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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2019

Etikettenschwindel

Ein unerledigter Mord
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Zum Inhalt:
Vor zwanzig Jahren verschwand eine Studentin aus Bamford, ihre Leiche wurde jedoch nie gefunden. Einer der wenigen Fehlschläge – wenn auch nur mittelbar – die Alan Markbys Laufbahn als Polizist ...

Zum Inhalt:
Vor zwanzig Jahren verschwand eine Studentin aus Bamford, ihre Leiche wurde jedoch nie gefunden. Einer der wenigen Fehlschläge – wenn auch nur mittelbar – die Alan Markbys Laufbahn als Polizist verunzieren. Doch jetzt verrät ihm sein Hilfsgärtner Josh, dass er und seine Schwester als Kinder Rebeccas Leiche fanden und zeigt Alan als Beweis für diese Aussage ein Armband der jungen Frau. Alan verständigt die zuständige Polizei und nach Ausgrabungen in einem Wäldchen findet man die Leiche und rollt den Fall wieder auf – mit Alan Markby als Sachverständigem.

Mein Eindruck:
Dieses Buch wird als Mitchell und Markbys sechzehnter Fall beworben, - und das ist ein ärgerlicher Etikettenschwindel. Denn beide sind nur Randfiguren und Stichwortgeber in einem Krimi, der daran kränkelt, dass Granger ihren Superintendenten nicht vollends dämlich darstellen will und deshalb zwei Schauplätze inklusiver beteiligter Polizeikräfte erdacht hat, - Bamford ist dabei nur Nebensache. So bleibt kein Platz – weder für Mitchell und Markby, noch für genügend Tatverdächtige, um wirklich Raum für Spekulationen zu bieten. Nur wenige ihrer Figuren hatten einen Bezug zu Rebecca und wenn dann noch der übliche sozialkritische Pathos mit vernachlässigten und unverstandenen Kindern Seiten verschlingt, schrumpft die Ermittlung immer weiter in sich zusammen. Das ist insbesondere deshalb schade, weil der Roman wirklich gut durchdacht ist und die meisten Beteiligten fast schon vom Schicksal getrieben agieren. Auch die – leider nur kleinen – Einschübe von Humor und einige Nebenfiguren wissen zu gefallen und der Showdown ist absolut gelungen und unerwartet. Vielleicht hätte Granger einfach auf das Verkaufsargument „Mitchell & Markby“ verzichten und beherzt einige Ermittler für mehr Verdächtige streichen sollen. So vergrätzt sie alte Fans, ohne neue dazuzugewinnen.

Mein Fazit:
Ein guter Krimi, aber kein Fall von Mitchell & Markby

Veröffentlicht am 03.11.2019

Zu viel geraucht

Die Ewigkeit in einem Glas
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Zum Inhalt:
Bridie Devine hat sich von ihrer Vergangenheit als Helferin eines Grabräubers zu einer gelöst und ist zu einer Detektivin geworden. Im viktorianischen England eine Seltenheit, denn nicht nur ...

Zum Inhalt:
Bridie Devine hat sich von ihrer Vergangenheit als Helferin eines Grabräubers zu einer gelöst und ist zu einer Detektivin geworden. Im viktorianischen England eine Seltenheit, denn nicht nur in der medizinischen Zunft werden Frauen nicht für voll genommen. Doch ein Baronet setzt all seine Hoffnungen in ihr Können, als seine Tochter entführt wird. Ein seltsames Kind, und Bridie ist eine Spezialistin für seltsame Fälle.

Mein Eindruck:
Ein Freund von Bridie ist Spezialist für Blends mit besonderen Eigenschaften, - und leider scheint ein bisschen zu viel davon in dieses Buch geflossen zu sein. Für meinen Geschmack hat Jess Kidd mit ihrer Geschichte den Bogen überspannt. War „Der Freund der Toten“ eine gute Mischung aus Roman und Geschichte mit ein paar Geister-Elementen, lebt „Die Ewigkeit in einem Glas“ fast ausschließlich von Skurrilitäten: Geister, Meerjungfrauen, Hausmädchen mit Backenbart sind nur einige davon. Und dieses Buch lebt von brutalster Gewalt und ekelerregenden Szenen. Es wird zusammengeschlagen, enthauptet, Gliedmaßen werden amputiert und in Eingeweiden gewühlt, - sehr oft hat man dabei das Gefühl, es geht einfach nur um das widerwärtige Gefühl, was dadurch beim Leser erzeugt wird. Denn voran bringt es die Geschichte nicht. Gut, es soll gezeigt werden, wie verkommen und bösartig Bridies Gegenspieler sind, aber hier herrscht ein moralischer Overkill.
Zum Glück gibt es wenigstens Ruby – Bridies Hausgeist – plötzlich aufgetaucht und mit wunderlichen Tätowierungen versehen. Hier ist die überbordende Fantasie der Autorin am richtigen Platz, denn hier kann man wenigstens ein bisschen schmunzeln. Der Rest der Story ist bis zum Schluss tragisch, böse, gemein und fast hoffnungslos, - wie die ganze Charakter-Schar.
Die dennoch nicht ganz schlechte Wertung bekommt das Buch von mir für seinen Schreibstil, denn die Sprache ist wieder einmal wunderbar wohlgeformt und bildhaft, - selbst, wenn die Bilder nicht gefallen.

Mein Fazit:
Ein probater Weg zur Novemberdepression

Veröffentlicht am 11.09.2019

Herrensitzung

Du bleibst mein Sieger, Tiger
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Zum Inhalt:
Wenn die eigenen Kinder hemmungslos ihre Jugend ausleben, wird es für ihre Eltern schwierig. Denn diese durchleben die Phase der Alterspubertät. Jahre, in denen man sich vom Geist her noch ...

Zum Inhalt:
Wenn die eigenen Kinder hemmungslos ihre Jugend ausleben, wird es für ihre Eltern schwierig. Denn diese durchleben die Phase der Alterspubertät. Jahre, in denen man sich vom Geist her noch sehr jung fühlt, der Körper aber leider nicht mehr so reagiert, wie man es sich wünscht. Und leider nicht nur der Körper, sondern auch das Umfeld. Schwierige Jahre, die zu allem Überfluss auch nicht wenige sind. Dass dieser Zeit auch eine gewisse Komik innewohnt, bringt dieses Buch seinen Lesern nahe.

Mein Eindruck:
Das Buch von Maxim Leo und Jochen Gutsch erinnert an eine Herrensitzung im Karneval. Viele Pointen sitzen und würden auch ein weibliches Publikum zum Lachen bringen, andere sind so … gewagt … dass man sie besser für sich behalten sollte.
Und so fühlt man sich wie auf einer Schiffschaukel. Von grandiosen, himmlischen Humor-Momenten wie zum Beispiel die Beschreibung des alterspubertierenden Mannes als leichte Beute einer Parfümerie-Fachverkäuferin fällt man leider auch schon einmal ins Bodenlose (die Unterhaltung mit dem besten Stück des Mannes finden wohl nur echte Pubertierende lustig). Bei solch eklatanten Unterschieden im Niveau fragt sich die geneigte Leserin, ob die Autoren möglicherweise nicht gleichzeitig, sondern alternierend gewirkt haben. Denn das Buch ist keine durchgehende Geschichte, sondern nimmt in Episoden das ach so schlimme Schicksal des Mannes in der Midlife-Crisis aufs Korn. Doch ein Kompliment muss man den Autoren machen: Zwar sind die Teilstücke inhaltstechnisch von unterschiedlicher Güte, sprachlich aber durchgängig ansprechend.
Uneingeschränkt sehr gut ist die Interpretation der Texte durch Hendrik Duryn. Ihm nimmt man praktisch jede Verzweiflung gegenüber den Nickligkeiten ab, die das Alter für Männer bereit hält.

Mein Fazit:
Gerne ein Nachfolger-Buch, gerne ohne Genitalien

Veröffentlicht am 17.08.2019

Erst stirbt die Katze, dann der Mensch

Blutsbande
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Zum Inhalt:
In Stockholm werden einige ertränkte Katzen gefunden, kurz danach findet ebenfalls eine Psychologin ihr unfreiwilliges Ende unter Wasser. Die Stockholmer Polizei muss feststellen, dass Fingerabdrücke ...

Zum Inhalt:
In Stockholm werden einige ertränkte Katzen gefunden, kurz danach findet ebenfalls eine Psychologin ihr unfreiwilliges Ende unter Wasser. Die Stockholmer Polizei muss feststellen, dass Fingerabdrücke auf einen alten Fall hinweisen, bei dem eine weitere Frau im Wasser gestorben ist. Als klar wird, dass Teile des Teams privat involviert sind, wird der Druck zur Täterfindung nicht nur extern, sondern auch intern erhöht.

Mein Eindruck:
Geschickt zelebriert Carin Gerhardsen die Leserverwirrung auf drei Zeitebenen, ihr Aufbau falscher Fährten ist fast brillant. „Fast“ deshalb, weil die letzte Wendung dann doch ein bisschen sehr überraschend und damit unbefriedigend gerät und das Ende zu abrupt geschildert ist. Sonst gibt es jedoch am „Hauptfall“ wenig zu kritteln: Er ist stringent, die handelnden Personen agieren folgerichtig und werden in einer Tiefe dargestellt, die weit entfernt von Holzschnitten ist. Leider kann sich Gerhardsen nicht vom üblichen Krimiklischee lösen, das immer wieder private Probleme bis zum Exzess in einen eigentlich guten Fall hineinverwursten muss. Dass gleich mehrere Personen des Teams persönliche Verbindungen zu Tätern und/oder Opfern haben, ist absurd und überkonstruiert und die daraus resultierenden Alleingänge nerven. Gefallen kann man jedoch durchaus an der Zusammenarbeit der Polizisten finden, - einer steht für den anderen ein und kümmert sich um die Kolleg/inn/en.
Da es sich bei „Blutsbande“ um einen Teil einer Reihe handelt, kommen Altfälle zu Sprache und nicht jeder Vorgang findet sein Ende; allerdings ist der Weg des Umgangs mit diesem Dilemma ein guter: Auch in Unkenntnis der älteren Bücher ist es möglich, sich zurechtzufinden.
Apropos zurechtfinden: Vielleicht sollte man bei der Übersetzung auf deutsche Leser Rücksicht nehmen und die typisch schwedische Angewohnheit, Personen mit Vor-, Nach- oder Spitznamen zu erwähnen entweder auf den Namen beschränken oder ein Glossar anbieten.


Mein Fazit:
Viele Spuren, noch mehr private Verwicklungen, mittlere Wertung

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 15.07.2019

Schwankt zwischen Tiefe und Untiefe

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz ...

Zum Inhalt:
Erin und Mark finden während ihrer Flitterwochen bei einem Tauchgang vor Bora Bora eine Tasche mit wertvollem Inhalt: Bargeld, Diamanten und ein USB-Stick, augenscheinlich bei dem Flugzeugabsturz russischer Krimineller verloren gegangen. Durch die Arbeitslosigkeit Marks in finanzieller Bredouille, beschließt das Paar nach einigem Hin und Her, sich ungeachtet der Gefahr den Fund anzueignen. Gleichzeitig treibt Erin ihr eigenes Projekt voran: Einen Dokumentarfilm, der sich mit der baldiger Haftentlassung dreier Krimineller befasst: Die der jugendlichen Brandstifterin Holly, die von Alexa, die ihrer Mutter Sterbehilfe geleistet hat und die des alten Bandenchefs Eddie, der wie damals Al Capone über eine fehlerhafte Buchführung zu Fall gebracht wurde. Durch dieses Engagement gerät Erin in das Visier der Polizei und bald bekommen die beiden Frischvermählten Ärger. Großen Ärger.

Mein Eindruck:
Das Debüt von Catherine Steadman kommt langsam, dann aber gewaltig. Ihre Ich-Erzählerin ist zwar manchmal von einer erschreckenden Naivität, kommt damit aber auf bezaubernde Weise ganz gut durch ihr Leben. Und auch wenn die Entwicklung der Geschichte und seiner Protagonistin sehr viele Buchseiten in Anspruch nimmt, ist es schön zu lesen, wie zum Schluss sämtliche Fäden zusammengefügt werden. Ein guter Schreibstil und eine passende Interpretin am Hörbuch-Mikrofon lassen die Story lebendig werden und - insbesondere zum Ende hin – die Spannung steigern. Da Erins Handlungen eher unorthodox und (auch für ihren Ehemann Mark) öfter einmal überraschend sind, schlägt die Geschichte einige unerwartete Haken, bis sie nach etwa 80 Prozent eine Aufklärung über den fulminanten Beginn des Buches anbietet. Doch wer die Befürchtung hegt, dass ab jetzt nur noch seicht und vorhersehbar geplätschert wird, sieht sich mit einer absolut überraschenden Wendung konfrontiert.
Aber bei allem Lob gibt es auch Grund zu Tadel: Fast alle Figuren werden hauptsächlich über ihr Aussehen definiert. Die Autorin legt zwar Erin in den Mund, dass sie als Filmemacherin auf so etwas achten muss, trotzdem langweilt es irgendwann, mehrfach über die Kleidergröße der Protagonistin informiert zu werden. Dafür erfährt man relativ wenig über das Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insofern es nicht direkt mit der Herausforderung durch den Zufallsfund zu tun hat. Außerhalb von „ich liebe ihn, er ist so attraktiv“ bleibt nicht viel und das mag für eine oberflächliche Beziehung reichen, für eine Ehe ist es zu wenig.

Mein Fazit:
Ein Buch, das oft an der Oberfläche bleibt, wenn es jedoch in die Tiefe von Verwicklungen geht, wird es wunderbar nebulös und überraschend.