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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2019

Schräg und böse

Schräge Vögel singen nicht
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Der miesepetrige Trond Bast macht beim Angeln einen Riesenfang. Allerdings erwischt er keinen kapitalen Hecht, sondern nur ein menschliches Ohr. Das wiederum gehört zur Leiche eines polnischen Bauarbeiters, ...

Der miesepetrige Trond Bast macht beim Angeln einen Riesenfang. Allerdings erwischt er keinen kapitalen Hecht, sondern nur ein menschliches Ohr. Das wiederum gehört zur Leiche eines polnischen Bauarbeiters, der offenbar einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Da die Leiche ausgerechnet vor der Insel Baerum aus dem Wasser gefischt wurde, wird Leo Vangens Interesse an dem Fall geweckt. Immerhin wohnt er auf der Insel, in der Villa seiner Eltern. Leo Vangen hat es trotz Bestnoten nicht weiter als bis zum Rechtsreferendar gebracht. Dennoch ist er weder verbittert noch unzufrieden, sondern lebt gemächlich in den Tag.
Dass die ermittelnde Kommissarin Mariken Varden heißt, lässt Leon Vangen nun allerdings zur Tat schreiten. Immerhin ist Mariken seine Jugendliebe, und er hofft, durch eigene Recherchen auch wieder an Mariken heranzukommen. Bei seinen Ermittlungen stößt Leo auf den Immobilienhai Terje Klavenes, der als Emporkömmling und aalglattes Ekelpaket dargestellt wird. Doch Klavenes macht sich natürlich nicht selbst die Hände schmutzig, sondern beauftragt Männer fürs Grobe. Doch diese sind irgendwann nicht mehr mit ihrem Auftraggeber zufrieden.
Der Titel ,,Schräge Vögel singen nicht“ verspricht nicht zu viel. Sowohl die Charaktere als auch die Handlung sind schräg, skurril und mit so mancher bitterbösen Wendung und schwarzem Humor gezeichnet. Das wird sicher nicht jedem Leser gefallen, da manches überzogen oder zu detailliert abstoßend beschrieben wird. Andererseits stellt der Roman eine willkommene Abwechslung zu den häufig tristen und melancholischen Skandinavienkrimis dar. Und Leo Vangen mit seiner sympathischen Art und seiner locker-leichten Lebensweise wächst einem zunehmend ans Herz.
Am Ende ist es wieder Trond Bast, nun dynamisch und frohgemut, der beim Angeln erneut einen ,,Riesenfang“ macht.

Veröffentlicht am 19.09.2019

Sturni auf Abwegen

Pariser Enthüllungen - Kommissar Sturnis zweiter Fall
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Kommissar Antoine Sturni, Elsässer durch und durch, wird nach Paris versetzt. Glücklicherweise nur für drei Monate, da für ihn der Nabel der Welt in Straßburg liegt und Sturni seine neue Freundin Margaux ...



Kommissar Antoine Sturni, Elsässer durch und durch, wird nach Paris versetzt. Glücklicherweise nur für drei Monate, da für ihn der Nabel der Welt in Straßburg liegt und Sturni seine neue Freundin Margaux und seinen Sohn Christian zurücklassen muss. Sturnis Chef entsendet ihn an eine Spezialeinheit, die korrupte Machenschaften in der französischen Atomindustrie aufdecken soll. Nun hat aber Antoine Sturni von dieser Materie so gar keine Ahnung und er wundert sich, warum ausgerechnet er zu dieser ,,Spezialeinheit" geschickt wird. Bald stellt sich heraus, dass die meisten Mitglieder dieser Einheit praktisch nichts tun und stattdessen ihre befristete Zeit in der Hauptstadt genießen. Gerade, als Antoine Stunri beginnt, sich in Paris wohlzufühlen und mit seiner Mitbewohnerin die Geheimtipps der Metropole erkundet, wird aus dem Canal Saint-Martin ein Toter gefischt. Sturnis Ermittler-Instinkt erwacht. Als er dann auch noch herausfindet, dass der Name des Toten in seinen bisher lustlos durchgeblätterten Atomindustrie-Akten steht, macht er sich auf eigene Faust an die Ermittlungen. Damit begibt er nicht nur sich selbst in Gefahr.
,,Pariser Enthüllungen" ist der zweite Fall für den etwas behäbigen, gemütlichen und sympathischen Elsässer. Allerdings dauert es recht lange, bis die eigentliche Krimihandlung einsetzt, da man zunächst sehr ausführlich an Sturnis ersten Paris-Erlebnissen teil hat. Auch sind manche Szenen für meinen Geschmack zu slapstick-mäßig, z.B. als Sturnis Mutter zu Besuch kommt, um den Eiffelturm zu besichtigen. Für Sturni ist der Fall, der sich zu einer atomaren Katastrophe für Frankreich und ganz Europa ausweiten könnte, eigentlich ein paar Nummern zu groß. Allerdings ist er auch eher der Anti-Held, der mehr zufällig als gezielt so manche Gefahr umschifft, bis er endlich wieder in sein geliebtes Straßburg zurückkehren kann.
Ein unterhaltsamer Krimi, dem ein bisschen mehr Spannung aber durchaus gut tun würde.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Zu viele Wendungen

Verratenes Land
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Greg Iles Südstaaten-Roman beginnt stark, schon der erste Abschnitt verspricht Spannung und extreme Emotionen: ,,Ich hatte nie vor, meinen Bruder zu töten. Ich hatte nie die Absicht, meinen Vater zu hassen. ...

Greg Iles Südstaaten-Roman beginnt stark, schon der erste Abschnitt verspricht Spannung und extreme Emotionen: ,,Ich hatte nie vor, meinen Bruder zu töten. Ich hatte nie die Absicht, meinen Vater zu hassen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich meinen eigenen Sohn beerdigen würde.“ Doch der Leser erfährt erst nach und nach, was es mit diesen Ereignissen, die Marshall McEwan hier zu Beginn andeutet, auf sich hat.
McEwan, hochkarätiger Journalist und Pulitzer-Preisträger, kehrt nach fast dreißig Jahren nach Bienville, Mississippi zurück, um seine Mutter bei der Pflege des schwerkranken Vater zu unterstützen. Zumindest redet er sich selbst dies ein, denn auch Jet, seine große erste Liebe aus Jugendtagen, hat ihn nie losgelassen. Mit ihr hat er seit einigen Wochen eine Affäre. Prekär dabei ist, dass Jet mit Marshalls Kindheitsfreund Paul Matheson verheiratet ist. Und Paul ist der Sohn des mächtigen Max Matheson, Mitglied des Bienville Poker Clubs, einem Zusammenschluss von sehr reichen, einflussreichen und skrupellosen Männern, der die Geschicke der Stadt seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten lenkt.
Als McEwans väterlicher Freund Buck Ferris tot aus dem Mississippi gezogen wird, ist schnell klar, dass er nicht einfach ertrunken ist. Offenbar wurde er erschlagen. als er archäologische Grabungen auf dem Gelände angestellt hat, auf dem bald eine chinesische Papierfabrik gebaut werden soll. Dieses Bauprojekt soll Bienvilles Zukunft sichern, Arbeitsplätze und sehr viel Geld für die Stadt und natürlich auch für den Poker Club bringen. Als Marshall erkennt, dass sowohl die Polizei als auch die Gerichtmedizin die Ermittlungen nur schlampig durchführen, um Buck Ferris Tod möglichst schnell unter den Teppich kehren zu können und das Bauvorhaben nicht zu gefährden, ermittelt er auf eigene Faust. Im Zentrum seines Interesses steht dabei der mächtige Poker Club und Marshall bringt sich dabei in große Gefahr.
,,Verratenes Land“ ist durchaus spannend, allerdings in meinen Augen kein Thriller, sondern eher ein Roman über Schuld, Gewissen, Macht und Moral und dadurch auf jeden Fall lesenswert. Marshall McEwans Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, an seinen verstorbenen Bruder, die stummen Schuldzuweisungen und das schwierige Verhältnis zu seinem Vater haben mich mehr berührt als die actionreichen Passagen.
McEwan manövriert sich durch seine Nachforschungen, aber auch durch seine persönlichen Verstrickungen in gefährliche Situationen, doch immer wieder wendet sich das Blatt. Diese Überraschungsmomente tragen den Leser eine ganze Weile durch den fast 900 Seiten starken Roman. Doch irgendwann langweilen diese Wendungen, da sie nicht mehr überraschend und nicht mehr allzu realistisch wirken und die Handlung für meinen Geschmack damit unnötig verkomplizieren und in die Länge ziehen.
Hier wäre weniger mehr gewesen.

Veröffentlicht am 31.07.2019

Starker erster Fall

Die Stille des Todes
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Vitoria im Baskenland ist der Schauplatz dieses spannenden Krimis. Während der Feierlichkeiten zum Dia del Blusa werden in der Kathedrale zwei Leichen gefunden: ein Mann und eine Frau, völlig nackt und ...



Vitoria im Baskenland ist der Schauplatz dieses spannenden Krimis. Während der Feierlichkeiten zum Dia del Blusa werden in der Kathedrale zwei Leichen gefunden: ein Mann und eine Frau, völlig nackt und die Hände wie in einer zärtlichen Geste auf die Wange des anderen gelegt. Inspector Unai López de Ayala, Profilingexperte bei der Kriminalpolizei in Vitoria, erinnert sich sofort an eine Serie von gleichartigen Verbrechen, die vor 20 Jahren die Stadt erschütterten. Damals waren vier Doppelmorde begangen worden, zwei Neugeborene, zwei Fünfjährige, zwei Zehn- und zwei Fünfzehnjährige waren in genau derselben Stellung tot aufgefunden worden. Der Täter, auf den alle Indizien hinwiesen, war ausgerechnet Tasio Ortiz de Zárate, der berühmteste und beliebteste Archäologe des Landes. Überführt und festgenommen wurde er von seinem Zwillingsbruder Inspector Ignacio Ortiz de Zárate! Tasio sitzt seit nunmehr zwanzig Jahren für diese Verbrechen im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses, hatte aber immer seine Unschuld beteuert. Ist der erneute Doppelmord, dieses Mal an zwei Zwanzigjährigen, von einem Nachahmungstäter verübt worden. Oder hat Tasio aus dem Gefängnis heraus den Mord in Auftrag gegeben?
Für Inspector Ayala und seine Kollegin Esti beginnt ein nervenaufreibender Fall, der beide auch privat an ihre Grenzen bringt.
Der Krimi beginnt mit einem ungewöhnlichen Prolog: Ayala erzählt in der Ich-Form, wie er mit einer Kugel im Kopf auf das Geschehen zurückblickt. Doch dies nimmt keineswegs zu viel vorweg. Die Ermittlungen führen Inspector Ayala und seine Kollegin immer wieder auf neue Spuren. Tasio bietet aus dem Gefängnis heraus Ayala sogar seine Mithilfe an, doch weiß der Inspector nicht, ob er ihm trauen kann. Genauso wird man als Leser immer wieder auf neue Verdächtige und falsche Spuren gelockt, was die Spannung stetig hochhält.
Eingeschoben sind Kapitel, die ein Geschehen aus den 70er Jahren um Doctor Urbina und seine verbotene Leidenschaft für eine Patientin erzählen. Erst nach und nach setzen sich die Mosaiksteinchen dieser Vorgeschichte zu einem schlüssigen Zusammenhang mit der eigentlichen Handlung zusammen.
Verwirrend sind zu Beginn die vielen baskischen Begriffe und die zahlreichen und sehr langen Namen, Abhilfe schaffen hier aber ein Personenregister und ein Glossar am Ende des Buches. Teils merkwürdig, teils etwas hölzern empfinde ich manche Dialoge. Überraschend, allerdings auch etwas überladen ist die Auflösung am Ende. Hier hätten etwas weniger Verwicklungen gereicht. Gut gefallen hat mir die Beschreibung der historischen Bauwerke der Stadt Vitoria, der Atmosphäre, besonders während der Feierlichkeiten, aber auch die Schilderung des Lebens auf dem Lande, was der Krimihandlung eine charakteristische, unverwechselbare Note gibt.
,,Die Stille des Todes“ ist der starke erste Fall für Inspector Ayala, zwei weitere Bände erscheinen bald.

Veröffentlicht am 04.07.2019

Der Zufallssammler

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Girifalco – ein verschlafenes Nest in Süditalien, in dem Ende der 60er Jahre das Leben seinen gewohnten Gang nimmt. Die Hauptfigur, der Postbote des Dorfes, lebt zurückgezogen und einzelgängerisch, während ...

Girifalco – ein verschlafenes Nest in Süditalien, in dem Ende der 60er Jahre das Leben seinen gewohnten Gang nimmt. Die Hauptfigur, der Postbote des Dorfes, lebt zurückgezogen und einzelgängerisch, während seine Tante versucht, ihn mit Frauen im heiratsfähigen Alter zu verkuppeln. Doch der Postbote genießt sein zurückgezogenes Dasein, seine Leidenschaft besteht eher im stillen Beobachten, im Philosophieren. So sammelt er zum Beispiel ,,Zufälle“, die er akribisch notiert und nummeriert. Nebenbei hat er eine weitere, etwas pikantere Nebenbeschäftigung. Er öffnet heimlich Briefe, schreibt diese ab und archiviert sie. Hin und wieder greift er auch aktiv in den Briefverkehr der Dorfbewohner ein, indem er einen unangenehmen Brief nicht zustellt oder eine Mutter von ihrem verschollen geglaubten Sohn endlich Nachricht erhält.
Die Geschichte entwickelt sich sehr gemächlich, leise, so wie auch das Leben des Postboten eher ruhig verläuft. Dieser poetisch-melancholische Duktus prägt die Handlung, die den Leser zwar anrührt, aber nicht unbedingt packen kann. Die einzelnen Kapitel tragen teils witzige, teils rätselhaft Überschriften, was an Erzählungen des 18. oder 19. Jahrhunderts erinnert. Insgesamt wirkt der Roman etwas altertümlich und man ist erstaunt, dass der Autor dieser zwar charmanten, aber doch leicht angestaubten Geschichte erst 1971 geboren ist.
Erschwert wird die Lektüre durch die zahlreich auftretenden Figuren und deren zahllosen Namen und Kosenamen, allerdings schafft das Personenverzeichnis am Ende dabei etwas Abhilfe. Manche Kapitel führen den Leser auch etwas in die Irre, da teilweise der begonnene Handlungsfaden merkwürdig ins Leere läuft.
Für mich ist ,,Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall“ eine interessante und lohnenswerte Lektüre, die abseits vom ,,mainstream“ steht, aber keine, die mich mitreißen konnte.