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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.09.2019

Ein Kleinstadtpanoptikum

Der Sprung
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Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir Menschen begegnen und wir deren handeln und Aussprüche nicht nachvollziehen können. Aber was steht hinter diesen isoliert betrachteten Ausfällen? Es lohnt ...

Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir Menschen begegnen und wir deren handeln und Aussprüche nicht nachvollziehen können. Aber was steht hinter diesen isoliert betrachteten Ausfällen? Es lohnt sich oft genauer hinzusehen und zuzuhören. Oft steckt etwas dahinter, dass Ausbrüche oder Abneigungen so extrem ausfallen. Sei es ein traumatisches Erlebnis, ein Umstand, eine desaströse Kindheit, eine Abneigung gegen etwas oder oder oder. Und genau das zeigt uns dieses Buch auf eine facettenreiche Art. Menschen sind geprägt durch ihre Lebenserfahrungen.
Auch gibt es Situationen, in denen einzelne etwas tun und andere dadurch beeinflusst werden, auch wenn es indirekt ist, eine Art Schmetterlingseffekt. Auch das ist ein zentrales Element in diesem Romans.
‚Der Sprung‘ von der Schweizerin Simone Lappert ist ein besonderes Buch. Die Autorin hat ein feinsinniges Gespür für Sprache. Sie schmeißt bekannte sprachliche Bilder in die Luft und setzt sie nonchalant auf neuartige Weise wieder kreativ zusammen. Ein Beispiel wäre auf Seite 171 zu finden, wo es heißt: „Du kommst ganz nach deinem Vater, dem hat auch der Feinsinn fürs Brachiale gefehlt.“ Oder auch auf Seite 90 „weil Tanzen Träumen mit den Füßen war“.
Aber kurz zum Inhalt. Zunächst einmal geht ein Spotlight an und wir bekommen ein Bild von einer Frau auf einem Hausdach zugetragen und wie sie springt. Dann werden wir 24 Stunden zurück in die Vergangenheit versetzt. In jedem Kapitel lernen wir eine neue Person kennen. Immer wieder wechselt die Perspektive. Zunächst zusammenhangslos wie einzelne Puzzlezeile, aber dann setzt sich das Bild nach und nach zusammen. Zum Schluss ist das Bild komplett und einige Dinge dann doch anders als gedacht.
Das Figurenpersonal ist vielfältig und umfangreich. Eine Lektüre in längeren Etappen lohnt sich, sonst verliert man den Faden recht schnell. Faszinierend an dem Roman ist, dass die Personen so vielschichtig entworfen sind, dass jeder Leser eine persönlichen Fokus zu legen scheint und Sympathien und Antipathien unterschiedlich verteilt werden – wie im echten Leben.
Fazit: Mich hat der Roman begeistert und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Einerseits eine leichte Lektüre, andererseits immer mit doppeltem Boden und einem Aufruf Menschen zunächst urteilsfrei zu begegnen, weil jeder eine Lebensgeschichte im Gepäck hat.

Veröffentlicht am 26.08.2019

Ein Science-Fiction Roman in einem anachronistischen Gewand

Der Metropolist
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Abgefahren! Der Roman „der Metropolist“ sprengt die herkömmlichen Grenzen der gängigen Genre! Bei der erfreulichen Lektüre dachte ich so manches Mal das ist futuristische Science Fiction und dann las es ...

Abgefahren! Der Roman „der Metropolist“ sprengt die herkömmlichen Grenzen der gängigen Genre! Bei der erfreulichen Lektüre dachte ich so manches Mal das ist futuristische Science Fiction und dann las es sich teilweise wie ein Agententhriller aus den 50er Jahren, auf anderen Seiten hatte es etwas komödiantisches wie Men in Black. Mein Resümee ist: hier passt keine Schublade und die Klappentextüberschrift passt extrem gut mit „Pulp Fiction meets Science Fiction“.
Seth Fried, der unter anderem auch für den New Yorker schreibt, schickt in seinem Roman in nicht allzu ferner Zukunft den streberhaften Henry Thompson der Infrastrukturbehörde auf eine Mission nach Metropolis. Metropolis gerät ins Wanken, es gibt Anschläge und die Tochter des Bürgermeisters verschwindet. Nun soll Thompson mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz OWEN die Stadt retten. Leider ist OWEN exzentrisch, versoffen und Vorschriften respektiert er auch nicht. Alles in der Tat eine explosive Mischung auf sehr unterhaltsame Weise!
Weder zu technisch, noch zu düster wie viele Science Fiction Romane geht es hier zu. In der Tat gibt es eine künstliche Intelligenz, aber auch noch ausgedruckte papierhafte Memos. Dann wird immer noch geraucht und die Führungspositionen sind alle von Männern besetzt, wenn das nicht anachronistisch ist, dann weiß ich auch nicht. Gepaart ist das Ganze mit aberwitzigen Situation, die nicht vorhersehbar sind. Genau diese irre Mischung macht den Roman aus und lesenswert.
Weniger auf den Text bezogen, aber für mich als Leser immer auch wichtig ist die Seitengestaltung. Wenig Schrift pro Seite in großer Schriftgröße, ein handliches Softcover-Taschenbuch. Da hat der Heyne Verlag ein wirklich gutes Stück Arbeit produziert. Auch das Cover ist überzeugen!
Fazit: Wer also das nächste Mal in einer Buchhandlung steht, gerne etwas Spannendens lesen möchte, aber es kann gerne mal „anders“ sein – bitte zugreife.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Veröffentlicht am 21.08.2019

Die ewig fremde Russin

Die Leben der Elena Silber
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Ich habe just die letzten Seiten inhaliert und tada! Alexander Osang steht auf der Longliste für den Deutschen Buchpreis 2019. Und hier mit diesem Roman muss man in doppelter Hinsicht sagen: ER steht ...

Ich habe just die letzten Seiten inhaliert und tada! Alexander Osang steht auf der Longliste für den Deutschen Buchpreis 2019. Und hier mit diesem Roman muss man in doppelter Hinsicht sagen: ER steht auf der Longliste, denn sein Roman erzählt auch seine Familiengeschichte. Klar, es ist ein Roman, aber Alexander Osang ging auf eine Reise seine eigene Vergangenheit zu ergründen und hat es in diesem Roman „Das Leben der Elena Silber“ aufgearbeitet. Ein fiktiver Roman, der als Grundlage seine eigene Geschichte hat und die startet mit der echten Begebenheit, dass sein Urgroßvater zu Tode kommt. Danach ergeben sich durch die Großmutter, also hier im Roman (J)elena, Parallelen, aber die Geschichte selbst ist erfunden.
Es beginnt mit diesem schon erwähnten dramatischen Auftakt, da kommt der revolutionäre Großvater Anfang des 20. Jahrhunderts östlich von Moskau zu Tode. Die Tochter Jelena, wächst in ärmlichen und kargen Verhältnisse auf. Flieht dann aus Kalkül in die Arme des Deutschen Robert Silber, der eine Textilfabrik aufbaut. Im weiteren Verlauf kommt sie nach Deutschland, zunächst mit den Nazis an der Macht. Letztendlich landet sie in Ostdeutschland.
Hab ich zu viel verraten? Nein! Das Buch macht nicht die Fakten aus, sondern wie die Geschichte erzählt ist und wie Elena sich in der Welt zurechtfindet und wie diese Familie über Generationen hinweg noch aus dieser harten Grundkonstellation besteht und wie Elena eine immer Fremde bleibt.
Alexander Osang sagt über dieses Buch selbst, dass es das privateste ist, was er bisher schrieb. Wo doch die anderen Romane eher Vergangenheitsbewältigungen der deutschen Wendeerfahrungen waren, ergründet er hier seine Familie.
Ich bin gespannt – ob er seiner Preissammlung (u.a. Theodor-Wolff-Preis) den Deutschen Buchpreis dieses Jahr hinzufügen kann.
Fazit: Ein wahres Epos über Generationen hinweg mit dem wir die russische Seele wieder ein bisschen besser verstehen.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Verbindet spannend die Welten

Die geheime Mission des Kardinals
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Für mich einer DER Autoren unserer Zeit, ein Kosmopolit, ein Weltbürger, ein Erzählkünstler mit Meinung und Haltung: Rafik Schami!
Ich habe ihn einmal live erleben dürfen und habe seitdem seine Stimme ...

Für mich einer DER Autoren unserer Zeit, ein Kosmopolit, ein Weltbürger, ein Erzählkünstler mit Meinung und Haltung: Rafik Schami!
Ich habe ihn einmal live erleben dürfen und habe seitdem seine Stimme von dieser Lesung und dem daran angeknüpften Interview im Ohr. Ich erwähne es nur, da es meine Art seine Romane zu lesen massiv beeinflusst hat. Ich lese seine Roman förmlich mit seiner Stimme im Kopf. Seine sehr spezielle ruhige Taktung und sein Akzent, wunderbar!
Zum Roman, der neuste Roman „Die geheime Mission des Kardinals“ verbindet seine reiche Erzählkunst wieder einmal mit einer überzeugend guten Geschichte.
Wir werden nur ein paar Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt, Damaskus 2010, Vorkriegszeit. Die Leiche eine Kardinals wird in einem Ölfass an die italienische Botschaft geliefert –der Schreck ist groß. Wir lernen den syrischen Kommissar Barudi vor Ort kennen, der bald unterstützt wird von Mancini aus Rom. Die beiden gehen auf die Suche warum der Kardinal sein Leben lassen musste.
„Die geheime Mission des Kardinals“ ist spannend, geheimnisvoll und mit so viel Menschenkenntnis geschrieben, dass ich als Leser immer das Gefühl hatte die Charaktere förmlich vor Augen zu haben.
Klar, dieser Roman von Rafik Schami ist kein schmaler Roman und auch mit ausführlichen Beschreibungen geschmückt. Das führt zu diesem Schwergewicht mit über 400 engbedruckten Seiten. Daher rate ich nur zu diesem fast märchenhaft erzähltem Roman nur, wenn man als Leser gerne in eine andere Welt eintauchen und sich gerne vom dem Text tragen lassen. Es ist schon ein Roman zu dem man sich Zeit nehmen sollte um viele Seiten am Stück zu lesen, sonst kommt man nicht in den Lesefluss und in der Geschichte an.

Fazit: Ein spannender Roman der die Welten verbindet und zugleich unterhaltsam ist!

Veröffentlicht am 05.08.2019

Auf die Barrikaden!

Deutschland verdummt
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Wie kann es sein, dass in einem so reichen und demokratischen Land wie es Deutschland der Bildungszustand unserer Kinder und Jugendlichen stätig schlechter wird?
Das Sachbuch „Deutschland verdummt“ von ...

Wie kann es sein, dass in einem so reichen und demokratischen Land wie es Deutschland der Bildungszustand unserer Kinder und Jugendlichen stätig schlechter wird?
Das Sachbuch „Deutschland verdummt“ von Michael Winterhoff stellt auf knappen 200 Seiten in einfacher Sprache die momentane Situation dar und welche Fehlentwicklungen in den letzten 20 Jahren stattgefunden haben.
Da Michael Winterhoff Kinder- und Jugendpsychater ist, hat er durch seine tägliche Arbeit einen etwas anderen Blickwinkel auf die Schüler und stellt die unentwickelte Psyche vieler Kinder in den Fokus und die dadurch entstehende Unfähigkeit sich zu einem selbstbestimmten Erwachsenen zu entwickeln. Daraus entwickelte sich eine Abwärtsspirale. Denn anstatt die Kinder in ihrer psychischen Entwicklung durch echte Lehrer- bzw. Erzieherbindungen noch zu entwickeln werden sie durch offene Konzepte eher alleine gelassen. Schüler vermissen die Beziehung, Aussagen haben keinen Affekt und die Kinder sind letztendlich orientierungslos.
Michael Winterhoff gibt uns einen Einblick in die Bildungspolitik und dem täglichen Arbeiten in den Schulen. Zeigt zugleich aber auch Lösungsansätze auf wie man der Entwicklung entgegenwirken könnte. Gut strukturierte Kapitel beleuchten einzelne Aspekte aufgelockerte mit ehrlichen Interviews.
Mich hat besonders die aktuelle Bildungspolitik sprachlos gemacht. Er deckt widersprüchliche Anforderungen und Vorgaben auf. Er prangert an, dass die Bildung in Deutschland ideologischen Ideen folgt und nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Zielgruppe? Alle! Eltern, Lehrer, Erzieher, Politiker. Alle, die auch weiterhin an einer funktionierenden Gesellschaft in Deutschland interessiert sind.

Fazit: Mein elterliches Bauchgefühl wurde mit diesem Buch bestätigt. Ich werde mich wo es mir möglich ist einbringen und mich nicht abspeisen lassen. Es geht um die Zukunft aller Kinder in diesem Land, die uns ALLEN eine Weiterentwicklung ermöglicht. Leistung muss wieder ein positiver Begriff werden und keine Last.