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Veröffentlicht am 13.04.2020

Einfühlsame Familiengeschichte

Die Liebe einer Tochter
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James ist über 80 Jahre alt, seine Frau Anna ist verstorben und seine beiden Kinder, Phoebe und Robert, kümmern sich nur insoweit um ihn, als dass sie ihm eine Betreuung nach der anderen an die Seite stellen. ...

James ist über 80 Jahre alt, seine Frau Anna ist verstorben und seine beiden Kinder, Phoebe und Robert, kümmern sich nur insoweit um ihn, als dass sie ihm eine Betreuung nach der anderen an die Seite stellen. Keine der Pflegekräfte hält es lange bei dem alten Herrn aus. So sind Phoebe und Robert froh, dass ihnen Mandy sozusagen ins Haus schneit. Etwas unkonventionell und mit einem etwas einfachen, eher flegelhaften Gemüt kümmert sie sich mit "Herz und Schnauze" um den alten Herrn.



Und der genießt es plötzlich mit Mandy den Ort, die Umgebung und die Menschen drumherum wahrzunehmen und kennenzulernen, Fernsehen zu gucken und zu "plappern", statt sich einer gepflegten Unterhaltung hinzugeben.

Wen wundert es, dass Phoebe und Robert immer misstrauischer werden, je lockerer und ungezwungener Mandy und James miteinander umgehen, wenn diese zunehmend fröhlicher sind und miteinander herumalbern, als hätten sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan. So viel Nähe hatten sie bei ihrem Vater nie.

Phoebe und Robert haben das Gefühl, dass sie - wie bereits in ihrer Kindheit, in der sie vom Vater nicht viel hatten - wieder ins Hintertreffen geraten. Ihr Vater hatte sich nie für sie interessiert oder für das, was sie machten. So etwas wie väterlicher Stolz kam nie auf und zu so etwas hatten sie ihn auch nie veranlasst. Selbst jetzt mit über 60 Jahren, haben sie noch nichts "auf die Beine gestellt". Robert schreibt in einem langsam verkommenden Gartenhäuschen einen Roman, der nie fertig zu werden scheint und Phoebe malt Bilder, die keiner kauft. Wenigstens können sich beide diesen Lebensstil - dank ihres Elternhauses - erlauben. Der einzige Vorteil, jetzt, da Mandy sich um ihren Vater kümmert: Robert und Phoebe nähern sich wieder einander an und sie brauchen sich nicht um ihren Vater zu kümmern.

Dass diese Rechnung nicht aufgeht, merken sie erst später.



Meine Meinung

Der Klappentext erinnerte mich ein wenig an Mary Poppins und an die Serie "Die Nanny". In dem Roman von Deborah Moggach geht es um den 80-jährigen James, der schon so manche Haushaltshilfe in die Flucht geschlagen hat, nun aber mit der Leggings und Glitzershirt tragenden Mandy hervorragend auszukommen scheint. Ich war gespannt, was für Überraschungen der Roman für mich parat hält.

Die englische Originalausgabe Die Liebe einer Tochter ist 2019 unter dem Titel The Carer in London erschienen.
Mir persönlich gefällt der deutsche Titel besser, passender, er ist vor allem weicher. Übersetzt heißt The Carer soviel wie Der Betreuer, Die Pflegekraft. Mit dem Titel kann man verschiedene Schwerpunkte für die Geschichte setzen.

Mir hat das Buch sehr gefallen. Die Sprache, mit der der Roman erzählt wird, ist sehr eingängig. Deborah Moggach hat einen sehr liebevollen Schreibstil und geht behutsam mit ihren Charakteren um. Auch wenn diese nicht sehr liebenswert erscheinen sind es Charaktere, die um ihrer selbst willen geliebt werden wollen. Die Sehnsucht nach diesem ureigensten Bedürfnis im Familienkreis wird hier sehr gut dargestellt und ich kann mich beim Lesen gut in das Gefühlsleben der Charaktere hineindenken. Die stärkste Bindung konnte ich dabei zu Anna aufbauen. Obwohl diese nur am Rande auftaucht und eine eher kleine Rolle spielt, hält sie doch aller Leben zusammen und ist damit für alle bedeutend.

Im Roman gibt es tolle Passagen, die mich zum Nachsinnen bringen. So zum Beispiel:

"Objektivität kann ein Trost sein, weißt du. Wie Daniel Dennett, der große amerikanische Rationalist, einmal gesagt hat, weiß keine einzige der Zellen, die deinen Körper bilden, wer du bist, oder kümmert sich darum." - Seite 92

Bemerkenswert, nicht? Zum Einen lerne ich dadurch James, Wissenschaftler und Teilchenphysiker, besser kennen, zum anderen regt es an, auch einmal über die Dinge nachzudenken, mit denen man sonst weniger konfrontiert wird. Oder, um es mit Michel de Montaignes Worten zu sagen:

"Ich gebe meiner Seele bald dieses, bald wieder ein anderes Ansehen, nachdem ich sie auf die eine oder andere Seite lege. Dass ich verschiedentlich von mir rede, kommt daher, dass ich mich verschiedentlich betrachte. Ich finde in mir alle einander entgegengesetzte Eigenschaften." - Seite 183

Das zeigt, ein gewisses Selbststudium ist hilfreich. Und dann wieder gibt es diese herzerfrischenden Zeilen, in denen Mandy mit James über die Begebenheiten im Ort plappert und ich miterlebe, über was Phoebe und Robert sich Gedanken machen.

Das Buch ist dafür in drei Teile unterteilt.

Im ersten Teil lerne ich abwechselnd die Sicht von Robert und Phoebe kennen. Das jeweilige Kapitel ist mit ihrem Namen gekennzeichnet. Die Kapitel sind kurz gehalten und kurzweilig erzählt. Aus der Sicht der beiden lerne ich auch James und Mandy kennen.

Im zweiten Teil des Buches kommt dann James zu Wort. Neben ihm lernen wir für ihn wichtige Personen kennen. Auch diese kommen selbst zu Wort, so dass ich einen umfassenden Blick aus früherer Zeit auf James bekomme.

Im dritten Teil kommen dann noch einmal Phoebe und Robert zu Wort und ich darf auch ihre Mutter Anna besser kennenlernen.

Mit Die Liebe einer Tochter ist Deborah Moggach ein toller Roman über Beziehungen zwischen Menschen, wie sie in einer Familie vorkommen können, gelungen. Die Gefühle der einzelnen Charaktere und deren Handlungsweisen sind nachvollziehbar und lassen die Charaktere Menschen sein, die im eigenen Ort, in der eigenen Stadt, eine Straße weiter wohnen könnten. - Wenn sie es nicht sogar tun.

Mir gefällt ihr Stil mit einem lachenden Auge die menschlichen sowie die zwischenmenschlichen Abgründe zu betrachten.


Deborah Moggach

Deborah Moggach hat an großartigen Projekten mitgewirkt. Das Drehbuch zu der BBC-Verfilmung von Stolz und Vorurteil beispielsweise. Oder die Romanvorlage zum Film The best exotic Marigold Hotel. - Was hab ich bei dem Film gelacht. Und doch sind stets ernsthafte Hintergründe gegeben und klar zu erkennen.


Fazit
"Es ist, als würden sie mir ihre Geschichte erzählen." - Seite 35

Ein Roman, der mit einem Lächeln zeigt, dass ein Mensch nur schwer aus seiner Haut kann und was passiert, wenn dieser Mensch die Chance dazu erhält. Eine Geschichte über zwischenmenschliche Gefühle, die sich nicht einfach abstellen lassen. Ein Buch, das eine Familiengeschichte erzählt. Eine Geschichte, die zeigt, dass Wissen nichts mit Wahrheit oder Erfahrung zu tun hat. Ein Roman, der die eigenen Alltagszwistigkeiten vergessen lässt und den Blick auf die wichtigen Dinge im zwischenmenschlichen Zusammenleben lenkt. - Dieses Buch kann ich allen empfehlen, die sich mit einer Familiengeschichte und deren Zwistigkeiten gut unterhalten fühlen und denjenigen, die dabei mit einem Lächeln in den Augen auf die Charaktere blicken können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2020

Spannend bis zur letzten Seite lädt das Buch zum Mitermitteln ein

Wie viele willst du töten
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Wie viele willst du töten
dtv Verlag
Thriller
Autorin: Joanna Schaffhausen
Veröffentlichung 13. März 2020
336 Seiten
ISBN 9783423219204



Inhalt und Personen

Mysteriös wirkt der Thriller auf mich mit ...

Wie viele willst du töten
dtv Verlag
Thriller
Autorin: Joanna Schaffhausen
Veröffentlichung 13. März 2020
336 Seiten
ISBN 9783423219204



Inhalt und Personen

Mysteriös wirkt der Thriller auf mich mit den am Himmel vorüberziehenden Wolken über dem alleinstehenden Haus. Im Halbdunkel wirkt das Cover schwarz-weiß, doch im Licht ist der Himmel grün. Genauso grün ist auch der Buchschnitt und der Schriftzug Thriller auf dem Cover.




Wie viele willst du töten führt mich nach Woodbury. Ein kleiner Ort, in dem jeder jeden zu kennen scheint. In der kleinen Polizeieinheit, dessen größte Herausforderung Fälle von häuslicher Gewalt zu sein scheint, arbeitet auch Ellery. Ellery, auch Ellie gennant, führt ein sehr zurückgezogenes Leben in Woodbury und das stört auch niemanden. Über ihr Vorleben weiß keiner bescheid. Private und persönliche Ereignisse gibt es schlichtweg nicht. Einzig ihr vierbeiniger Freund Bump weiß, wie es bei Ellie zu Hause und vermutlich in ihrem Seelenleben aussieht.

Seit drei Jahren bekommt Ellie allerdings Post zu ihrem Geburtstag: eine Karte mit Glückwunschtext. Immer die gleiche. Und jedes Jahr verschwindet eine Person aus dem Ort. Einen Zusammenhang wollen Ellies Kollegen nicht sehen. Einzig Ellie erkennt einen Zusammenhang der drei Mordfälle. - Denn davon, dass die drei verschwundenen Personen ermordet wurden, geht Ellie aus. Sie selbst wurde als Vierzehnjährige von einem Serienkiller entführt, gefangen gehalten und verletzt. In sprichwörtlich letzter Sekunde wurde sie damals von dem FBI Agenten Reed Markham gerettet. Damals war sie nur noch ein Hauch ihrer selbst. Für Reed Markham hingegen war der Fall "das Sprungbrett" die Karriereleiter hinauf. Jeder kannte seinen Namen. Er war derjenige, der das Mädchen gerettet hatte. Nur die Person, die gerettet wurde, Ellie, sieht das ganz anders. Für sie kam die Rettung ein Opfer zu spät.

Davon weiß allerdings in Woodbury niemand etwas. Auch die Polizei - der Ellie angehört - nicht. Auch verrät Ellie nichts von den Geburtstagskarten, die ihr Jahr für Jahr zugehen. Als jedoch ihr nächster Geburtstag bevorsteht und die Polizei immer noch nichts Brauchbares bezüglich der Verschwinden der letzten drei Personen herausgefunden hat, zieht sie ihre einzige Vertrauensperson hinzu, die sie vermeintlich hat: Reed Markham.


Meine Meinung

Als Leser wurde ich hier zum Rätselraten animiert. Mein erster Verdacht bestätigte sich nicht, mein zweiter Verdacht auch nicht. So tappte ich bezüglich der Frage nach dem Täter genau wie Ellie und Reed im Dunkeln. Während damit der Spannungsbogen gut gehalten wurde, erfuhr ich immer mehr Details und Hintergründe zu den Charakteren. Damit konnte ich eine enge Bindung zu Ellery und auch zu Reed aufbauen. Beide waren mir auf Anhieb sympathisch, obgleich sie auch ihre Ecken und Kanten haben. Sie haben ja auch schon einiges durchgemacht. Durch die Authentizität der Charaktere gelingt eine in sich schlüssige Handlung. Der flüssige Schreibstil tut sein übriges, um mich in der Geschichte zu halten. Einziges Manko: die Umsetzung der Übersetzung und damit auch der Grammatik lassen teils etwas zu wünschen übrig. Flüchtigkeitsfehler, Vertipper. Mal ein Buchstabe zu viel, mal einer zu wenig. Es zieht sich durch das gesamte Werk. Gerade bei einem Thriller ist das zuweilen schädlich, da der Leser aus der Stimmung, der Spannung herausgenommen wird.

Allerdings nur bis zur Hälfte des Buches: ab da wird es so spannend, dass ich nicht mal mehr eine Pause machen möchte. Durch die außerordentlich gute Vorarbeit der ersten Seiten, gelingt es mir, der nunmehr rasanten Geschichte ohne Rückfragen zu folgen.
Und die Spannung spitzt sich zum Ende hin noch einmal mehr zu.

Fazit

Eine tolle, durchweg spannend erzählte Geschichte. Ganz klar, dass hier ein Thriller der Thematik zugrunde liegt - doch Wie viele willst du töten ist für mich eher im Genre Krimi beheimatet.
Für diejenigen, die gern mit ermitteln und komplexe Charaktere mögen, ist dieses Buch ein tolles Leseerlebnis. Joanna Schaffhausen hat es in meine "von dieser Autorin möchte ich gern mehr lesen" Rubrik geschafft.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.03.2020

Packender Thriller mit komplexer Handlung

Opferfluss
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Opferfluss
Thriller
Heyne Verlag
Autor: Lorenz Stassen
vollständige deutsche Erstausgabe 03/2020
ISBN 978-3-453-43945-0
382 Seiten


Opferfluss ist der dritte Band einer als Trilogie ausgelegten Reihe ...

Opferfluss
Thriller
Heyne Verlag
Autor: Lorenz Stassen
vollständige deutsche Erstausgabe 03/2020
ISBN 978-3-453-43945-0
382 Seiten


Opferfluss ist der dritte Band einer als Trilogie ausgelegten Reihe um den Strafverteidiger Nicholas Meller. Wer die Entwicklung der Protagonisten und Nebencharaktere verfolgen möchte, tut gut daran, mit den ersten beiden Bänden Angstmörder und Blutacker zu beginnen. Opferfluss kann allerdings auch unabhängig davon gelesen werden, da alle für diesen Band relevanten Informationen in dieser Geschichte enthalten sind.

Das Besondere an dem Fall, den Nicholas Meller diesmal zu betreuen hat, ist, dass ihn ein alter Bekannter mandatiert: Thomas Rongen. Thomas Rongen ist als Hauptkommissar tätig und in der Vergangenheit mit Nicholas Meller aneinandergeraten. Zwischen den beiden herrscht eigentlich eine tiefe Kluft. Da sich aber gerade die Lebensumstände von Kommissar Rongen geändert haben und dieser des Mordes angeklagt wurde, hat sich auch seine Sicht auf die Arbeitsweise des Strafverteidigers Meller geändert.

Bei Übernahme des Mandats wissen beide noch nicht, was bei den Ermittlungen alles auf sie zukommt. Korruption und Gewalt gehören bald zum Alltag und ich frage mich, wie die Situation aufgelöst werden soll. Ein anderthalb Jahre zurückliegender Fall rückt immer mehr in den Mittelpunkt, bei dem Russen beteiligt sein könnten, die sich schon geraume Zeit in Deutschland etabliert haben. Und Rongen selbst kann nicht mehr ermitteln.

"Wenn du weißt, dass der Bulle von den eigenen Leuten gehasst wird. wenn niemand da ist, der seinen Tod rächen würde. Dann musst du dir keine Gedanken um ihn machen." - Seite 63

Die Geschichte ist in kurz gehaltenen Kapiteln erzählt, die es mir als Leser leicht machen, die verschiedenen Stränge zeitnah zu begleiten. Das ist toll gelungen. Somit brauchte ich auch nie nachzusehen, wie viele Seiten es noch bis zum nächsten Kapitel braucht und ich noch weiter lesen kann: ich konnte einfach lesen. Der Schreibstil ist flüssig und die Geschichte komplex, so dass ich dem Geschehen gut folgen konnte und das Miträtseln spannend gestaltet war. Und auch, wenn die Geschichte so eingängig erzählt wird und das Geschehen nachvollziehbar ist, ist es keinesfalls vorhersehbar. Hier wartet der Autor mit ungeahnten Überraschungen auf.

Die Handlungen sind schlüssig und die Charaktere handeln authentisch. Es war für mich zum Teil sehr überraschend, wie authentisch die Charaktere tatsächlich schlussendlich handeln. - Als Leser hätte ich mir das eine oder andere Mal den Ausgang einer Situation anders gewünscht.


Fazit

Ein Thriller, der mich mit Spannung und vielschichtigen Charakteren in ein äußerst komplexes Geschehen entführt hat.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Berührend vermittelt Tanja Brandt ihre Geschichte und die Liebe zu ihren Tieren

Die Eulenflüsterin
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Die Eulenflüsterin - Was ich von meinen Tieren über das Leben lernte
Bastei Lübbe Verlag
Autorin: Tanja Brandt
erschienen am 30. September 2019
215 Seiten
ISBN 978-3-7325-8005-7



"Und während die beiden ...

Die Eulenflüsterin - Was ich von meinen Tieren über das Leben lernte
Bastei Lübbe Verlag
Autorin: Tanja Brandt
erschienen am 30. September 2019
215 Seiten
ISBN 978-3-7325-8005-7



"Und während die beiden selbstvergessen umhertollen, renne ich hinterher und tauche ein in ihre Welt, von der ich ein Teil sein darf. Jetzt fällt alles von mir ab. Die ganze Hektik, der ganze Stress. Die Unsicherheit, dieses nagende Gefühl, nie genug zu sein, die Enttäuschungen meines Lebens." - Seite 13


Ein ganz und gar außergewöhnliches Buch. Tanja Brandt erzählt ihre Geschichte auf eine anschauliche und zu Herzen gehende Weise. Dabei lässt sie die menschlichen Untiefen und ihre eigenen Unzulänglichkeiten schonungslos aufeinanderprallen. Das Buch ist in zwei Teile unterteilt. Während im ersten Teil Kleine Wurzeln, keine Flügel der Fokus auf ihre Autobiografie gerichtet ist, erlebe ich im zweiten Teil Meine Tiere, mein Leben alles mit dem Blick auf die Tiere, die Tanjas Leben bislang bereichert haben.

Wenn ich mir das Leben von Tanja Brandt anschaue, bin ich überrascht, dass sie tatsächlich einmal Buchautorin werden wollte. Mit einem ganzen Keller voller Bücher, wie sie selbst erzählt, die sie dann an ihre ganzen Freunde verschenken kann. Doch das Leben hatte für Tanja Brandt andere Pläne. Tanja Brandt erzählt ihre Geschichte wie eine Vertraute, eine gute Bekannte und Freundin. Manchmal geht die Reise durch die Vergangenheit mit Zeitsprüngen einher, doch jedesmal kann ich die Geschehnisse wieder einfangen und die Erlebnisse zuordnen. Mit großem Respekt vor dem Werdegang und ihrer Leistung als Falknerin und Fotografin hat Tanja Brandt sich nun in mein Herz geschrieben.

Im Mittelteil des Buches befinden sich wundervolle Fotografien von Tanja Brandt mit ihren Eulen, Greifen und ihrem belgischen Schäferhund Ingo. Es ist eine wahre Freude diese Tiere betrachten zu dürfen. Die Aufnahmen fangen die Tiere wunderbar ein und im Anschluss beginnt auch schon der zweite Teil des Buches, in dem auf die Eigenheiten der einzelnen Tiercharaktere eingegangen wird. So ganz nebenbei lerne ich die Tiere kennen und ihre Besonderheiten zu schätzen. Ein tolles Leseerlebnis.

Fazit

Wer autobiografische Literatur in einem natürlichen Erzählstil und Greifvögel und Eulen mag, sollte sich Tanja Brandts Die Eulenflüsterin nicht entgehen lassen.

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Veröffentlicht am 30.09.2019

Unterhaltsam und intelligent - ein wahrer Drahtseilakt für die eigenen Empfindungen

Melmoth
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Melmoth
Roman
Eichborn Verlag
in der Bastei Lübbe AG
Autorin: Sarah Perry
ISBN 978-3-8479-0664-3
336 Seiten




Inhalt und Personen

Sarah Perry hat sich einen der besten englischsprachigen Werke der schwarzen ...

Melmoth
Roman
Eichborn Verlag
in der Bastei Lübbe AG
Autorin: Sarah Perry
ISBN 978-3-8479-0664-3
336 Seiten




Inhalt und Personen

Sarah Perry hat sich einen der besten englischsprachigen Werke der schwarzen Romantik vorgenommen: Melmoth the Wanderer von Charles Robert Maturin.
In ihrer Adaption ist Melmoth eine Frauengestalt, die sich sozusagen an die Fersen derjenigen zu heften scheint, die durch eine vermeintlich schlimme Tat ein schlechtes Gewissen hegen.




Protagonistin - neben Melmoth - ist in diesem Roman Helen Franklin. Helen Franklin ist 42 Jahre alt, als Übersetzerin tätig, und lebt, als hätte sie ihr Leben bereits verwirkt. Sie gönnt sich keine Freude, kein Wohlbefinden. Einzig ihre Freunde Karel und Thea bringen gelegentlich Abwechslung in ihr Leben. Helens Leben ändert sich, als sie Karels jüngst geerbtes Manuskript zum Lesen erhält. Immer wieder fragt sich Helen, wieviel Wahrheit in diesen Aufzeichnungen steckt und immer mehr spürt sie die Last ihrer Vergangenheit.


Meine Meinung

Mit Melmoth erlebt für mich der englische Schauerroman ein Comeback. Angelehnt an die 1820 erschienene Geschichte Melmoth the Wanderer erzählt Melmoth die Geschichte einer Frau, einer einsamen Zeugin der Greueltaten dieser Welt. Während Melmoth the Wanderer um seinen Wissensdurst zu stillen einen Pakt mit dem Teufel schloss auf der Welt umherwandert um jemanden zu suchen, der seinen Platz einnimmt und schließlich seine Seele rettet, sucht die Melmoth aus Sarah Perrys Geschichte eine Begleitung auf ihrer einsamen Wanderung.

Sarah Perry spielt in Melmoth mit den Gewissensbissen, dem schlechten Gewissen, mit dem der Mensch sich im Laufe der Jahre meist seit Kindheitstagen oder früher Jugend plagt.
Kleine wie große Sünden werden thematisiert und im Laufe der Geschichte durch das Manuskript, das Helen zu lesen erhält, verdeutlicht und bildhaft dargestellt. Melmoth regt dazu an, sich mit seinem eigenen Gewissen auseinanderzusetzen. Was ist wahr? Was vielleicht im Laufe der Zeit übertrieben oder verblasst? Melmoth regt außerdem dazu an, genauer hinzusehen. Selbst Zeuge zu werden und zu handeln.

"Aber Helen lässt sich nicht täuschen, hat sie nie - die böhmischen Genüsse sind nichts für sie. Nie stand sie vor dem Glockenspiel der Astronomischen Uhr, deren Erbauer man die Augen ausstach, damit er der Stadt keine Schande machen und anderswo eine noch bessere Uhr bauen konnte; sie hat auch noch nie Geld für eine Matrjoschka im Scharlachrot der englischen Fußballnationalmannschaft ausgegeben oder in aller Ruhe den Sonnenuntergang über der Moldau bewundert. Sie ist hier im Exil, denn sie hat sich eines Verbrechens schuldig gemacht, für das es, wie sie fürchtet, keine angemessene Wiedergutmachung gibt; und jetzt verbüßt sie bereitwillig ihre lebenslange Strafe, die sie sich als ihre eigene Anklägerin und Richterin auferlegt hat." - Seite 15


Die Geschichte um Melmoth ist intelligent und unterhaltsam erzählt. Die Ursache des Schreckens - der Darstellung der eigenen Schuld - ist bildlich dargestellt, lässt aber über Melmoth die notwendige Distanz spüren.

"Doch Alice wich und wankte nicht und sagte, es sei besser, die Flammen für wenige Stunden zu ertragen als bis in alle Ewigkeit." - Seite 113

Sarah Perry arbeitet in dem Buch mit zum Teil langen und aufzählungsreichen Sätzen. Diese lese ich mit Bedacht, um nichts zu verpassen. Die Geschichte an sich ist flüssig erzählt, auch wenn es zu einem - angekündigten - Wechsel des Ortes und der Personen kommt.

Melmoth ist eine fiktive Geschichte, die gut recherchiert auf geschichtliche Details verweist. Das macht das Buch für mich sehr spannend. Unterhaltsam werde ich immer wieder auf neue Begebenheiten verwiesen, die teils in gut ausgearbeiteten Fußnoten erklärt werden. Melmoth lässt sich aber auch als spannender Unterhaltungsroman lesen, ohne auf diese Details näher eingehen zu müssen. Und doch ist Melmoth keine leichte Kost.

Mir imponiert der Wechsel zwischen dem Verständnis tiefer Empfindungen und dem Versuch der Charaktere, darüber erhaben hinwegzugehen. Ein wahrer Drahtseilakt auch für meine Empfindung beim Lesen.


Fazit

Ein Buch für alle, die sich mit ihrem Gewissen und dem Wissen darum auseinandersetzen. Dazu ein unterhaltsamer und zudem informativer und gut recherchierter Schauerroman.