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Veröffentlicht am 06.03.2020

Ein Sizilianer in Venedig

Der freie Hund
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Zum Inhalt:
Nachdem Antonio Morello der Mafia in seiner Heimat Sizilien einen schweren Schlag versetzt hat, wurde er dort zum „freien Hund“ erklärt und ist damit jemand, auf dessen Tod ein Kopfgeld ausgesetzt ...

Zum Inhalt:
Nachdem Antonio Morello der Mafia in seiner Heimat Sizilien einen schweren Schlag versetzt hat, wurde er dort zum „freien Hund“ erklärt und ist damit jemand, auf dessen Tod ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Das kostete seiner Frau und seinem ungeborenen Kind das Leben.
Sein Vorgesetzter versetzt ihn deshalb nach Venedig, in die Stadt, in der es keine größeren Verbrechen gibt; schon gar nicht durch die Mafia. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt und Morello fängt in den trüben Lagunen zu stochern an, nachdem ein junger, reicher Umweltaktivist ermordet wird. Bald zeigt sich, dass auch hinter edlen Fassaden der Moder lauert.

Mein Eindruck:
Ja, Venedig und Polizei geht auch ohne Brunetti, wie Schorlau und Caiolo eindrucksvoll beweisen. Der von ihnen kreierte Polizist hat zwar ebenfalls Humor und bemüht sich um ein gutes Auskommen mit seiner Umwelt, aber er hat auch Flecken auf der Seele. Die Autoren sind am stärksten, wenn sie diese Flecken thematisieren: Heimweh, Verlust und der unerschütterliche Glaube an das Recht, - koste es, was es wolle.
Das Zeigen der Durchdringung der Gesellschaft durch das Krebsgeschwür Mafia im feinen Venedig und die Erwähnung vieler Politiker Italiens in diesem Zusammenhang dürfte den Autoren nicht viele Freunde eingebracht haben, - jedoch möglicherweise einige Verleumdungsklagen. Oder erscheint der Krimi nur in Deutschland?
Ein weiterer positiver Aspekt der Geschichte zeigt sich im Zusammenspiel des Teams, das insbesondere zu Beginn nicht reibungslos funktioniert (was den Roman umso glaubwürdiger macht).
Der Fall selbst und insbesondere die Auflösung mit der Verwicklung eines Charakters fallen dagegen ab. Hier hätten sich die Autoren gegen das Überraschungsmoment entscheiden sollen, da einige frühere Verhaltensweisen der Figur in diesem Zusammenhang nicht stimmig erscheinen.
Nichtsdestotrotz gefallen Stil, Humor und die temperamentvollen Einschübe in italienischer Sprache und ein nächster Fall will – mit eingeführtem Team – gerne gelöst werden.

Mein Fazit:
Italienische Lebensart und Verbrechen – darauf einen Espresso

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2020

Verfangen

Im Netz des Lemming
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Zum Inhalt:
Der Lemming war einmal Polizist, jetzt arbeitet er als Wächter im Tierpark und ist glücklich mit Frau und Sohn. Als er mit dessen Freund, welcher in der Schule mit Gemeinheiten durch Social ...

Zum Inhalt:
Der Lemming war einmal Polizist, jetzt arbeitet er als Wächter im Tierpark und ist glücklich mit Frau und Sohn. Als er mit dessen Freund, welcher in der Schule mit Gemeinheiten durch Social Media gemobbt wird, in der U-Bahn sitzt, erhält dieser eine SMS, springt aus der U-Bahn und dann von einer Brücke in den Tod, obwohl der Lemming noch versucht ihn zu retten. Darauf wird der Lemming selbst Opfer eines Shitstorms und um dessen Folgen zu entgehen, ermittelt er gemeinsam mit seinem alten Freund Povlika. Dabei verfängt er sich in den Wirren des World-Wide-Web und benötigt all seine Schläue, um sich daraus zu befreien und den wahren Täter – nicht nur dieser Kampagne – zu finden.

Mein Eindruck:
Oft ist es nervtötend, wenn Autoren sich auf aktuelle Begebenheiten beziehen, um eine Grundlage für ihren Roman zu finden. Slupetzky nutzt jedoch den perfekten Ansatz, um dieser Falle zu entgehen: Humor. Und zwar nicht allzu krachledern, sondern nur leicht überspitzt und mit einem Schmäh ausgerüstet, den man in einem in Wien beheimateten Krimi sogar erwartet. Die Stadt selbst spielt zwar keine ausgemachte Hauptrolle, einzelne Teile werden jedoch liebevoll beschrieben und die Zuneigung Slupetzkys wird dabei deutlich.
„Im Netz des Lemming“ ist eine gut durchdachte Geschichte, welche die Vernetzung in ihrer Gefährlichkeit zeigt und wie Schneebälle ins Rollen gebracht werden, die nicht mehr aufzuhalten sind. Zwar mit den aktuellen Themen Flüchtlinge und Schüler-Mobbing, theoretisch jedoch auf alles übertragbar, was als nächste Sau durchs Dorf getrieben wird.
Tiefgründige Charaktere in ausführlicher Anzahl, um über den Täter zu sinnieren (für die geringe Seitenzahl überraschend) und ein guter Schreibstil runden die Story ab.

Mein Fazit:
Gerne mehr von dem dynamischen Duo

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.12.2019

Klassisch

Tod eines Geistes
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Zum Inhalt:
John Stableford wird als Trauzeuge zur Hochzeit seines Freundes Percy auf dessen Landsitz eingeladen. Dort soll nicht nur der Hausgeist Ethel spuken, die am Tag vor ihrer Hochzeit den Tod fand. ...

Zum Inhalt:
John Stableford wird als Trauzeuge zur Hochzeit seines Freundes Percy auf dessen Landsitz eingeladen. Dort soll nicht nur der Hausgeist Ethel spuken, die am Tag vor ihrer Hochzeit den Tod fand. Zusätzlich wird die jetzige Braut Penelope, eine Freundin von Stapelfords Frau Harriet, Opfer einiger böswilliger Streiche. Als jedoch plötzlich eine Frau im Brautkleid tot in einem abgeschlossenen Raum liegt, den Schlüssel in der leichenstarren Hand, ist Stablefords ermittlungstechnisches Gespür gefordert. Und inmitten von Freunden und Familie lässt er sich nicht lange bitten.

Mein Eindruck:
„Tod eines Geistes“ von Rob Reef ist zwar Teil einer Reihe um den Hobbydetektiv John Stableford, das Buch ist aber ohne Vorkenntnisse lesbar. Es handelt sich bei der Geschichte um ein klassisches Whodunnit, welches sich damit an das Vorbild Agatha Christie und – mit der Namensgebung der beiden männlichen Hauptpersonen (John und Holmes) - an Arthur Conan Doyle anlehnt. Doch diese doppelte Hommage ist durchaus gelungen.
Die Sprache ist geschliffen und wunderbar auf die Zeit angepasst, in welcher der Krimi spielt. Die Personen sind facettenreich angelegt, die Aufklärung geschickt und vollständig. Leider wartet die Geschichte auch mit einigen Schwächen auf: Es gibt einige Charaktere, die ähnliche Namen tragen, welches den Überblick erheblich erschwert. Des Weiteren befinden sich zu viele Personen außerhalb der Möglichkeit, als Mörder in Betracht zu kommen. Doch diese Unzulänglichkeiten sind zu verschmerzen, im Gegensatz zu dem Punkt, der am meisten stört: Das absolut hanebüchene Motiv, welches die mordende Person durch Reef angedichtet bekommt. Gerade weil die Ermittlung meisterhaft geschildert ist, fällt dieser Umstand doppelt auf und ins Gewicht.

Mein Fazit:
Bis kurz vor Schluss ein großartiger Krimi, leider nur bis kurz vor Schluss.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.11.2019

Tödliches Ritual

Das Ritual des Wassers
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Zum Inhalt:
Nachdem Unai seinen letzten Fall nur knapp überlebt hat, kämpft er noch insbesondere mit einer Folge der Kugel in seinem Kopf: Es hat ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen ...

Zum Inhalt:
Nachdem Unai seinen letzten Fall nur knapp überlebt hat, kämpft er noch insbesondere mit einer Folge der Kugel in seinem Kopf: Es hat ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen und er leidet unter einer Aphasie. Um diese zu überwinden und nicht mehr nur per Handy und Notizbuch zu kommunizieren, wird er von seinen Vorgesetzten zu einer Behandlung durch eine Logopädin genötigt. Da er unbedingt Teil der Ermittlungen in einem scheinbaren Ritualmord sein will, weil seine erste Liebe das Opfer ist, entspricht er diesem Wunsch und gerät immer tiefer in diesen Fall, der nicht nur ihn, sondern sein ganzes Umfeld erfasst.

Mein Eindruck:
Bei diesem zweiten Krimi um Unai und Alba – seine Vorgesetzte und Geliebte in Personalunion – gefällt auf der einen Seite, dass viele Personen aus dem ersten Band zurückkommen, ohne dass es zu bemüht erscheint und Leser ohne Vorkenntnisse auf einen Prüfstand stellt. Schade ist allerdings, dass diese Leser auf den Genuss des Vorgängers verzichten können – der Schuldige und auch einige Unschuldigen werden in „Das Ritual des Wassers“ benannt. Doch dieser Pluspunkt ist zum anderen ein Nachteil, denn irgendwie ist es schon ein bisschen sehr weit hergeholt, dass wieder im direkten Umfeld Unais schon wieder ein Verrückter sein Unwesen treibt, der sich mit Ritualmorden die Zeit vertreibt und dass noch viel mehr Personen, mit denen er eng in Kontakt steht, unmittelbar davon betroffen sind.
Die Morde sind jedoch elegant eingeführt und – durch die Rückblicke in die Zeit vor etwa 25 Jahren – perfekt hergeleitet. Die Verquickung von alten Riten mit moderner Cyberkriminalität ist dabei eine besonders gute Idee - Vergangenheit und Zukunft vereint in Blut und Tränen.
Trotzdem würde man sich wünschen, dass Unai und Alba im nächsten Buch einfach nur ermitteln könnten, ohne dass andauernd er, sie oder ihre Familie in Gefahr geraten. Leider (?) sieht die Vorankündigung wieder Ähnliches vor und es ist zu befürchten, dass die bis jetzt guten Krimis in ein Schema F abgleiten.

Mein Fazit:
Ein guter Fall, jedoch mit Ähnlichkeiten zum ersten Thriller der Autorin

Veröffentlicht am 29.09.2019

Beängstigend

Cold Storage - Es tötet
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Zum Inhalt:
In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts werden Trini und Roberto - Agenten einer amerikanischen Geheimdiensteinheit - Zeuge der großen Zerstörungskraft eines Pilzes. Dieser wächst nicht ...

Zum Inhalt:
In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts werden Trini und Roberto - Agenten einer amerikanischen Geheimdiensteinheit - Zeuge der großen Zerstörungskraft eines Pilzes. Dieser wächst nicht nur explosionsartig, er kann sich sehr gut an äußere Begebenheiten anpassen und die von ihm befallenen Wirte dank seiner Lernfähigkeit in seinem Sinne steuern. Trini und Roberto sorgen dafür, dass das befallende Dorf in Australien durch Brandbomben ausgelöscht wird, aber eine Probe des Pilzes wird in Amerika eingelagert. Tief unter der Erde, sicher versteckt. Oder vielleicht doch nicht tief, nicht sicher genug?

Mein Eindruck:
„Alles Gute kommt von oben“ ist hier leider nicht Programm. Ganz im Gegenteil greift David Koepp zu der Idee, dass ein Organismus dank des Absturzes von Skylab auf die Erde trifft, um sie sich untertan zu machen, - mit tödlichen Konsequenzen für alles Leben auf dem Planeten. Der Einfall, das misslungene Ende von Skylab zum Ausgangspunkt zu machen, ist nur eine der vielen Verweise auf echte Begebenheiten, so dass das Szenario erschreckend echt wirkt. Sehr geschickt baut Koepp Klimaveränderungen, Umgang mit Altlasten und Alltagsrassismus in seine Story ein, jedoch dieses sehr subtil und dadurch viel glaubhafter und erschreckender, als es die sonst gerne gewählte Holzhammer-Methode bewirken könnte. Ebenfalls geschickt die Idee, seinen Charakteren einen Hintergrund zu geben, - egal wie schnell sie später sterben. Dadurch tritt ein Unsicherheitsfaktor ein, ob die Person wirklich wichtig oder schon bald tot ist. Dabei gefällt, dass fast alle Charaktere gute und schlechte Seiten haben, also nicht zu sehr in Klischees verfallen. Einzig die politisch korrekte Mischung (schwarz, weiß, Latino, gemischtes Team mit weiblicher Führungsperson) amüsiert, wirkt jedoch nicht allzu aufgesetzt.
Der größte Teil der Handlung spielt sich innerhalb weniger Stunden ab, - auch das trägt zum Spannungsbogen bei. Aber auch wenn die Menschheit überlebt – schließlich würde sonst keiner das Buch noch lesen können – bleibt ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, was möglicherweise so alles in irgendwelchen Schächten lagert… und ob nicht irgendwo schon ein Lämpchen blinkt…

Mein Fazit:
Ein al(l)ptraumhafter Gedanke