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Veröffentlicht am 09.08.2019

Schwierig

Quicksand: Im Traum kannst du nicht lügen
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Dieses Buch ist vor allem eins: anstrengend.
Bevor man es aufschlägt, sollte man wissen, dass man sich während der gesamten Geschichte im Kopf der Protagonistin Maja befindet. Und die ist ätzend, nervig, ...

Dieses Buch ist vor allem eins: anstrengend.
Bevor man es aufschlägt, sollte man wissen, dass man sich während der gesamten Geschichte im Kopf der Protagonistin Maja befindet. Und die ist ätzend, nervig, verurteilend, überheblich, fies, egoistisch - mit Absicht, denn die Autorin weiß, was sie da tut.

Die Story beginnt, als Maja vor Gericht sitzt. Alles ist bereits vorbei, wir erfahren am Rande von einem Schulmassaker, an dem sie hauptsächlich beteiligt gewesen sein soll.
Und während die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest, während Tag um Tag der Verhandlung vergeht, fängt Maja an, zurückzudenken, abzuschweifen, zu überlegen.
Vieles hat am Anfang wenig mit der eigentlichen Geschichte und dem, was man so dringend wissen will, zu tun.
Es geht oft um kleine Anekdoten, Erinnerungen an früher und darum, wie Maja sich das Leben anderer so vorstellt.
Dabei steckt sie Menschen, die sie kaum kennt, in winzig kleine Schubladen - und ärgert sich darüber, dass andere das mit ihr machen.
In seitenlangen gedanklichen Monologen ergießt sie sich in diesen Vorstellungen. Es geht die ganze Zeit so "sie ist der Typ, der...", "ich schätze mal, er wird jeden Tag...", "ich kann mir richtig vorstellen, wie..."
Das sagt sehr wenig über die gemeinten Personen aus, dafür aber umso mehr über Maja selbst. Sie mag niemanden, findet jeden und jede scheiße und hält sich für ach so viel besser als alle anderen.
Um dem ganzen dann die Krone aufzusetzen, werden relativ zum Schluss die Lesenden selbst angesprochen und Maja mutmaßt, wie wir so drauf sind, aus welcher Gesellschaftsschicht wir kommen etc.
Im Prinzip liest man also hunderte Seiten, auf denen sie erklärt, wie "blöd" und "hässlich" und "oberflächlich" und "unwissend" jemand ist, wie deep sie selbst ist und dass sie die Partys und den oberflächlichen Kram eigentlich gar nicht mag (und da kann sie uns an manchen Stellen noch so oft sagen, dass sie sich ja auch manchmal dumm vorkommt oder irgendwas nicht verstanden hat, sie ist und bleibt arrogant).
Sie beleidigt gedanklich ihre Eltern und ihre beste Freundin (man bekommt regelrecht den Eindruck, die würde sie richtig hassen) und erklärt uns dann, dass sie diese Menschen trotzdem sehr liebt.
All das lesen wir, damit uns Maja am Ende sagt: "Na? Ihr mögt mich nicht, was? Ihr habt auch so gar nichts verstanden!"
Hm, ja, wahrscheinlich. Augenrollen

Im Buch werden außerdem wahnsinnig viele Themen untergebracht: Sexismus, Rassismus, Wirtschaft, Steuern, Drogen, (sexualisierte) Gewalt, psychische Erkrankungen, die Schere zwischen arm und reich...
Dabei hat Maja von allem eine Vorstellung, aber von nichts so wirklich Ahnung, was wiederum zu ihrem Alter und ihrem behüteten Lebensstil passt.
Gelegentlich fühlte ich mich sogar an mich selbst als Teenie erinnert (bis auf den Lebensstil) und war fast schon ein wenig peinlich berührt.

Eine Sache, die mir in diesem Buch ebenfalls eher weniger gefallen hat, waren die Beziehungen und die Glaubwürdigkeit.
Ich habe halt z.B. einfach nicht verstanden, was die Jungs von ihr wollten, warum sie was mit ihr anfingen. Viel showing, wenig telling, wie wir Engländer sagen. ;)
Es wird nichts romantisiert und es gibt auch keinen dicken Zuckerguss, was ich der Autorin hoch anrechne. Grade zum Schluss (ohne das ich spoilern will) fand ich Majas Stimme am stärksten, ihre Bürde schlimm und ihr Umfeld und den Umgang mit dem Thema noch schlimmer.
Dennoch habe ich nicht verstanden, wieso es überhaupt angefangen hat. Gut, dafür bräuchte man vielleicht Sebastians Stimme, oder die des anderen Jungen, Maja kann ja auch nicht alles wissen.

Gut gefallen hat mir dagegen aber das etwas zurechtgerückte Bild von Schweden, das mir dieses Buch durch die Wirtschafts- und Steuerthemen vermittelt hat. Grade hier in Deutschland neigt man ja dazu, die skandinavischen Länder als reinstes Paradies, in dem alles immer super läuft, darzustellen und das ist selbstverständlich Unsinn.
Natürlich gibt es auch dort Probleme, der Kapitalismus greift um sich, die Reichen werden reicher... verglichen mit Deutschland ist Schweden aber immer noch meilenweit vorne und die geben sich wenigstens Mühe und versuchen, ihr Land zu einem schöneren Ort für alle zu machen.

Bei der Art der Erzählung (alles in Majas Kopf und ausschließlich durch ihre Brille und Rückblenden) war ich meistens hin- und hergerissen. Mal hielt ich sie für ein großartiges Konzept für den Spannungsbogen, mal für völlig unnötiges in die Länge ziehen.

Der Schreibstil ist für mich das beste am gesamten Buch. Ich halte die Autorin für unheimlich klug und talentiert und das ist auch der Grund, warum ich dem Buch trotz meiner harschen Kritik 3 Sterne gebe. Weniger hat es einfach nicht verdient, schon gar nicht nur, weil hier anscheinend mein Geschmack nicht immer so getroffen wurde.

Für mich war es im Endeffekt aber leider zu überladen, zu viel pubertäres Geschwurbel und Teenie-Drama, zu viele gewollt unsympathische Charaktere, zu gewollt deep, zu gewollt provokant, einfach zu gewollt. Ich war ziemlich erleichtert, als ich die letzte Seite gelesen hatte und das Buch schließen konnte.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Lesenswert

Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann
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Mos Geschichte ist trotz des Titels, der im Deutschen eher ein typisches Jungendbuch mit Romanze suggeriert, keine leichte.
Der neue Partner ihrer Mutter bekommt nicht nur den Löwenanteil der Aufmerksamkeit, ...

Mos Geschichte ist trotz des Titels, der im Deutschen eher ein typisches Jungendbuch mit Romanze suggeriert, keine leichte.
Der neue Partner ihrer Mutter bekommt nicht nur den Löwenanteil der Aufmerksamkeit, sondern auch das Geld, das eigentlich für Mos Essen gedacht ist - außerdem wird er ihr gegenüber handgreiflich.
Ihre Flamme Sam ist mit einem anderen Mädchen zusammen.
Und ihre Freundin Naomi haut ständig ab und wird beim Klauen erwischt.

An den Schreibstil musste ich mich erstmal gewöhnen. Das ganze Buch ist wahnsinnig Slang-lastig und Mo, die in der Ich-Form erzählt, nicht die sympathischste Protagonisten.
Ihre Rotzigkeit mag nerven, ist aber realistisch und verständlich.
Der Autor hatte hier absolute keine Berührungsängste, die Mädchen Fluchen oder gar gewalttätig werden zu lassen, was ich ihm hoch anrechne.
Ebenfalls ein dickes Plus war für mich die Auflösung und Aufarbeitung des Geheimnisses der Mutter. Man hat Mitleid mit Mo und findet ihre Situation schrecklich, doch gleichzeitig versteht man mit ein bisschen Empathie eben auch die Situation der Mutter.
An dieser Stelle hat mich die Geschichte wirklich aufgewühlt, weil ich eine Zeitlang durch eine ehrenamtliche Tätigkeit Kontakt zu Frauen in schlimmen Situationen hatte. Grade deshalb weiß ich auch, wie schrecklich Be- und Verurteilungen für diese sind - und wie wenig hilfreich oder zielführend für alle Beteiligten.

Mos Love-Interest Sam wird so ein bisschen als Nice Guy vorgestellt. Die beiden hatten über den Sommer was miteinander, dann kam er allerdings mit einem anderen Mädchen zusammen: Shevray.
Sie ist das typische Hassobjekt, an dem sich Mo und ihre Freundinnen abarbeiten können, bis hin zur Entmenschlichung, wie es bei Mädchen und Frauen leider oft passiert.
Glücklicherweise spielt der Autor hier aber nicht mit und schenkt uns auch winzige Einblicke in die andere Seite, bzw. lässt uns spüren, dass es sich nicht um eine eindimensionale Klischee-Figur handelt, sondern um eine Person mit eigenen Gedanken und Gefühlen.
Sam blieb mir dagegen ein klein wenig zu blass.
Er scheint Mo sehr gerne zu haben, hat aber auch Angst, dass durch eine Veränderung der Beziehung ins Romantische die langjährige Freundschaft kaputt geht. Mehr als das gibt er aber nicht her und wenn ich Mos Beschreibung ihrer Sommer-Romanze so lese, scheint er auch nicht der größte Freund eines "Neins" zu sein.
Was mit ihm im Laufe der Geschichte passiert, ließ mich zwar nicht gänzlich kalt, hat mich aber auch nicht so traurig gemacht, wie ich es bei derart schlimmen Ereignissen erwarte.

Insgesamt habe ich mich manchmal ein klein wenig gelangweilt, das muss ich zugeben. Es war wohl einfach nicht komplett mein Ding und ich hatte ursprünglich etwas anderes erwartet.
Dennoch sind viele Themen gut gehändelt, der Autor schreibt besser über Mädchen und Frauen, als es so manche Autorin tut.
Gefallen haben mir auch die ganzen Pop- und Nerdkultur Anspielungen und Sprüche. Von Harry Potter bis Herr der Ringe ist alles dabei und das gibt dem Buch den nötigen Teenie-Ton.
Das Ende hat mich überzeugt, ein bisschen offen, aber es geht in die richtige Richtung.
Alles in allem, ja, lesenswert. Mit Schwächen.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Sexuell verfügbar?

Sexuell verfügbar
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Im Vorfeld hatte ich schon einige Ankündigungen zum Buch gesehen und mich deshalb umso mehr gefreut, ein Rezensionsexemplar zu bekommen. Dafür danke an den Verlag.

Wie immer ist das hier natürlich mein ...

Im Vorfeld hatte ich schon einige Ankündigungen zum Buch gesehen und mich deshalb umso mehr gefreut, ein Rezensionsexemplar zu bekommen. Dafür danke an den Verlag.

Wie immer ist das hier natürlich mein rein subjektiver und persönlicher Leseeindruck.

Sexuell verfügbar ist eins der Bücher, die grade wie Pilze aus dem Boden schießen: autobiografisch und gesellschaftskritisch.
Dabei ist es normal, dass man sich als Leserin nicht immer mit allem identifizieren kann. Bei diesem Buch war das Gefühl für mich allerdings besonders stark, was wohl zum einen daran liegt, dass ich komplett andere Erfahrungen gemacht habe und zum anderen an meiner gänzlich gegensätzlichen Einstellung zu Themen wie Intimität und Sexualität. (Obwohl ich mir da bei den ganzen Widersprüchen gar nicht mehr so sicher bin, dazu später mehr)

Das ist gleich zu Beginn so. Dort geht es um die Kindheit und Jugendzeit der Autorin, ihre Erfahrungen mit Mobbing (die ich ganz furchtbar finde) und auch um Sex und was das für sie bedeutet.
Ich möchte diese Gefühle nicht schmälern und nehme sie natürlich als Leserin so an, allerdings habe ich doch erhebliche Probleme, mich da so reinzudenken.
Es scheint etwas Großes zu sein, mit viel Macht, Glück und Unglück behaftet. Ich bin dagegen keine Frau, die das so sehr zerdenkt und dem eine solche emotionale Bedeutung beimisst.
Erschreckend sind dabei aber natürlich bestimmte Statistiken und Zahlen. Eine überwältigende Mehrheit der Frauen bekommt beim Sex nicht regelmäßig einen Orgasmus und lässt sich zu Sachen verleiten, die sie eigentlich gar nicht so richtig machen will. Für mich undenkbar und doch weiß ich, dass es stimmt, weil ich in meinem Leben mit sehr vielen Frauen sehr oft über solche Themen gesprochen habe.
Ich kann gar nicht ausdrücken, wie frustrierend es ist, wenn einem die Freundin erzählt, dass sie mit ihrem Partner Dinge tut, die sie blöd findet, die ihr gar nichts bringen, halt ihm zu Liebe. Und er weiß das auch. Und ich kann nichts machen.
Dieses Gefühl der Ohnmacht und das man andere Frauen manchmal gerne schütteln würde, lese ich auch bei der Autorin raus und das ist etwas, das ich so gut verstehen kann.

Nach der Beschreibung des Gefühls, das Sex in der Autorin auslöst, war ich ein bisschen verwundert über die beschriebene spätere Promiskuität im Studium, für die sie auch (leider... ich hasse das so) verurteilt wurde.
Es erschien mir erstmal ziemlich paradox und wollte nicht so recht zusammenpassen, allerdings sind Menschen sehr komplexe und oft nicht "logisch" zu verstehende Wesen und deshalb habe ich das nochmal überdacht. Ich mag es, wenn Bücher mich dazu anregen.

Womit ich dagegen nicht ganz so gut klar kam, war die ganze "I'm not like the other girls" - Rhetorik, die sich so durch die Schilderungen zieht.
Die Autorin inszeniert sich als Loner Girl und Bücherwurm, trägt lieber Männerhemden und hält nicht wirklich viel Make-Up.
Die Anderen, das sind (bis auf wenige Ausnahmen) die "Schmink-Tussis" und "Rosa-Zopf-Mädchen" (bei einer Kindheit in den 80ern und 90ern ein bisschen merkwürdig, weil damals eigentlich gar kein wirklicher Trend, aber okay).
Die Anderen, das sind die Bösen, die Mobberinnen... and don't I know it. Allerdings von der anderen Seite.
Ich habe mich immer gern geschminkt, mochte meine gefärbten und gestylten Haare, schöne Kleidung etc. Ich hatte immer gute Freunde. Ich bin aber auch der absolute Bücherwurm (wie man an meinem Profil hier unschwer erkennt) liebe Videospiele (fiktive Welten allgemein), stehe auf Comics und Mangas und japanische Rockmusik. In der Schule war ich die, die morgens mit roten, aber kajalumrandeten Augen ankam, weil sie die halbe Nacht den neuen Harry Potter Band gelesen hatte. Ich war die, die sich aus Klarsichtfolie kleine Taschen auf ihre Schultasche genäht und dort Bilder ihres japanischen Lieblingskünstlers drapiert hatte.
Oh, das war Mobbingpotenzial.
Allerdings fand das niemand meiner Altersgenossen schlimm. Meine Hobbies waren für sie zwar nicht nachvollziehbar, aber trotzdem vollkommen normal und okay.
Ich weiß, da hatte ich vielleicht Glück. Die Ausgrenzung und das Gemeinsein kamen dann aber trotzdem. Ich fand nämlich niemals den ersehnten Anschluss bei den "nerdigeren" Leuten, mit denen ich mich so gerne ausgetauscht hätte. Von einer "Freundin", die damals im alternativen, leicht punkigen Stil gekleidet und die einzige mit ähnlichen Interessen war, wurde ich ständig sitzen gelassen, hintergangen und indirekt als "hohl" und "Modepüppchen" beleidigt.
Auf Conventions und Messen wurde ich doof angeguckt und Freundschaften schließen war so gut wie unmöglich. Weil ich in eine Schublade gesteckt wurde, die höchstens (aber auch das nur bedingt) optisch zu mir passte, mit meinem Innenleben aber nichts zutun hatte.
Ich will damit nur sagen, dass auch die "Schmink-Tussis" und "Rosa-Zopf-Mädchen" keine eindimensionalen Strichfiguren sind, sondern komplexe Menschen, mit Hobbies, Träumen, Ängsten und Problemen.
Ich kann mir problemlos Wimperntusche auftragen und dabei mit einem Kumpel darüber streiten, ob nun - grobes Beispiel -Harrowmont oder Bhelen der bessere Herrscher der Zwergenstadt Orzammar in Dragon Age: Origins ist. Oder ob man sich den Sturmmänteln oder lieber dem Kaiserreich in Skyrim anschließen sollte.
Ich kann mir zarte Kleidchen anziehen und blondiert sein, während ich eine neue Sprache lerne und mich weiter in die Astrophysik einlese.
Man muss sich nicht entscheiden. Das geht alles zusammen.

Im Buch werden Neid, Missgunst und auch Hass unter Frauen sehr explizit und ausschweifend angesprochen. Das finde ich erstmal richtig und ich musste bei einigen Dingen auch nicken.
Ich bin zwar immer noch nicht ganz sicher, ob das wirklich so ein spezifisches Frauending ist (obwohl man an einer Stelle im Buch in Großbuchstaben angebrüllt wird, dass das alles belegt und bewiesen ist - fragt sich halt wie), oder ob in unserer Gesellschaft das selbe Verhalten bei den Geschlechtern einfach nur unterschiedlich bewertet wird (ich habe jahrelang in der Gastro gejobbt und was ich da an Gesprächen und Lästereien in reinen Männergruppen mitgehört habe, hat mich stark zum Nachdenken gebracht... ist halt leider nur anekdotische Evidenz und sagt im Grunde nicht viel aus), aber sei's drum.
Es ist jedenfalls ein großes Thema, grade im Feminismus. Im Gegensatz zur Autorin finde ich allerdings nicht, dass es einfach so abgetan oder gar geleugnet wird.
Ganz im Gegenteil, ich habe noch nie so viel Selbstreflexion und Hinterfragen des eigenen Verhaltens wie innerhalb feministischer Gruppierungen erlebt. Das mag an meiner Bubble liegen, klar.
Dennoch vermisse ich genau diese Dinge im Buch, bei der Autorin selbst. Die Fehler anderer werden sehr intensiv behandelt und aufgezeigt. Die Bösen sind hier die anderen (Frauen). Und ich komme nicht umhin, mich zu fragen, ob sie denn selbst immer so einwandfrei, korrekt, nett und super fair zu eben diesen anderen Frauen in ihrem Leben war.
Oder ob es da nicht mindestens eine gibt, die ähnliches zu erzählen hätte. Halt von der anderen Seite.
Die Sache ist nämlich die: Meiner Erfahrung nach gibt es eine große Schnittmenge von Frauen, die sich sehr laut und sehr vehement darüber beschweren, dass Frauen so fies sind und man keine echte Freundschaft aufbauen kann und denen, die selber nicht grade gut zu Frauen sind.
Als ich eine Bekannte zum ersten mal traf, sagte sie mir, dass sie sich so freue, dass wir uns gut verstehen, denn normalerweise könne sie ja überhaupt nicht mit Frauen. "Weiber sind die schlimmsten, Gott, ich hasse Weiber."
Ich war irritiert und wütend, aber auch zu nett (oder angepasst), um etwas Deutliches dagegen zu sagen. Stattdessen antwortete ich ihr, dass ich sehr gut mit Frauen könne, sie gelegentlich sogar liebe. Mittlerweile habe ich einige Freundschaften dieser Person zerbrechen sehen und unschuldig war sie daran nie. Eher im Gegenteil.

Bevor es doch noch so rüberkommt: Ich will natürlich nicht leugnen, dass es die sogenannte Stutenbissigkeit gibt. Überhaupt nicht. Und ich glaube auch, dass es stimmt, dass Frauen andere Frauen als weniger vertrauenswürdig und eher manipulativ sehen, als Männer. Dieses Buch ist der beste Beweis.
Aber vielleicht lese ich es auch falsch. Immerhin behauptet die Autorin ja auch, anderen Frauen die Hand zu reichen.
Aber ich bin definitiv hellwach, wenn ich was von "Schmink-Tussis" und "Rosa-Zopf-Mädchen" und "Lästerschwestern" und "Intrigantinnen" und "Bitchiness" lese.

Es gibt dennoch viele eindringliche und interessante Passagen. Manchmal hatte ich beim lesen der persönlichen Erfahrungen regelrecht Bauchschmerzen, was gut ist, weil mich das Geschriebene total erreicht hat.
Außerdem werden Dinge beleuchtet, über die ich so noch nie nachgedacht hatte. Das beispielsweise der Fokus auf Falschbeschuldigungen, wenn es um Vergewaltigungen geht, Menschen (vor allem Frauen) dazu bringt, ihre eigene Erfahrung zu hinterfragen und sich nicht mehr sicher zu sein, ob sie das überhaupt wirklich so erlebt haben und richtig einschätzen, klingt leider plausibel.
Ebenso wie die Schilderungen des alltäglichen Sexismus, den ich kenne, den meine Freundinnen kennen, den so gut wie jede Frau auf dieser Welt kennt.

Sexuell verfügbar ist im Endeffekt ein Buch voller Widersprüche (und das wird zum Schluss sogar erwähnt).

Auf einer Seite ist die Autorin genervt von Frauen, die einen semi-kritischen Spruch über Brust-OPs bringen (weil sie nämlich selbst eine hatte), auf der anderen kritisiert sie wiederum selber Frauen, die sich einem Schönheitsideal zu sehr anpassen.
Dabei darf man dann nicht vergessen, dass auch sie gefärbte Haare hat und auf Mode steht aber halt "auf die gute Weise", die was mit Kunst und Ausdruck zutun hat. Na dann.

Auf einer Seite weiß sie, wie schlimm es ist, betrogen und belogen zu werden, auf der anderen beschreibt auch sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann (zwar nicht kritikfrei, aber eigentlich lese ich da nur wieder ganz viel Rechtfertigung raus).
Sie verzeiht sich, weil sie jung und naiv war, verlangt dann aber im nächsten Moment mit deutlichen Worten, dass Frauen aufhören müssen, Geliebte zu sein.

Auf einer Seite schreibt sie, dass Frauen harmoniebedürftiger sind, gerne deeskalieren und die Schuld bei zwischenmenschlichen Problemen bei sich selbst suchen, auf der anderen zeichnet sie das Bild der manipulativen, intriganten Schlange, die vor Bösartigkeiten nur so strotzt und Mittel und Wege kennt, andere zu zerstören.

Auf einer Seite berichtet sie von einem traumatischen Erlebnis mit Slut-Shaming unter Frauen, das wohl bis heute dazu führt, dass sie vorsichtig mit dem ist, was sie ausplaudert, wenn es um Sex und Liebschaften geht, auf der anderen wundert sie sich später, dass Mütter nicht offen über Sex und ihr Verlangen reden.
"Warum sagt denn niemand was?" heißt es da und ich denke mir, ja, vielleicht haben die ähnliches erlebt und möchten auch nicht verurteilt werden.

Auf einer Seite sollen Frauen zu ihrem Begehren stehen, auf der anderen wird die One-Night-Stand und Friends-with-Benefits Kultur kritisiert.

Auf einer Seite wird Solidarität unter Frauen verlangt, auf der anderen spöttisch auf die ehemaligen Klassenkameradinnen runtergeguckt, die zuerst heirateten, Kinder bekamen und ihre Karrieren auf Eis legten.

Es erscheint mir, offen gesagt, schwer überhaupt etwas zu finden, was man als Frau in den Augen der Autorin richtig machen kann.

In Rosales steckt eine Menge Frust und das ist okay. Ich teile ihn auch manchmal.
Ich muss mich beim Lesen eines solchen Buches nicht immer wohl fühlen, nein, ich verlange sogar mich ab und zu unwohl zu fühlen und zum Nachdenken gebracht zu werden. Das passiert hier gut.
Ich nehme das Geschriebene insgesamt als Bereicherung mit. Dennoch fehlt aber eben auch ganz viel. Vor allem Mut, eigene Fehler zu gestehen und weniger nachsichtig mit sich selbst zu sein, während man alle anderen gnadenlos abwatscht.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Ziemlich gut

Elian und Lira – Das wilde Herz der See
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Bei der Story um Elian und Lira handelt es sich im weitesten Sinne um eine Neuerzählung der kleinen Meerjungfrau von Hans Christian Andersen. Das hat mich ursprünglich etwas abgeschreckt, da meist ziemlich ...

Bei der Story um Elian und Lira handelt es sich im weitesten Sinne um eine Neuerzählung der kleinen Meerjungfrau von Hans Christian Andersen. Das hat mich ursprünglich etwas abgeschreckt, da meist ziemlich romantisiert wird und alles, was das Original in seiner Melancholie ausmacht wegfällt.
Andersen gehört seit meiner Kindheit zu meinen Lieblingsautoren. Seine Märchen waren ein kreativer und cleverer Gegensatz zu den Gebrüdern Grimm, die mir nie sonderlich lagen.
Hinzu kommt, dass ich mich sehr für Andersen als Person interessiere und mich ziemlich mit seiner Weltanschauung, die sich auch immer in den Geschichten widerspiegelt, identifizieren kann.
Tja, daher sind Neuerzählungen eher schwierig für mich und drei Sterne in dem Fall eine wirklich gute Wertung.

Was mir gefallen hat:
+ Die Autorin hat kein Problem damit, ihre Protas grausam und egoistisch agieren zu lassen. Sirenen sind hier gefährliche Wesen, die mit Leidenschaft töten und "Prinz Charming" ist eigentlich eher ein Pirat, der mit Vorliebe ebenjene Sirenen jagt und vernichtet.
+ Statt wie in vielen Fällen eine oder zwei, gibt es in dieser Geschichte diverse weibliche Figuren, die unter anderem auch zur Schiffscrew gehören und miteinander reden/interagieren - und nicht fast nur mit Männern.
+ Die Charaktere sind interessant und vielfältig.
+ Lira lässt sich nicht aus Liebe zum unwiderstehlichen Prinzen in einen Menschen verwandeln, sondern erleidet dies als Strafe für ihren Ungehorsam mit der Aufgabe, Elian zu töten.
+ Frauen, die nach Macht streben und etwas zu sagen haben möchten sind in dieser Welt ganz normal und gelten nicht automatisch als unsympathisch.

Was mir nicht so gut gefallen hat:
- Ich hatte Schwierigkeiten, in die Geschichte zu finden. Liras Handlungsstrang war eigentlich von Anfang an ganz spannend, Elians Sichtweise hat mich jedoch immer wieder rausgerissen... sie war zu Beginn etwas langweilig und uninteressant.
- Es gibt zu viele Längen, obwohl das Buch gar nicht so viele Seiten hat. Man hätte einiges kürzen können, ewige innere Monologe waren überflüssig und zäh.
- Der Schreibstil fühlte sich irgendwie distanziert hat, manchmal hatte ich Probleme, richtig in die Story einzutauchen und musste mich zwingen weiterzulesen.
- Zu viel des Guten... Was ich oben positiv genannt habe, muss ich leider auch negativ nennen: Die Protas erwähnen ständig, wie grausam und verschlagen sie doch sind, dass sie einander jederzeit töten könnten etc.

Im Endeffekt ist das Buch wirklich mal was anderes und eigentlich auch ziemlich gut. Es wird sicher vielen Leserinnen und Lesern gefallen und so langsam kommen bestimmte Werte endlich auch in der Unterhaltungsliteratur an.
Ich würde es weiterempfehlen!

Zum Schluss noch was zum Cover: Die englische Version sieht einfach wunderschön aus, die deutsche gefällt mir dagegen überhaupt nicht.
Laut Umfragen mögen Lesende es nicht so gerne, wenn Menschen/Gesichter auf Buchcovern abgebildet sind, sondern haben lieber kreative und schöne Designs, die der eigenen Vorstellung Freiraum geben. Das muss nun auch noch in Deutschland ankommen. ;)

Veröffentlicht am 09.08.2019

Durchwachsen

Wie wir lieben
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Also erstmal: Ich kann und will die einzelnen Geschichten der Paare in diesem Buch nicht bewerten. Das sind einfach individuelle Erfahrungen und subjektive Meinungen, die natürlich nicht immer meinem Bild ...

Also erstmal: Ich kann und will die einzelnen Geschichten der Paare in diesem Buch nicht bewerten. Das sind einfach individuelle Erfahrungen und subjektive Meinungen, die natürlich nicht immer meinem Bild von Liebe, Ethik usw. entsprechen (und dies auch gar nicht sollen).
Trotz meiner eigenen polygamen/polyamorösen Tendenzen, habe ich mehrfach den Kopf schütteln müssen - zu viele Seitensprünge und Lügen, während es bei mir immer um Ehrlichkeit, Respekt und einen offenen Umgang (alle Beteiligten müssen immer wissen, worauf sie sich einlassen) geht. Aber das müssen die Leute eben selber wissen. Interessant zu lesen waren die Geschichten jedenfalls und ich kann jedem nur empfehlen, mit einem offenem Herzen mal über den Tellerrand zu schauen.

Kommen wir stattdessen zu den "Zwischensequenzen" und zum Autor bzw. dessen Schreibstil... und hier auch gleich zum ersten Punkt, der mir mal wieder richtig doll aufgefallen ist:

Friedemann Karig wirft mit Studien und Experimenten nur so um sich - allerdings ohne einen einzigen anständigen Quellennachweis. In den meisten Fällen heißt es "Studien besagen" oder "mittlerweile ist bekannt" etc. Ab und zu werden Forscher mal namentlich erwähnt aber das war's dann auch schon.
Vielleicht liegt es daran, dass ich vor nicht allzu langer Zeit Margarete Stokowskis wunderbares Buch Untenrum frei gelesen habe und diese einen riesigen Anhang mit all ihren Quellen und unzählige Fußnoten mit reingepackt hat.
So etwas hätte ich hier auch gut gefunden. Aber Frauen stehen ja generell immer stärker in der Beweispflicht, wenn sie irgendetwas äußern.

Den Schreibstil fand ich okay. Nicht überragend gut aber auch nicht grottenschlecht. Ein paar Kleinigkeiten haben mich immer mal wieder ein bisschen gestört, z.B. Zwischensätze in den Stories á la "ihre blauen Augen blitzen" - so was mochte ich noch nie, denn wie soll das denn bitte gehen? Würden bei meinem Gegenüber plötzlich die Augen blitzen, würde ich schreiend weglaufen. Irgendwie stelle ich mir da immer den Hypnotiseur aus Asterix erobert Rom vor. :D
Aber das ist halt auch wieder alles subjektiv und andere Leser und Leserinnen mag das überhaupt nicht stören. So schlimm ist es ja nicht.

Sehr viel mehr gestört haben mich die ganzen Verallgemeinerungen: Es gibt viel zu viel die Frauen™ und die Männer™ und so sind sie halt alle, ohne Ausnahme.
So habe ich mich selbst z.B. überhaupt nicht wiedererkannt, wenn Karig mal wieder von den Frauen™ schreibt. So einigen Männern wird es da sicherlich ähnlich gehen.
Leider führt das dann wahrscheinlich wieder zu einer Defensivhaltung der Monogamie-Verfechter, die ja allgemein schon sehr allergisch und ängstlich reagieren, wenn man nur erwähnt, dass man körperliche Treue für nicht so wichtig hält und eine etwas andere Auffassung von Liebe, als die Allgemeinheit hat.

Den Titel "Wie wir lieben" finde ich übrigens etwas irreführend. Es sollte meiner Meinung nach "Wie wir Sex haben" heißen, denn genau darum geht es primär. Platonische (romantische) Liebe und Asexualität werden wenig bis gar nicht bedacht.

Allerdings muss ich auch die positiven Dinge erwähnen: Den geschichtlichen Teil über beispielsweise Paarbeziehungen fand ich sehr interessant, das Thema Slut-Shaming und Unterdrückung der Frau (und ihrer Sexualität) wurde ausnahmsweise mal nicht totgeschwiegen und die unterschiedlichen Stories der Menschen waren wie bereits oben erwähnt wirklich lesenswert.
Vor allem den letzten Abschnitt, der sich mit Kommentaren und Reaktionen auf eine der Geschichten, die bereits vorab veröffentlicht wurde, auseinander setzt, fand ich toll.
Hier sieht man mal wieder wie ablehnend Menschen reagieren, wenn etwas aus der (eigenen) Norm fällt. Dass da (neben Beleidigungen) gerne mal aus der Ferne psychische Krankheiten diagnostiziert werden, ist fast schon erschreckend.

Mein Fazit ist also eher durchwachsen. Ich kann Wie wir lieben weder empfehlen, noch davon abraten. Mein Schlusswort deshalb: Reinlesen und ein eigenes Bild machen.

(Ach übrigens: Sex and the City mag unterhaltsam sein, repräsentiert aber nicht die Allgemeinheit der Frauen. Deswegen haben mich die ständigen Zitate aus dieser Serie auch eher genervt.)