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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.06.2020

Unterhaltsamer Jugendthriller

Wozu wir fähig sind
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Das Buch konnte mich definitiv unterhalten. Es lässt sich flüssig lesen und auch aufgrund der geringen Seitenzahl flogen die Seiten nur so vorbei. Es erfüllte damit definitiv den Anspruch, den ich an einen ...

Das Buch konnte mich definitiv unterhalten. Es lässt sich flüssig lesen und auch aufgrund der geringen Seitenzahl flogen die Seiten nur so vorbei. Es erfüllte damit definitiv den Anspruch, den ich an einen Jugendthriller habe.

Spannung wird anfangs dadurch generiert, dass nicht klar ist, was Alexander und Leonora wollen - nur dass sie nicht zufällig dort sind, ist von Anfang an klar. Als Leser:in verfolgt man die Geschichte abwechselnd vor allem aus der Sicht von Alina und Leonora, zwischendurch kommen noch ein paar andere Perspektiven dazu.
Dennoch erfährt man auch als Leser:in nicht sofort, was los ist, und nur nach und nach enthüllt sich eine Story, bei der Rache eine wesentliche Rolle spielt. Relativ früh habe ich mir dann auch die wesentlichen Zusammenhänge zusammengereimt, die allerdings auch kurz darauf enthüllt wurden - also fast alle, einige Dinge kommen erst am Ende raus.

Zugegeben, ich hing nicht unbedingt atemlos an den Seiten, aber ich bin ja jetzt auch schon ein bisschen aus der Zielgruppe raus und wie gesagt, es war definitiv unterhaltsam, die Abfolge der Handlungen zu verfolgen, die sehr oft ins moralisch Graue gehen.
Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass sich die Frage stellt, inwieweit das Verhalten einiger Charaktere moralisch vertretbar ist. Für meinen Geschmack hätte das allerdings noch weiter ausgebaut werden können, für das Potenzial, das die Geschichte dahingehend hat, waren mir die Charaktere definitiv nicht tiefgründig genug und das Verhalten wurde zu wenig hinterfragt.

Am faszinierendsten ist da vielleicht Alexander mit seinem selbstbewussten Auftreten, das allen anderen, auch Leonora, immer drei Schritte voraus ist, der mit seinem Charme andere in seinen Bann zieht und der die Stränge in der Hand zu halten scheint. Aber auch hier hatte ich am Ende das Gefühl, dass Potenzial für mehr gewesen wäre, trotzdem hat sich das beim Lesen nicht wirklich störend ausgewirkt und das Ende ist abgeschlossen.

Ungewöhnlich ist (leider) auch, dass das Buch in Deutschland spielt - Bonn, vermute ich - und die Protagonist:innen nicht mehr zur Schule gehen, sondern schon studieren. Andererseits wird vor allem das Milieu der Oberschicht mit den ganzen eigenen Vorurteilen, Überheblichkeiten und Intrigen gezeichnet, was ein faszinierendes Setting ist.

Fazit: Unterhaltsamer Jugendthriller über Abgründe, die sich auftun, allerdings auch mit einer Geschichte und Charakteren, aus denen mehr hätte gemacht werden können - für die Zielgruppe aber sehr passend!

Veröffentlicht am 06.02.2020

Düster mit faszinierendem Setting, diversen Charakteren und außergewöhnlichem Stil

Wasteland
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Ich fand dieses Buch objektiv ziemlich cool, vor allem in Bezug auf das Konzept, auf das ich gleich noch näher eingehen werde, auf einer ganz subjektiven Ebene war die Geschichte nicht so ganz mein Fall, ...

Ich fand dieses Buch objektiv ziemlich cool, vor allem in Bezug auf das Konzept, auf das ich gleich noch näher eingehen werde, auf einer ganz subjektiven Ebene war die Geschichte nicht so ganz mein Fall, was ich auch nicht so ganz in Worte fassen kann. Dabei ist es nicht so, dass ich keinen Spaß beim Lesen hatte. Im Gegenteil, die Geschichte erweist sich als sehr fesselnd. Und auch die Idee ist an sich cool - es hat nur nicht hundertprozentig meinen persönlichen Geschmack getroffen.

Dieses Buch bietet meiner Meinung nach ein Beispiel dafür, wie man verschiedenste Menschen ganz selbstverständlich repräsentieren kann - BIPoC, trans Personen, andere Sexualitäten und Geschlechter, polyamouröse Beziehungen und so weiter - zudem in einem deutschen Setting, was ich ziemlich cool fand.

Besonders interessant ist dabei, dass eben nicht von einem binären Geschlechtermodell als Norm ausgegangen wird - in diesem Buch gibt es non-binäre Charaktere, für die ganz selbstverständlich das Pronomen "ser" verwendet wird.
Das zeichnet sich natürlich auch in der gendergerechten Sprache ab. Und nein, es werden keine Gender-Sternchen, Binnen-I's etc. verwendet, tatsächlich fällt es sogar nicht mal auf, wenn man nicht darauf achtet. Es wird lediglich darin deutlich, dass nur Ausdrücke wie z.B. Mitglieder verwendet werden, die eben kein Geschlecht implizieren. Gerade dadurch, dass das funktioniert, ohne den Lesefluss zu stören, zeigt es, dass gendergerechte Sprache an sich möglich ist.

Davon abgesehen bietet allein schon das Setting ein sehr spannendes Szenario. Einerseits, weil nicht-binäre Geschlechter nicht nur bei den "Guten" selbstverständlich sind, sondern auch bei den AntagonistInnen. Andererseits, weil der Handgebunden-Markt, auf dem Teile der Handlung spielen, im Prinzip ein anarchisches Gesellschaftsmodell darstellt, was ich super faszinierend fand.
Die AutorInnen ordnen dieses Buch übrigens dem Genre Hope Punk zu - es soll bewusst um eine hoffnungsvolle Weltsicht und eine Bereitschaft, dafür zu kämpfen, gehen. Das ist insofern interessant, als dass die Zukunftsversion eigentlich ziemlich düster ist. Nach Kriegen und dem Einsatz von Biowaffen ist der Großteil der Welt verseucht, und die Gebiete, in denen man noch leben kann, werden von brutalen Banden beherrscht, die töten, versklaven und/oder sexualisierte Gewalt anwenden und oftmals eine sehr gewaltvolle und sexualisierte Sprache benutzen.
Das zeichnet sich auch in der doch eher düsteren und vor allem brutalen Atmosphäre ab. Gerade die Banden wirken dabei teilweise total durchgeknallt, einige von ihnen beten zum Beispiel Wifi als übernatürliche Macht an. Für meinen Geschmack war es zwischendurch ein wenig überzogen und sehr exzentrisch, gleichzeitig macht das aber natürlich auch den ganz eigenen Charme dieser Geschichte aus.

Herausheben sollte man vielleicht auch den Stil, der ebenfalls sehr ungewöhnlich ist und dadurch vermutlich auch nicht jeden Geschmack trifft (hier hilft, wie immer, ein Blick in die Leseprobe). Die Geschichte wird abwechselnd aus Laylays Sicht im Präteritum und aus Zeetos Sicht im Präsens erzählt, was von den AutorInnen bewusst so gewählt wurde. Mich persönlich hat das beim Lesen nicht gestört.
Der Stil ist sehr umgangssprachlich, besonders in Zeetos Fall teilweise auch ein wenig flapsig und ein bisschen ruppig, so, als würde man seine Gedanken ungefiltert mitbekommen, unterlegt meist mit einem zynischen Unterton oder schwarzem Humor.

Zeetos Charakter ist auch davon geprägt, dass er eine bipolare Neurodivergenz hat und immer mal wieder zwischen manischen und depressiven Phasen wechselt, was seine Handlungen und Denkweisen beeinflusst. Auf der anderen Seite haben wir Laylay, die mit ihrem Vater durch Europa fährt. Sie tritt sehr stark und bestimmend auf, wobei ich zugeben muss, dass ich nicht so wirklich an die Charaktere herangekommen bin.
Die beiden kennen sich schon vorher und die Liebesgeschichte zwischen den beiden (die allerdings nicht bei Null startet, sondern schon vor der Handlung ihre Anfänge hat) ist vor allem anfangs auf zwischenmenschlicher Ebene extrem unkompliziert und offen, auch wenn es mir teilweise schwerfiel, die Gefühle nachzuempfinden. Dennoch fand ich auch hier den Umgang relativ lebensecht, ihr fehlt die romantische Verklärung, was sie authentischer macht.

Teilweise hatte ich das Gefühl, dass bei dem Fokus auf das Setting, die Charaktere und die Diversität der Plot in den Hintergrund rückte, was ich schade fand. Zwischendurch passiert nicht wirklich viel, gerade im Mittelteil. Im letzten Drittel kommt die Handlung dann wieder in Fahrt und es gibt einen Plottwist, mit dem ich nicht erwartet habe, weil er ein bisschen mit dem Genre und den Erwartungen bricht und Aspekte einbringt, mit denen ich nicht gerechnet habe und bei denen ich mir nicht sicher bin, wie ich dazu stehe. Insgesamt ist es aber auf jeden Fall eine außergewöhnliche Geschichte!

Fazit: Fesselnde und düstere Zukunftsversion, die sich vor allem durch die Diversität und Repräsentation auszeichnet, in dem diverse Charaktere wie zum Beispiel non-binäre oder nicht-weiße Personen selbstverständlich eingebunden werden und gendergerechte Sprache verwendet wird, die nicht im Geringsten den Lesefluss stört. Das Setting fasziniert mit einem anarchischen Gesellschaftsentwurf auf der einen und sehr gewaltvollen Banden auf der anderen Seite.
Im Zentrum der Handlung stehen die zwei Hauptcharaktere, von denen der eine eine bipolare Neurodivergenz hat. Die Beziehung der beiden wird zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene vergleichsweise unkompliziert dargestellt. Der außergewöhnliche und umgangssprachliche Stil vermittelt das Gefühl, dass die Gedanken der ProtagonistInnen ungefiltert wiedergegeben werden. Auf ganz subjektiver Ebene bin ich allerdings nicht immer an die Charaktere herangekommen, die Handlung traf nicht hundertprozentig meinen persönlichen Geschmack und an einigen Stellen hatte ich das Gefühl, bei dem Fokus auf das Setting und die Charaktere sei der Plot etwas in den Hintergrund geraten.

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Veröffentlicht am 11.12.2019

Tolles World Building, teilweise flacher Spannungsbogen, aber coole Idee und eine faszinierende Charakterentwicklung des Protagonisten

Die unendliche Geschichte
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Von diesem Buch schwärmen gefühlt alle, und somit bin ich mit einer Mischung aus hohen Erwartungen und quasi fehlender Kenntnis des Inhalts daran gegangen,
Ich will jetzt auch nicht sagen, dass ich enttäuscht ...

Von diesem Buch schwärmen gefühlt alle, und somit bin ich mit einer Mischung aus hohen Erwartungen und quasi fehlender Kenntnis des Inhalts daran gegangen,
Ich will jetzt auch nicht sagen, dass ich enttäuscht worden wäre, aber ich glaube, man nimmt dieses Buch ganz anders wahr, wenn man es als Kind liest. Und ich verstehe absolut, warum viele so begeistert davon sind. Die Idee hinter dem Ganzen ist einfach unglaublich cool und trifft so ein bisschen das, wovon alle Büchermenschen insgeheim träumen.
Auch Phantásien ist eine ziemlich coole Welt. Es gibt verschiedene Länder mit Wesen unterschiedlichster Art und das schiere Einfallsreichstum von Michael Ende dahinter ist beeindruckend. Es macht allein schon Spaß, die Vielfältigkeit und die vielen Ideen hinter dem Ganzen kennenzulernen, auch wenn natürlich die einzelnen Gruppen trotzdem so recht oberflächlich bleiben.

Bastian durchläuft über die fast 500 Seiten eine enorme Entwicklung, die als Ganzes unheimlich faszinierend ist. Ich verstehe die Message dahinter und auch, warum sie sinnvoll und sogar ziemlich gut gemacht ist, trotzdem änderte das nichts daran, dass das zwischenzeitlich dazu führte, dass Bastian mir relativ unsympathisch war und dadurch zumindest an bestimmten Stellen der Geschichte fast schon eher die Position des Anti-Helden einnahm, was an sich, wie gesagt, sehr faszinierend ist.

Was die Handlung angeht, hatte ich lange nicht das Gefühl, dass es einen roten Faden gibt bzw. es fühlte sich so an, als würden zu viele Nebenhandlungen eingewoben, manche Dinge zu sehr ausgeschlachtet. Das gab natürlich umgekehrt die Möglichkeit, Phantásien näher kennenzulernen, dafür flachte allerdings in meinen Augen die Spannung zwischenzeitlich ein wenig ab.
Ansonsten ließ sich das Buch flüssig lesen, wobei man dem Schreibstil natürlich anmerkt, dass das Buch in den 70ern geschrieben wurde. Somit grenzt es beispielsweise durchaus an Fat Shaming, dass Bastian dauernd als "dicker Junge" beschrieben wurde.

Fazit: Tolles World Building, teilweise flacher Spannungsbogen, aber coole Idee und eine faszinierende Charakterentwicklung des Protagonisten, auch wenn er dadurch nicht immer sympathisch ist.

Veröffentlicht am 14.09.2019

Werwölfe einmal politisch und düster

Roter Mond
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Ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher, was ich von dieser Geschichte halten soll. Sie ist düster, apokalyptisch, brutal, aber obwohl ich sie durchaus als sehr fesselnd empfunden habe, haben mich ...

Ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher, was ich von dieser Geschichte halten soll. Sie ist düster, apokalyptisch, brutal, aber obwohl ich sie durchaus als sehr fesselnd empfunden habe, haben mich die Schicksale der Charaktere nicht allzu sehr getroffen. Vielleicht lag das daran, dass es so viele Sichtweisen gab, und ich persönlich einfach nicht so der Fan bin.

Interessant waren vor allem die behandelten Themen. Das Buch spielt quasi in einer alternativen Realität, mit dem einzigen Unterschied zu unserer, dass es Werwölfe gibt. Werwölfe respektive LykanerInnen werden auf eine Art Virus zurückgeführt, der über Blut übertragen wird, ähnlich wie Aids. Sie leben als Menschen zweiter Klasse in den USA, haben aber Ende der 1940er-Jahre auch eine eigene Republik irgendwo in Nordosteuropa gegründet, die von den AmerikanerInnen besetzt wird. Die AmerikanerInnen bauen das dortige Uran-Vorkommen ab und garantieren im Gegenzug den LykanerInnen Sicherheit - so heißt es jedenfalls. Mit anderen Worten: Werwölfe, aber auf sehr politische Weise.
Ihr merkt, das Ganze ist sehr durchdacht und spricht eine Menge Themen an. Innerhalb der Lykaner_innen gibt es eine Widerstandsgruppe, die eben auch die terroristischen Angriffe durchführt. Es werden Fragen von (staatlicher) Diskriminierung, Terrorismus, Rassismus, Kolonialismus, Machtstrukturen und Widerstand aufgeworfen und letztendlich bleibt es dem/der LeserIn selbst überlassen, welche Botschaft e/sie daraus mitnimmt.

Daran lässt sich auch Gesellschaftskritik an Diskriminierung durch Gesellschaft und Staat in unserer Welt erkennen, denn auch wenn statistisch nur wenige LykanerInnen überhaupt Menschen anfallen, sehen sich die oft friedlich lebenden LykanerInnen mit Vorurteilen und Diskriminierungsmechanismen konfrontiert.
Spätestens hier zeigen sich aber auch moralische Fragen. Klar, irgendwie sind die Ziele des Widerstands, ihr Land zu befreien und für ihre Rechte zu kämpfen, Ziele, mit denen man sich als LeserIn identifizieren würde. Andererseits - dafür die Passagiere ganzer Flugzeuge auf bestialische Weise umbringen? Der Autor macht es einem nicht leicht, klare Sympathien zu entwickeln, dadurch dass die Charaktere auf verschiedenste Weise verstrickt sind und handeln und auf unterschiedlichen Seiten stehen, sodass ich mich wiederholt fragte, wer jetzt eigentlich die Bösen sind und ob ich Charakter x mögen darf.

Irgendwie bin ich aber nicht wirklich an die Charaktere herangekommen, sie wurden für mich nicht ganz greifbar, sondern blieben immer auf einer gewissen Distanz. Dabei durchlaufen gerade Claire und Patrick eine enorme Entwicklung und generell bieten die Motive der handelnden Charaktere genügend Potenzial für Tiefe.
Beide Protagonisten sehen sich damit konfrontiert, dass sich ihr Leben von einen Tag auf den anderen radikal verändert, und doch haben sie erst mal nicht wirklich was miteinander zu tun, sodass es auch ein wenig spannend ist, zu verfolgen, wie der Autor die Erzählstränge verbindet.

Das Buch war auch durchaus spannend, die Handlung steigt direkt rein und auch wenn ich das Buch teilweise etwas lang fand, wurde es nie langatmig. Es weicht von den Erzählstrukturen ab, die ich erwartet hätte, und auch das Ende ist eher offen gehalten. Dabei gibt es auch einige krasse Szenen - ich meine, zu Beginn zerfleischt ein verwandelter Mann Passagiere eines Flugzeuges. Und auch Vergewaltigungen finden statt. Ansonsten gibt es auch die obligatorische Liebesgeschichte, die allerdings ohne Herzrasen und tiefe Romantik auskommt, wodurch dann auch nicht wirklich Gefühle ankommen - aber wie gesagt, damit hatte ich ja generell ein Problem.

Fazit: Spannende, brutale Geschichte, die das Thema Werwölfe sehr politisch umsetzt und dabei von bekannten Erzählstrukturen abweicht. Viele Perspektivenwechsel mit zwei Hauptfiguren, die eine enorme Entwicklung durchlaufen. Dabei wurden die Charaktere für mich persönlich nicht wirklich greifbar, sodass eine gewisse Distanz zum Geschehen für mich blieb.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Drückende Atmosphäre, übermittelt durch ästhetische Beschreibungen

Toter Sommer
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Wir steigen in die Geschichte ein mit der Trennung von Rebecca und James, anschließend lernen wir deren Beziehung im Rückblick kennen. Tatsächlich nimmt diese Beziehung auch weiterhin einen nicht unwesentlichen ...

Wir steigen in die Geschichte ein mit der Trennung von Rebecca und James, anschließend lernen wir deren Beziehung im Rückblick kennen. Tatsächlich nimmt diese Beziehung auch weiterhin einen nicht unwesentlichen Teil der Handlung ein (auch in der Gegenwart), immer vor dem Hintergrund des unaufgeklärten Mordes.
Es ist hier nicht der Fall, dass Rebecca sich - wie es bei so vielen Thrillern dieser Art so ist - kopfüber in die Ermittlungen stürzt. Zwar beschäftigt sie der Mord, aber auch andere Dinge wie eben die Beziehung zu James und ihr Leben nach dem Sommer.

Das Buch wird hauptsächlich aus der Ich-Perspektive von Rebecca erzählt, wobei die Autorin zwischendurch von dem personalen in den auktorialen Erzähler rutscht, gerade was Gedanken und tatsächliche Erlebnisse von Personen in Bezug zu einem Mord oder das Kleinstadtleben angeht, Dinge, die Rebecca gar nicht wissen kann. Das kommt nur gelegentlich vor und passt außerdem auch zu dem Stil der Autorin, den ich später nochmal aufgreife.
Zwischendurch werden auch Abschnitte aus der Sicht des ermordeten Mädchens eingeschoben, die vor der Ermordung spielen. Die Sprache der Autorin ist teilweise relativ niveauvoll, dennoch ließ sich das Buch flüssig lesen.

Rebecca war mir prinzipiell nicht unsympathisch, aber ich konnte keine tiefere Beziehung zu ihr aufbauen. Dennoch ist sie ein sehr vielschichtiger und authentischer Charakter mit vielen Ecken und Kanten.
Auch James stellt sich als ein sehr tiefgründiger Charakter heraus, ebenfalls mit positiven und negativen Seiten und somit realistisch gezeichnet. Einerseits ist er unnahbar und eigenwillig, andererseits aber auch verletzlich. Als Leser erhält man auch einen Blick in seine Vergangenheit und ich mochte ihn.
Die Nebencharaktere verfügen ebenfalls über Ecken und Kanten, gerade dieses Zusammenspiel aus guten und schlechten Eigenschaft lässt alle Charaktere so authentisch wirken.

Ehrlich gesagt hatte ich den Hintergrund des Mordes und die Identität des Mörders ziemlich schnell durchschaut, ebenso wie die richtigen und falschen Hinweise darauf, und wurde somit nicht wirklich überrascht.
Prinzipiell konnte mich das Buch auch nicht ganz fesseln, dennoch konnte es mich gut unterhalten und eine unterschwellige Spannung ist durchaus vorhanden. Und in einem Merkmal hebt es sich deutlich von anderen Büchern ab: Dem atmosphärischen Stil.

Kat Rosenfield besitzt einen besonderen Stil, der relativ außergewöhnlich ist. Ihre Worte verfügen über eine Art schwere Süße, ihre vielen Beschreibungen ließen Bilder und Gerüche entstehen. Und der Autorin gelingt es perfekt, die drückende Schwüle des heißen Sommers einzufangen, diese Schwüle findet sich auch in ihren Worten wieder, auf eine fast poetische Weise.
Dadurch entsteht eine einlullende, melancholische Atmosphäre, noch verstärkt durch die Darstellung der abgelegenen Kleinstadt, in der alle zusammenhalten und die die Menschen in ihr festhält, sodass viele für immer in ihr hängen bleiben. Die Darstellung dieser abgeschotteten Stadt ist fast ein wenig unheimlich, was durch den Mord noch verstärkt wird, der das Leben der Menschen auf eine subtile Weise beeinflusst, ein Unbehagen heraufbeschwört, eine bedrückende, dunkle Stimmung.
Diese drückende Stimmung kommt dann auch bei dem Leser an, hüllt ihn und lässt ihn zurück mit dem Gefühl der süßlichen Schwere der Worte.

Fazit: Drückende, schwüle Atmosphäre, die den Sommer der abgelegen Kleinstadt einfängt und die durch ästhetische Beschreibungen auf den Leser übertragen wird; Charaktere mit Ecken und Kanten, allerdings vorhersehbare Auflösung