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Veröffentlicht am 16.08.2019

Ophelia lebt sich ein

Die Spiegelreisende 2 - Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast
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auf Pol und auf der Himmelsburg - oder doch nicht? Denn es ist sehr verwirrend für sie - nachdem sie sich nicht mehr als Bedienstete verstecken muss, sondern als sie selbst auftreten kann, geht ...

auf Pol und auf der Himmelsburg - oder doch nicht? Denn es ist sehr verwirrend für sie - nachdem sie sich nicht mehr als Bedienstete verstecken muss, sondern als sie selbst auftreten kann, geht ein Hauen und Stechen los, das sie sich so wohl kaum vorgestellt hat. Jeder gegen jeden - so scheint es. Und sie und ihr Verlobter Thorn mittendrin.

Abgesehen davon ist ihr Verhältnis immer noch mehr als kühl, was vor allem auf Thorns sehr eigenartiges Verhalten zurückzuführen ist.

Insidergerede meinerseits? Nun ja, aber wir befinden uns ja auch schon im zweiten Teil der Saga, also mittendrin im Epos um die Spiegelreisende von der Arche Anima und den Intendanten der Arche Pol. Anders kann man da kaum drauf zugehen, denn es ist, wie es ist: zu diesem Zeitpunkt steckt der Leser mittendrin und hat auf jeden Fall bereits die Entscheidung getroffen, sich auf diese Story voll einzulassen. Wer so weit gelesen hat, will auch die ganze Geschichte, also alle vier Teile.

Wobei diesmal Ophelias Verwandte von Anima anreisen und eine Hochzeit erwarten - aber wird diese tatsächlich stattfinden? Denn es sind eine ganze Reihe durchaus hochgestellter Personen aus der Himmelsburg verschwunden - die Lage spitzt sich immer weiter zu. Und wird Berenilde ihr Baby in Frieden gebären können? Fragen über Fragen - dabei so spannend zu lesen wie bereits der erste Teil.

Diese intelligente Fantasygeschichte macht wirklich Spaß, denn sie spinnt die politischen Intrigen von uns Erdenbürgern weiter bis ins Unendliche - Autorin Christelle Davos gelingt es aufs Prächtigste, politische Ränge und Verschwörungen, aber auch Alleingänge zu karrikieren und in eine andere Welt zu übertragen. Ein Epos, das nicht nur Jugendliche lieben werden, sondern alle, die sich gerne mal die ein oder andere neue Welt erschließen - wenn diese schlüssig und sinnvoll konstruiert ist und mit Stil und Humor dargeboten wird. All das schafft Christelle Davos mit ihrer Spiegelreisenden!

Veröffentlicht am 04.08.2019

Mallorca für Nachdenkliche

Und dieses verdammte Leben geht einfach weiter
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Timon und Sunny sind beste Freunde und wollen sich nach dem Abitur auf Mallorca entspannen. Das bedeutet in ihrem jungen Alter: so richtig abfeiern! Unterwegs treffen sie auf Jonas, der völlig verzweifelt ...


Timon und Sunny sind beste Freunde und wollen sich nach dem Abitur auf Mallorca entspannen. Das bedeutet in ihrem jungen Alter: so richtig abfeiern! Unterwegs treffen sie auf Jonas, der völlig verzweifelt scheint und es - wie sich später herausstellt - auch ist. Aus gutem Grund. Sie nehmen ihn mit nach Malle und Timons erste Aktion dort ist, Jonas' Leben zu retten, aus dem dieser freiwillig scheiden wollte. Danach ist natürlich nicht mehr viel mit Party. Nicht nur wegen Jonas. Denn auch Timon und Sunny haben ihr Päckchen zu tragen und - wie sich zeigt - Geheimnisse voreinander. Es dauert eine Weile, bis sie sich einander öffnen und Jonas ist daran nicht ganz unbeteiligt.

Drei junge Menschen, die sich - nach einer ordentlichen Anlaufzeit, natürlich - gegenseitig stützen und dadurch zusammenwachsen - ein schöner Gedanke. Was mir gefällt: die Geschichte hat durchgehend Ecken und Kanten, nichts wird idealisiert, nichts ist "fertig" - wie das Leben eben. Das Leben in einer, nein, drei Extremsituationen, zu denen es aber durchaus kommen könnte, denn das Leben ist ja oft dramatischer und extremer als jede Fiktion!

Ich jedenfalls bin begeistert von diesem Jugendbuch, das ich dennoch nicht jedem Leser empfehle, denn es ist schwere Kost. Als Elternteil, Freund oder Pate sollte man vielleicht dieses Buch vorher selbst lesen bzw. sich Gedanken darüber machen, ob es zu dem Adressaten passt. Wenn das der Fall ist, wird es auf jedenfall eine ungeheure Bereicherung sein, so viel kann ich versprechen! Oder man kauft es bei Interesse direkt für sich selbst, das wird mit Sicherheit niemand bereuen.

Ein einfühlsam, aber nicht zart oder sanft geschriebenes Werk - wobei es durchaus zarte und sanfte Momente gibt, die jedoch immer wieder mit dem Holzhammer unter- bzw. abgebrochen werden - vom Leben selbst. Dass dieses - das Leben eben - unser größter Freund und unser stärkster Feind gleichermaßen sein kann - das illustriert Autor Hansjörg Nessensohn in diesem Roman aufs Eindringlichste.

Ein aufwühlendes und ausgesprochen gelungenes Werk!

Veröffentlicht am 31.07.2019

Hinter der Kulisse

Sunset Beach - Liebe einen Sommer lang
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Sunset Beach, Kalifornien: Reiche Kids am Strand, die ständig mit ihren Autos rumkurven und deren größtes Problem es ist, vor Schulbeginn einen Parkplatz zu bekommen. So kamen mir Abby und ihre Freunde ...

Sunset Beach, Kalifornien: Reiche Kids am Strand, die ständig mit ihren Autos rumkurven und deren größtes Problem es ist, vor Schulbeginn einen Parkplatz zu bekommen. So kamen mir Abby und ihre Freunde zu Beginn des Romans vor - dass sie nun ins letzte Schuljahr kommen und für ihren Abschluss büffeln müssen, scheint Nebensache zu sein.

Denn es schwirren zu viele Hormone in der Luft herum. Auch Leo, der noch in Trauer um seinen Vater und gerade von der Ostküste, rübergezogen, wird gleich davon infiziert. Vielmehr ist es Abby, die ihm sofort den Kopf verdreht. Dabei muss er sich doch eigentlich mit ganz anderen Angelegenheiten befassen, bspw. damit, seinen steinreichen Stiefvater - ja, seine Mutter hat tatsächlich schon wieder geheiratet - kennenzulernen und sich um seine Zwillingsschwester Allegra, die eine ernsthafte Depression hat, zu kümmern.

Auch die so beliebte und ziemlich oberflächlich scheinende Abby hat ihre Problemchen, zu denen nun noch der aufdringliche Leo hinzukommt.

Ein Setting, wie es für einen oberflächlichen Urlaubsschmöker gemacht scheint! Doch wenn der Leser sich damit zufriedengeben möchte, hat er nicht mit der Autorin Kira Licht gerechnet, die sich einfach die Freiheit nimmt, in jedes Genre - auch in Teenieromanzen - Botschaften und eine gewisse Tiefe hineinzubringen. Sie vermittelt Werte wie auch Empathie mit einer Leichtigkeit - man könnte auch sagen, Lässigkeit - die ihresgleichen sucht. Die man quasi gar nicht bemerkt - nur nach der Lektüre ist etwas mit dem Leser passiert. Und zwar denkt er über das Gelesene nach und nicht nur einmal.

Dieser Roman ist - wie alle Bücher von Kira Licht - alles andere als Fast Food. Nur ist sie eine der seltenen Autor*innen, die die Gabe haben, ihre durchaus ernsten Gedanken und Inhalte in ein dermaßen gefälliges Format - eines, das beim Lesen runtergeht wie Öl - zu packen und ihre Leser damit quasi aus dem Hinterhalt zu überfallen! Ich liebe ihren Stil und ihre intelligente Leichtfüßigkeit und hoffe, dass ich mich noch auf viele Werke aus ihrer Feder freuen kann!

Veröffentlicht am 31.07.2019

Ausgesprochen ungemütlich

Wo die Freiheit wächst
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Nein, in Köln war es während des Zweiten Weltkriegs überhaupt nicht gemütlich! Es war die Stadt in Deutschland, die am häufigsten Bombenangriffe erleiden musste, nämlich insgesamt 262 Mal. Wenn man sich ...

Nein, in Köln war es während des Zweiten Weltkriegs überhaupt nicht gemütlich! Es war die Stadt in Deutschland, die am häufigsten Bombenangriffe erleiden musste, nämlich insgesamt 262 Mal. Wenn man sich das vergegenwärtigt, wundert man sich nicht mehr, dass fast jede Woche irgendwo auf dem Gelände der Stadt im Zuge von Bauarbeiten eine Fliegerbombe gefunden wird und entschärft werden muss.

1942: Wir begegnen Lene, die in Nippes lebt, einem Stadtviertel im Norden Kölns, nicht allzu weit entfernt von der Innenstadt. Sie ist sechzehn und die Zweitälteste von insgesamt fünf Geschwistern. Ihr ältester Bruder Franz ist an der Ostfront, in Russland, ihr jüngerer Bruder ist vierzehn und ein begeisterter Hitlerjunge. Dann gibt es noch zwei ganz kleine Mädchen. Der Vater wird vermisst, die Mutter hat bereits einen neuen Partner.

Lene macht eine Ausbildung zur Friseuse und schreibt Briefe - an ihre Freundin Rosi, die in Detmold in den Arbeitsdienst verschickt wurde, an den Bruder an der Front und irgendwann auch an Erich, den sie nach langen Jahren wiedergetroffen hat und jetzt ziemlich toll findet. Und sie erhält Antworten.

Mit Lene erleben wir den Alltag in Köln, der alles andere als erbaulich ist: ständige Bombenangriffe, die vielen Verluste sind fast schon an der Tagesordnung. Immer mehr Juden müssen ihre Wohnungen verlassen und immer mehr von ihnen sieht man in Züge steigen.

Und immer mehr zweifeln am Nationalsozialismus, allen voran Erich. Aber auch Lene ist nicht überzeugt davon. Aber offen darüber reden kann sie nicht.

Es werden viele Themen angesprochen in dem Roman wie Euthanasie, politische Häftlinge, ältere Menschen in Kriegszeiten, Mangelernährung und vieles mehr. Aber es gab Gegenwehr. Auch unter jungen Leuten. In Köln nannten sie sich Edelweißpiraten und sie waren sehr mutig. Und manche erhalten die Quittung dafür. Auch Lene wird zu einer von ihnen.

Der Leser erfährt, wie es den Menschen so ergeht und sieht, dass es keinen Alltag ohne Krieg gibt. Der Krieg hat wirklich alle Menschen in Deutschland in seinem Griff und man kann ihm nicht entrinnen.

Was aber nicht heißt, dass es überhaupt nichts Schönes gibt, allerdings relativieren sich die Dinge. Es gibt Freundschaft, Liebe, überraschende kleine und große Gesten von Mitmenschen. Ja, die kann man auch in Zeiten erleben, die dunkler nicht sein können.

Frank M. Reifenberg schildert eindringlich und ergreifend das Leben der Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Wobei diese viel näher an der Armee war, als man es sich heute vorstellen kann: durch die Soldaten, die es fast in jeder Familie gab, aber auch durch die feindlichen Angriffe.

Ein sehr, sehr trauriges, aber sehr wichtiges Buch, in dem die Stimmung, das Atmosphärische eine große Rolle spielt. Starker Tobak, aber ich bin froh, dass ich es lesen durfte. Als Kölnerin habe ich einen unglaublich tiefen Einblick in die jüngere Vergangenheit meiner Stadt erhalten und ich wünsche einem jeden, dass es auch zu seinem Herkunftsort einen solch großartigen Roman über die dunklen Zeiten des Zweiten Weltkriegs gibt. Es war ein Riesengewinn und ein großes Geschenk, ihn zu lesen!

Veröffentlicht am 21.07.2019

Neues Land, neuer Mann

Wanka würde Wodka kaufen
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Und das ist längst nicht das Einzige, was Jekaterina Poljakow neu in ihr Leben lassen muss. Nein, sie ist nun in einem Zeugenschutzprogramm und muss Russland gegen Deutschland, ein Leben als Alleinstehende ...

Und das ist längst nicht das Einzige, was Jekaterina Poljakow neu in ihr Leben lassen muss. Nein, sie ist nun in einem Zeugenschutzprogramm und muss Russland gegen Deutschland, ein Leben als Alleinstehende gegen eines mit vierköpfiger Familie eintauschen. Vladimir, ihr Mann, ist gar nicht so übel (Jekaterina würde "iebel" sagen), aber Zweckehe ist Zweckehe.

Zudem muss sie sich noch mit einem weiteren Herrn Hans Peter Hoffmann (Chans-Peter Choffmann für Jekaterina) herumschlagen, aber das findet eher auf professioneller Ebene statt.

Also, nicht dass Sie sich jetzt was Falsches dabei denken - Jekaterina ist eine anständige Frau! Findet sie jedenfalls selbst. Im Gegensatz zu Deutschland, in dem das ein oder andere noch stark gewöhnungsbedürftig bzw. anpassungswürdig ist. Aber Jekaterina lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen: was nicht passt, wird passend gemacht. Auf die ein oder andere Art, wohlgemerkt. Ob es darum geht, den Bezirksbesamer in der Sauna zurechtzuweisen, den äußerst angriffslustigen Wildschweinen im deutschen Wald zu entrinnen oder mit einer überaus anstrengenden Dame auf dem (Arbeits)Amt fertigzuwerden: Jekaterina findet immer einen Weg. Und wenn nicht, dann hat sie "a little help from her friends" - auch fern der Heimat.

Jule Kaspar schreibt herzerfrischend humorvoll und dazu mit Tiefgang - ein absoluter Lesegenuss, den ich nicht so bald vergessen werde! Für alle, die aufgemuntert werden müssen oder möchten - oder auch einfach mal wieder ein richtig tolles Buch lesen wollen.

Hart, aber Herzlich: Verzeihung, ich meine natürlich: Chart, aber cherzlich - so ist Jekaterinas Start in Deutschland. Beim Lesen sollte man ein Taschentuch parat haben: für die Lachtränen, die man unweigerlich wieder und wieder vergießen wird!