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Veröffentlicht am 07.11.2016

Was wird aus dem Büchernest?

Wintersonnenglanz
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In Gabriella Engelmanns Weihnachtsroman "Wintersonnenglanz" treffen wir auf alte Bekannte aus ihren Syltromanen "Inselsommer" und "Inselzauber". Die Geschichte ist jedoch abgeschlossen und kann auch ohne ...

In Gabriella Engelmanns Weihnachtsroman "Wintersonnenglanz" treffen wir auf alte Bekannte aus ihren Syltromanen "Inselsommer" und "Inselzauber". Die Geschichte ist jedoch abgeschlossen und kann auch ohne Vorkenntnisse dieser beiden Romane gelesen werden.

Lissy, unsere Hauptprotagonistin in diesem Buch, das uns wieder auf die Insel Sylt und ins Büchernest führt, ist bereits voll im Weihnachtsfieber. Sie liebt diese Zeit ganz besonders, auch wenn sie die Arbeitsintensivste des Jahres ist. Doch dieses Jahr hält ihre kleine Tochter sie zusätzlich auf Trab und ihre Großtante Bea scheint in letzter Zeit etwas vergesslich zu werden. Als dann auch noch ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel steht, ist es vorbei mit der Weihnachtsstimmung....

Wer schon eines oder beide Bücher aus der Reihe kennt, freut sich auf ein Wiedersehen mit Lissy, Bea und Nele. Durch das Weihnachtssetting und die wunderbaren Beschreibungen der Insel in der Vorweihnachtzeit stellt sich der Wohlfühlfaktor sofort ein. Natürlich haben unsere Protagonistinnen diesmal wieder jede Menge zu tun, denn Gabriella Engelmann hat ihnen doch einige Steine in den Weg gelegt. Vorallem die Probleme rund ums Büchernest, das wir Leser und Buchliebhaber so lieben, sind groß. Die Charaktere sind liebenswert und aus dem Leben gegriffen. Man teilt die Sorgen und Ängste der Frauen und durchlebt mit ihnen alle möglichen Emotionen.
Einige traditionelle vorweihnachtliche Brauchtümer der Insel wurden von der Autorin ebenfalls mit eingebaut. Und ganz am Ende findet man als kleines Extra noch einen Adventkalender. 24 kleine Geschichten, Gedichte und Rezepte versüßen uns die Vorweihnachtszeit und runden das Buch ab.
Ich hoffe sehr, dass es noch weitere Bücher rund um Larissa, Bea und Nele auf Sylt geben wird.

Schreibstil:
Gabriella Engelmann erzählt wieder wie gewohnt in sehr bildhafter Sprache von Freundschaft und dem Leben auf Sylt. Wie schon in "Inselzauber" (meine Rezi hier) haben mich die Beschreibungen der Insel, seiner Bewohnern und dessen Eigenarten mitgerissen. Als Österreicherin ist die deutsche Nordsee für mich leider noch immer unbekanntes Terrain. Die liebevoll erstellten Charaktere überzeugen und sind direkt aus dem Leben gegriffen.

Fazit :
Ein richtiges Wohlfühlbuch, das Freunde der Autorin und der Reihe lieben werden. Hier wird nicht nur "Friede, Freude, Eierkuchen" gelebt, sondern es wird das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen realistisch dargestellt. Mit den tollen Beschreibungen der Insel und dem winterlichen Setting kommt auch die Weihnachtsstimmung nicht zu kurz! Für Fans ein MUSS!

Veröffentlicht am 07.11.2016

Vom Ende der Einsamkeit

Vom Ende der Einsamkeit
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Dies ist die Geschichte von Jules, der nach dem frühen Tod seiner Eltern gemeinsam mit seiner Schwester Liz und seinem Bruder Marty in einem Internat aufwächst. Getrennt von seinen älteren Geschwistern, ...

Dies ist die Geschichte von Jules, der nach dem frühen Tod seiner Eltern gemeinsam mit seiner Schwester Liz und seinem Bruder Marty in einem Internat aufwächst. Getrennt von seinen älteren Geschwistern, die in einem anderen Trakt der Internatschule untergebracht sind, findet er nur in der Klassenkollegin Alva eine Freundin. Das rothaarige aufmüpfige Mädchen, deren Schwester von einem Tag auf den anderen verschwunden ist, fühlt sich zu Jules hingezogen, da er dieselbe Traurigkeit austrahlt, die sie fühlt. Sie werden beste Freunde, verlieren sich aber nach Jahren aus den Augen. Auch Jules Geschwister sind einsam und jeder auf seine eigene Art gebrochen. Im Laufe der Jahre, die sie erwachsen werden, müssen alle von ihnen einige Höhen und Tiefen durchleben....

Der Einstieg in den Roman ist mir eigentlich sofort gelungen, obwohl dies mein erstes Buch von Benedict Wells ist. Seine wundervolle Sprache und die Beschreibung der Umstände, sowie der Charaktere hat mich sofort gefesselt. Der Roman ist eine Mischung aus Familiengeschichte, Drama und einer Liebesgeschichte. Der Autor schickt seine Figuren auf die Suche nach der eigenen Identität, die nach dem frühen Tod der Eltern straucheln und nicht wissen wohin. Obwohl der Roman sehr ruhig und melancholisch ist, man ab und zu das Gefühl hat, dass er kurz auch mal ein bisschen dahinplätschert, so hat mich die Entwicklung von Jules Leben fasziniert. Es gibt Höhen und Tiefen wie im realen Leben und man verliert sich aus den Augen, auch wenn man denkt, dass man sein ganzes Leben lang befreundet sein wird. So passiert es mit Alva und Jules und viel zu spät erkennt er, dass Sie viel mehr für ihn bedeutet, als er dachte. Und er muss endlich erkennen, dass er seinem Leben einen Sinn geben und er selbst dafür sorgen muss. Aber auch die Geschwister driften auseinander, die generell sehr unterschiedlich sind. Trotzdem finden sie am Ende alle wieder zusammen und geben einander, nicht nur in schweren Zeiten, Halt.


Charaktere:
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und voller Leben. Während Liz schon als Teenager um ihre Ausstrahlung weiß und alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, äußerst extrovertiert und ruhelos durchs Leben geht, ist Marty das komplette Gegenteil. Er ist ein Einzelgänger, ein Nerd und Vorzeigeschüler, der sich voll und ganz der Wissenschaft widmet. Mit Elena hat er bald seine große Liebe gefunden, die ein sehr herzlicher und gefühlvoller Mensch ist. Doch auch ihr Leben gestaltet sich nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatten. Jules scheint als Einziger nicht zu wissen, was er eigentlich mit seinem Leben anstellen soll. Er hat einen coolen Job bei einem Plattenlabel, der ihn jedoch nicht erfüllt. Die Fotografie, die er Dank seines Vaters verfolgt hat, hat er nach dem Tod der Eltern aufgegeben. Er ist orientierungslos. Nur das Schreiben gibt ihm ab und zu Halt, doch dazu fehlt ihm oft die Überzeugung, dass er es kann.
Alle Charaktere bilden sich im Laufe der 368 Seiten weiter und runden den Roman hervorragend ab.

Schreibstil:
Der Roman ist aus der Sicht von Jules in der Ich-Form geschrieben. Alle Charaktere sind sehr unterschiedlich Persönlichkeiten und ganz wunderbar beschrieben. Sie werden erst durch die wundervolle poetische und ausdrucksstarke Sprache des Autors lebendig. Obwohl die Geschichte direkt aus dem Leben gegriffen ist und sich ähnlich woanders genauso abspielen könnte, lebt der Roman vorallem durch Benedict Wells Sprachkunst.

Fazit:
Ein sehr ruhiger, aber eindringlicher Roman, der vorallem durch den wunderbaren Schreibstil des Autoren glänzt. Mich hat die Geschichte noch nachhaltig beschäftigt und wer tiefgründige Bücher mit tollem Schreibstil mag, sollte hier zugreifen!

Veröffentlicht am 29.10.2016

Incendo

Totenlied
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Als Thrillerleser bin ich ein großer Fan von Tess Gerritsen. Auf jedes neues Buch, das von ihr veröffentlicht wird, freue ich mich schon tierisch. Gott sei Dank wurde ich bei "Totenlied" schon vorgewarnt, ...

Als Thrillerleser bin ich ein großer Fan von Tess Gerritsen. Auf jedes neues Buch, das von ihr veröffentlicht wird, freue ich mich schon tierisch. Gott sei Dank wurde ich bei "Totenlied" schon vorgewarnt, dass es sich hier eher um einen (Spannungs-)roman handelt und nicht um einen Thriller, wie man normaler Weise von der Autorin gewöhnt ist. So ging ich gänzlich unbedarft an die Geschichte, die mir wirklich sehr gut gefallen hat - dass kann ich schon mal verraten!

Ebenso ungewöhnlich für die Autorin ist, dass sie diesmal auf zwei Zeitebenen erzählt. Da ich ein großer Fan von Literatur über die beiden Weltkriege bin, gefiel mir natürlich der Part aus der Vergangenheit wieder ausgesprochen gut. Hier geht es um Lorenzo Tedecso, einem sehr begabten jüdischen Geigenspieler aus Venedig. Der Leser steigt jedoch zuerst in der Gegenwart ein. Hier begleiten wir Julia Ansdell, eine erfolgreiche Violinistin, die in einem Antiquitätenladen in Rom ein altes Notenbuch kauft. In diesem findet sie handgeschriebene Walzernoten eines unbekannten Komponisten. Die Musik wühlt sie auf und fordert sie heraus, da einige Stellen sehr schwierig zu spielen sind. Als sie zurück in den Vereinigten Staaten diesen Walzer das erste Mal spielt, fühlt sie etwas Bedrohliches und Düsteres und plötzlich beginnt sich ihre kleine Tochter Lilly zusehends zu verändern. Doch ihr Ehemann Rob und die restliche Familie glauben Julia nicht. Immer wieder fragt man sich, was hinter den seltsamen Reaktionen von Lilly steckt oder ob sich Julia alles nur einbildet. Ebenso rätselt man, auf welcher Seite ihr Ehemann steht und wankt zwischen Unglauben und Furcht. Aber vorallem ist man neugierig was hinter all dem steckt und wie die Autorin die Geschichte lösen wird. Und auch Julia möchte herausfinden, wer diesen Walzer geschrieben hat und was es mit diesem Stück auf sich hat, dass so ihre Gedanken beherrscht, aber ihr auch Kummer bringt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Gerda fliegt sie nach Venedig um den geheimnisvollen Komponisten oder einen seine Nachfahren zu finden.

Man verfolgt nun abwechselnd die Suche von Julia in der Gegenwart und erfährt durch die Rückblicke in der Vergangenheit die Geschichte von Lorenzo und die Zeit der Judenverfolgung in Italien. Durch meine Liebe zur Musik, zu Weltkriegsthemen und Thriller ist dieser Spannungsromn für mich die perfekte Mischung. Man lernt die Autorin von einer ganz anderen Seite kennen. Tess Gerritsen bringt nämlich nicht nur ihre chirurgischen Fähigkeiten in ihre Romane ein, sondern auch ihre Musikalität. Sie spielt selbst Klavier und Geige und hat das Musikstück selbst komponiert.

Die Auflösung rund um das Geheimnis des Musikstückes und um Julias Ängste fand ich gut gelungen, trotzdem war das Ende für mich etwas zu unglaubwürdig und deswegen vergebe ich keine 5 Sterne für die sehr wohl packende Geschichte.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt ausdrucksstark, flüssig und packend. Auch wenn es sich hier nicht um einen Thriller handelt, blieb für mich die Spannung die ganze Zeit aufrecht.
Der Part in der Gegenwart rund um Julia wird in der ersten Person geschildert und so erlebt man ihre Angst und Gefühle sehr gut mit. Man glaubt ihr jede Verunsicherung und möchte wie sie der Geschichte auf den Grund gehen.
Der Vergangenheitsanteil wird in der 3. Person erzählt und erzeugt so die nötige Distanz. Trotzdem litt ich mit Lorenzo und seiner Familie und vorallem auch mit seiner Freundin Laura mit. Die grausamen Methoden während des Zweiten Weltkrieges sind für mich ja aus vielen Büchern bekannt und trotzdem nimmt es mich jedes Mal wieder sehr mit, wie auch hier bei "Totenlied".
Die Autorin vermerkte noch am Ende ihres Romans, dass im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, in Italien nicht so viele Juden in Vernichtungslagern ermordet wurden, wie beispielsweise in Deutschland oder Polen. Trotzdem bedauert man natürlich jedes Einzelschicksal....


Fazit :
Eine etwas andere Tess Gerritsen, die mich mit diesem Roman auf zwei Zeitebenen genauso überzeugt hat, wie mit ihren erfolgreichen Thriller, die sie schreibt. Bis auf die kleine Schwäche am Ende der Geschichte im Gegenwartsstrang ist "Totenlied" ein großartiges Buch, das ich gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Brandaktuell und toll recherchiert

Als der Teufel erwachte
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Der Debüt-Thriller "Als Gott schlief" der sehr sympathischen österreichischen Autorin hat mich vor etwa zwei Jahren wirklich begeistert. Deshalb freute ich mich umso mehr auf ihr langersehntes neues Buch. ...

Der Debüt-Thriller "Als Gott schlief" der sehr sympathischen österreichischen Autorin hat mich vor etwa zwei Jahren wirklich begeistert. Deshalb freute ich mich umso mehr auf ihr langersehntes neues Buch. Diesmal hatte ich bei LB Glück und durfte bei der Leserunde zu "Als der Teufel erwachte" mitlesen.

Jennifer B. Wind hat sich wieder eines sehr aktuellen Themas für ihren Thriller bedient: Der Flüchtlingskrise. Und wer nun gleich abwinkt, dem empfehle ich trotzdem einfach reinzulesen, denn der Prolog beginnt schon äußerst spannend!
Wer den ersten Band bereits kennt, erlebt ein Wiedersehen mit den Ermittlern Thomas Neumann, Jutta Stern und Georg Kunze. Für Neueinsteiger ist es nicht zwingend erforderlich diesen vorher zu lesen, doch empfehle ich immer wieder Krimiserien der Reihe nach zu genießen. Tom, der gerade aus den USA zum LKA nach Wien zurückkehrt, wird von seinem Chef Georg Kunze direkt zu einem Leichenfund in einer Werkstatt gerufen. Mechaniker haben zwei Tote im Kofferraum eines PKWs entdeckt. Bald ist klar, dass es sich um Flüchtlinge handelt, die illegal nach Österreich einreisen wollten. Während man versucht die Identität der Beiden zu ermitteln, gibt es einen weiteren Fund in einem LKW. Schlepper haben die Flüchtenden in großen Kabelrollen versteckt, um sie über die Grenzen zu schmuggeln. Das LKA ermittelt auf Hochtouren.......

Der Thriller besteht aus zwei Teilen und anfangs aus drei Erzählsträngen.
Da ist zuerst die Geschichte des Flüchtlings Samir, einem Medizinstudenten, der gemeinsam mit seinem Vater aus Syrien geflohen ist. Dieser lässt tief hinter die mafiaähnlichen Methoden der Schlepper blicken, die die Kriegsflüchtlinge aufs Schlimmste ausnehmen. Ein sehr emotionaler Abschnitt, der schonungslos den Leidensweg vieler Flüchtlinge aufdeckt. Die Autorin hat hier sehr viel recherchiert und war auch in diversen Flüchtingslager immer wieder präsent. Dieser Blick hinter die Kulissen macht betroffen...
Im zweiten Erzählstrang begleiten wir Jutta, die erst später zu den Ermittlungen dazustößt. Sie sucht in Asien nach ihrem leiblichen Vater ....
Und der dritte Abschnitt erzählt über die laufenden Ermittlungen des LKAs. Nach und nach führen die drei Stränge zusammen und ergeben ein rundes und vorallem authentisches Bild. Die Polizeiarbeit ist schwierig und läuft oft im Leerlauf, denn die Männer hinter dem Schlepperring sind schwer aufzuspüren. Dies führte im Mittelteil zu kleinen Längen, die jedoch kaum spürbar sind. In einem spannenden Finale führen alle Erzählstränge zusammen und ergeben ein logisches Ende.

Jennifer B. Wind erzählt im Nachwort, dass sie beim Schreiben des Buches von der Realität der Flüchtlingskrise eingeholt wurde. Außerdem gibt sie Einblicke in ihre Recherchen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist äußerst lebendig und liest sich wunderbar. Die Kapitel sind kurz gehalten und enden meist mit einem kleinen Cliffhanger. Das Bild der Ermittler erhält nach der blasseren Darstellung im ersten Band sehr viel mehr an Konturen und Schärfe. Die Charaktere sind vielschichtig und lassen sich nicht in eine Schublade pressen. Vorallem Juttas Selbstfindung ist großartig beschrieben und verschont den Leser dabei nicht. Der Autorin ist es außerdem gelungen bei diesem Thema NICHT zu polarisieren, was an und für sich schon für sie spricht.

Fazit :
Ein brandaktueller und komplexer Thriller, der genauso wie "Als Gott schlief" tief unter die Haut geht und neben der Spannung auch eine abwechslungsreiche Story bieten kann. Jennifer B. Wind überzeugt auch diesmal wieder mit hervorragenden Recherchen, sowie mit aktuellen und brisanten Themen, die den Leser in Atem halten. Eine Lesempfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2016

Die Tiefen der menschlichen Seele

Die Einsamkeit des Bösen
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Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg ...

Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg eingeschlagen und ich bin begeistert! Ich hoffe, dass noch weitere Krimis, die schon etwas von einem Psychothriller haben, vom Autoren erscheinen werden.

In Rückblenden, die sich mit dem Handlungsstrang der Gegenwart abwechseln, erfahren wir mehr aus Alexandras schrecklicher Kindheit. Sie ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen: Der Vater ein Tyrann, der zu viel trinkt und schlagkräftig seine Meinung verkündet; eine Mutter, die schon längst alle Hoffnungen begraben hat; Bruder Walter, der die Gewalttätigkeit seines Vaters übernommen hat und der kleinere Bruder Tobi, der etwas zurückgeblieben ist. Als ihr Vater versucht sie sexuell zu belästigen, keimt in Alexandra erstmals der Gedanke auf: Der Vater muss weg!

Die Geschichte in der Gegenwart beginnt ziemlich ruhig und hat anfangs kaum Krimihandlung zu bieten, was sich allerdings im Laufe der Zeit ändert. Zuerst lernen wir die erwachsene Alexandra, eine intelligente und liebenswerte Frau kennen, die mit dem Architekten Anton glücklich verheiratet ist und ihre Kinder, Annika und Max, über alles liebt. In ihrem Job als Übersetzerin/Lektorin geht sie auf und eigentlich könnten die Vier wunschlos glücklich sein, bis Anton beim Euromillionenlotto 24 Millionen gewinnt. Ab diesem Zeitpunkt verändern sich Anton und Alexandra, denn beide gehen unterschiedlich mit dem Gewinn um. Es kommt zu Streitereien, Lügen und Betrug. Auch die Kinder stellen immer höhere Ansprüche. Ein Urlaub in die USA soll die Ehe kitten......

In "Die Einsamkeit des Bösen" tauchen wir in die tiefsten Abgründe eines Menschen ein. Wir erhalten ein Psychogramm einer Frau, deren kindliche Seele zutiefst verletzt wurde und sich in der Folge immer wieder die Realität "schön redet". Beklemmend erzählt, jedoch mit einem ansteigenden Spannungsbogen, kann man das Buch nach einiger Zeit nicht mehr aus der Hand legen. Auch das Thema, das sich der Autor hier vorgenommen hat, ist relativ neu und noch nicht so "ausgelutscht" wie viele andere, denen sich Krimi- und Thrillerautoren widmen. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen und Herbert Dutzler hat es wirklich verstanden in seinem neuen Krimi, die Abgründe der menschlichen Seele zu zeigen.

Das Ende kommt ziemlich abrupt und bleibt teilweise offen. Das ist leider etwas, was ich nicht wirklich mag und gerade bei Krimis und Thriller ist es für mich ein absolutes no-go! Aber hier passt es einigermaßen, denn die wichtigsten Ereignisse wurden aufgelöst und die Psyche von Alexandra wird offen gelegt. So kann ich mit dem Ende ganz gut leben. Trotzdem blätterte ich nach der letzten Seite um, saß mit verdutzem Gesicht da und stellte entsetzt fest: WAS? Das Buch ist aus?! Hab nochmals zurückgeblättert...okay, das wars tatsächlich!

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors ist sehr flüssig und lebt von vielen Dialogen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Kinder- und Jugendzeit Alexandras und aus der Gegenwart erzählt. Die Passagen in der Vergangenheit sind mit römischen Ziffern, die in Gegenwart mit arabischen gekenntzeichnet.
Der Roman beginnt ruhig und wird mit der Zeit immer beklemmender. Der Spannungsbogen steigt stetig an und hält den Leser "an der Stange". Die Charaktere sind allesamt sehr lebendig beschrieben. Man erlebt ihre Veränderungen durch den Lottogewinn und Alexandra und Anton könnten genauso ein befreundetes Paar im eigenen Bekanntenkreis zu finden sein.

Cover:
Zum Aussehen des Buches muss ich noch unbedingt ein Wort verlieren. Der lilafarbene Buchschnitt sieht einfach toll aus und als ich die Klappbroschüre in den Händen hielt, war ich richtig begeistert. Auch die Qualität des Covers wirkt sehr edel und der Haymon Verlag hat sich hier wirklich etwas einfallen lassen! Wunderschön!

Fazit :
Ein richtig guter psychologischer Krimi, der den Leser in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Wegen des abrupten und teils offenen Endes muss ich leider einen halben Stern abziehen und geben gute 4 1/2 Sterne.