Profilbild von melange

melange

Lesejury Star
offline

melange ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit melange über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2021

Spannung vs. Glaubwürdigkeit

Paranoid
0

Zum Inhalt:
Vor 20 Jahren wurde aus einem Spiel Ernst, als Rachels Halbbruder Luke bei einer Ballerei mit Softair-Gewehren tödlich getroffen wird. Den Makel, möglicherweise etwas mit Lukes Tod zu tun zu ...

Zum Inhalt:
Vor 20 Jahren wurde aus einem Spiel Ernst, als Rachels Halbbruder Luke bei einer Ballerei mit Softair-Gewehren tödlich getroffen wird. Den Makel, möglicherweise etwas mit Lukes Tod zu tun zu haben, wird Rachel nicht mehr los, - befeuert durch den Umstand, dass ihr Gewehr nicht gefunden und ihr Vater der ermittelnde Beamte war. In der Gegenwart plagen Rachel jedoch noch andere Sorgen, - ihre pubertierenden Kinder testen ihre Grenzen aus und ihr Ex-Mann entfacht verloren geglaubte Gefühle. Und dann wird eine Mitschülerin Rachels –eine der beiden Entlastungszeuginnen – ermordet, eine andere beginnt eine Artikelserie zu den damaligen Vorkommnissen und der Albtraum beginnt von vorne.

Mein Eindruck:
Ohne Frage schreibt Lisa Jackson spannend: Trotz des Wissens durch den Klappentext bangt man beispielsweise um das Leben des ersten Opfers, - so nah geht einem dessen Todesangst durch eine wirklich perfekte Darstellung von Dunkelheit, Einsamkeit und aufstellenden Nackenhaaren. Und da die Ausgangslage absolut spektakulär und ungewohnt gestaltet ist, bleibt auch lange unklar, wer (und wie) für Lukes Tod verantwortlich war.
Trotz stellenweise absolut unsympathischer Personen und vieler charakterlicher Schwächen insbesondere der Protagonistin und ihres familiären Umfelds fliegt man förmlich durch die Seiten auf der Suche nach der Aufklärung. Dabei ist noch nicht einmal die gegenwärtige Mordserie der Spannungsanker – hier bekommt man relativ schnell eine Ahnung – sondern die Aufdeckung des alten Todesfalls zieht die Schraube an. Aber die Lösung, welche von Jackson präsentiert wird, ist absolut hanebüchen und damit dramatisch daneben. Anscheinend wollte die Autorin ihre Leserschaft verblüffen. Gut, das ist ihr gelungen, jedoch auf Kosten jedweder Glaubwürdigkeit und ein weniger gefestigter Charakter wäre geneigt, das Buch mit einem empörten Aufschrei in die am weitesten entfernte Ecke zu pfeffern. Damit bleibt trotz guter Technik nur eine mittlere Bewertung dank katastrophaler B-Note für die künstlerische Leistung.

Mein Fazit:
Ich schäume immer noch

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.05.2020

Rache ist bitter

Blutige Düne
1

Zum Inhalt:
Auf Sylt ist es nicht beschaulich: Ein Mitglied des Milieus wird getötet, ein junger Zivildienstleistender sehr schwer verletzt. An beiden Opfern wird das Wort „Rache“ – geschrieben mit schwarzem ...

Zum Inhalt:
Auf Sylt ist es nicht beschaulich: Ein Mitglied des Milieus wird getötet, ein junger Zivildienstleistender sehr schwer verletzt. An beiden Opfern wird das Wort „Rache“ – geschrieben mit schwarzem Nagellack - gefunden. Liv Lammers von der örtlichen Polizei bekommt den Fall aus der Hand genommen, als Verbindungen zu Rockergruppen deutlich werden. Doch trotz aller Schwierigkeiten – auch privater Natur – ermittelt sie weiter.


Mein Eindruck:
Farbenfroh, großartig und mit viel Liebe zum Detail beschreibt Sabine Weiß Sylt. So gut, dass man förmlich das Meer rauschen und riechen kann. Leider nutzt sie für ihre Charaktere im Gegensatz dazu nur zwei Nicht-Farben: Schwarz und Weiß. Zwischentöne gibt es kaum, die Leser bekommen mit dem Holzhammer eingeprügelt, wenn sie ganz doll lieb haben und wen sie genauso abgrundtief verabscheuen müssen. Das ist insbesondere deshalb schade, weil Weiß ihren Figuren Leben einhauchen kann, wie sie immer wieder in kleinen Episoden beweist, die einen augenzwinkernden Humor beinhalten. Das zweite Manko der Geschichte sind die zum Teil nicht stringenten Handlungen dieser (stereotypen) Charaktere: Wenn z.B. Livs Chefin bei starken beruflichen Fehlverhalten nicht einmal mit der Wimper zuckt, an anderer Stelle jedoch grundlos rügt.
Doch ein Plus soll nicht unerwähnt bleiben: Der Fall ist nachvollziehbar, die mordende Person wird gut ermittelt (und hat eine Charaktertiefe, die man sonst vermisst), ihr Motiv klar dargelegt. Mehr, als man von einigen Krimis in letzter Zeit behaupten kann. Einige (zumeist private) Cliffhanger sind dabei gut zu verschmerzen und sollen das geneigte Publikum auf ein nächstes Buch anfüttern.

Mein Fazit:
Großartige dreidimensionale Bilder von Sylt, leider nur eindimensionale der handelnden Figuren

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 11.01.2020

Versuch eines Genre-Wechsels

DRAUSSEN
0

Zum Inhalt:
Der Überlebenskünstler Stephan versteckt sich mit dem farbigen Geschwisterpaar Cayenne und Joshua im Wald, - immer auf der Hut vor einer Gruppe, welche die Jugendlichen töten will. Währenddessen ...

Zum Inhalt:
Der Überlebenskünstler Stephan versteckt sich mit dem farbigen Geschwisterpaar Cayenne und Joshua im Wald, - immer auf der Hut vor einer Gruppe, welche die Jugendlichen töten will. Währenddessen arbeitet der Lobbyist Jürgen Wagner im Auftrag der Energiekonzerne im politischen Berlin, unterstützt von einem Freund aus vergangener Zeit. Als es zu einem Blackout kommt, kreuzen sich die Wege der ungleichen Gruppen.

Mein Eindruck:
Es ist fast verständlich, dass Volker Klüpfel und Michael Kobr aus dem Kosmos um ihre Kultfigur Kluftinger ausbrechen wollten, - wirklich gelungen ist dieser Ausbruch leider nicht. Denn es ist überdeutlich, dass gerade deshalb viel zu viele Ideen in „Draussen“ eingearbeitet wurden, die das Buch als Geschichte überfrachten: Manipulation, Bestechung und Erpressung der politischen Führungsschicht durch Lobbyarbeit, durchgeknallte (?) Prepper, die sich auf eine Katastrophe vorbereiten, Ausländerhass, der noch nicht einmal vor Krankenhäusern Halt macht und zu guter Letzt noch die Fremdenlegion und ihre Auswüchse, um Männer zu Maschinen zu drillen, denen die Empathie abgewöhnt wird.
Die Spannungskurve verläuft dabei eher wellenförmig: Teilweise langatmige (und nervige) Abschnitte mit politischen Geplänkeln in Berlin, ausufernde Tagebuchbeschreibungen des Drills bei der Fremdenlegion und nölige Pubertiere im Wald, dann zugegebenermaßen spannende Szenen beim Blackout auf den Straßen und Konfrontationen verschiedenster Art. Die Autoren leben dabei immer von ihrer Fähigkeit, bildhaft zu beschreiben, schießen aber insbesondere bei der Brutalität mancher Ereignisse doch über das Ziel hinaus. Richtig ärgerlich ist dann das Ende, welches nicht nur überhastet, sondern zusätzlich noch absolut unglaubwürdig abgehandelt wird.
Letztendlich ist „Draussen“ als Versuch zu betrachten, ein anderes Genre als den Heimatkrimi zu bedienen, die Ausführung dieses Versuchs hat auf jeden Fall noch Potenzial.


Mein Fazit:
Dann doch lieber der nächste Kluftinger

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2019

Überspannt

Gespräche mit Freunden
0

Zum Inhalt:
Die Studentinnen Frances und Bobbi lernen Melissa – eine Fotografin – und ihren Mann, den Schauspieler Nick kennen. Obwohl das Ehepaar gut 10 Jahre älter ist, findet sich eine gemeinsame Ebene, ...

Zum Inhalt:
Die Studentinnen Frances und Bobbi lernen Melissa – eine Fotografin – und ihren Mann, den Schauspieler Nick kennen. Obwohl das Ehepaar gut 10 Jahre älter ist, findet sich eine gemeinsame Ebene, auf der zuerst diskutiert und dann geliebt wird.

Mein Eindruck:
Viel Gequatsche um fast nichts. Oder: Mir persönlich hat sich der Hype um dieses Debüt der irischen Schriftstellerin Sally Rooney und seine vielfache Prämierung nicht erschlossen. Dass es junge Menschen geben mag, die so reden, wie in diesem Buch eloquent parliert wird, ist durchaus möglich (die Autorin ist kaum älter als ihre beiden Hauptfiguren Frances und Bobbi gewesen, als sie das Buch schrieb), aber eher ungewohnt. Der Schreibstil war gut, aber auch nicht der Überflieger – das mag der Übersetzung geschuldet sein – und dass mancher Leser das Buch nicht aus der Hand legen konnte, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Aber – wie sagt man so schön bei Abschieden, die nicht zu weh tun sollen – es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Ich verstand nicht, was das Buch mir letztendlich sagen sollte. Zu vieles darin war mir zu unglaubwürdig und zu gewollt. Die Dialoge waren gestelzt, die Ausgangslage (warum traf man sich eigentlich überhaupt andauernd bei Melissa?) zu bemüht und die Entwicklung der Beziehung/en seltsam. Man hat ein großes Schmerzproblem durch eine schlimme Krankheit und verschweigt dieses nicht nur vor den Menschen, die einem nahe stehen, sondern auch in der Uni und verbaut sich möglicherweise seinen ganzen Lebensweg? Weshalb?
Für mich ist das Buch ein typisches folgender Sorte: Ich schreibe jetzt einen tiefgründigen Roman, was nehme ich da? Komplizierte Beziehungen, Krankheit, schwere Kindheit, fertig!
Und siehe da, - es wird ein Bestseller! Herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht.


Mein Fazit:
Der Roman wird seine Liebhaber finden, mir war er jedoch zu kapriziös

Veröffentlicht am 25.02.2018

Familiengeschichte, nicht leicht gemacht

Die erstaunliche Familie Telemachus
1

Zum Inhalt:
Von der schon früh verstorbenen (Groß-)Mutter haben die Telemachuskinder und –enkel übersinnliche Fähigkeiten geerbt – Telekinese, Sicht in die Zukunft und vieles mehr. Leider sind diese Fähigkeiten ...

Zum Inhalt:
Von der schon früh verstorbenen (Groß-)Mutter haben die Telemachuskinder und –enkel übersinnliche Fähigkeiten geerbt – Telekinese, Sicht in die Zukunft und vieles mehr. Leider sind diese Fähigkeiten vor allem für die direkte Nachfolge-Generation eher Fluch denn Segen, Enkel Matt kostet die Möglichkeit, außerhalb seines Körpers schweben zu können weidlich aus. Richtig kompliziert wird es, als sich nicht nur der Familienpatriarch Teddy, sondern auch sein Sohn Frankie mit einem Mafiaboss anlegen und damit die gesamte Familie in Gefahr bringen.

Mein Eindruck:
„Richtig kompliziert“ ist für mein Dafürhalten das, was die Story dieses Buches ausmacht. Beginnt es – wie vom Klappentext suggeriert – als Geschichte eines pubertierenden Teenagers, leicht gespickt mit Fantasy-Elementen, wird es dann zur Gaunerkomödie und schließlich zu einem handfesten Krimi, nur unterbrochen von einem Drama um gebrochene Herzen und frühe Waisenschaft. Nun könnte man – in der roten Ecke – diese Gemengelage wohlwollend als „spritzige Familiengeschichte in einem Genremix, der seinesgleichen sucht“ betiteln oder – in der blauen Ecke – nicht ganz so wohlwollend als „absolutes Stil-Durcheinander eines Autors, der sich nicht festlegen kann oder will“.
Ich verhalte mich einmal violett und versuche zu schildern, was mir persönlich gefallen hat, - oder eben auch nicht.
Sehr schön ist die Idee, jedes Kapitel aus Sicht einer Person zu beschreiben. So erhält der Leser Einblicke in die durchaus ambivalenten Gefühle, welche die Mitglieder der Familie für die Umstände hegen. Dadurch, dass diese Kapitel jedoch bis kurz vor Schluss eine gewisse Länge aufweisen, wirken sie manches Mal ein bisschen dröge und die Story kommt nicht wirklich in die Puschen. Der Autor hat ein großes Maß an Fantasie und weiß seine Figuren liebevoll in Szene zu setzen, aber genau dieses Maß an Fantasie vermittelt oft das Gefühl, dass er sich in seiner Mixtur verzettelt. Erst zum Schluss – mit schnellen Wechseln der Perspektiven, einem Zusammentreffen aller wichtigen Personen des Telemachus-Universums und dem folgenschweren Showdown kommt echte Stimmung in die Vorstadt-Bude.

Mein Fazit:
Es kommt (zu) langsam, dann aber gewaltig. Leider sehr spät.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Geschichte
  • Humor
  • Fantasie