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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2019

Nachdrückliche Leseempfehlung!

Im Käfig
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Bei einem Kampf gibt es Gewinner und Verlierer. Und kämpfen ist das einzige, was Daniel, nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen, gelernt hat. Martial Arts im Käfig, und darin ist er gut. Bis ...

Bei einem Kampf gibt es Gewinner und Verlierer. Und kämpfen ist das einzige, was Daniel, nicht auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen, gelernt hat. Martial Arts im Käfig, und darin ist er gut. Bis ihm sein Gegner einen heftigen Schlag gegen den Kopf versetzt und ihm damit eine Netzhautablösung beschert. Das war es dann mit der Karriere, die den Geldregen versprach. Nix mehr mit Gewinner.

Zwölf Jahre später fährt er mit seinem Truck und einem Schweißgerät durch die kanadische Provinz, klappert die Baustellen ab und nimmt dort jeden Job an, den er bekommen kann. Nicht für sich, sondern für seine Frau Sarah und seine Tochter Madelyn. Die finanzielle Situation der Familie ist katastrophal, kein Kredit mehr von der Bank, sie leben von der Hand in den Mund. Als dann auch noch sein Schweißgerät gestohlen wird, sieht Daniel keine andere Möglichkeit mehr, als bei dem lokalen Verbrechersyndikat anzuheuern. Obwohl er Bedenken hat, macht er, was man ihm aufträgt. Bis er eines Tages eine blutige Schießerei miterleben muss. Aber er hat ja noch eine Option, und da er sich als Sparringspartner in diversen Boxhallen fit gehalten hat, überlegt er, wieder in den Käfig zu steigen. Er setzt alles auf eine Karte, aber ob das so eine gute Idee ist?

Vier Jahre hat Kevin Hardcastle hat an diesem Roman geschrieben, und das Ergebnis kann sich wahrlich sehen lassen. Er beschreibt Daniels Schicksal völlig unaufgeregt, reduziert, in einer klaren Sprache, nie voyeuristisch oder Mitleid für den Protagonisten und dessen Familie einfordernd. Es ist wie es ist, und genau das macht es umso eindringlicher und erzeugt Empathie bei dem Leser, der ziemlich schnell erkennt, dass es für Daniel kein Entkommen geben wird. Hoffen und Bangen, Anstrengungen, Gewalt und ein Meer von Blut, all das führt auf direktem Weg zum finalen Gefecht. Ein Verlierer, zeitlebens eingesperrt in einem Käfig, dem Schicksal ausgeliefert. Und man ahnt es schon, es wird nicht gut ausgehen. Nachdrückliche Leseempfehlung für diesen kanadischen Noir aus dem Polar Verlag!

Veröffentlicht am 22.10.2019

Ein wilder Ritt

Schwarzer Leopard, roter Wolf
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Dass der jamaikanische Man Booker-Preisträger Marlon James keinen Fantasy-Roman schreibt, der die Konventionen des Genres bedient, ist zu erwarten. Zwar gibt es in „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ erzähltechnische ...

Dass der jamaikanische Man Booker-Preisträger Marlon James keinen Fantasy-Roman schreibt, der die Konventionen des Genres bedient, ist zu erwarten. Zwar gibt es in „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ erzähltechnische Elemente, die wir auch von andere Autoren kennen, aber insgesamt betrachtet sprengt schon der Handlungsort und dessen Beschreibung die Grenzen des Üblichen. Es ist ein surreales, längst vergangenes Afrika, in dem es Dämonen, Gestaltwandler, Hexen und Vampire gibt. Ein Afrika, das sich trotz detaillierter Beschreibung dem Zugriff des Lesers entzieht. Ein abstraktes Land der Mythen, das James mit überbordender Fantasie beschreibt und das als Hintergrund für die Geschichte dient, die der „Sucher“ seinem Zuhörer erzählt, den er wahlweise Priester oder Inquisitor nennt.

Ein Junge ist seit längerer Zeit verschwundenen, doch „das Kind ist tot. Weiter gibt es nichts zu wissen.“ Der Protagonist ist Teil eines Söldnertrupps, der ihn wieder nach Hause bringen soll. Eine Reise ins Ungewisse, auf die der Autor den Leser mitnimmt und ihn so manches Mal an den Rand der Verzweiflung bringt, denn sein Erzähler ist äußerst unzuverlässig. Man weiß nie, woran man bei ihm ist, ob man seinen Schilderungen glauben kann. Sagt er die Wahrheit oder stellt er sie bereits im nächsten Abschnitt in Frage?

„Schwarzer Leopard, roter Wolf“ ist der Auftaktband einer Trilogie (Dark Star, Teil 1) und ganz sicher keine leichte Lektüre, auch wenn die Handlung und das Personal teilweise an Superhelden-Comics erinnert. Der Roman fordert Konzentration auf das geschriebene Wort, und deshalb sollte man sich nach Möglichkeit auch die entsprechende Zeit dafür nehmen. Denn die Lektüre lohnt sich, nimmt uns Marlon James doch auf einen wilden Ritt durch den schwarzen Kontinent mit und belohnt seine Leser mit einem farbenprächtigen, sprachmächtigen Roman, der zugleich intensives Kopfkino erzeugt.

Veröffentlicht am 12.10.2019

Eine höchst ungewöhnliche Dystopie, die aktueller nicht sein könnte

Der zweite Schlaf
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Großbritannien in der Zukunft, nach der Apokalypse. Eine Zeit, bestimmt durch Unterdrückung. Eine Gesellschaft, die auf ein Level zurück katapultiert wurde, das dunkler als das Mittelalter ist. Keine Industrie, ...

Großbritannien in der Zukunft, nach der Apokalypse. Eine Zeit, bestimmt durch Unterdrückung. Eine Gesellschaft, die auf ein Level zurück katapultiert wurde, das dunkler als das Mittelalter ist. Keine Industrie, alle Errungenschaften der Moderne sind verloren. Die Menschen hungern, Sterblichkeit ist hoch. Es sind die Vertreter der Kirche, die sämtliche Fäden in der Hand halten, bestimmen, wo’s lang geht. Autoritäre und wissenschaftsfeindliche Kirchenmänner festigen ihre Macht durch Knechten der Menschen und die Unterbindung jeglichen Fortschritts. Das Leben ist hart, ein brutaler Kampf ums Überleben.

Robert Harris‘ Roman „Der zweite Schlaf“ eine Dystopie, deren Handlung angesiedelt ist zwischen dem, was wir in belletristischen Publikationen über die mittelalterliche Historie und fiktionalen Gedankenspielen über die Zukunft gelesen haben. Er spielt mit den Erwartungen des Lesers, verunsichert, stellt in Frage. Ein zweifelnder Priester, ein neugieriger Forscher, ein zupackender Kapitalist, ein übermächtiger Bischof. Sie alle halten unserer Gesellschaft den Spiegel vor.

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann daraus für die Gegenwart lernen, kann einen neuen Aufbruch wagen, einen Bogen von der Gegenwart in die Zukunft schlagen. Und genau das macht der Autor, denn es sind die Themen unserer Zeit, die er geschickt und äußerst spannend in diesen Roman packt. Klimawandel, Naturkatastrophen, Atom- und Cyberkriege, Pandemien. Themen, die heute aktueller denn je sind. Und natürlich auch der unbändige Willen der Herrschenden nach Macht und Kontrolle.

Ein faszinierender Roman, der nachdenklich macht und lange nachhallt. Eine höchst ungewöhnliche Dystopie, die aktueller nicht sein könnte. Vor allem dann, wenn man den Blick in Richtung Großbritannien und Brexit wendet.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Unbedingt lesen!

Das Institut
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Stephen King kann es noch. Seit weit über 40 Jahren schreibt er, auch unter verschiedenen Pseudonymen, „Das Institut“ ist sein einundsechzigster (!) Roman, der sich, wenn man mit seinem Werk vertraut ist, ...

Stephen King kann es noch. Seit weit über 40 Jahren schreibt er, auch unter verschiedenen Pseudonymen, „Das Institut“ ist sein einundsechzigster (!) Roman, der sich, wenn man mit seinem Werk vertraut ist, stellenweise wie ein „Best of“ liest. Da ist zum einen die Kleinstadt, deren Beschreibung er wie kein anderer beherrscht. Zum anderen sind da die hochbegabten Kinder mit ihren paranormalen Fähigkeiten, die, nachdem man ihre Eltern ermordet hat, entführt und in ein geheimes Institut gebracht und dort gefangen gehalten werden. Dort sind sie schmerzhaften Untersuchungen und Verfahren ausgesetzt, denn ihre Entführer wollen ihre außergewöhnlichen Begabungen für ihre dunklen Ziele verwenden. Ihr Leben ist elend, ähnelt dem von Laborratten, denn wenn sie ihre Schuldigkeit getan, ihren Zweck erfüllt haben, werden sie wie Abfall entsorgt.

Das mag auch auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit der Netflix-Serie „Stranger Things“ aufweisen, doch King ist wesentlich deutlicher, politischer. Wie er kürzlich in einem Interview in Stephen Colberts „Late Show“ sagte, möchte er die Politik eigentlich aus seinen Romanen heraushalten. Aber er erlebe jeden Tag, dass die Vereinigten Staaten unter Trump gerade sehr dunkle Zeiten durchmachen, weshalb es auch für ihn notwendig sei, Stellung zu beziehen und seinen Hut in den Ring zu werfen.

Die Story, das Setting, die Personen, wie immer großartig ausgearbeitet. Das verhaltene Unbehagen, die stetig ansteigende Spannung, die den Leser unweigerlich in diese Geschichte hineinzieht, atemlos weiterlesen lässt, egal, wie spät es ist. Das beherrscht kaum ein anderer Autor in dieser Qualität. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 10.09.2019

Jede Menge Denkanstöße

Der Store
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Online-Shopping ist eine bequeme Sache. Nahezu alles, was man benötigt, ist im Angebot, mit einem Klick bestellt und wird meist bereits am nächsten Tag geliefert. Man muss das Haus nicht verlassen, hat ...

Online-Shopping ist eine bequeme Sache. Nahezu alles, was man benötigt, ist im Angebot, mit einem Klick bestellt und wird meist bereits am nächsten Tag geliefert. Man muss das Haus nicht verlassen, hat keinen Einkaufsstress und oft sogar noch günstigere Preise als im Laden um die Ecke. Dass das auf lange Sicht das Aus für den Einzelhandel und nachfolgend die Verödung der Innenstädte bedeutet, ist den Konsumenten egal. Hauptsache bequem.

Der amerikanische Autor Rob Hart hat dieses Szenario weitergesponnen und bietet in „Der Store“ seinen Lesern einen erschreckenden Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, in der ein Handelsgigant namens „Cloud“ das Leben bestimmt, dessen Gründer den richtigen Riecher zur richtigen Zeit hatte und mittlerweile Eigner eines weltweiten Imperiums ist. Wer sich entschließt, für Cloud zu arbeiten, verkauft seine Seele. Ausgewählt von Algorithmen, kaserniert, überwacht, ohne Rücksicht angetrieben. Alles im Sinne der Profitmaximierung. Arbeitsalltag bei Cloud.

Innenansichten liefert Hart aus drei Perspektiven: Gibson Wells, der Besitzer, ist davon überzeugt, dass Cloud die Lösung für alle Probleme der Menschheit ist. Zinnia hat nicht nur spezielle Fähigkeiten sondern auch einen Auftrag. Paxton, ehemaliger Besitzer einer kleinen innovativen Firma, wurde von Cloud in den Ruin getrieben und ist mittlerweile dort als Security-Mitarbeiter angestellt. Alle drei geben uns höchst entlarvend durch ihre verschiedenen Sichtweisen einen Blick auf die Wirklichkeit.

Machen wir uns nichts vor, diese Zukunft hat bereits begonnen und alle Themen, die Hart anschneidet, sind schon längst Realität. Globale Monopolisten, Niedriglöhne, Einschnitte im Gesundheitswesen, Umweltzerstörung – Entwicklungen, die nicht nur die Vereinigten Staaten betreffen.

Unterhaltsam, entlarvend, spannend. Ein Roman, bei dem Ähnlichkeiten mit Sicherheit beabsichtigt sind und der jede Menge Denkanstöße liefert. Nachdrücklich empfohlen!