.
"Sie wäre so gerne die Ehefrau eines reichen Mannes, der nie da ist." Seite 15

Der Roman ist kühl und distanziert erzählt, gerade die vielen Sexszenen werden nüchtern erzählt. Zum Glück, denn nur durch die sachliche Beschreibung, werden diese abstoßenden Akte erst erträglich.
Es ist eine stakkato artige Aneinanderreihung von einzelnen Sequenzen aus ihrem Leben. Die Autorin wirbt nicht um Verständnis für Adèle, sie hält den Leser auf Distanz, die Geschichte berührt nicht, sondern provoziert und schockiert durch ihre Direktheit und den Hang zur Selbstzerstörung der Protagonistin.

Man kann und soll sich nicht mit Adèle identifizieren, man kann sie auch nicht verstehen, sie ist ein absolut unsympathischer, lebensunfähiger Mensch. Sie konnte noch nicht mal mein Mitleid erwecken. Wohl aber kann man diesen Roman als Darstellung der Zerstörungskraft einer Sucht lesen. Adèle kämpft dagegen an, gelobt Besserung und scheitert immer wieder.
Geradezu emotionslos was den Alltag betrifft, sucht sie Betäubung und Ablenkung bei fremden Männern. Sie baut sich geradezu ein Doppelleben auf.

Am Ende bin ich unschlüssig, wie dieses Buch zu bewerten ist. Ich fand es nicht schlecht, aber auch nicht gut. Letztendlich war es mir zu distanziert, dadurch bleiben für mich sowohl die Figuren als auch die Handlung blass. Slimani erklärt nicht, liefert keine Begründungen oder Hintergründe, es ist eine reine Zustandsbeschreibung.
Die hochgelobte Sprachkunst, die ich gerne anerkenne, reicht mir hier leider nicht.

Veröffentlicht am 24.05.2019

Revenge

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Golden Cage – Camilla Läckberg

Revenge

Ein Traumpaar in der Welt der Reichen und Schönen. Faye und Jack führen mit ihrer Tochter Julienne das perfekte Leben, scheinbar. Denn die Beziehung ist nicht, ...

Golden Cage – Camilla Läckberg

Revenge

Ein Traumpaar in der Welt der Reichen und Schönen. Faye und Jack führen mit ihrer Tochter Julienne das perfekte Leben, scheinbar. Denn die Beziehung ist nicht, wie sie nach außen hin wirkt. Faye tut alles um Jack zu gefallen, dieser begegnet ihr jedoch nur mit Verachtung. Am Ende ist Julienne verschwunden und im Luxus-Apartment ist eine Blutlache. Wie konnte es dazu kommen?

Über sehr weite Teile (etwa die Hälfte des Buches) wird die jämmerliche Situation der unglücklichen, finanziell und psychisch abhängigen Faye beschrieben, die sich dem dominanten, perfektionistischen Jack bis zur Selbstaufgabe unterordnet. Hier kommt auch der Titel ins Spiel: Goldener Käfig, Faye hat alles, führt scheinbar ein tolles Leben, doch ihr Mann kontrolliert sie, will sie klein halten. Bis Faye eines Tages zum Rundumschlag, zur Rache schreitet. Dieser Roman hat eine sehr starke Gewichtung auf das Beziehungsdrama zwischen Faye und Jack. Hier finde ich den Klappentext etwas irreführend, denn um die verschwundene Julienne geht es erst auf den letzten Seiten.

Man merkt, dass der Autorin die Unabhängigkeit der Frauen sehr wichtig ist. Eine grundsätzlich gute Idee, doch an einigen Stellen übertreibt sie es meiner Meinung nach etwas. An den Männern in diesem Roman lässt sie grundsätzlich kein gutes Haar, bis auf einen gegen Ende hin. Aber das ist ein Handlungsstrang, den ich überflüssig und kitschig fand.

Allesamt sind die Protagonisten extrem unsympathisch, auch Faye ist absolut berechnend. Sehr viel wird über abstoßenden, geradezu gewalttätigen, seelenlosen Sex ausgetragen, der wohl zusätzlich verdeutlichen sollte, wie sehr Faye sich unterordnet. Das war mir deutlich zu viel, das hätte ich nicht gebraucht.

Grundsätzlich ist dieser Roman/Thriller durchaus fesselnd geschrieben und man fliegt nur so durch die Seiten. Gerade gegen Ende tauchten aber Handlungsstränge auf, die ich unnötig fand. Auch die Auflösung am Ende war mir zu schnell, zu problemlos, zu unglaubwürdig.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Ein Sittengemälde

Die Farben des Feuers
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Die Farben des Feuers - Pierre Lemaitre

Der Rundumschlag einer leidgeprüften Frau. Ein etwas zähes Stück Literatur.

Vor dem Hintergrund des nahenden Zweiten Weltkrieges in Paris, geht die unerfahrene, ...

Die Farben des Feuers - Pierre Lemaitre

Der Rundumschlag einer leidgeprüften Frau. Ein etwas zähes Stück Literatur.

Vor dem Hintergrund des nahenden Zweiten Weltkrieges in Paris, geht die unerfahrene, frisch gebackene Alleinerbin Madeleine Pericourt kurz nach dem Tod ihres Vaters einem Komplott auf den Leim. Das Bankimperium der Familie ist dem Untergang geweiht. Doch Madeleine ist eine Kämpferin, vor allem kämpft sie für ihren querschnittsgelähmten Sohn Paul, für seine Zukunft. Sie kommt wieder auf die Beine, um dieses Mal ihren ganz persönlichen Rachefeldzug zu planen.

Dieser Roman ist durchaus anspruchsvoll, was die Verflechtung des umfangreichen Personals betrifft. Etliche Finanz- und steuerrechtliche Fragen, die für die Handlung von Bedeutung sind, werden dagegen oft nur sehr oberflächlich angerissen und kaum erklärt. Insgesamt wirkte das ein oder andere Detail im Handlungsverlauf für mich dann doch sehr konstruiert. Emotional fühlte ich mich leider nicht mitgenommen.

Die teils antiquiert wirkende Sprache und die ungewöhnliche Art, den Leser mehr oder weniger direkt anzusprechen sind anfangs recht gewöhnungsbedürftig. Später sorgen die vielen französischen Namen für mehr Verwirrung. Leider fehlt hier ein entsprechendes Namensverzeichnis.
Außerdem sind mir sehr viele Klischees aufgefallen, die zwar der Zeit entsprechen, irgendwie aber doch unpassend wirken und mich störten.

Sämtliche Charaktere bleiben insgesamt distanziert, zum Großteil unsympathisch und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Einzig Paul ist für ein Kind geradezu unglaubwürdig vernünftig und geduldig. Die größte Entwicklung macht zweifellos Madeleine durch, zumindest beginnt sie, selbst die Strippen zu ziehen.

Insgesamt konnte mich dieser Roman leider nicht wirklich begeistern. Zu zäh, vieles blieb mir fremd. Nichtsdestotrotz bietet er ein gutes Sittengemälde des Paris vor dem Zweiten Weltkrieg und viele gute Ansätze.

Veröffentlicht am 19.03.2019

Fünf Studenten auf Schatzsuche

Goldschatz
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Goldschatz - Ingrid Noll

Nicht das beste Buch der Autorin, insbesondere der charakteristische bissige Humor der früheren Werke fehlt leider fast gänzlich.

Unverhofft erbt Studentin Trixi ein altes, ...

Goldschatz - Ingrid Noll

Nicht das beste Buch der Autorin, insbesondere der charakteristische bissige Humor der früheren Werke fehlt leider fast gänzlich.

Unverhofft erbt Studentin Trixi ein altes, renovierungsbedürftiges Bauernhaus. Die perfekte Gelegenheit, mit ein paar Freunden eine WG zu gründen und es der Wegwerfgesellschaft zu zeigen. Motiviert machen sie sich ans Werk, das alte Haus möglichst günstig und nachhaltig auf Vordermann zu bringen. Beim Entrümpeln taucht so einiges auf, unter anderem ein Goldschatz, der aber auch gleich wieder verschwunden ist. Auch Gruseliges kommt zu Tage.
Und dann wäre da noch der schrullige alte Nachbar, der viel mehr über die Geheimnisse der Vergangenheit zu wissen scheint, als er zugeben will. Zwischen den WG-Bewohnern beginnt es aus verschiedenen Gründen bald zu brodeln...
Sehr bald ist von Konsumverweigerung kaum mehr die Rede, es regiert die Gier, denn mit dem Schatz geht der Ärger erst richtig los.

Die Grundidee ist großartig und das Potenzial riesig. Meiner Meinung nach wurde dieses aber leider nicht vollständig ausgeschöpft.
Die verschiedenen Charaktere fand ich sehr stark ausgearbeitet. Sie sind nicht sympathisch, dafür mit Ecken und Kanten sehr authentisch, und im Zusammenspiel durchaus chaotisch. Genau so könnte ich mir ein solches Projekt der nachhaltigen Wohngemeinschaft vorstellen. Ärger ist quasi vorprogrammiert. Gewisse Schwierigkeiten, die bei der überstürzten Gründung einer Wohngemeinschaft auftreten, wurden recht deutlich und gut beschrieben.
Einige Hintergrundinformationen wurden mir aber zu sehr im Unklaren gelassen. So hätte ich gerne mehr über die Herkunft des Schatzes erfahren. Da wurde Vieles recht schnell und lieblos abgehandelt und wichtige Fragen blieben offen. Sehr viel Platz wird jedoch der Zubereitung und dem Verzehr der Mahlzeiten eingeräumt.
Beinahe wirkt dieses Buch wie ein Lehrstück, was Gier aus Menschen machen kann.
Letztendlich waren mir sämtliche Protagonisten zu passiv. Sie haben alle nur reagiert. Das wirklich böse konnte ich hier nicht finden. Es sind vielmehr Versäumnisse und dumme Zufälle derer sie sich schuldig machen.

Durchaus unterhaltsam, aber irgendwie oberflächlich und zu zahm, mit viel verschenktem Potenzial. Und mit Sicherheit kein Krimi.